Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Verletztenrente wegen einer anerkannten Berufskrankheit nach der Nr. 2301 der Anlage zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV).
Bei dem 1940 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 09.10.1991 eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anerkannt. Am
19.04.2002 stellte er Antrag wegen Verschlimmerung.
Mit Bescheid vom 24.01.2003 erkannte der Beklagte als Folgen der Berufskrankheit eine geringgradige Innenohrhochtonschwerhörigkeit
beidseits an. Als Folgen der Berufskrankheit wurden nicht anerkannt: Der Anteil der Schwerhörigkeit auf dem rechten Ohr, der
das Ausmaß der Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr übersteigt; Ohrgeräusche beidseits. Die Beklagte lehnte die Gewährung einer
Verletztenrente ab, da keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Maße vorliege.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2003 als unbegründet zurück. Er stützte sich
hierbei vor allem auf ein Gutachten des Dr. O., der die MdE mit weniger als 10 v.H. einschätzte. Zudem diagnostizierte Dr.
O. eine endogene Innenohrschwerhörigkeit rechts mit subjektiven Ohrgeräuschen. Er kam zum Ergebnis, dass die Senke auf dem
linken Ohr aufgrund der Lärmanamnese und der Art der Hörschädigung sowie der Form der Hörkurve auf berufliche Lärmeinwirkung
zurückzuführen sei, während eine Asymmetrie durch Lärmeinwirkung nicht erklärbar sei. Des Weiteren habe das rechtsseitige
Hörvermögen auch noch abgenommen, nachdem suffizienter Gehörschutz getragen wurde bzw. der Kläger auch nicht mehr lärmbelastet
tätig war.
Hiergegen legte der Kläger Klage beim Sozialgericht Landshut (SG) ein. Das SG holte ein HNO-fachärztliches Gutachten des Dr. E. vom 14.05.2004 ein. Beim Kläger bestehe eine rechtsbetonte Schallempfindungsschwerhörigkeit
sowie beiderseitige Ohrgeräusche. Hierdurch werde keine MdE in rentenberechtigendem Maße erreicht. Grundlage hierfür sei das
Sprachaudiogramm vom 16.04.2004. Der Kläger habe auf gezieltes Nachfragen keine wesentliche Belästigung durch die Ohrgeräusche
angegeben. Eine höhere Bewertung der MdE sei nicht möglich.
Auf Antrag des Klägers erstellte Dr. P. ein weiteres HNO-ärztliches Gutachten. Beim Kläger bestehe eine rechtsbetonte Innenohrschwerhörigkeit
(Schallempfindungsschwerhörigkeit). Es bestehe ein beidseitiger Tinnitus. Diese Befunde verursachten keine rentenberechtigende
Md Das Hörvermögen sei in den letzten Monaten wesentlich schlechter geworden. Dies sei auf eine endogene Erkrankung zurückzuführen,
da der Kläger keinem Lärm mehr ausgesetzt sei. Der Sachverständige berechnete die MdE aus dem Tonschwellenaudiogramm vom Dr.
O. vom 11.10.2002 und kam zu einer MdE von 10 v.H.
Der Beklagte legte eine fachärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 24.02.2005 vor. Der beim Kläger bestehende Tinnitus könne
nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die früheren Lärmeinwirkungen zurückgeführt werden, da dieser Tinnitus erst 1994 bemerkt
wurde, als konsequenter Gehörschutz getragen wurde und zu keiner wesentlichen Belästigung geführt habe. Die berufsbedingte
Lärmschwerhörigkeit sei unter 10 v.H. einzuschätzen.
Im Auftrag des SG erstellte Prof. Dr. M. vom Klinikum der Universität M. am 13.07.2006 ein weiteres Gutachten. Die Hörstörung sei überwiegend
retrocochleärer Genese. Eine lärmbedingte Schwerhörigkeit könne nicht festgestellt werden. Die lärmunabhängige Erkrankung
bedinge eine MdE von 10 v.H.
Mit Urteil vom 11.10.2006 wies das SG die Klage ab. Die beim Kläger bestehende Hörstörung sei nicht beruflicher Natur. Dies ergebe sich aus dem überzeugenden Gutachten
des Prof. Dr. M. vom 13.07.2006.
Hiergegen legte der Kläger am 04.08.2009 Berufung ein. Der Kläger sei viele Jahre hinweg einem Lärm von ca. 90 dB ausgesetzt
gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb Prof. Dr. M. bei einem chronischen Lärmschaden stets eine seitengleiche Störung
fordere. Denn es habe von Anfang eine seitendifferente Hochtonschwerhörigkeit vorgelegen. Dr. P. habe in seinem Gutachten
ausgeführt, dass eine Asymmetrie des Hörvermögens bei Lärmeinwirkung von nur einer Seite fast täglich festzustellen sei und
bringe hierfür Beispiele aus der Bundeswehr. Ein unterschiedliches Hörvermögen sei bei nur einseitiger Lärmbelastung ohne
Weiteres möglich. Die auf der rechten Seite vorliegende höhere Hörminderung sei darauf zurückzuführen, dass sich das rechte
Ohr neben der Rindersäge befand. Die Einstufung der MdE mit 10 v.H. durch Prof. Dr. M. sei dagegen nicht zu beanstanden. Sie
sei jedoch lärmabhängig und damit berufsbedingt.
Der Kläger legte ein HNO-ärztliches Gutachten des Prof. Dr. H. vom 03.08.2009 vor. Dieser bejahte eine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit,
die auf der rechten Seite zusätzlich durch eine Menière sche Erkrankung verstärkt sei. Außerdem bestehe ein gutartiger Lagerungsschwindel
rechts. Für den lärmbedingten Anteil an der Schwerhörigkeit könne nur das Ausmaß herangezogen werden, wie es auf der linken
Seite nachgewiesen werden konnte (Symmetrieregel). Der Kläger habe zwar angegeben, dass die Säge, die seines Erachtens den
stärkeren Lärm verursachte, 1 m von ihm entfernt auf der rechten Seite gestanden habe. Nach seinen Angaben sei dieser Arbeitsplatz
inzwischen aber abgerissen worden, so dass messtechnische Überprüfungen nicht mehr möglich seien. Es müsse jedoch betont werden,
dass auch bei einseitiger Belastung nicht der Tieftonhörverlust und die fast verschwundene Senke auf der rechten Seite erklärt
werden könne. Der zusätzliche Anteil der Schwerhörigkeit auf der rechten Seite sei nicht auf berufsbedingten Lärm zurückzuführen.
Die MdE schätzte er deshalb für den lärmbedingten Anteil an der Schwerhörigkeit unter Berücksichtigung des Tinnitus auf unter
10 v.H. ein.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 11.10.2006 aufzuheben, einen Tinnitus als Folge der anerkannten Berufskrankheit
sowie eine Verschlimmerung der Berufskrankheit festzustellen und eine MdE um 10 v.H. festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht Landshut die Klage abgewiesen. Der Anteil der Schwerhörigkeit auf dem rechten Ohr,
der das Ausmaß der Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr übersteigt, sowie der Tinnitus sind nicht Folge der anerkannten Berufskrankheit
nach der Nr.2301 der Anlage zur
BKV. Die geringgradige Innenohrhochtonschwerhörigkeit beidseits führt zu keiner MdE von mindestens 10 v.H. im Sinne von §
56 Abs.1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII).
Prof. Dr. H. bestätigt in seinem Gutachten vom 03.08.2009 die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids vom 24.01.2003 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2003. Die geringgradige Innenohrhochtonschwerhörigkeit beidseits ist als Berufskrankheit
nach Nr.2301 der Anlage zur
BKV bereits anerkannt. Eine Verschlimmerung ist nicht eingetreten. Die ausgeprägte Tieftonschwerhörigkeit auf dem rechten Ohr
sowie der Lagerungsschwindel rechts können nach dem Gutachten des Prof. Dr. H. nicht auf eine berufliche Lärmeinwirkung zurückgeführt
werden. Folglich bewertet er die MdE zu Recht auch mit weniger als 10 v.H. und damit in nicht messbarem Grade.
Prof. Dr. H. hat den Ursachenzusammenhang zwischen anerkannter Berufskrankheit und den Befunden am rechten Ohr untersucht
und ist zum Ergebnis gekommen, dass auf der linken Seite das eindeutige Bild einer Lärmschwerhörigkeit zu finden ist. Zusätzlich
zu der Lärmschwerhörigkeit liegt eine Erkrankung vor, die sowohl das Hörorgan als auch das Gleichgewichtsorgan des Innenohres
auf der rechten Seite betrifft. Besonders die Tatsache, dass eine ausgeprägte Tieftonschwerhörigkeit auf dem rechten Ohr vorliegt,
weist auf das Vorliegen einer Menière schen Erkrankung rechts hin. Dafür spricht auch das Vorhandensein des Tinnitus. Diese
Erkrankung ist eine Innenohrerkrankung. Damit erklären sich auch die positiven Befunde für einen Innenohrhaarzellschaden.
Alle Untersuchungsergebnisse belegen eine Schädigung im rechten peripheren Gleichgewichtsorgan.
Prof. Dr. H. kommt überzeugend zum Ergebnis, dass beim Kläger beidseits eine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit vorliegt,
die auf der rechten Seite zusätzlich durch eine Menière sche Erkrankung verstärkt ist. Für den lärmbedingten Anteil an der
Schwerhörigkeit kann nur das Ausmaß herangezogen werden, wie es auf der linken Seite nachgewiesen werden konnte (Symmetrieregel).
Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger am rechten Ohr tatsächlich stärkerem Lärm ausgesetzt war. Denn Prof.
Dr. H. weist darauf hin, dass damit nicht der Tieftonhörverlust und die fast verschwundene Senke auf der rechten Seite erklärt
werden könnte.
Die MdE ist an dem Ausmaß zu messen, wie es auf der linken Seite zu finden ist. Der zusätzliche Anteil der Schwerhörigkeit
auf der rechten Seite sowie der Tinnitus sind nach den Ausführungen des Prof. Dr. H. nicht auf berufsbedingten Lärm zurückzuführen.
Die MdE schätzt er deshalb auf unter 10 v.H. ein. Dieser MdE-Einschätzung ist zu folgen.
Entgegen den Ausführungen des Klägers kann hinsichtlich der MdE-Einschätzung nicht auf das Gutachten des Prof. Dr. M. zurückgegriffen
werden. Dieser ging von einer völlig anderen Konstellation aus, da er die Befunde beim Kläger anders deutete und deshalb das
Vorliegen einer Berufskrankheit dem Grunde nach verneinte. Unabhängig von der Genese der Erkrankung kam er zu einer MdE von
10 v.H. Im Gegensatz zu Prof. Dr. H. hat er nicht zwischen beruflich bedingtem und nicht beruflich bedingtem Anteil unterschieden.
Auch dem Sachverständigen Dr. P. ist nicht zu folgen. Dieser liefert keine überzeugende Begründung dafür, dass trotz der Asymmetrie
des Hörvermögens der gesamte Hörschaden als Folge der Berufskrankheit anzuerkennen ist. Auch der Vergleich mit Panzerfaustschützen
führt hierbei nicht weiter. Hierzu hat Dr. G. in seiner Stellungnahme vom 02.09.2005 ausgeführt, dass der Kläger als Fleischbeschauer
nicht längere Zeit auf dem gleichen Podest gestanden haben kann, wie der Schlachtmeister mit der Rindersäge. Des Weiteren
weist Dr. G. darauf hin, dass Dr. P. nicht berücksichtigt hat, dass die Hörleistung beiderseits nach Beendigung der beruflichen
Tätigkeit in der Zeit von 2002 bis 2004 abgenommen hat.
Deshalb ist die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG).