Berechnung des Krankengeldes für freiwillig versicherte selbstständig Erwerbstätige
Gründe:
I
Der 1946 geborene, als hauptberuflich Selbstständiger freiwillig bei der beklagten Ersatzkasse in der Beitragsklasse 607 versicherte
Kläger bezog von der Beklagten für die Zeit vom 12.9. bis 2.10.2006 und vom 11.12.2006 bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit
Krankengeld (Krg) in Höhe von 5,42 Euro kalendertäglich. Berechnungsgrundlage war das Einkommen des Klägers nach dem Einkommensteuerbescheid
2004 in Höhe von 2.816,00 Euro (Bescheid vom 5.6.2007) bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2005. Der Kläger ist mit
seinem Begehren, die Beklagte möge ihm unter Anrechnung des bereits gezahlten insgesamt höheres Krg in Höhe von kalendertäglich
76,05 Euro (hilfsweise 65,71 Euro) leisten, in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat im
Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf höheres Krg, weil er im letzten Jahr vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit
bzw vor Beginn der stationären Behandlung tatsächlich kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt habe. Die Vermutung
in §
47 Abs
4 Satz 2
SGB V, dass die Beitragsbemessung das Arbeitseinkommen des Versicherten zutreffend widerspiegele, sei widerlegt, wenn - wie im
Falle des Klägers - das tatsächlich erzielte Einkommen vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erkennbar geringer als das der
Beitragsbemessung zugrunde liegende gewesen sei (BSGE 98, 43 = SozR 4-2500 § 47 Nr 7). Wie der Kläger selbst vorgetragen habe, habe er im Jahr 2005 kein Arbeitseinkommen erzielt. Diese
Angabe könne zugrunde gelegt werden, auch wenn für dieses Jahr kein Einkommensteuerbescheid erlassen worden sei. Denn der
Kläger mache in einem weiteren Berufungsverfahren - L 4 KR 2324/08 - Anspruch auf Krg für die Zeit vom 28.9.2004 bis 8.3.2006 - mithin für das komplette Jahr 2005 - geltend (Urteil vom 30.10.2009).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes
nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG.
Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss gemäß §
160a Abs
2 Satz 3
SGG eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich
sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-1500 § 160a
Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Eine Rechtsfrage ist grundsätzlich
nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden worden ist (vgl BSG
SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52 mwN). In diesem Fall muss deshalb dargetan werden, dass für die
Frage - zB mit Blick auf einschlägige Kritik im Schrifttum oder bei den Instanzgerichten - erneut Klärungsbedarf entstanden
ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f). Daran richtet sich die Beschwerdebegründung
nur teilweise aus.
Der Kläger formuliert folgende Rechtsfragen:
1. "Ist einem freiwillig Versicherten selbstständig Tätigen, der auf Veranlassung der Krankenversicherung den höchstmöglichen
Beitrag zahlt, ein Krankengeld zu gewähren, das nicht auf Grundlage des zuletzt erzielten Einkommens berechnet wird, sondern
in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu berechnen ist?"
2. "Ist für die Ermittlung des Regelentgeltes zur Bestimmung der Höhe des Krankengeldes bei freiwillig Versicherten unter
Beachtung der Billigkeit und Verhältnismäßigkeit auf einen Zeitraum abzustellen, der die tatsächliche Leistungsfähigkeit des
Versicherten plausibel darstellt und eine sachgerechte Bewertung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Zeit der Arbeitsfähigkeit
ermöglicht und kann hierbei entweder ein(en) kurzer Zeitraum herangezogen werden, der der Leistungsfähigkeit des Versicherten
entspricht und diese realistisch abbildet oder kann auch ein Zeitraum herangezogen werden, der vor dem Kalenderjahr liegt,
das der Arbeitsunfähigkeit vorangeht, damit unverhältnismäßige und unbillige Ergebnisse zu Lasten des freiwillig Versicherten
verhindert werden?"
Der Senat lässt es offen, ob der Kläger damit Rechtsfragen hinreichend klar formuliert. Jedenfalls legt er nicht dar, dass
sie trotz der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG noch klärungsbedürftig sind oder wieder geworden sind bzw dass sie
entscheidungserheblich sind.
Soweit der Kläger sinngemäß die Rechtsfrage aufwirft, ob von dem Grundsatz, dass bei der Bemessung des Krg von hauptberuflich
Selbstständigen auf das Einkommen in einem abgelaufenen Kalenderjahr abzustellen ist, eine Ausnahme anzunehmen ist, wenn die
Zeiten der Erwerbstätigkeit in dem maßgeblichen Kalenderjahr zu kurz waren, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angemessen
wiederzugeben, wirft er möglicherweise eine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf. Insoweit hat der Senat in seinem Urteil vom
6.11.2008 offen gelassen, "ob etwas anderes gilt, wenn der Zeitraum der Erwerbstätigkeit im abgeschlossenen Kalenderjahr zu
kurz war, um einen Ausgleich zwischen unterschiedlichen monatlichen Einkünften herzustellen, oder wenn die Arbeitsunfähigkeit
im Jahr der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit eintritt" (B 1 KR 8/08 R - USK 2008-128 - juris RdNr 19). Allerdings legt der Kläger nicht hinreichend dar, dass diese Frage entscheidungserheblich
ist. Er führt nämlich weder aus, dass seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in dem Jahr vor dem Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit
- dem Jahr 2005 - nur deshalb nicht höher eingestuft werden konnte, weil die zu berücksichtigenden Zeiten der Erwerbstätigkeit
zu kurz waren, noch bringt er vor, dass er seine Erwerbstätigkeit im Jahr 2006 erstmals aufgenommen hat. Nach den Feststellungen
des LSG, die der Kläger nicht mit Verfahrensrügen erfolgreich angreift und an die der Senat gebunden ist (vgl §
163 SGG), war er vielmehr im gesamten Jahr 2005 arbeitsunfähig und damit wirtschaftlich nicht leistungsfähig.
Den übrigen Ausführungen des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass mit den aufgeworfenen Fragen klärungsbedürftige Rechtsfragen
verbunden sein könnten. Soweit der Kläger ausführt, er habe "unverschuldet" - wegen Arbeitsunfähigkeit in den Jahren 2004
und 2005 - kein (maßgebliches) Einkommen erzielt, sodass seine Einkünfte aus den Jahren 2002 und 2003 zur Krg-Berechnung hätten
herangezogen werden müssen, beachtet er nicht hinreichend, dass nach der Rechtsprechung des BSG für die Berechnung des Krg
bei hauptberuflich Selbstständigen im Grundsatz auf das Einkommen im letzten abgeschlossenen Kalenderjahr vor Eintritt der
Arbeitsunfähigkeit abzustellen ist (BSG, Urteil vom 6.11.2008 - B 1 KR 8/08 R - USK 2008-128 - juris RdNr 12 ff). Von daher hätte er darlegen müssen, weshalb der Umstand, dass schon in den letzten Jahren
vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2006 gehäuft Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgetreten waren, gegen die Berücksichtigung
des tatsächlich erzielten Einkommens im maßgeblichen Referenzzeitraum sprechen sollte und nicht vielmehr wegen der Entgeltersatzfunktion
des Krg bei fehlenden Einkünften sogar dazu führen müsste, dass dem Versicherten dann auch konsequent kein Anspruch auf Krg
zusteht. Der Kläger setzt sich nicht hinreichend damit auseinander, dass die Entgeltersatzfunktion des Krg - wie der Senat
bereits entschieden hat - auch bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen gewahrt bleiben muss (vgl ausführlich BSGE
92, 260 = SozR 4-2500 § 47 Nr 1, jeweils RdNr 6 ff).
Das Vorbringen des Klägers, der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgestellte Grundsatz sei verletzt, dass gleich hohe
Beiträge keine unterschiedlich hohen Ansprüche auf Krg begründen dürfen (BVerfGE 92, 53 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 21), vermag die Klärungsbedürftigkeit der Fragen ebenfalls nicht darzulegen. Die Beschwerdebegründung
würdigt nicht hinreichend, dass das BSG zu diesem Einwand bereits Stellung genommen hat: Das BVerfG hat in derselben Entscheidung
ebenfalls ausgesprochen, dass der Versicherte durch die Berechnung von Lohnersatzleistungen nicht besser gestellt werden darf,
als er ohne Eintritt des Versicherungsfalls steht (BVerfG, ebenda, SozR S 21 f). Unter diesem Blickwinkel ist eine den Sinn
und Zweck der Regelung in den Vordergrund stellende einschränkende Auslegung von §
47 Abs
4 Satz 2
SGB V nicht nur verfassungsrechtlich erlaubt, sondern sogar geboten (BSGE 92, 260 = SozR 4-2500 § 47 Nr 1 RdNr 16).
Soweit der Kläger vorbringt, bei Pflichtversicherten könne nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 2200 § 182 Nr 59; BSGE 74,
199 = SozR 3-4100 § 59 Nr 5) ein anderer Beobachtungs- oder Bezugszeitraum berücksichtigt werden, um Zufallsergebnisse zu vermeiden,
und deshalb wegen der anderen Behandlung der freiwillig Versicherten einen Verstoß gegen Art
3 Abs
1 GG rügt, legt er die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dar. Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit (hier: Verstoß gegen
den Gleichheitssatz) einer Regelung beruft, darf sich nämlich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze
beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten
Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB BSG, Beschlüsse vom 4.4.2006 - B 12 RA 16/05 B und vom 16.2.2009 - B 1 KR 87/08 B). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen
Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des
GG dargelegt werden. An alledem fehlt es. So geht die Beschwerdebegründung weder auf die vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen
für einen Verstoß gegen Art
3 Abs
1 GG ein noch auf die Auslegung des §
47 Abs 4 Satz 2
SGB V durch das BSG (vgl insbesondere SozR 4-2500 §
47 Nr 10 RdNr 17 f). Sie berücksichtigt damit nicht hinreichend die Unterschiede der Ermittlung des Regelentgelts bei Pflicht-
und freiwillig Versicherten. Insoweit hätte es auch einer Auseinandersetzung damit bedurft, dass §
47 Abs
4 Satz 2
SGB V bei selbstständigen Erwerbstätigen das Arbeitseinkommen als für die Ermittlung des Regelentgelts maßgeblich ansieht, das
nach §
15 Abs
1 Satz 1
SGB IV definiert wird als der nach dem allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus
einer selbstständigen Tätigkeit. Auch sozialversicherungsrechtlich muss mithin - anders als etwa bei einem abhängig Beschäftigten
- auf das Kalenderjahr als dem steuerrechtlich maßgeblichen Veranlagungszeitraum abgestellt werden (BSG SozR 4-2500 § 47 Nr
10 RdNr 17). Weshalb es angesichts dieser Ausführungen des BSG zweifelhaft sein sollte, dass es auf das Kalenderjahr - unabhängig
von der Dauer der Krankheitsphasen - ankommt, thematisiert der Kläger nicht.
2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.