Gründe
Für die Entscheidung über den zulässigen Antrag vom 11. Januar 2022 auf einstweiligen Rechtsschutz durch deklaratorische Feststellung
nach §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) analog (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Auflage 2020, §
86b Rn. 5 aE, 15 m.N.) ist nach Einlegung der Berufung der Antragstellerin am selben Tag gegen das ihren Prozessbevollmächtigten
am 13. Dezember 2021 zugestellte Urteil des Sozialgerichts (SG) Hamburg vom 6. Dezember 2021 (S 56 KR 5709/18), mit dem ihre Klage gegen den ihre Versicherungsfreiheit ab 1. Januar 2014 feststellenden Bescheid der Antragsgegnerin vom
19. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Dezember 2018 abgewiesen worden ist, der erkennende Senat
als Gericht der Hauptsache zuständig (Keller, a.a.O. Rn. 11; s.a. für einen Antrag nach §
86b Abs.
2 SGG so ausdrücklich §
86b Abs.
2 S. 3
SGG). Einer Entscheidung steht nicht entgegen, dass das SG mit Beschluss vom 18. Februar 2019 einen bereits während des Klageverfahrens gestellten entsprechenden Antrag abgelehnt hat.
Denn das damalige einstweilige Rechtsschutzverfahren hat sich nach Einlegung der Beschwerde erledigt, weil die Antragsgegnerin
der Antragstellerin die offenen und fälligen Beitragsforderungen in Höhe von zu der Zeit knapp 46.000 Euro gestundet hat,
die sich daraus ergeben, dass die Antragsgegnerin wegen der festgestellten Versicherungsfreiheit aufgrund angenommener hauptberuflich
selbstständiger Tätigkeit der Antragstellerin deren freiwillige Weiterversicherung mit höheren Beitragsforderungen als aufgrund
der bis dahin angenommenen versicherungspflichtigen Beschäftigung festgestellt hat. Im Übrigen besteht gemäß §
86b Abs.
1 S. 4
SGG eine jederzeitige Änderungs- bzw. Aufhebungsbefugnis des Gerichts der Hauptsache, und zwar auch ohne Änderung der Sach- oder
Rechtslage (Keller, a.a.O., Rn 20 m.w.N.).
Der Antrag hat auch Erfolg. Die Klage der Antragstellerin hat gemäß §
86a Abs.
1 S. 1 i.V.m. S. 2 Var. 2
SGG aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass diese Wirkung angesichts der Nichtbeachtung durch die Antragsgegnerin festzustellen
ist.
Die grundsätzlich vom Gesetzgeber vorgesehene aufschiebende Wirkung von Widersprüchen und Anfechtungsklagen im Bereich des
Sozialrechts entfällt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht in Fällen wie dem hier vorliegenden. Es liegen zunächst
unstreitig weder die Voraussetzungen des §
86a Abs.
2 Nrn. 2 bis 4
SGG vor, noch ist eine Anordnung der sofortigen Vollziehung nach §
86a Abs. 2 Nr. 5 getroffen worden.
Die Ansicht der Antragsgegnerin, dass die aufschiebende Wirkung bei der eine vorbestehende Versicherungspflicht beendende
Feststellung von Versicherungsfreiheit nach §
5 Abs.
5 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB V) gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG entfalle, weil es sich hierbei um eine Entscheidung über Versicherungspflichten handle, trifft nach Überzeugung des Gerichts
(entgegen der ersten Tendenz mit der vorläufigen Einschätzung gemäß Hinweisverfügung vom 13. Januar 2022) nicht zu.
§
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG ist als Ausnahme von der Regel des §
86a Abs.
1 SGG eng auszulegen. Tatsächlich wird bei der Feststellung von Versicherungsfreiheit nicht über das Bestehen von Versicherungspflicht,
sondern gerade über deren ausnahmsweisen Wegfall entschieden.Dafür, eine solche Fallgestaltung anders zu beurteilen als die
Feststellung von Versicherungspflicht, spricht auch die historische Auslegung. §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 und §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG wurden durch das 6.
SGG-Änderungsgesetz vom 17. August 2001 (BGBl. I S. 2144) mit Wirkung vom 2. Januar 2002 eingeführt, um die Funktionsfähigkeit der Sozialleistungsträger zu sichern (BT-Drs. 14/5493,
S. 25; s. hierzu auch Richter in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Aufl. 2017, §
86a SGG <Stand: 16.08.2017>). Diese sind auf die rechtzeitige und vollständige Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge angewiesen,
was ohne eine vorläufige Vollziehbarkeit einer außerhalb des Anfrageverfahrens festgestellten Versicherungspflicht nicht gewährleistet
wäre. Bei der Feststellung von Versicherungsfreiheit nach §
5 Abs.
5 SGB V ist die Funktionsfähigkeit der Sozialleistungsträger demgegenüber gerade nicht gefährdet, weil durch das – jedenfalls vorläufige
– Weiterbestehen von Versicherungspflicht weiterhin Pflichtbeiträge abzuführen sind. Dass in der gesetzlichen Krankenversicherung
das Ende der Versicherungspflicht in bestimmten Konstellationen zu einer freiwilligen Weiterversicherung bei derselben Krankenkasse
mit unter Umständen – wie vorliegend – höheren Beitragszahlungen der Versicherten führen kann, ändert nichts an der grundsätzlichen
Lage. Danach bleibt es bei der Grundregel, wonach, wenn es – wie vorliegend bei der von der Antragstellerin als Belastung
empfundenen Beendigung der von ihr gewollten Versicherungspflicht – zum Wirksamwerden des Entzugs einer dem Bürger eingeräumten Rechtsposition des Erlasses eines feststellenden Verwaltungsakts mit konstitutiver Wirkung bedarf, Widerspruch und Klage aufschiebende Wirkung mit der Folge haben, dass der Bürger die Rechtsposition vorläufig weiter
innehat (Keller, a.a.O., § 86a Rn. 6a). In besonderen Ausnahmefällen bleibt den Behörden die Anordnung der sofortigen Vollziehung
unbenommen.
Wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen nicht von der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin kraft Gesetzes
ausgehen wollte, sondern von deren Entfallen nach §
86 a Abs.
2 Nr.
1 SGG, wäre diese dem Hilfsantrag der Antragstellerin entsprechend nach §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG anzuordnen.
Nach §
86b Abs.
1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende
Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung entscheidet das
Gericht nach Ermessen aufgrund einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Hierbei
kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache entscheidende Bedeutung zu. Sie werden regelmäßig nach einer
nur vorläufigen Prüfung der Sach- und Rechtslage ermittelt (vgl. Keller. a.a.O., § 86b Rn. 12 ff. m.w.N.), wobei es ausreichend
ist, wenn die zu Grunde gelegten Tatsachen glaubhaft gemacht, das heißt überwiegend wahrscheinlich sind (Keller, a.a.O., Rn.
16b m.w.N.). Gemäß §
86a Abs.
3 S. 2
SGG soll in den Fällen des §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes
bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche
Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Dieser Maßstab gilt auch im gerichtlichen Verfahren (Keller, a.a.O. § 86b Rn. 12b
m.w.N.).
Vorliegend gebührt dem privaten Interesse der Antragstellerin an der – hier nur hilfsweise unterstellten – aufschiebenden
Wirkung ihrer Klage der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids vom 19.
September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Dezember 2018, wobei Letzterer bereits formell rechtswidrig
sein dürfte, weil er nicht von der zuständigen Stelle, dem Widerspruchsausschuss, erlassen worden ist.
Auch materiell bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Die in der Berufungsinstanz
anhängige Klage dürfte nach derzeitigem Erkenntnisstand – vorbehaltlich eines zurzeit nicht absehbaren anderen Ergebnisses
einer etwaigen Beweisaufnahme – in der Hauptsache mit Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein.
Der Senat hält den unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin für glaubhaft, wonach sie das vor Gründung der M. GmbH noch
als Einzelfirma geführte Fuhrunternehmen zu keinem Zeitpunkt selbst betrieben, sondern lediglich als „Strohfrau“ für den eigentlichen
Einzelunternehmer und jetzigen Geschäftsführer der GmbH, ihren Ehemann, hergehalten hat, weil es Letzterem an der erforderlichen
Kreditwürdigkeit fehlte. Dies erscheint schon deshalb nachvollziehbar, weil die Antragstellerin zu jener Zeit noch Vollzeit
als Friseurin beschäftigt war und darüber hinaus Kinder und Haushalt betreute. Bei dieser Sachlage kann nicht von einer hauptberuflich
selbstständigen Erwerbstätigkeit der Antragstellerin ab 1. Januar 2014 im Sinne des §
5 Abs.
5 SGB V ausgegangen werden.
Nach §
5 Abs.
5 S. 1
SGB V ist u.a. nicht nach Abs. 1 Nr. 1 als Beschäftigter versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbstständig erwerbstätig
ist.
Diese Regelung dient der Missbrauchsabwehr und ist als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Durch ihre Einführung sollte „z.B.“
vermieden werden, dass ein versicherungsfreier Selbstständiger durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Nebenbeschäftigung
versicherungspflichtig wird und damit den umfassenden Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung erhält (BT-Drs. 11/2237,
S. 159; s.a. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 16. November 1995 – 4 RK 2/94, BSGE 77, 93).
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist eine selbstständige Erwerbstätigkeit dann hauptberuflich, wenn sie von der wirtschaftlichen
Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der
Erwerbstätigkeit darstellt (BT-Drs. 11/2237, S. 159). Diese Definition hat das BSG seiner hierzu ergangenen ständigen Rechtsprechung zugrunde gelegt (s. nur BSG, a.a.O., sowie Urteil vom 29. April 1997 – 10/4 RK 3/96, NZS 1998, 30).
In Bezug auf den zeitlichen Aufwand besteht im Wesentlichen Einigkeit, dass neben einer mehr als halbtägigen Beschäftigung
in der Regel keine hauptberufliche Selbstständigkeit mehr möglich sein wird (so schon Gemeinsames Rundschreiben der Träger
der gesetzlichen Sozialversicherung vom 11. Juni 2013: Grundsätzliche Hinweise zum Begriff der hauptberuflich selbstständigen
Tätigkeit, Abschnitt 3.1 Abs. 2; s.a. Felix in juris-PK
SGB V, 4. Aufl. 2020, §
5 Rn. 147 <Stand: 20. Dezember 2021>; Moritz-Ritter in Hänlein/Schuler, SGb V, 5. Aufl. 2016, §
5 Rn. 83; Simon in Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, §
5 SGB V Rn. 84; jeweils m.w.N.). Etwas anderes könnte dann gelten, wenn trotz des so verteilten zeitlichen Aufwandes das aus der
selbstständigen Tätigkeit erzielte Arbeitseinkommen das in der abhängigen Beschäftigung verdiente Arbeitsentgelt bei weitem
übersteigt, d. h. wenn es die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts bildet (Moritz-Ritter, a.a.O.; Felix, a.a.O.).
Für die Hauptberuflichkeit einer selbstständigen Erwerbstätigkeit auch in Fällen, in denen daneben keine abhängige Beschäftigung
besteht, z.B. bei Rentnern, spricht, wenn eine selbstständige Tätigkeit mehr als halbtags ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 4/13 R, Breith 2016, 611; Simon, a.a.O.).
Dies zugrunde gelegt kann bei der Antragstellerin ab 1. Januar 2014 angesichts der Vollzeitbeschäftigung als Friseurin (sowie
Kinder- und Haushaltsbetreuung) unter der Prämisse, dass sie in dem Fuhrunternehmen nicht tätig war, auch vor dem Hintergrund
keine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit angenommen werden, dass ihr – und nicht ihrem tatsächlich das Unternehmen allein
führenden Ehemann – steuerrechtlich die Einkünfte aus dem Unternehmen als Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit zugerechnet
wurden und diese ihr Einkommen aus abhängiger Beschäftigung deutlich überstiegen. Auch wenn die Antragstellerin aus formalen
Gründen erforderliche kaufmännische Pflichten erfüllt haben sollte (was bislang nicht festgestellt worden ist), würde dies
an der rechtlichen Bewertung nichts ändern. Selbstständig erwerbstätig ist nur derjenige, der als natürliche Person selbst
mit Gewinnerzielungsabsicht eine Tätigkeit ausübt, also aus typischerweise mit persönlichem Einsatz verbundenen Tätigkeiten
relevante Einkünfte erzielt (BSG, Urteile vom 4. Juni 2009 – B 12 KR 3/08 R, NJW 2010, 1836, und vom 29. Februar 2012 – B 12 KR 4/10 R, NJOZ 2013, 564), was nicht der Fall ist, wenn jemand sich lediglich als „Strohmann“ bzw. „Strohfrau“ zur Verfügung stellt.
Auch die alleinige Wahrnehmung von auf Kapitalbeteiligung beruhenden gesellschaftsrechtlichen Pflichten stellt in der Regel
keine hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit dar (BSG, Urteile vom 4. Juni 2009 – B 12 KR 3/08 R – und 29. Februar 2012 – B 12 KR 4/10 R, jeweils a.a.O.; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Werksstand 112. EL August 2021, §
5 SGB V Rn. 113)
Daran, dass die Antragstellerin nach den vorstehenden Ausführungen aufgrund ihrer formalen Stellung als Inhaberin des Fuhrunternehmens
ab 1. Januar 2014 nicht als hauptberuflich erwerbstätige Person mit der Folge der Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen
Krankenversicherung anzusehen sein dürfte, ändert auch die mit Wirkung ab 23. Juli 2015 eingeführte Ergänzung des §
5 Abs.
5 SGB V nichts, wonach bei Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer
mehr als geringfügig beschäftigen, vermutet wird, dass sie hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind; als Arbeitnehmer
gelten für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft (§
5 Abs.
5 S. 2
SGB V in der seit dem 23. Juli 2015 geltenden Fassung).
Zum einen setzt die Annahme einer hauptberuflichen selbstständigen Erwerbstätigkeit danach immer noch eine tatsächliche Tätigkeit
– und nicht bloß eine formale Stellung – voraus, woran es vorliegend nach derzeitigem Erkenntnisstand fehlte. Zum anderen
hat sich an der materiellen Rechtslage durch die Einführung dieser gesetzlichen Vermutung nichts geändert (Simon, a.a.O.;
Hedermann, Arbeitnehmerbeschäftigung als Kriterium zur Beurteilung der „Hauptberuflichkeit“ einer selbstständigen Tätigkeit
nach dem neuen §
5 Abs.
5 S. 2
SGB V in NZS 2016, 8); lediglich die Beweislastverteilung ist in Fällen einer Beschäftigung mindestens eines mehr als geringfügig beschäftigten
Arbeitnehmers seither eine andere (Spiolek, jurisPR-SozR 11/2016 Anm. 4).
Wenn sich jedoch feststellen lässt, dass – wovon der Senat bislang ausgeht – die Antragstellerin ab 1. Januar 2014 in Vollzeit
abhängig beschäftigt war (und nebenher Kinder und Haushalt betreute), bleibt kein Raum für die Annahme einer hauptberuflichen
selbstständigen Erwerbstätigkeit, selbst wenn sie in geringem zeitlichen Umfang Handlungen für das Fuhrunternehmen verrichtet
haben sollte. Hieran ändert die – nach derzeitigen Erkenntnisstand ohnehin nur formale – Arbeitgeberstellung nichts. Selbst
bei einer mehr als nur formalen Arbeitgeberstellung kann die Vermutung des §
5 Abs.
5 S. 2
SGB V nach der Vorstellung des Gesetzgebers widerlegt werden, indem der Selbstständige nachweist, dass trotz der Arbeitgeberstellung
die selbstständige Tätigkeit seiner Lebensführung von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrem zeitlichen Aufwand her nicht
das Gepräge gibt (BT-Drs. 18/4095, S. 71). Der zeitliche Aufwand stellt mithin wie bei der Rechtslage vor Einführung des §
5 Abs.
5 S. 2
SGB V ein maßgebliches Kriterium neben der wirtschaftlichen Bedeutung dar, und nach diesem dürfte vorliegend die Annahme von Hauptberuflichkeit
ausgeschlossen sein. Den zu einer anderen Bewertung kommenden Ausführungen des SG in dessen klageabweisenden Urteil vom 6. Dezember 2021 vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Für die Annahme,
dass zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung beide gesetzgeberische Kriterien für die Prüfung, ob eine hauptberufliche
selbstständige Tätigkeit vorliegt, also die wirtschaftliche Bedeutung und der zeitliche Aufwand, kumulativ widerlegt werden
müssen, gibt es keinen ersichtlichen Ansatz. Ein solches Erfordernis würde vielmehr zu einer Veränderung der materiellen Rechtslage
führen, die gerade nicht beabsichtigt war. Schließlich spielt die Frage, ob der Status des Ehemanns der Antragstellerin zum
damaligen Zeitpunkt richtig festgestellt worden ist, bei der Bewertung ihres Krankenversicherungsstatus juristisch keine Rolle.
Abgesehen von den aufgezeigten ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der mit der Anfechtungsklage angegriffenen Feststellung
von Versicherungsfreiheit der Antragstellerin ab 1. Januar 2014 hätte die sofortige Vollziehung der angefochtenen Bescheide
für diese eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Eine unbillige Härte in
diesem Sinne liegt vor, wenn dem Betroffenen Nachteile entstehen, die über die eigentliche Regelung hinausgehen und die –
insbesondere bei Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz – im Nachhinein nicht oder nur schwer wiedergutzumachen sind (Wahrendorf
in Roos/Wahrendorf,
SGG, 1. Aufl. 2014, §
86a Rn. 120). Die Antragstellerin ist in der Vergangenheit immer wieder Vollstreckungsversuchen der Antragsgegnerin ausgesetzt
gewesen und wird dies auch zukünftig wieder sein, wenn nicht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Feststellung von
Versicherungsfreiheit dazu führt, dass jedenfalls vorläufig auch nicht die Bescheide über die höheren Beiträge zur möglicherweise
eingetretenen freiwilligen Versicherung vollzogen werden. Die Antragstellerin hat unwidersprochen vorgetragen und glaubhaft
gemacht, dass durch die vorerst letzten, auf der Vollziehung der Beitragsbescheide beruhenden Vollstreckungsmaßnahmen, nämlich
die nur auf Bitten des Gerichts und mit Blick auf dieses vor dem erkennenden Senat laufende einstweilige Rechtsschutzverfahren
inzwischen aufgehobenen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen der Antragsgegnerin vom 3. Januar 2022, die Kündigung der auf
ihren Namen laufenden Firmenkredite drohte, was wiederum die Insolvenz des von ihrem Ehemann mittlerweile als GmbH-Geschäftsführer
betriebenen Unternehmens nebst Verlust aller Arbeitsplätze und des Hauptteils des Familieneinkommens unmittelbar zur Folge
gehabt hätte. Diese Situation kann und wird sich aller Voraussicht nach für den Fall des Unterliegens der Antragstellerin
im hiesigen einstweiligen Rechtsschutzverfahren jederzeit wiederholen. Der Antragsgegnerin verbleiben demgegenüber auch für
den Fall des Bestehens der aufschiebenden Wirkung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens die aufgrund der
abhängigen Beschäftigung von der Antragstellerin und der Beigeladenen gezahlten Pflichtbeiträge.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§
177 SGG).