Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Sanktionsentscheidung wegen Pflichtverletzung durch jungen Erwachsenen; Verbindung der Sanktionsentscheidung
mit der Entscheidung über ergänzende Sachleistungen
Gründe:
Die nach den §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Stade vom 16. März 2010 - da der Antragsgegner in dem angefochtenen Beschluss vom 16. März 2010 letztlich von dem SG Stade
dazu verpflichtet worden ist, dem Antragsteller die diesem in den Bescheiden vom 21. Januar und 15. Februar 2010 vorenthaltenen
Regelleistungen in den Monaten Februar bis April 2010 (i. H. v. jeweils 359,00 EUR) zu gewähren, beträgt die Beschwer des
Antragsgegners 1.077,00 EUR (= 3 x 359,00 EUR), so dass sich seine Beschwerde auch unter Berücksichtigung der Bestimmung des
§
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG i. V. m. §
144 Abs.
1 SGG als zulässig erweist -, mit der sich der Antragsgegner dagegen wendet, dass das SG Stade bezüglich der Regelleistung für
den Monat Februar 2010 nach §
86 b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 28. Januar 2010 gegen den Aufhebungs- und Änderungsbescheid
des Antragsgegners vom 22. Januar 2010 und die Aufhebung der Vollziehung des Bescheides vom 22. Januar 2010 gem. §
86 b Abs.
1 Satz 2
SGG angeordnet sowie den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, dem Antragsteller
für die Monate März und April 2010 auch die Regelleistung i. H. v. 359,00 EUR zu gewähren, hat z. T., und zwar hinsichtlich
der Monate März und April 2010, d. h. hinsichtlich der von dem SG Stade erlassenen einstweiligen Anordnung nach §
86 b Abs.
2 SGG Erfolg, während die Beschwerde im Übrigen, d. h. hinsichtlich der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach §
86 b Abs.
1 SGG (Gewährung der Regelleistung für den Monat Februar 2010), als unbegründet zurückzuweisen ist.
1. Die Beschwerde des Antragsgegners für die Monate März und April 2010, also hinsichtlich der von dem SG Stade insoweit nach
§
86 b Abs.
2 SGG erlassenen einstweiligen Anordnung, hat schon deshalb Erfolg, weil der Antragsgegner für diese Monate durch Bescheid vom
15. Februar 2010 (betreffend den neuen Bewilligungszeitraum März bis August 2010 bzw. jetzt - nach der Aufnahme einer entgeltlichen
Beschäftigung bei der Firma F. GmbH aus G. zum 1. April 2010 und der Einstellung der SGB II-Leistungen durch Bescheid vom
1. April 2010 zum 30. April 2010 - bis April 2010) die dem Antragsteller nach dem SGB II zustehenden Leistungen auf die Gewährung
von Leistungen für Unterkunft und Heizung i. H. v. 300,00 EUR im Monat begrenzt hat und der diese Begrenzung verfügende Bescheid
(vom 15. Februar 2010) nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens bestandkräftig geworden ist. Denn nach den vorgelegten
Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners ist gegen den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid
vom 15. Februar 2010, der laut Abgangsvermerk noch am selben Tag zur Post gegeben wurde, bis zum Ablauf 18. März 2010 (Ende
der Widerspruchsfrist des §
84 Abs.
1 Satz 1
SGG - s. § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X -) von dem Antragsteller ein Widerspruch nicht eingelegt worden. Ein Widerspruch kann auch nicht in dem von dem Antragsteller
am 11. Februar 2010 bei dem SG Stade anhängig gemachten einstweiligen Rechtsschutzverfahren gesehen werden; dies ergibt sich
schon daraus, dass der Eilantrag vor dem Erlass des Bescheides vom 15. Februar 2010 gestellt wurde. Ist damit für dieses Eilverfahren
davon auszugehen, dass der die Gewährung der Regelleistungen für die Monate März und April 2010 versagende Bescheid vom 15.
Februar 2010 bestandkräftig geworden ist, so ist für diese Monate für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zugunsten
des Antragstellers kein Raum (mehr); insoweit fehlt dem Antragsteller für eine gerichtliche Entscheidung nach §
86 b SGG zu seinen Gunsten das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (Senat, st. Rspr., s. z. B. d. Beschl. vom 25. März 2010 - L 13 AS 77/10 B ER). Die von dem SG Stade bezüglich der Monate März und April 2010 erlassene einstweilige Anordnung ist daher auf die Beschwerde
des Antragsgegners aufzuheben, auch ist zur Klarstellung auszusprechen, dass der Antragsteller insoweit die Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes nicht (mehr) beanspruchen kann.
2. Demgegenüber ist die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des SG Stade vom 16. März 2010 als unbegründet zurückzuweisen,
soweit in dem angefochtenen Beschluss die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 28. Januar 2010 gegen
den Bescheid des Antragsgegners vom 22. Januar 2010 (unter Aufhebung der Vollziehung) angeordnet worden ist. Denn die Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes insoweit ist nicht zu beanstanden, weil der Widerspruch vom 28. Januar 2010 nach dem Kenntnisstand
dieses Eilverfahrens Aussicht auf Erfolg hat, wie das SG Stade insoweit zutreffend entschieden hat, die im Rahmen der Entscheidung
nach §
86 b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG anzustellende Interessenabwägung insoweit also auch nach Ansicht des Senats zugunsten des Antragstellers ausfallen muss.
2.1 Das SG Stade hat in seinem Beschluss vom 16. März 2010 bereits zutreffend ausgeführt, dass nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand
der Widerspruch des Antragstellers - schon - deshalb Erfolg haben wird, weil es der Antragsgegner bisher versäumt hat, mit
seiner Sanktionsentscheidung nach § 31 SGB II - hier nur noch bedeutsam die Absenkung der dem Antragsteller für den Monat
Februar 2010 an sich zustehenden Regelleistung um 100 %, also um 359,00 EUR - eine (Ermessens-)Entscheidung gem. § 31 Abs.
5 Satz 6 i. V. m. Abs. 3 Satz 6 SGB II darüber zu treffen, ob und ggf. in welchem Umfang an den Antragsteller ergänzende Sachleistungen
oder geldwerte Leistungen zu erbringen waren. Wie in dem angefochtenen Beschluss des SG Stade zu Recht ausgeführt wird, ist
es zumindest bei einer Sanktionsentscheidung, die gem. § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II gegenüber einem jungen Hilfebedürftigen ergeht,
der wie der am 21. August 1987 geborenen Antragsteller das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und bei dem die Regelleistung
in voller Höhe schon beim ersten Pflichtenverstoß gekürzt wird (sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung gem. § 31 Abs.
5 Satz 1, 2. HS SGB II) nunmehr direkt an den Vermieter gezahlt werden), geboten, diese Sanktionsentscheidung mit der Ermessensentscheidung
über eine etwaige Gewährung von ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen zu verbinden. Die Verweisung des Hilfebedürftigen
darauf, er könne nach Ergehen des Sanktionsbescheides selbst einen Antrag auf Leistungsgewährung nach § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB
II stellen - so die Praxis des Antragsgegners -, wird dem Grundrechtsschutz und dem ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gerecht. Allerdings ist es nach Auffassung des Senats grundsätzlich nicht zu beanstanden,
dass der Gesetzgeber in § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II bei jungen Hilfebedürftigen, d. h. bei jungen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,
die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, schon bei einem erstmaligen Pflichtenverstoß eine scharfe Sanktion in Gestalt
der Absenkung der Regelleistung um 100 % und der obligatorischen Direktzahlung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach
§ 22 Abs. 1 SGB II an den Vermieter vorsieht. Denn durch diese Sonderregelung soll der Druck auf junge Arbeitslose erhöht
werden, sich um eine Beschäftigung oder Ausbildung zu bemühen, wodurch verhindert werden soll, dass diese Hilfebedürftigen
frühzeitig in der Langzeitarbeitslosigkeit ohne realistische Vermittlungschancen am Arbeitsmarkt auf Dauer verharren (vgl.
BT-Drucks. 15/1516, S. 60).
Bei dieser somit grundsätzlich als zulässig zu erachtenden - scharfen - Sanktion (vgl. Berlit, in: Münder, SGB II, 3. Aufl.
2009, Rdn. 134 zu § 31) muss aber auch auf der Ebene der Verwaltungsentscheidung dem Grundrechtsschutz der jungen Hilfebedürftigen
und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in ausreichendem Maße Rechnung getragen werden, soll der konkrete Sanktionsbescheid
mit der Verfassung vereinbar sein. Durch die der Verwaltung in § 31 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 SGB II von dem Gesetzgeber eröffnete
Möglichkeit, bereits bei einem erstmaligen Pflichtenverstoß eines jungen Hilfebedürftigen in vollem Umfang die Regelleistung
nicht nur für einige Tage, sondern für einen längeren Zeitraum zu kürzen (und auch die Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II
der eigenverantwortlichen Verfügungsbefugnis des Hilfebedürftigen zu entziehen und nur noch direkt an den Vermieter zu zahlen),
wird in erheblichem Maße in das Grundrecht (des Hilfebedürftigen) auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
(Art.
1 Abs.
1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip des Art.
20 Abs.
1 GG, s. dazu BVerfG, Urt. vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09 -, NJW 2010, 505 = DVBl. 2010, 314 = FamRZ 2010, 429 -, zit. nach juris, Rz. 132) eingegriffen und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in wesentlicher Hinsicht tangiert. Denn dem
jungen Hilfebedürftigen, der im Regelfall auch über kein oder nur geringes Schonvermögen verfügen wird, stehen mit dem Wirksamwerden
der Sanktionsentscheidung für den von der Sanktion erfassten Zeitraum keinerlei Mittel (mehr) zur Verfügung, um seinen notwendigen
Lebensunterhalt, insbesondere seine elementare Bedürfnisse nach essen und trinken zu decken. Wird aber durch die Reduzierung
der Regelleistung auf Null über einen längeren Zeitraum das physische Existenzminimum des jungen Hilfebedürftigen im Sanktionszeitraum
nicht mehr gewährleistet, damit also gravierend in die Grundrechtsposition des Hilfebedürftigen eingegriffen, so gebietet
nach Auffassung des Senats die Verfassungsordnung, und zwar der Grundrechtsschutz und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass
von dem Grundsicherungsträger selbst mit der Sanktionsentscheidung zugleich eine (Ermessens-) Entscheidung nach § 31 Abs.
5 Satz 6 i. V. m. Abs. 3 Satz 6 SGB II darüber getroffen wird, ob und ggf. in welchem Umfang dem junge Hilfebedürftigen zur
Abmilderung des (schwerwiegenden) Grundrechtseingriffs ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen in dem Sanktionszeitraum
gewährt werden sollen (im Ergebnis ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 16. Dezember 2008 - L 10 B 2154/08 AS ER -, ZFSH/SGB 2009, 233 -, zit. nach juris, Rz. 13). Macht somit der durch die Sanktionsentscheidung nach § 31 Abs. 5
Satz 1 SGB II ausgelöste gravierende Grundrechtseingriff eine unmittelbar mit der Sanktionsentscheidung zu verbindende Ermessensentscheidung
des Grundsicherungsträger gem. § 31 Abs. 5 Satz 6 i. V. m. Abs. 3 Satz 6 SGB II notwendig, so wird entgegen der Ansicht des
Antragsgegners der Grundrechtsschutz und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht dadurch ausreichend gewahrt, dass dem jungen
Hilfebedürftigen - hier dem Antragsteller - eingeräumt wird, selbst nach Ergehen des Sanktionsbescheides einen ergänzenden
Antrag auf Gewährung von ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen bei dem Grundsicherungsträger zu stellen. Vielmehr
muss die Entscheidung nach § 31 Abs. 5 Satz 6 i. V. m. Abs. 3 Satz 6 SGB II, soll die Sanktionsentscheidung nach Verfassungsrecht
überhaupt zulässig sein, zum Ausgleich des weitreichenden Grundrechtseingriffs zugleich mit der Sanktionsentscheidung getroffen
werden, und zwar von Amts wegen durch den Grundsicherungsträger. Dem Erfordernis, die Entscheidung nach § 31 Abs. 5 Satz 6
i. V. m. Abs. 3 Satz 6 SGB II mit der Sanktionsentscheidung (nach § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II) zu verbinden, kann auch nicht
entgegengehalten werden, die Sanktionsentscheidung laufe Gefahr, ihre Wirkung zu verfehlen, wenn der sanktionierte junge Hilfebedürftige
darauf vertrauen könne, stets ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen während des Sanktionszeitraumes zu erhalten,
werde also nicht veranlasst werden, sein pflichtwidriges Verhalten in Zukunft zu ändern. Denn auch der Umstand, dass der junge
Hilfebedürftige während des Sanktionszeitraumes etwa nur noch mit Gutscheinen und ggf. auch nur noch seine elementaren Bedürfnisse
wird befriedigen können, belastet den Hilfebedürftigen erheblich, kann bei ihm also die erwünschte Verhaltensänderung herbeiführen.
Im Übrigen kann der Grundsicherungsträger im Rahmen der von ihm nach § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II zu treffenden Ermessentscheidung,
die keinesfalls darauf hinauslaufen muss, stets während des Sanktionszeitraumes die monatliche Regelleistung beispielsweise
durch Gutscheinleistungen in vollem Umfang zu ersetzen, nach den Umständen des Einzelfalls auch nur zu Teilleistungen (bei
der Gewährung von ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen) kommen, um so dem Umstand Rechnung zu tragen, dass
auf den betreffenden Hilfebedürftigen nach seinem bisher gezeigten Verhalten in besonderem Maße für eine Verhaltensänderung
eingewirkt werden muss.
Hat es der Antragsgegner aber bisher unterlassen, von Amts wegen eine eigene Ermessensentscheidung nach § 31 Abs. 5 Satz 6
i. V. m. Abs. 3 Satz 6 SGB II zu treffen - zwar ist die Regelleistung für den Monat Februar 2010 mittlerweile, und zwar am
24. März 2010 von dem Antragsgegner an den Antragsteller überwiesen worden, dies ist aber nicht aufgrund einer von dem Antragsgegner
in eigener Verantwortung getroffenen Ermessensentscheidung nach § 31 Abs. 5 Satz 6 i. V. m. Abs. 3 Satz 6 SGB II geschehen,
sondern nur im Hinblick auf die Ausführung des Beschlusses des SG Stade vom 16. März 2010, wie dies der anlässlich die Überweisung
gefertigte Aktenvermerk des Antragsgegners vom 24. März 2010 belegt -, so erweist sich der mit dem Widerspruch angefochtene
Sanktionsbescheid vom 22. Januar 2010 wegen Ermessensausfalls als rechtswidrig (Berlit, aaO., Rdn. 146), so dass der Widerspruch
vom 28. Januar 2010 nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand Erfolg haben müsste.
2.2 Hiervon abgesehen - dies stellt eine selbständig tragende Erwägung dieses Beschlusses dar - sind dem Widerspruch vom 28.
Januar 2010 auch deshalb Erfolgsaussichten beizumessen, weil nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens erhebliche Zweifel
daran bestehen, ob der Sanktionsbescheid vom 22. Januar 2010 zu Recht erlassen worden ist. Denn es bestehen nach dem gegenwärtigen
Sachstand nicht geringe Zweifel daran, ob dem Antragsteller tatsächlich ein nach § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II zu sanktionierender
Pflichtenverstoß vorgeworfen werden kann. Allerdings hat der Antragsteller unstreitig das am 9. Oktober 2009 bei der Firma
H. GmbH (I.) in J. begonnene Praktikum, das an sich bis zum 31. Dezember 2009 dauern sollte, vorzeitig, und zwar am 30. November
2009 von sich aus beendet. Hierin könnte aber nur dann ein nach § 31 SGB II zu sanktionierender Pflichtenverstoß gesehen werden,
wenn sich der Antragsteller nicht mit Erfolg auf einen wichtigen Grund i. S. des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II für den Abbruch
des Praktikums berufen könnte. Der Antragsteller hat hierzu aber auch geltend gemacht, er sei berechtigt gewesen, das Praktikum
als Kraftfahrer bei der Firma I. am 30. November 2009 abzubrechen, weil ihm während seiner Praktikumszeit laufend angesonnen
worden sei, erheblich gegen Lenk- und Ruhezeiten zu verstoßen. Sollte dies zutreffen, so wäre hierin in der Tat ein wichtiger
Grund i. S. des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu sehen; denn einem ein Praktikum absolvierenden Kraftfahrer kann nicht angesonnen
werden, während des Praktikums gegen Lenk- und Ruhezeiten und damit massiv gegen aus gutem Grunds bestehende öffentlich-rechtliche
Pflichten zu verstoßen, nur um einen Arbeitsplatz zu erhalten und dann von SGB II-Leistungen unabhängig zu werden.
Allerdings hat der Hilfebedürftige, der sich auf einen wichtigen Grund i. S. des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II mit Erfolg berufen
will, den Nachweis des Vorliegens dieses wichtigen Grundes zu führen (Berlit, aaO., Rdn. 67), die bloße Behauptung, es sei
zu Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten während des Praktikums gekommen, hätte also im Falle des Antragstellers nicht
ausgereicht. Der Antragsteller hat sich aber nicht begnügt, insoweit lediglich eine Behauptung aufzustellen. Vielmehr hat
er auf Nachfrage des Antragsgegners am 14. Januar 2010 unter Auswertung von Tacho-Scheiben eine detaillierte, immerhin 12
Tage (9. bis 26. November 2009) umfassende Aufstellung über die von ihm - dem Antragsteller - absolvierten Arbeits- und Lenkzeiten
bei der Firma I. vorgelegt sowie auf seine bei der Firma I. befindliche Fahrerkarte verwiesen; der Antragsteller ist damit
seiner Darlegungslast nachgekommen. Die von dem Antragsteller vorgelegte Aufstellung hat der Antragsgegner aber nicht zum
Anlass genommen, der ihm - dem Antragsgegner - nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 20 SGB X insoweit obliegende Pflicht zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts von Amts wegen (Berlit, aaO.) nachzukommen.
Vielmehr hat der Antragsgegner ohne weitere Nachforschungen den von dem Antragsteller angeführten Grund als nicht wichtig
i. S. des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II angesehen und den Sanktionsbescheid vom 22. Januar 2010 erlassen, wobei auch in der Begründung
des Bescheides die nicht näher belegte Behauptung aufgestellt wird, der Antragsteller habe für den Abbruch seines Praktikums
bei der Firma I. einen wichtigen Grund nicht nachgewiesen. Zwar hat sich der Antragsgegner nach Erlass des Bescheides vom
22. Januar 2010, und zwar am 9. Februar 2010 noch an die Firma I. bezüglich eines Nachweises über die Pausenzeiten des Antragstellers
gewandt, die daraufhin von der Firma unter dem 9. Februar 2010 erstellte "Bescheinigung" erweist sich aber für den hier interessierenden
Sachverhalt der möglichen Verletzung der Lenk- und Ruhezeiten als nichtssagend; denn die Bescheinigung enthält nur den lapidaren
Satz, "Herr K. wurde im Rahmen der üblichen Arbeitszeiten unter Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten eingesetzt". Bei ordnungsgemäßer
Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nach § 20 SGB X wäre der Antragsgegner aber gehalten gewesen, die Firma I. konkret mit den Vorwürfen des Antragstellers, insbesondere der
von dem Antragsteller nach seinem Vortrag immerhin anhand von Tacho-Scheiben angefertigten Aufstellung zu konfrontieren und
auf einer aussagekräftigen Stellungnahme der Firma unter Vorlage der Fahrerkarte des Antragstellers zu dringen, mit der ggf.
der Antragsteller seinerseits wieder konfrontiert worden wäre. Dies ist bisher aber nicht geschehen, so dass auch unter diesem
Gesichtspunkt nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand dem Widerspruch des Antragstellers gegen den Sanktionsbescheid Erfolgsaussichten
einzuräumen sind.
3. Ist die Beschwerde des Antragsgegners gegen die von dem SG Stade für den Februar 2010 nach §
86 b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG getroffene Entscheidung schon aus den unter 2. dargstellten Gründen zurückzuweisen, so bedarf es in diesem Eilverfahren keiner
Entscheidung dazu, ob der Sanktionsbescheid vom 22. Januar 2010 nicht auch deshalb rechtswidrig sein könnte, weil eine Rechtsfolgenbelehrung
nur allgemein in der Anlage zur Änderung der Eingliederungsvereinbarung vom 12. Mai 2009 am 11. Juni 2009, nicht aber konkret
vor dem Beginn des Praktikums bei der Firma I. Anfang Oktober 2009 erfolgt ist (für eine Belehrung in einem engen zeitlichen
Zusammenhang mit der konkreten Maßnahme: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. vom 1. September 2006 - L 8 AS 315/06 ER -; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. vom 18. September 2007 - L 10 B 114/06 -; Berlit, aaO., Rdn. 69), und weil der Antragsgegner bei seiner Sanktionsentscheidung möglicherweise auch gehalten gewesen
sein könnte, hier gem. § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB II auch eine (Ermessens-)Entscheidung über eine Verkürzung der Dreimonatsfrist
des § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB II zu treffen (so wohl LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. vom 15. Mai 2009 - L 5 AS 124/09 B ER -, zit. nach juris, Rz. 54f. und Vagolio, in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: März 2010, Rdn. 157 zu § 31), worin auch ein
Ermessensausfall gesehen werden könnte (in diesem Sinne wohl Berlit, aaO., Rdn. 158).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG, wobei der Senat berücksichtigt hat, dass der Antragsteller letztlich nur im Hinblick auf einen der drei Monate mit seinem
Eilantrag Erfolg gehabt hat.
5. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).