Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1966 im ehemaligen Jugoslawien geborene Klägerin hat keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt. Sie ist Analphabetin.
Sie war von Juni 1988 bis zu einem im März 1991 erlittenen Arbeitsunfall als Hilfsarbeiterin und von September 1992 bis Mai
2003 als Reinigungskraft (20 Wochenstunden) versicherungspflichtig beschäftigt. Die Klägerin bezieht aufgrund des Arbeitsunfalls
im Jahr 1991, bei dem sie eine Fraktur der rechten Kniescheibe erlitten hatte, eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung
nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 %. Für die Klägerin ist von der Versorgungsverwaltung ein Grad der
Behinderung - GdB - von 50 anerkannt u.a. für Schwerhörigkeit (Einzel-GdB 40), Funktionsstörungen am rechten Knie (Einzel-GdB
20) und an der Wirbelsäule, Fibromyalgie (Einzel-GdB 20).
Nachdem von der ARGE für Beschäftigung A-Stadt GmbH mit Bescheid vom 8. September 2005 die Bewilligung von Arbeitslosengeld
II ab 1. Oktober 2005 mit der Begründung aufgehoben wurde, ausweislich des Gutachtens vom 22. August 2005 des Internisten
und Lungenfacharztes Dr. H. sei die Klägerin auf Dauer nicht mehr in der Lage, mindestens drei Stunden täglich Arbeiten zu
verrichten, begehrte die Klägerin mit Antrag vom 8. September 2005 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung von der
Beklagten. Zur Begründung verwies sie auf Gesundheitsstörungen am ganzen Körper.
Der von der Beklagten zunächst beauftragte Orthopäde Dr. M. stellte in seinem Gutachten vom 7. November 2005 bei der Klägerin
Syndrome an der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule, eine Gonalgie rechts, Knick-Senk-Spreizfüße, eine Adipositas (BMI 32)
sowie eine somatoforme Schmerzstörung fest. Es bestünden Verdeutlichungsbemühungen. Verständigungsschwierigkeiten bei dem
in normaler Lautstärke geführten Untersuchungsgespräch seien nicht aufgetreten. Die Klägerin sei noch vollschichtig leistungsfähig
für leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie als Reinigungskraft.
In einem allgemeinärztlichen Gutachten von Dr. L. vom 21. November 2005 sind folgende Diagnosen aufgeführt:
1. diffuse wechselnde Gelenkschmerzen
2. chronische Bronchitis bei fortgesetztem Nikotinkonsum
3. Cervikocephalgien bei leichtem degenerativem Halswirbelsäulensyndrom
4. Gonalgie rechts
5. Verdacht auf analgetikainduzierten Kopfschmerz
6. Schwerhörigkeit
7. Drang- und Belastungsinkontinenz
8. Metabolisches Syndrom mit Adipositas, arterieller Hypertonie und Fettstoffwechselstörung.
In dem Gutachten wird darauf verwiesen, mit der extrem schwerhörigen Versicherten sei eine Kommunikation nur mit sehr lauter
Sprache und Lippenablesen durch die Versicherte möglich. Eine Hörgeräteversorgung erfolge aufgrund von Ängsten vor dem HNO-Arzt
nicht. Eine bewusste Aggravation liege nicht vor, sondern eher eine einfältige Konstitution und Angst vor Ärzten. Auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt bestünde noch ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für leichte Arbeiten. Als Reinigungskraft
sei die Klägerin nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich einsetzbar. Die Durchführung einer Maßnahme der stationären Rehabilitation
wurde angeregt.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit angefochtenem Bescheid vom 29. November 2005 den Rentenantrag ab. Zur Begründung des hiergegen
erhobenen Widerspruchs wurde auf die Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule und an den unteren Extremitäten sowie auf die
Feststellungen von Dr. H. verwiesen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2006 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG), ohne diese näher zu begründen. Das SG zog Befundberichte des HNO-Arztes Dr. B., des Orthopäden Dr. L. und der Allgemeinmedizinerin Dr. K. bei. Es erhob gemäß §
106 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - Beweis durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. B. und eines Hals-Nasen-Ohren-ärztlichen Gutachtens von
Dr. K ...
Dr. B. diagnostizierte bei der Klägerin in seinem Gutachten vom 27. September 2006 eine undifferenzierte Somatisierungsstörung,
eine Neurasthenie sowie eine Schwerhörigkeit beidseits. Die Klägerin könne noch leichte Arbeiten möglichst wechselweise im
Gehen, Stehen und Sitzen in geschlossenen Räumen und bei Ausschluss von Kälte und Nässe auch im Freien vollschichtig mit den
üblichen Unterbrechungen eines normalen Arbeitstages ausüben. Das Heben und Tragen schwerer Lasten, häufiges Bücken, Tätigkeiten
unter Akkordbedingungen und Fließbandarbeiten sollten der Klägerin ebenso wenig zugemutet werden wie Nachtschichttätigkeiten.
Sie könne nur Tätigkeiten mit geringem intellektuellem Anspruch ausüben. Auch ihrem Analphabetismus müsse Rechnung getragen
werden.
Dr. K. stellte bei der Klägerin einen Zustand nach Ohroperation beidseits mit derzeit reizlosen örtlichen Verhältnissen und
ausgeprägter Schwerhörigkeit beidseits fest. Eine angegebene Gleichgewichtsstörung habe nicht objektiviert werden können.
Die Klägerin könne noch sämtliche Frauenarbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig
mit betriebsüblichen Pausen ausführen, die keine Anforderungen an ein intaktes Gehör stellten. Nicht mehr möglich seien Arbeiten
mit häufiger Telefonbedienung, Publikumsverkehr, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie an rotierenden Maschinen und am Fließband.
Die Beklagte verwies daraufhin die Klägerin auf Tätigkeiten als Sortiererin, Montiererin und Verpackerin und legte entsprechende
berufskundliche Stellungnahmen vor.
Mit Urteil vom 14. September 2007 wies das SG die Klage ab. Auch unter Berücksichtigung des Analphabetismus und der von den Gutachtern dargelegten Leistungseinschränkungen
liege bei der Klägerin keine Erwerbsminderung vor. Der Arbeitsmarkt sei nicht verschlossen. Der Klägerin seien noch ungelernte
Tätigkeiten wie das Zureichen, Abnehmen, Reinigen, Sortieren und Verpacken leichter und kleiner Teile möglich. Sie könne noch
auf Tätigkeiten in der Kunststoff- und Metallindustrie, wie sie in der von der Beklagten vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung
dargestellt werden, zumutbar verwiesen werden. Anforderungen an ein intaktes Gehör seien bei diesen Tätigkeiten nicht ersichtlich.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. In der mündlichen Verhandlung sei
darauf hingewiesen worden, dass bei der Klägerin nicht nur Analphabetismus, sondern auch eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit
vorliege. Die verordneten Hörgeräte könne die Klägerin wegen Eiterungsprozessen in den Ohren nicht tragen. Ein Antrag auf
Einholung einer aktuellen ärztlichen Auskunft hierüber sei nicht zu Protokoll genommen worden. Diese Tatsache sei vom SG nicht hinreichend aufgeklärt worden. Die Klägerin legte eine Bestätigung des Hörhilfenversorgers Amplifon vom 12. Februar
2008 vor, wonach sie die Hörgeräteversorgung am 12. Juli 2007 abgebrochen habe. Laut Amplifon hat die Klägerin als Grund hierfür
ständige Schmerzen und Entzündungen im Gehörgang angegeben. Schließlich hätte das SG prüfen müssen, ob aufgrund der Kombination von Analphabetismus und an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit eine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bei der Klägerin vorliege. Insoweit sei auch von Bedeutung, ob die Klägerin in der
Lage sei, ständig oder überwiegend ihre Hörgeräte zu tragen. Denn nur dann scheine das notwendige Mindestmaß an Kommunikationsfähigkeit
vorzuliegen, das an jedem Arbeitsplatz notwendig sei. Die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens wurde beantragt.
Der Senat hat Befundberichte des HNO-Arztes A. beigezogen. Es hat gemäß §
106 SGG Beweis erhoben durch ein psychiatrisches Gutachten von Dr. M. vom 8. Oktober 2008. Dr. M. hat bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen
festgestellt:
1. anhaltende somatoforme Schmerzstörung
2. Neurasthenie
3. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit rechts, hochgradige Schwerhörigkeit links
4. Schmerzmittelmissbrauch
5. Verdacht auf analgetikainduzierten Kopfschmerz.
Die Klägerin könne noch leichte und geistig einfache Arbeiten abwechselnd im Gehen, Stehen oder Sitzen in geschlossenen Räumen,
gelegentlich im Freien 8 Stunden täglich verrichten. Nicht mehr zumutbar seien Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an
die nervliche und psychische Belastbarkeit bzw. an den Gleichgewichtssinn, unter besonderem Zeitdruck (Akkord-, Fließbandarbeit),
Nacht- und Wechselschicht, Heben und Tragen schwerer Lasten, häufiges Bücken und Tätigkeiten auf Treppen, Leitern und Gerüsten,
Arbeiten in Kälte und Nässe oder mit Publikumsverkehr. Die Klägerin könne nur einfache geistige Tätigkeiten unter Berücksichtigung
des Analphabetismus verrichten. Zumutbar seien Tätigkeiten als Prüferin in der Kunststoff- oder Metallindustrie oder als Montiererin
bzw. Verpackerin von Kleinteilen.
Der Klägerbevollmächtigte legte daraufhin ein Attest des behandelnden HNO-Arztes A. vor, wonach eine adäquate Hörgeräteanpassung
zunehmend unwahrscheinlich sei. Die genannten Verweisungstätigkeiten seien der Klägerin aufgrund der Kombination von Analphabetismus
und an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit nicht mehr zuzumuten. Ein Befundbericht des Klinikums S. sowie ein vorläufiger
Entlassungsbericht der urologischen Abteilung des Krankenhauses der barmherzigen Brüder wurden übersandt, wonach bei der Klägerin
ein Tumor am rechten Oberarm (Verdacht auf Osteochondrom) sowie eine abszedierende Nephritis vorlägen. Nach einer weiteren
gutachterlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 28. Januar 2009 könne die Klägerin noch halbschichtig (3 bis 6 Stunden täglich)
leichte Arbeiten überwiegend sitzend und zeitweise stehend und gehend verrichten.
Der Senat hat daraufhin eine berufskundliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Bayern - eingeholt.
Hierin wird unter dem 18. Juni 2010 mitgeteilt, für Tätigkeiten als Verpackerin von Kleinteilen, Prüferin oder Sortiererin
in der Kunststoffindustrie und Montiererin existierten typische Arbeitsplätze, die sich durch körperlich leichte und geistig
einfache Tätigkeiten auszeichnen und die trotz Analphabetismus und Schwerhörigkeit ausgeübt werden können und somit dem Leistungsvermögen
der Klägerin entsprechen. Technische Hilfsmaßnahmen seien bei Beeinträchtigungen durch einseitige Körperhaltung sowie Probleme
durch Lärm bei Schwerhörigkeit mit und ohne Hörgerät denkbar. Allerdings seien Schicht- und Akkordarbeit häufig anzutreffen.
An solchen Arbeitsplätzen sei Zeitdruck daher nicht auszuschließen. Aus berufskundlicher Sicht könne die Klägerin, bei entsprechender
erfolgreicher ärztlicher Hilfe, mindestens 6 Stunden täglich unter den allgemeinen Bedingungen des Arbeitsmarktes als Verpackerin
von Kleinteilen, Prüferin oder Sortiererin in der Kunststoffindustrie und als Montiererin tätig sein.
Der Senat hat dann weitere aktuelle Befundberichte des Orthopäden Dr. G., des Allgemeinmediziners Dr. F., des Frauenarztes
Dr. H. sowie eine ergänzende Stellungnahme von Dr. M. zu der Frage eingeholt, ob unter Berücksichtigung der neuen Befundberichte
die in der berufskundlichen Stellungnahme genannten Verweisungstätigkeiten aus medizinischer Sicht der Klägerin zugemutet
werden können. Dies wurde von Dr. M. in ihrer Stellungnahme vom 17. September 2010 bejaht.
Die Klägerin hat hierzu ausgeführt, die Bundesagentur für Arbeit habe die Zahl der in der Bundesrepublik vorhandenen Arbeitsplätze
nicht angeben können. Auch sei die Klägerin den gesundheitlichen Anforderungen dieser Berufe nicht gewachsen, insbesondere
im Hinblick auf das eingeschränkte Hörvermögen der Klägerin und die Tatsache, dass diese Tätigkeiten mit Schicht- und Akkordarbeiten
verbunden sowie eine Lärmexposition nicht auszuschließen sei. Die Feststellungen im berufskundlichen Gutachten und im Gutachten
von Dr. M. seien widersprüchlich hinsichtlich der Frage, ob die Klägerin noch Tätigkeiten verrichten könne, die mit Lärm oder
taktgebundener Arbeit bzw. Zeitdruck oder Schichtarbeit verbunden sind. Darüber hinaus wurde auf das Gutachten von Dr. H.
vom 28. Januar 2009 verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. September 2007 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. November
2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin
aufgrund ihres Antrags vom 8. September 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung
zu zahlen und die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 29. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
10. Februar 2006 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß §
43 Abs.
2 SGB VI bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß §
43 Abs.
1 SGB VI zu. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§
43 Abs.
1,
240 Abs.
1,
2 SGB VI kommt nicht in Betracht, da die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist.
Gem. §
43 Abs.
1,
2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung,
wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung
oder Tätigkeit haben
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer
Stande sind, unter den üblichen Be- dingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 bzw. 3 Stunden täglich erwerbstätig
zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann;
dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme vor dem SG und dem LSG steht für den erkennenden Senat fest, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin zwar qualitativ hinsichtlich der
Art und Schwere der noch möglichen Tätigkeiten gemindert ist, ohne dass die qualitativen Leistungseinschränkungen jedoch einen
rentenerheblichen Umfang angenommen hätten. Eine quantitative Leistungseinschränkung liegt jedenfalls für Tätigkeiten als
Verpackerin von Kleinteilen nicht vor. Diese Verweisungstätigkeit kann die Klägerin noch 6 Stunden und mehr täglich ausüben.
Nach den überzeugenden Feststellungen sämtlicher vom SG und vom LSG beauftragten Sachverständigen ist die Klägerin noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und
mehr täglich leichte Arbeiten mit bestimmten qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Bei den gesundheitlichen Einschränkungen
der Klägerin stehen die somatoforme Schmerzstörung sowie die Schwerhörigkeit im Vordergrund. Die von der Klägerin geschilderten
Ganzkörperschmerzen lassen sich nach den Feststellungen von Dr. M. nur teilweise durch degenerativ bedingte Veränderungen
im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates sowie durch den Zustand nach wiederholten operativen Ein- griffen an den Ohren
erklären. So liegen bei der Klägerin nur geringe degenerative Wirbelsäulenveränderungen vor. Hinweise für ein sensomotorisches
Defizit ergaben sich in Bezug auf die geklagten wirbelsäulenabhängigen Beschwerden nicht. Die Wirbelsäule erwies sich bei
der Untersuchung durch Dr. M. als ausreichend umkrümmungsfähig. Bei der Prüfung der Motorik durch Dr. M. ergaben sich - abgesehen
von einer leichten Muskelatrophie der rechten Wade bei Zustand nach Knieoperation - bei schlechter Mitarbeit der Klägerin
keine Auffälligkeiten. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen von Dr. B., der bei der Untersuchung des Bewegungsapparates der
Klägerin abgesehen von einer ausgeprägten Klagsamkeit ebenfalls keine wesentlichen Auffälligkeiten feststellen konnte.
In psychopathologischer Hinsicht war bei überwiegend indifferenter Stimmungslage die affektive Schwingungsfähigkeit der Klägerin
ausreichend. Es bestand keine Affektlabilität, der formale Denkablauf war geordnet bei einfachen Denkstrukturen. Die Psychomotorik
war nur leicht verlangsamt, eher bedächtig. Hinweise für mnestische Störungen oder eine depressive Erkrankung fanden sich
bei der Untersuchung durch Dr. M. ebenso wenig wie eine relevante Angststörung.
Auch aus Gesundheitsstörungen auf HNO-ärztlichem Fachgebiet resultiert nach den überzeugenden Feststellungen von Dr. K. keine
Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Insoweit liegt bei der
Klägerin eine ausgeprägte Schwerhörigkeit beidseits vor. Eine Gleichgewichtsstörung konnte von Dr. K. nicht festgestellt werden.
Aus der Schwerhörigkeit resultiert jedoch nur eine Einschränkungen für Arbeiten, die ein intaktes Gehör voraussetzen. Es verbieten
sich also Arbeiten mit häufiger Telefonbedienung und mit Publikumsverkehr.
Auch aus den nach Erstellung der Sachverständigengutachten vorgelegten Befundberichten ergibt sich nach den Feststellungen
von Dr. M. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 17. September 2010 kein medizinisch durchgreifend anderes Bild. Hervorzuheben
ist hier vor allem, dass sich der Verdacht auf einen Tumor am rechten Oberarm nicht bestätigt hat. Eine MRT der rechten Schulter
mit proximalem Oberarm vom 5. Juni 2009 ergab keinen Hinweis auf einen tumorösen Prozess.
Die hiervon abweichende gutachterliche Stellungnahme von Dr. H., zuletzt vom 28. Januar 2009, konnte den Senat nicht überzeugen.
Die äußerst knapp gehaltene Stellungnahme von Dr. H. lässt jegliche Begründung vermissen. Auf welche Befunde sich diese sozialmedizinische
Leistungsbeurteilung stützt, geht hieraus nicht nachvollziehbar hervor. Hinzu kommt, dass Dr. H. noch ein Leistungsvermögen
der Klägerin von 3 bis 6 Stunden, nicht 3 bis unter 6 Stunden, für gegeben hält. Bei Leistungsvermögen von 6 Stunden ist eine
rentenrelevante Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin nicht gegeben.
Trotz dieses festgestellten Leistungsvermögens der Klägerin von 6 Stunden und mehr für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt wäre ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung jedoch dann gegeben, wenn bei ihr eine
Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt und der Klägerin
keine Tätigkeit benannt werden kann, die sie trotz ihrer qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich
verrichten kann. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende
Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B5 RJ 64/02 R). Als
Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen. Das Merkmal "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen"
trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder
Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können.
In diesen Fällen besteht für den Versicherungsträger die Verpflichtung, ausnahmsweise eine konkrete Tätigkeit zu benennen,
weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle
bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen
gibt oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG, Urteil vom 10. Dezember
2003, B5 RJ 64/02 R, in juris).
Bei Prüfung der Frage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, sind grundsätzlich alle qualitativen
Einschränkungen zu berücksichtigen, die nicht bereits von dem Erfordernis "körperlich leichte Arbeit" erfasst werden. Es umfasst
begrifflich unter anderem solche Leistungseinschränkungen, die das Seh- und Hörvermögen, die Handbeweglichkeit oder die Einwirkung
bestimmter Witterungseinflüsse (Kälte, Nässe, Staub) betreffen (KassKomm, Bd. 1, §
43 SGB VI Rn. 47). Auch der Analphabetismus der Klägerin ist in diesem Zusammenhang von Belang, unabhängig davon, ob er auf eine Gesundheitsstörung
oder Behinderung zurückzuführen ist. Denn dieses individuelle Defizit kann den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt zusammen
mit anderen Leistungseinschränkungen über das übliche Maß hinaus erschweren (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B5 RJ
64/02 R, aaO.).
Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen mit der Pflicht der Benennung einer konkreten Tätigkeit ist aber dann
zu verneinen, wenn sich Arbeitsfelder bezeichnen lassen, auf denen der Versicherte mit seinen Einschränkungen noch tätig sein
kann. Unter Berücksichtigung der von den Gerichtsachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, die
nicht bereits durch das Erfordernis "körperlich leichte Tätigkeiten" erfasst werden - hier der Ausschluss von Arbeiten unter
Einfluss von Kälte, Nässe und Zugluft, Arbeiten, die besondere Anforderungen an das Hörvermögen stellen, Arbeiten mit Publikumsverkehr
sowie der Analphabetismus der Klägerin - ist der Senat aufgrund der vorliegenden berufskundlichen Stellungnahmen und der hierzu
abgegebenen ergänzenden Stellungnahme von Dr. M. der Auffassung, dass die Klägerin jedenfalls noch Tätigkeiten als Verpackerin
von Kleinteilen verrichten kann. Hierbei handelt es sich um eine verweisungsfähige Tätigkeit. Bei der Prüfung von Verweisungstätigkeiten
im Rahmen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sind an das Benennungsgebot nicht derart strenge Anforderungen
zu stellen wie bei einer Verweisung im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei
Berufsunfähigkeit. Hier genügt die Bezeichnung von Arbeitsfeldern wie Prüfer, Montierer oder Verpacker von Kleinteilen (KassKomm-Niesel
§
240 SGB VI Rdn. 117, BSG; Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 57/96, in juris).
Mit ihrem gesundheitlichen Leistungsvermögen kann die Klägerin noch Tätigkeiten als Verpackerin von Kleinteilen 6 Stunden
und mehr täglich verrichten. Nach der berufskundlichen Stellungnahme vom 18. Juni 2010 arbeiten Verpacker von Kleinteilen
in nahezu allen Wirtschaftsbranchen. Hierbei handelt es sich um ungelernte Tätigkeiten oder einfache Anlerntätigkeiten, die
keine Ausbildung oder besondere geistige bzw. intellektuelle Fähigkeiten voraussetzen. Sie werden in der Regel am Arbeitsplatz
eingewiesen. Ein Großteil der Verpackungstätigkeiten ist körperlich eher leicht und damit ein typischer Frauenarbeitsplatz.
Die Arbeiten werden entweder im Stehen oder im Sitzen überwiegend in geschlossenen Räumen verrichtet. Arbeiten auf Leitern,
Treppen und Gerüsten und Arbeiten an rotierenden Maschinen sowie das Heben und Tragen schwerer Lasten fallen hierbei nicht
an, denn die Verpacker können sich die zu verpackende Ware unmittelbar auf den Packtisch stellen lassen.
Wichtig sind eine beidseitige Gebrauchsfähigkeit der Hände und ein gutes Sehvermögen. In dieser Beziehung bestehen bei der
Klägerin jedoch keinerlei Einschränkungen.
Ein eingeschränktes Hörvermögen und Analphabetismus stehen derartigen Arbeiten in der Regel nicht entgegen. Eine Lesefähigkeit
wird bei Verpackungstätigkeit nach den für den Senat nachvollziehbaren Feststellungen der berufskundlichen Sachverständigen
nicht vorausgesetzt. Telefonbedienung und Publikumsverkehr können ebenfalls ausgeschlossen werden. Auch eine eventuelle auftretende
Lärmexposition ist nach Auffassung des Senats kein Hindernis für die Klägerin, eine derartige Tätigkeit auszuüben. Zwar hat
Dr. M. in ihrer ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, die Klägerin könne keine Tätigkeit unter Lärmbelastung verrichten. Insoweit
ist aber zum einen darauf zu verweisen, dass dies eine fachfremde Einschätzung darstellt, die zudem nicht begründet worden
ist. Der zuständige Facharzt Dr. K. hat eine derartige Leistungseinschränkung nicht formuliert. Der Senat folgt insoweit der
Leistungseinschätzung des HNO-Arztes Dr. K ... Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach den Feststellungen
der berufskundlichen Sachverständigen die Tätigkeiten als Verpackerin von Kleinteilen ohne weiteres mit dem dann gebotenen
Gehörschutz verrichten kann. Die berufskundliche Sachverständige hat ausführlich dargelegt, dass derartige Hörschutzmöglichkeiten
für Schwerhörige sowohl mit als auch ohne Hörgeräteversorgung gegeben sind. Dr. M. hat auch in Kenntnis dieser berufskundlichen
Stellungnahme eine Tätigkeit als Verpackerin von Kleinteilen für möglich erachtet. Eine eventuell auftretende Lärmexposition
steht daher einer Tätigkeit als Verpackerin von Kleinteilen nach Auffassung des Senats nicht entgegen.
Die bei der Klägerin gegebene eingeschränkte Merk- und Konzentrationsfähigkeit stellt nach den Ausführungen der berufskundlichen
Sachverständigen ebenfalls kein Hindernis zur Ausübung einer Tätigkeit als Verpackerin von Kleinteilen dar.
Zwar können Tätigkeiten als Verpackerin von Kleinteilen auch mit Zeitdruck bzw. Schicht- oder Fließbandarbeiten verbunden
sein. Wie sich aus den von der Beklagten zugänglich gemachten Tätigkeitsbeschreibungen ergibt, sind aber zum einen eine Vielzahl
von Verpackungstätigkeiten vorhanden, die nicht in Fließbandarbeit verrichtet werden (z.B. Verpackung teurer Produktionsgüter
wie Uhren, Schmuck). Dies wird auch von der berufskundlichen Sachverständigen, die der Senat im Berufungsverfahren angehört
hat, nicht in Abrede gestellt. Die vom Senat beauftragte berufskundliche Sachverständige hält zum anderen die konkrete Tätigkeit
der Verpackerin von Kleinteilen in Kenntnis der Ausführungen des medizinischen Sachverständigen zu den von ihr abstrakt formulierten
Leistungseinschränkungen für zumutbar, da etwaige seelische bedingte Hemmungen der Klägerin durch eine Intensivierung der
nervenärztlichen Behandlung sowie Durchführung einer Schmerztherapie behoben werden können. Dieser Einschätzung hat die erfahrene
Gerichtssachverständige Dr. M. wiederum in Kenntnis der Ausführungen der berufs- kundlichen Stellungnahme und des Hinweises
der berufskundlichen Sachverständigen auf das teilweise Auftreten von Schichtarbeit und Fließbandarbeit ausdrücklich bestätigt.
Beide Sachverständigen halten also übereinstimmend in Kenntnis sowohl der bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen
und deren funktionellen Auswirkungen als auch der Arbeitsbedingungen für Verpackerinnen von Kleinteilen diese konkrete Tätigkeit
für zumutbar. Eine die Beweiskraft dieser Gutachten abschwächende Widersprüchlichkeit sieht der Senat hierin nicht. Dr. M.
hat zunächst nur generell-abstrakt das Vorliegen von Schichtarbeit oder von Zeitdruckarbeiten für die Klägerin als ungeeignet
angesehen. Es ist aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden, wenn eine Sachverständige in genauer Kenntnis der Anforderungen
einer konkreten Tätigkeit dann von dieser generell-abstrakten Einschätzung abweichend im Rahmen einer Gesamtabwägung zu dem
Ergebnis kommt, dass diese Tätigkeit angesichts der mit ihr insgesamt verbundenen Anforderungen der Klägerin noch mindestens
6 Stunden täglich zumutbar ist.
In Bezug auf die Körperhaltung ist der Senat davon überzeugt, dass der gelegentliche Wechsel der Körperhaltung auch bei Verpackertätigkeiten
möglich ist. Dies ergibt sich aus der im Verfahren vor dem SG von der Beklagten vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung, wonach zwar überwiegend eine sitzende Haltung eingenommen wird, je
nach Arbeitsplatzgestaltung aber teilweise auch eine stehende Arbeitshaltung eingenommen werden kann. Auch in der vom Senat
eingeholten berufskundlichen Stellungnahme wird berichtet, dass nur überwiegend und damit nicht ausschließlich eine sitzende
oder stehende Arbeitshaltung einzunehmen ist. Auch der Umstand, dass gelegentlich zusätzliche Arbeitspausen anfallen, da die
zu verpackenden Güter geändert werden, kann die Klägerin zu einem Haltungswechsel, auch zum Gehen, nutzen.
Der Senat ist schließlich davon überzeugt, dass im Bundesgebiet hinreichend viele Arbeitsplätze für Verpacker zur Verfügung
stehen. Zwar sah sich die berufskundliche Sachverständige nicht in der Lage, insoweit eine Zahl zu nennen. Dies ist angesichts
der Tatsache, dass Verpackungstätigkeiten der beschriebenen Art in allen Wirtschaftsbranchen anfallen, jedoch nicht verwunderlich.
Die berufskundlichen Stellungnahmen lassen keinen vernünftigen Zweifel daran zu, dass es im gesamten Bundesgebiet gerade aufgrund
der Tatsache, dass Verpackertätigkeiten in allen Branchen anfallen, eine große Vielzahl an entsprechenden Arbeitsplätzen gibt.
Auch das BSG hatte in seiner Entscheidung vom Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 57/96, in juris, diesbezüglich keine Bedenken.
Die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung kommt damit nicht in Betracht.
Die Berufung war damit vollumfänglich zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§
193 SGG) berücksichtigt den Umstand, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.