Anspruch auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Mit Urteil vom 20.11.2019 hat das LSG Sachsen-Anhalt einen Anspruch des Klägers auf freiwillige Weiterversicherung in der
Arbeitslosenversicherung verneint und seine Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Halle vom 27.10.2016 zurückgewiesen.
Der Kläger hat sein im Haupterwerbe angemeldetes Gewerbe im Bereich Industriemontagen in der Getränke- und Lebensmittelindustrie,
Kabelverlegung im Hochbau, Dienstleistungen im Baunebengewerbe und Hausmeistertätigkeiten zweimal vorübergehend als Nebengewerbe
umgemeldet und in dieser Zeit für elf Tage bzw etwas mehr als zwei Monate Arbeitslosengeld bezogen. Einen weiteren Anspruch
auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung nach erneuter Ummeldung in ein Hauptgewerbe hat das LSG
mit der Begründung verneint, das Versicherungspflichtverhältnis habe kraft Gesetzes mit Ablauf des 1.9.2013 geendet. Mit der
Wiederaufnahme der hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit ab dem 13.11.2013 sei wegen §
28a Abs
2 Satz 2
SGB III kein neues Versicherungspflichtverhältnis begründet worden. Der Kläger sei versicherungspflichtig bei selbstständiger Tätigkeit
gewesen, habe die zu dieser Versicherungspflicht führende Tätigkeit bereits zweimal unterbrochen und in den Unterbrechungszeiten
jeweils einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der
Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensfehler geltend (§
160 Abs
2 Nr
1 und
3 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Keiner der in §
160 Abs
2 SGG genannten Gründe werden in der Beschwerdebegründung nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt.
Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 §
160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Fichte/Jüttner,
SGG, 3. Aufl 2020, §
160a RdNr 32 ff).
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus
dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. In der Beschwerdebegründung muss deshalb unter Auswertung der
Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgebracht werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung
gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch
nicht beantwortet worden ist (vgl bereits Senatsbeschluss vom 17.6.2019 - B 5 R 61/19 B - juris RdNr 9). Leitet eine Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen des
GG ab, darf sie sich nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung
der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen
Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr, zB bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 f = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 13 f; aus jüngster Zeit BSG Beschluss vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 11 mwN).
Der Kläger benennt als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung:
"Verstößt die Regelung des §
28a Abs.
2 Satz 2
SGB III gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.
3 Abs.
1 GG sowie das in Art.
20 Abs.
1 GG festgelegte Sozialstaatsprinzip?"
Sowie als weitere Rechtsfrage: "Ist §
28a Abs.
2 Satz 2
SGB III dahin teleologisch zu reduzieren, dass kurze Unterbrechungen der selbstständigen Tätigkeit nicht tatbestandsmäßig wirken?"
Der Kläger trägt vor, es fehle bisher an höchstrichterlicher Rechtsprechung dazu. Der allgemeine Gleichheitssatz gebiete dem
Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Verboten sei auch ein gleichheitswidriger
Ausschluss, bei dem eine Begünstigung dem einen Personenkreis gewährt, dem anderen aber vorenthalten werde. Hier würden Personen
benachteiligt, bei denen bereits kurze Unterbrechungsfristen - im Falle des Klägers von gerade einmal zehn Tagen - als Unterbrechung
ihrer selbstständigen Tätigkeit angesehen würden.
Soweit der Kläger zwei Entscheidungen von Landessozialgerichten wiedergibt (LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 1.12.2014 - L 14 AL 134/13 - und LSG Hamburg Urteil vom 29.8.2018 - L 2 AL 46/17), kann sich daraus allein noch keine Klärungsbedürftigkeit im Rahmen der grundsätzlichen Bedeutung iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG ergeben. Zum Senatsurteil vom 7.4.2016 (B 5 AL 1/15 R - NZS 2016, 714) führt der Kläger lediglich aus, dass ihm ein anderer Sachverhalt zugrunde lag und sich die dortigen Ausführungen zur Verfassungsmäßigkeit
auf eine andere Regelung im Rahmen des §
28a SGB III bezogen hätten. Nähere Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit wären jedoch zur behaupteten Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes
erforderlich gewesen. Wie der Kläger zu Recht vorträgt, gebietet Art
3 Abs
1 GG dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (aus jüngster Zeit vgl BVerfG Urteil vom 26.5.2020 - 1 BvL 5/18 - juris RdNr 94). Die Beschwerdebegründung lässt schon die Bildung von Vergleichsgruppen vermissen. Auch fehlt es an der notwendigen Auseinandersetzung
mit möglichen Sachgründen für den vom Gesetzgeber formulierten Ausschlusstatbestand des §
28a Abs
2 Satz 2
SGB III, wonach zweimalige Unterbrechungen der Begründung eines weiteren Versicherungspflichtverhältnisses entgegenstehen. Dies gilt
insbesondere im Hinblick darauf, dass der Senat - wie ihn auch der Kläger zitiert - die weitgehende sozialpolitische Gestaltungsfreiheit
des Gesetzgebers bei der Schaffung einer freiwilligen Weiterversicherung betont hat, während dem geltenden Recht eine allgemeine
Versicherungsberechtigung aller Selbstständigen der Arbeitslosenversicherung fremd ist (vgl BSG Urteil vom 7.4.2016 - B 5 AL 1/15 R - juris RdNr 32). In der Beschwerdebegründung wird zwar behauptet, der Gesetzgeber habe seine Gestaltungsfreiheit verletzt "mit der pauschalen
Regelung", dass eine zweimalige Unterbrechung, unabhängig von der "jeweiligen Motivlage des selbstständig Tätigen" schade.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, der Gesetzgeber habe "klare Aussagen darüber zu treffen, welche Unterbrechungszeiträume
tatbestandsmäßig wirken und welche nicht", ist schon unklar, ob dieser Vortrag im Kontext von Art
3 Abs
1 GG steht oder vielmehr das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip nach der sog Wesentlichkeitstheorie betrifft (vgl dazu BVerfG Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 RdNr 85). Weitere Erklärungen dazu fehlen. Jedenfalls trägt der Kläger selbst unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien vor, der
Gesetzgeber habe einer zweckwidrigen Nutzung der Versicherungsmöglichkeit durch einen wiederkehrenden Wechsel von selbstständiger
Tätigkeit und Leistungsbezug entgegenwirken wollen (BT-Drucks 17/1945 S 14). Zu diesem Aspekt, der gerade bei kurzzeitigen Unterbrechungen wie im Falle des Klägers von maßgebender Bedeutung ist, verhält
sich die Beschwerdebegründung nicht. Die vom Kläger geltend gemachte Notwendigkeit einer verfassungskonformen teleologischen
Reduktion des §
28a Abs
2 Satz 2
SGB III bei kurzen Unterbrechungen erschließt sich daher nicht.
Zu einem möglichen Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip hält der Kläger unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG
fest, diese Staatszielbestimmung verpflichte die Staatsorgane unmittelbar, bedürfe aber zu ihrer Verwirklichung in hohem Maße
der Konkretisierung durch den Gesetzgeber. Diesem stünde bei der Umsetzung ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum
zu. Woraus sich im konkreten Fall eine Verfassungswidrigkeit von §
28a Abs
2 Satz 2
SGB III ergeben soll, begründet der Kläger auch insoweit nicht.
2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert und schlüssig dargetan werden (stRspr, zB BSG Beschluss vom 21.1.2020 - B 13 R 190/19 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 4.8.2020 - B 5 R 39/20 B - juris RdNr 11).
Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Der Kläger rügt als absoluten Revisionsgrund die vorschriftswidrige
Besetzung des erkennenden Senats des LSG und beruft sich auf Art
101 Abs
1 Satz 2
GG, §
202 Satz 1
SGG iVm §
16 Satz 2
GVG. Seinen Ausführungen kann jedoch nicht entnommen werden, aus welchen Gründen der Richter am LSG Dr. P. nicht an der Entscheidung
hat mitwirken dürfen. Der Kläger führt unter Bezugnahme auf den senatsinternen Geschäftsverteilungsplan vom 19.9.2019 (Anlage BB2) lediglich aus, dass nach dem Aktenzeichen "L 2 AS 69/16" Richter am LSG Dr. S. in dieser Sache Berichterstatter und somit die Spruchgruppe Sch./Dr. S./W. zur Entscheidung berufen
gewesen sei. Daher hätte das LSG nicht unter Mitwirkung von Richter am LSG Dr. P. anstelle von Richter am LSG Dr. S. entscheiden
dürfen. Dieser Darstellung kann schon deshalb eine schlüssige Besetzungsrüge nicht entnommen werden, weil sie keinerlei Ausführungen
dazu enthält, ob Richter am LSG Dr. S. am Sitzungstag verhindert war und wer ihn in diesem Fall zu vertreten hatte (vgl §
21g Abs
4 GVG). Auch galt die vom Kläger zitierte Zuordnung zu den einzelnen Dezernaten nach Maßgabe der in Abschnitt III der senatsinternen
Geschäftsverteilung aufgeführten Endziffern erst für "Eingänge ab dem 1. Oktober 2019". Aus welchen Gründen diese Zuständigkeitsregelung
für das damals bereits anhängige Berufungsverfahren des Klägers hätte gelten sollen, erschließt sich aus der Beschwerdebegründung
ebenfalls nicht.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 und 4
SGG.