Anspruch auf Arbeitslosengeld; Verzinsung des Leistungsanspruchs; vollständiger Leistungsantrag bei fehlender Arbeitsbescheinigung
des Arbeitgebers
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte für Arbeitslosengeld (Alg), das mehrere Jahre nach der Antragstellung gezahlt wurde, Zinsen
an den Kläger zu zahlen hat.
Der Kläger, der nach versicherungspflichtigen Beschäftigungen vom 1. Juli 1994 - 31. Mai 1995 bis zum 31. Juli 1995 Arbeitslosenhilfe
(Alhi) bezogen hat, war nach eigenen Angaben ab dem 1. August 1995 bei der F. (im Folgenden: G-GmbH) Hamburg versicherungspflichtig
beschäftigt und bei der Barmer Ersatzkasse (BEK) und der Rentenversicherung für Angestellte pflichtversichert. Nachdem ihm
von der G-GmbH die Lohnsteuerkarten 1995 und 1996 und der Sozialversicherungsausweis blanko und ohne Begleitschreiben übersandt
worden waren, beantragte er am 20. Mai 1996 bei der Beklagten Alg. Er teilte mit, er habe Kündigungsschutzklage und Klage
wegen noch ausstehenden Arbeitsentgelts beim Arbeitsgericht Hamburg erhoben, und legte die Kopie eines Schriftsatzes seines
Prozessbevollmächtigten an die G-GmbH vom 24. Mai 1996 vor, mit dem vorgerichtlich u. a. ausstehende Gehaltszahlungen auf
der Basis einer monatlichen Vergütung von 4135,00 DM netto gefordert wurden.
Auf zweifache Anforderung einer Arbeitsbescheinigung teilte die G-GmbH der Beklagten im Juni 1996 mit, für sie stehe »unverrückbar
fest«, dass der Kläger nicht ihr Angestellter gewesen sei, sie gehe von einem Werkvertrag aus, der jedoch nicht erfüllt worden
sei. Nach einem Aktenvermerk vom 27. Juni 1996 über ein Telefongespräch mit der AOK (gemeint wohl: BEK) Hamburg West war von
dort einem Mitarbeiter der Beklagten mitgeteilt worden, dass am 22. August 1995 eine Anmeldung von der G-GmbH rückwirkend
zum 1. August 1995 vorgenommen worden sei. Am 22. März 1996 sei die Anmeldung ab dem 1. August 1995 storniert worden. Ob die
abgeführten Beiträge erstattet werden könnten oder dürften, sei zurzeit völlig unklar. Nach einem in Kopie in der Akte befindlichen
Schreiben der BEK Hamburg West vom 1. Juli 1996 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers seien Beiträge zur Kranken-, Pflege-,
Renten- und Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1. August 1995 bis 31. März 1996 von der G-GmbH entrichtet worden. Einem
inzwischen vorliegenden Antrag auf Erstattung dieser Beiträge werde nicht vor Ende des Rechtsstreits entsprochen.
Mit Verfügung vom 16./18. Juli 1996 bejahte die Beklagte die Anspruchsvoraussetzungen für Alhi und verfügte deren »Weiterbewilligung«,
wobei sie dem Kläger einen Anspruchsübergang mitteilte für den Fall, dass aus dem Arbeitsverhältnis Leistungsansprüche gegen
den Arbeitgeber resultierten. Auch nach einer Unterbrechung des Leistungsbezugs mit erneuter Arbeitslosmeldung am 12. Dezember
1996 und erneutem Antrag auf Alg bewilligte die Beklagte weiterhin Alhi. Bei dieser Entscheidung lag der Beklagten bereits
das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. Oktober 1996 vor, mit dem das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage als
unbegründet ansah, weil eine Kündigung nicht vorliege und die G-GmbH unter Annahme eines Arbeitsverhältnisses zur Zahlung
von 16.280,00 DM netto ausstehenden Arbeitsentgelts verurteilte.
Am 11. März 1997 wurde vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg ein Vergleich geschlossen, wonach die Parteien des Arbeitsrechtstreits
sich darüber einig waren, dass zwischen ihnen seit dem 1. August 1995 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, das aufgrund der
fristgerechten Kündigung der Beklagten vom 17. Mai 1996 aus betrieblichen Gründen mit dem 15. Juni 1996 geendet habe. Weiter
seien sich die Parteien darüber einig, dass für das Arbeitsverhältnis vereinbarungsgemäß eine Nettolohnvereinbarung in Höhe
von 4.135,00 DM gegolten habe und das Arbeitsverhältnis auf dieser Basis abgerechnet werde.
Wegen einer Anfechtung des Vergleichs durch den Arbeitgeber wurde das Verfahren vor dem LAG fortgeführt und endete durch Urteil
vom 29. Oktober 2002 mit der Feststellung, dass der Rechtsstreit durch den gerichtlichen Vergleich vom 11. März 1997 erledigt
sei. Unterlagen darüber erhielt die Beklagte im Februar 2003. Auf Nachfrage der Beklagten bei der BEK Hamburg West, ob sie
die Auffassung über die beitragspflichtige Beschäftigung nach dem arbeitsgerichtlichen Urteil teile, teilte diese unter dem
27. März 2003 mit, es sei (für 1995) von einem monatlichem Bruttoentgelt von 8.255,84 DM auszugehen, das - unter Berücksichtigung
der Beitragsbemessungsgrenzen - der Berechnung der Beiträge zugrunde zu legen sei; die bisherige Erfassung der unkorrekten
Beitragshöhen werde geändert.
Mit Bewilligungs-Änderungs-Bescheid vom 31. März 2003 erkannte die Beklagte dem Kläger Alg für die Zeit vom 17. Juni 1996
bis zum 15. April 1997 zu und hob gleichzeitig die frühere Bewilligung von Alhi auf. Es ergab sich eine Nachzahlung im Wert
von 10.881,10 DM, die an den Kläger ausgezahlt wurde, wobei ein zunächst streitiger Teilbetrag von 1.051,20 DM erst aufgrund
einer Verfügung vom 4. Juli 2003 ausgezahlt wurde.
Auf die Bitte des Klägers, eine nicht erfolgte Zinsberechnung nachzuholen, teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom
8. Juli 2003 mit, dem Antrag könne nicht entsprochen werden, da die Auszahlung der Leistung innerhalb von sechs Monaten nach
Eingang des vollständigen Leistungsantrags erfolgt sei. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 10. Oktober 2003 als unbegründet zurück. Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seien weder genannt noch aus den
Unterlagen ersichtlich.
Am 13. November 2003 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Oldenburg Klage erhoben. Das Fehlen der Arbeitsbescheinigung sei nicht ihm anzulasten. Die Beklagte habe es versäumt, den
Arbeitgeber durch Androhung und Festsetzung von Ordnungsmitteln zur Abgabe der Bescheinigung anzuhalten.
Die Beklagte hat sich demgegenüber auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen. Es bestehe zwar der Amtsermittlungsgrundsatz,
dem Kläger sei auch eine Vorlage von Beweismitteln unter den gegebenen Umständen nicht zumutbar gewesen. Aufgrund dessen seien
aber die Anspruchsvoraussetzungen ursprünglich nicht klärbar und der Antrag deshalb nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast
abzulehnen gewesen. Bei der Nachzahlung nach der arbeitsgerichtlichen Klärung habe es sich um eine Entscheidung ohne Antrag
von Amts wegen gehandelt. In diesen Fällen beginne die Verzinsung nach Ablauf eines Kalendermonats nach Bekanntgabe der Nachzahlungsentscheidung.
Hier sei der Betrag aufgrund der Nachzahlungsentscheidung vom 31. März 2003 bereits am 1. April 2003 gezahlt worden. Zinsen
könnten somit nicht gezahlt werden.
Mit Urteil vom 15. März 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es bestehe kein Anspruch auf Zinsen, weil
eine Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beginne und dazu
auch die Bestätigung der Angaben durch die gesetzlich vorgesehenen Beweismittel, hier die Arbeitsbescheinigung gemäß §
312 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) gehöre. Das anfängliche Fehlen der Arbeitsbescheinigung sei dem Kläger zwar nicht anzulasten, falle jedoch in seinen Risikobereich,
so dass es zu seinen Lasten gehe, während der Beklagten kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Sie habe in angemessener Weise
zunächst den Ausgang des Arbeitsgerichtsverfahrens abgewartet, das erst die Frage der versicherungspflichtigen Beschäftigung
geklärt habe. Sie habe sich insbesondere nicht schon im Mai/Juni 1996 an die zuständige Krankenkasse als Einzugsstelle wenden
müssen. Auch die Androhung und Festsetzung von Ordnungsmitteln gegenüber dem Arbeitgeber wäre unter diesen Umständen nicht
tunlich gewesen. Wegen der schon laufenden arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Kläger und Arbeitgeber habe die
Beklagte den Ausgang dieses Verfahrens abwarten dürfen. Nach Eingang des LAG-Urteils habe sie sich unverzüglich um die Feststellung
der Höhe des Arbeitsentgelts bemüht.
Gegen das ihm am 7. April 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Mai 2005 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt
und sich auf sein Vorbringen erster Instanz bezogen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 15. März 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2003 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte zur verurteilen, ihm für das im April bzw. Juli 2003
gezahlte Arbeitslosengeld Zinsen entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Prozessakte - L 12 AL 185/05 (S 4 AL 554/03) - sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (Band I und II, Kd.-Nr. 109250) und die Akten des Arbeitsgerichts/Landesarbeitsgerichts
Hamburg zu den Az. 3 Sa 11/96 / 4 Ca 271/96 (drei Bände). Diese Unterlagen haben dem Gericht vorgelegen und sind zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht worden.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch den Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich damit gemäß
§
155 Abs.
3 und §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) einverstanden erklärt haben.
Die Berufung ist - unabhängig von ihrer Zulassung - zulässig, da ein Berufungsausschließungsgrund gemäß §
144 Abs.
1 oder 4
SGG in der hier noch anzuwendenden bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung nicht gegeben ist; der Beschwerdewert überschreitet
die Grenze von 500 Euro und die Berufung betrifft auch nicht lediglich die Kosten des Verfahrens. Die Berufung ist auch begründet.
Entgegen der Auffassung des SG hat der Kläger Anspruch auf die streitigen Zinsen.
Gemäß §
44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des
Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v. H. zu verzinsen (Abs. 1); dabei beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von
sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines
Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung (Abs. 2).
Fällig ist ein Anspruch gemäß §
41 SGB I, soweit die besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs keine Regelung enthalten, mit dem Entstehen des Anspruchs, das gemäß §
40 Abs.
1 SGB I bei Ansprüchen auf Sozialleistungen gegeben ist, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen
vorliegen.
Der Anspruch auf Alg setzt nach § 100 Abs. 1 des hier noch anzuwendenden Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) voraus, dass der Antragsteller arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt,
sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Diese Voraussetzungen waren - worüber auch unter den Beteiligten
kein Streit besteht - am 20. Mai 1996 erfüllt. Zwar war die Erfüllung der Anwartschaftszeit von 360 Kalendertagen einer die
Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren (§ 104 AFG) zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt, da umstritten war, ob - nach elfmonatiger versicherungspflichtiger Beschäftigung
1994/95 - auch bei der G-GmbH ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden hatte. Rückschauend war dieses
jedoch gegeben, wovon auch die Beklagte ausgeht. Dabei ist das beitragspflichtige Beschäftigungsverhältnis von der Beklagten
selbständig festzustellen. Es fällt zwar zum großen Teil mit einem Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechtes zusammen,
ist aber damit nicht vollkommen deckungsgleich und ist darüber hinaus von der Beklagten (und der Sozialgerichtsbarkeit) unabhängig
von der Beurteilung der Arbeitsgerichte festzustellen. Wie sich aus dem Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg
vom 17. Oktober 1996 wie auch bereits aus dem Schreiben der BEK Hamburg vom 1. Juli 1996 an die Prozessbevollmächtigten des
Klägers ergibt, hatte die G-GmbH den Kläger dort als beitragspflichtig zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung
vom 1. August 1995 bis zum 31. März 1996 angemeldet und Beiträge entrichtet. Offenbar waren auch die Lohnsteuerkarten 1995
und 1996 und die Sozialversicherungsunterlagen von der G-GmbH entgegengenommen und erst im Mai 1996 an den Kläger zurückgegeben
worden. Außerdem waren bis dahin auch an den Kläger selbst von der G-GmbH Zahlungen erfolgt, die von diesem als Gehaltszahlungen
bzw. Abschlagszahlungen auf Gehalt in Höhe von weit mehr als der Hälfte des im fraglichen Zeitraum nach Angaben des Klägers
zustehenden Gehaltes angenommen wurden. Des Weiteren spricht für ein Bestehen eines Arbeitsverhältnisses auch der Vergleich
vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg, in dem beide Parteien ein Arbeitsverhältnis zugrunde gelegt haben, während im anschließenden
Streit um die Anfechtung des Vergleichs nicht das Arbeitsverhältnis an sich, sondern im Wesentlichen einzelne an den Kläger
bereits erfolgte Zahlungen umstritten waren. Es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass vorliegend trotz eines bestehenden
Arbeitsverhältnisses ausnahmsweise ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht bestanden hat. Da somit - unter
Berücksichtigung der vorangegangenen Beschäftigung des Klägers - eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung von (mindestens)
360 Kalendertagen vorlag, war auch die Anwartschaftszeit und damit alle im Gesetz bestimmten Voraussetzungen des Alg-Anspruchs
gegeben.
Nicht zu den gesetzlichen Voraussetzungen gehört das Vorliegen einer Arbeitsbescheinigung gemäß § 133 AFG. Diese Bescheinigung ist vom Arbeitgeber zu erstellen und dient (nur) der Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens und der
Beweissicherung (vgl. zur inhaltsgleichen Nachfolgeregelung Düe in: Niesel,
SGB III, 4. Aufl., §
312 Rn. 2). Dementsprechend hat die Beklagte auch zu Recht schließlich das Arbeitslosengeld bewilligt, ohne dass ihr eine solche
Arbeitsbescheinigung vorlag.
Da auch besondere Regelungen über die Fälligkeit von Alg im AFG nicht enthalten sind, ist gemäß §
41 SGB I mit dem Entstehen des Leistungsanspruchs durch Vorliegen all seiner Voraussetzungen am 20. Mai 1996 auch die Fälligkeit eingetreten.
Auch der Eingang des vollständigen Leistungsantrags im Sinne des §
44 Abs.
2 SGB I war mit der Stellung des Antrags auf Arbeitslosengeld anzunehmen, sodass sechs Monate danach die Verzinsungspflicht beginnt.
Die Beklagte hat vom Kläger auch keine weiteren Angaben oder Unterlagen verlangt. Das Vorliegen einer Arbeitsbescheinigung
des Arbeitgebers gehört - wie oben schon für die Anspruchsvoraussetzungen ausgeführt - auch nicht zu den Voraussetzungen eines
vollständigen Leistungsantrages. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Amtsermittlungspflicht der Beklagten gemäß
§ 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und der dem Arbeitgeber, nicht dem Arbeitslosen, obliegenden Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsbescheinigung sowie der Möglichkeiten
der Beklagten, dieses auch durchzusetzen. Darüber hinaus gilt sogar ein unvollständiger Antrag als vollständig, wenn das verbliebene
Informationsdefizit allein in dem Verantwortungsbereich des Leistungsträgers liegt (Seewald in: KassKomm
SGB I, §
44 Rn. 8). Das ist vorliegend im Hinblick auf die Arbeitsbescheinigung der Fall. Selbst wenn man annehmen wollte, dass diese
zu einem vollständigen Leistungsantrag gehört, könnte danach der unvollständige Antrag als vollständig gelten, weil hier angesichts
der Amtsermittlungspflicht und fehlender Mitwirkungsaufforderung an den Kläger das verbliebene Informationsdefizit allein
in den Verantwortungsbereich der Beklagten fällt.
Es spricht auch viel dafür, dass die Beklagte ohne großen Aufwand die offene Frage wesentlich früher hätte klären können,
wobei bemerkenswert ist, dass sie durch die Bewilligung von Alhi, die einen Anspruch auf Alg ausschließt, eine Entscheidung
zu Lasten des Klägers bereits getroffen hatte, wenn auch wohl mit dem stillen (oder mündlichen) Vorbehalt, diese Entscheidung
ggf. zu revidieren. Bereits mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. Oktober 1996, lag eine ausführliche Darstellung
und Bewertung des Arbeitsverhältnisses des Klägers vor, die der Beklagten auch eine Beurteilung der Frage des beitragspflichtigen
Beschäftigungsverhältnisses erlaubt hätte, während der Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht im März 1997 nur noch zusätzlich
das - letztlich nicht maßgebliche - Eingeständnis der Arbeitgeberseite enthielt und der nachfolgende Streit um die Anfechtung
des Vergleichs die hier relevante Frage überhaupt nicht mehr betraf. Es kann jedoch offen bleiben, ob die Beklagte eine sachgerechte
Entscheidung früher hätte treffen können oder müssen, denn auf Verschulden kommt es im Rahmen der Verzinsungspflicht nach
§
44 SGB I im Gegensatz zum bürgerlichen Recht nicht an, so dass der Anspruch selbst dann zu verzinsen ist, wenn seine fristgerechte
Erfüllung dem Leistungsträger unmöglich war (vgl. Seewald aaO. Rn. 7 und Rn. 8 unter Hinweis auf BSG SozR 1200 § 44 Nr. 16).
Nicht durchgreifen kann schließlich der Einwand der Beklagten (im Klageverfahren), es habe sich um eine Entscheidung ohne
Antrag gehandelt, bei der die Verzinsungspflicht gemäß §
44 Abs.
2 Halbs. 2
SGB I erst nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung beginne. Denn die Beklagte hat, selbst wenn man
die ursprüngliche Bewilligung von Alhi als eine Entscheidung (auch) über den Alg-Antrag ansieht, diese Entscheidung aufgehoben,
den ursprünglichen Antrag auf Alg wiederaufgegriffen und nunmehr positiv entschieden. Da der Antrag zu den gesetzlichen Voraussetzungen
des Alg-Anspruchs gehört, kam eine - rechtmäßige - Entscheidung ohne Antrag auf Alg auch nicht in Betracht. Da somit die Voraussetzungen
für einen Verzinsungsanspruch des Klägers erfüllt sind, war der Berufung stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Es ist nicht erkennbar, dass hier eine Frage grundsätzlicher
Bedeutung berührt wird, die höchstrichterlicher Klärung bedarf.