Arzneimittel
Kostenübernahme der Krankenkassen
Verschreibungsfähigkeit
off label use
Krankenbehandlung
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung verschiedener Präparate, die sie im Zusammenhang mit ihrer schweren Neurodermitis-Erkrankung
anwendet.
Die 1973 geborene Klägerin leidet seit ihrer Geburt unter einer Neurodermitis und verschiedenen Allergien. Zur Behandlung
der Neurodermitis benötigt die Klägerin verschiedene Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig sind. Seit dem 1. April
2004 verordnete der behandelnde Hausarzt Dr C. die Arzneimittel auf Privatrezepten. Nach ihren eigenen Angaben müsse die Klägerin
hierfür durchschnittlich 510,00 EUR monatlich ausgeben. Im Mai 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung dieser Arzneimittel
bei der Beklagten. Darin führte sie aus, dass sie bei schmerzhaften Hauteinrissen Linola Fettcreme benötige. Dies sei bei
Hauttrockenheit, insbesondere im Winter der Fall. Linola Creme benötige sie in Kombination mit Anästhesinsalbe zur Vorbereitung
der Haut auf die Fettcreme im Sommer. Die Anästhesinsalbe 20 % sei die einzige Hilfe bei Juckreiz. Diese Salbe mache das Eincremen
mit Linola bzw Linola Fettcreme erst erträglich, denn an sich sei dies schon schmerzhaft. Das Arzneimittel Balneo-Hermal F
benötige sie zum Duschen, denn herkömmliche Duschöle würden brennen. Das Rezepturarzneimittel Pasta zinci mollis benötige
sie zur Abheilung von Wunden. Die Klägerin fügte das ärztliche Attest des Dr C. vom 28. Mai 2004 bei. Dieser führte wie folgt
aus:
"bei Frau D. liegt eine chronische Neurodermitis mit schwerem schubförmigen Verlauf vor. In einer beigelegten Aufstellung
finden Sie die schulmedizinisch und naturheilkundlich durchgeführten Therapien. Nur durch die zuletzt durchgeführte Therapie
mit Anästhesin und Fettsalbenderivaten konnten in den letzten 6 Jahren schwere Schübe verhindert werden. Selbst mit dieser
Basistherapie ist der Hautzustand nach wie vor nur grenzkompensiert, sodaß ein Unterlassen vermutlich in kurzer Zeit zur Exazerbation
führen dürfte. Im Sinne Ihrer Versicherten und der Kosteneinsparung möchte ich einen solchen Versuch nicht riskieren, der
den Kostenträger sicherlich ein zigfaches der laufenden Jahrestherapie kosten würde und für die Neurodermitispatientin durchaus
lebensgefährlich werden kann. Ich bitte um eine schriftliche Genehmigung der bislang erfolgten Therapie/Rezepturen für die
Zukunft unter den GMG-Bedingungen nach dem 1.4.2004. Ohne diese ist mir eine weitere Verordnung laut Gesetzeslage nicht gestattet.
Ich bitte um eine zügige Entscheidung. Ggf. wäre eine "einstweilige Verfügung" zur weiteren Verordnungsfähigkeit Ihrerseits
sinnvoll, um in der Zwischenzeit bis zur endgültigen Entscheidung die Therapie zu gewährleisten."
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 8. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August
2004 ab.
Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben, die am 17. September 2004 beim Sozialgericht (SG) Hannover eingegangen ist. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, dass es sich bei ihrer Neurodermitis um eine schwerwiegende
Erkrankung handele. Zwar seien seit dem 1. April 2004 nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach
§
31 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) gemäß §
34 Abs
1 SGB V ausgeschlossen. Gemäß §
34 Abs
1 Satz 2
SGB V könne der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in den Richtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V erstmals bis zum 31. März 2004 festlegen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender
Erkrankungen als Therapiestandard gelten würden, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen - mit Begründung vom Vertragsarzt -
ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei sei der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Bis zum Inkrafttreten dieser
Richtlinien könne der Vertragsarzt nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nach den Kriterien des Satzes 2 verordnen.
Im Übrigen schließe zwar Ziffer 20.1 der Arzneimittelrichtlinien (AMR) bestimmte Mittel von der Verordnungsfähigkeit aus,
benenne jedoch auch Ausnahmen. Gemäß Ziffer 20.1 c Satz 2 AMR seien vom Ausschluss ausgenommen als Arzneimittel zugelassene
Basiscremes, Basissalben, Haut- und Kopfhautpflegemittel und Rezepturgrundlagen, soweit und solange sie Teil der arzneilichen
Therapie (Intervalltherapie bei Neurodermitis/endogenem Ekzem, Psoriasis, Akne-Schältherapie und Strahlentherapie) seien und
nicht der Färbung der Haut und -anhangsgebilde sowie der Vermittlung von Geruchseindrücken dienten. Die von ihr begehrten
Medikamente Linola Fettcreme und Linola Creme seien als Arzneimittel zugelassene Basissalben, die Teil der arzneilichen Therapie
der Klägerin bei der Behandlung der starken Neurodermitis-Erkrankung seien. Darüber hinaus seien gemäß Ziffer 20.1 d AMR Balneotherapeutika
von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen. Ausgenommen seien jedoch auch hier als Arzneimittel zugelassene Balneotherapeutika
bei Neurodermitis/endogenem Ekzem, Psoriasis und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. Das Balneo-Hermal F flüssiger
Badezusatz sei ebenfalls als Arzneimittel zugelassen und werde von ihr zur Behandlung der Neurodermitis verwandt.
Das SG hat den Befundbericht des Dr C. vom 14. Februar 2005 eingeholt. Die Klägerin hat weiterhin das Attest des Prof Dr E., Facharzt
für Dermatologie/Allergologie vom 4. Juli 2005 zu den Akten gereicht.
Darin hat dieser u.a. ausgeführt, dass die Hauterkrankung der Klägerin konstitutionell gebunden sei und multifaktoriell verschlimmert
werde. Charakteristisch sei der starke Juckreiz. Die wirksamste äußerliche Behandlung bestehe in der Verabreichung von cortisonhaltigen
Salben, die jedoch wegen ihrer Nebenwirkung nur begrenzt bzw mit Unterbrechungen verabreicht werden sollten. Neuerdings seien
sogenannte Calcineurin-Hemmer wie Protopic und Elidel im Handel für leichtere Formen der Neurodermitis bzw für die Behandlung
von Kindern. Unterstützend in der Therapie wirkten Bestrahlungen und leichte Solebäder. Eine gut pflegende, die Haut weich
erhaltende und mäßig fettende Basisbehandlung sei unbedingt erforderlich. Zur Hydrosierung der Hornschicht würden hierbei
harnstoffhaltige Cremes eingesetzt. Auch Cremes mit ungesättigten Fettsäuren wirkten Juckreiz mindernd. Eine derartige Basisbehandlung
benötigten Patienten mit einer schweren Neurodermitis regelmäßig. Jedoch müsse betont werden, dass die Verträglichkeit unterschiedlicher
pflegender Maßnahmen von Patient zu Patient oft erheblich variiere. Es erfordere meist viel Geduld von Arzt und Patient, die
richtigen Maßnahmen herauszufinden.
Mit Urteil vom 18. Juli 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Leistungspflicht der Beklagten gemäß §
34 Abs
1 Satz 1
SGB V ausgeschlossen sei. Danach seien seit dem 1. Januar 2004 nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen.
Eine Ausnahme gemäß §
34 Abs
1 Satz 2
SGB V sei nicht gegeben. Danach lege der GBA in den Richtlinien nach §
92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 erstmals bis zum 31. März 2004 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung
schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten würden, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom
Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden könnten. Die streitgegenständlichen Medikamente gehörten nicht zu den, in den
AMR genannten Arzneimitteln, bei denen ausnahmsweise eine Verordnung zu Lasten der Krankenkassen in Betracht käme. Die Aufzählung
sei abschließend. Es komme auch eine Ausnahme gemäß §
34 Abs
1 Satz 4 oder Satz 5
SGB V nicht in Betracht. Im Übrigen liege auch kein Verstoß gegen das
Grundgesetz vor. Ein Verstoß des §
34 Abs
1 Satz 1
SGB V gegen gemeinschaftsrechtliche Regelungen sei ebenfalls nicht erkennbar.
Gegen das der Klägerin am 16. August 2005 zugestellte Urteil hat diese Berufung eingelegt, die am 17. August 2005 beim Landessozialgericht
(LSG) Niedersachsen-Bremen eingegangen ist. Mit der Berufungsbegründung vom November 2006 hat die Klägerin das Attest des
Dr C. vom 6. Oktober 2005 sowie den Kurzbrief der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) zu den Akten gereicht. Im weiteren
Verfahren hat sie den Kurzbrief der MHH vom 9. Dezember 2008 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. Juli 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2004 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19. August 2004 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.756,78 EUR zu zahlen sowie die seit dem 18.11.2004 entstandenen Kosten für Linola
Fett, Linola Creme, Anästhesinsalbe 20 %, Balneo Hermal F und Pasta zinci mollis endgültig zu übernehmen und in Zukunft als
Sachleistung zu gewähren,
3. hilfsweise Beweis einzuholen durch hautärztliches Sachverständigengutachten und allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten
zu der Frage, dass ihre Erkrankung an Neurodermitis eine lebensbedrohliche, jedenfalls schwerwiegende bzw. schwere Erkrankung
darstellt, die nur durch die mehrmalige tägliche Anwendung der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel Linola Fett, Linola
Creme, Anästhesinsalbe 20 %, Balneo Hermal F, Pasta zinci mollis behandelt bzw. gelindert werden kann,
4. äußerst hilfsweise Beweis einzuholen durch hautärztliches Sachverständigengutachten und allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten
zu der Frage, dass die Erkrankung an atopischer Dermatitis (Neurodermitis) eine schwerwiegende Erkrankung ist, für deren Behandlung
das Eincremen bzw. die Anwendung der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel Linola Fett, Linola Creme, Anästhesinsalbe
20 %, Balneo Hermal F, Pasta zinci mollis als Therapiestandard gelten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Mit Beschluss vom 5. Januar 2005 hat das SG Hannover die Beklagte vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verpflichtet,
die Klägerin mit den Arzneimitteln "Linola Fett", "Linola Creme", "Anästhesinsalbe 20 %", "Balneo-Hermal F" und "Pasta zinci
mollis" zu versorgen. Im Übrigen hat es den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Mit Beschluss vom
30. März 2005 hat der Senat die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des SG zurückgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf die Gerichts- sowie die Verwaltungsakten der Beklagten und das
Verfahren L 4 KR 37/05 ER bzw L 4 B 60/05 KR ER verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das Urteil des SG Hannover vom 18. Juli 2005 sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten sind zutreffend. Die Klägerin hat
keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Arzneimittel gem §
27 Abs
1 Nr.
3 SGB V.
Nach §
34 Abs
1 Satz 1
SGB V idF durch Art 1 Nr
22 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des GKV-Modernisierungsgesetzes - GMG - vom 14. November 2003, BGBl I 2190 (in Kraft getreten
am 1. Januar 2004) sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach §
31 SGB V ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) legt in den Richtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V (AMR) erstmals bis zum 31. März 2004 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender
Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise
verordnet werden können (§
34 Abs
1 Satz 2
SGB V). Die Regelung gilt jedoch nicht für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für versicherte Jugendliche
bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen (§
34 Abs
1 Satz 5
SGB V).
Der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV verstößt nicht
gegen das Verfassungsrecht. Er ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und den Grundrechten aus Art
2 Abs
1 Grundgesetz iVm dem Sozialstaatsprinzip vereinbar. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 6. November 2008, Az: B 1 KR 6/08 R (in SozR 4-2500 § 34 Nr 4), festgestellt. Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung nach eigener Überzeugung an. Zur
Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des BSG Bezug. Im o. g. Urteil des BSG vom 6. November 2008 (aaO.) ging es um das nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel "Gelomyrtol forte". Das BSG hat darin ausgeführt, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bereits
vor dem 1. Januar 2004 in den Apotheken überwiegend ohne Rezept abgegeben wurden. Es handelte sich dabei um Arzneimittel im
unteren Preisbereich von durchschnittlich weniger als 11 Euro je Packung. Damit ist der finanzielle Aufwand des dortigen Klägers
zur Beschaffung seines Arzneimittels wesentlich geringer als der Aufwand der hiesigen Klägerin. Denn nach ihren eigenen Angaben
muss sie über 500 Euro pro Monat für die streitgegenständlichen Arzneimittel ausgeben. Das BSG hat im o. g. Urteil vom 6. November 2008 (aaO.) die Frage des finanziellen Aufwands des Versicherten nicht berücksichtigt
und nur auf die Möglichkeit des Gesetzgebers abgestellt, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem Leistungskatalog
der Gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich auszuschließen. Aus Sicht des erkennenden Senats rechtfertigt daher auch
der höhere finanzielle Aufwand der Klägerin keine andere Entscheidung in der Sache.
Mithin hat die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrten Arzneimittel gemäß §
27 Abs
1 Nr
3 iVm §
31 Abs
1 Satz 1
SGB V.
Der Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 31 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 und den AMR. Wie bereits der Medizinische
Dienst der Krankenversicherung (MDK) in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 26. Januar 2005 ausgeführt hat, findet sich
in den AMR vom 26. September 2004 unter Punkt F 16.4 eine tabellarische Auflistung über jene Arzneimittel, die trotz des Ausschlusses
in § 34 Abs 1 gleichwohl zu Lasten der GKV verordnet werden können. In der tabellarischen Auflistung unter Ziffer F 16.4.1
bis F 16.4.41 der AMR befinden sich die von der Klägerin begehrten Präparate "Linola Fettcreme", "Linola Creme", "Anästhesinsalbe
20 %", "Balneo-Hermal F" bzw deren Inhaltsstoffe unter der Indikation einer atopischen Dermatitis (Neurodermitis) nicht. Die
vom GBA festgelegte Auflistung ist gemäß Ziffer F 16.7 der AMR abschließend. Mithin ist eine Verordnung der zuvor genannten
Arzneimittel zu Lasten der Beklagten nicht möglich.
Unter Ziffer F 16.8 der AMR wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Vertragsarzt nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel
zu Lasten des Versicherten verordnen soll, wenn sie zur Behandlung medizinisch notwendig, zweckmäßig und ausreichend sind.
Mithin hat sich der behandelnde Arzt Dr C. genau an diese AMR gehalten, indem er kein Kassenrezept, sondern entsprechend Punkt
F 16.8 der AMR die oben genannten nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel zu Lasten der Klägerin auf Privatrezept verordnet
hat.
Die Ausführungen der Klägerin zu Punkt G 20.1 c) sind zwar inhaltlich zutreffend, denn dort werden Basiscremes, Basissalben
etc erwähnt. Aus der Systematik der AMR ergibt sich jedoch, dass die dort genannten Arzneimittel aufgrund der abschließenden
Regelung in Punkt F 16.9 der AMR nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig sind.
Die erweiternde Möglichkeit der Verordnung in Ziffer F 16.5 AMR kommt nicht in Betracht. Danach kann der Arzt bei schwerwiegenden
Erkrankungen für die in diesen Richtlinien in Abschnitt F aufgeführten Indikationsgebiete auch Arzneimittel der Anthroposophie
und Homöopathie verordnen, sofern die Anwendung der Arzneimittel für diese Indikationsgebiete nach dem Erkenntnisstand als
Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist. Der Arzt hat zur Begründung der Verordnung die zugrunde
liegende Diagnose in der Patientendokumentation aufzuzeichnen. Da die Neurodermitis im Abschnitt F nicht als Indikationsgebiet
genannt ist, sondern erst in Abschnitt G, kommt die Erweiterung der Verordnungsfähigkeit nach Ziffer F 16.5 der AMR nicht
in Betracht.
Entsprechendes gilt für das Präparat "Pasta zinci mollis". Hierbei handelt es sich nach den Ausführungen des MDK um eine individuell
hergestellte weiche Paste im Sinne einer individuellen Rezeptur (Rezepturarzneimittel). Derartige Präparate haben und benötigen
keine Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel oder die Europäische Zulassungsbehörde (EMEA), dh, eine spezifische
Zulassungsindikation findet sich für diese Produkte nicht. Grundsätzlich können individuelle Rezepturen für Versicherte zu
Lasten der GKV seit dem 1. Januar 2004 nur noch verordnet werden, wenn sie mindestens einen Wirkstoff aus der Liste der "Verordnung
über verschreibungspflichtige Arzneimittel" gemäß § 48 Abs 2 Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten. Die individuelle Rezeptur muss danach geeignet sein, aufgrund ihrer Bestandteile in Anlehnung an die pharmakologische
Fachliteratur, einen positiven therapeutischen Effekt auf die Hauterkrankung zu haben. Nach den Ausführungen des MDK, denen
der Senat folgt, beinhaltet die Rezeptur des Präparates "Pasta zinci mollis" keine verschreibungspflichtigen Stoffe, die in
der "Verordnung über verschreibungspflichtige Arzneimittel" enthalten sind. Daher ist auch das Rezepturarzneimittel "Pasta
zinci mollis" nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig. Insoweit führt der MDK zu Recht aus, dass dem verordnenden Arzt Dr
C. diese Rechtslage bekannt gewesen war, da er kein Kassen- sondern ein Privatrezept verordnet hat.
Der Senat brauchte den Beweisanträgen der Klägerin schließlich nicht nachgehen, weil es sich dabei nicht um medizinische Tatsachen
handelt, die dem Sachverständigenbeweis zugänglich sind. Die Frage, ob es sich bei der Erkrankung der Klägerin um eine lebensbedrohliche,
jedenfalls schwerwiegende bzw schwere Erkrankung darstellt, ist vom Senat selbst zu beurteilen. Ausgangspunkt ist zunächst
die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 6. Dezember 2005, Az: 1 BvR 347/98 (in SozR 4-2500 § 27 Nr 5). In diesem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht Stellung genommen zur Leistungspflicht der
GKV bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheiten und eine grundrechtsorientierte Erweiterung des Leistungskatalogs
der GKV vorgenommen.
Die Erkrankung der Klägerin ist nicht lebensbedrohlich im Sinne der o. g. Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 6. Dezember
2008 (aaO.). Die Erkrankung der Klägerin ist für diese enorm belastend, sie ist jedoch nicht lebensbedrohlich. Anhaltspunkte
hierfür finden sich deshalb weder in den von der Klägerin eingereichten Attesten des Dr C. vom 28. Mai 2004 bzw 14. Februar
2005 noch in jenem von Prof Dr. E. vom 4. Juli 2005. Selbst in dem in der mündlichen Verhandlung vom 22. April 2010 überreichten
Attest der Hautärztin Dr. F. vom 21. April 2010 wird keine lebensbedrohliche Erkrankung der Klägerin beschrieben. Die Klägerin
stellt bei der Stellung des Beweisantrages offensichtlich darauf ab, dass Hautdefekte, die durch eine fehlende Behandlung
mit den streitgegenständlichen Arzneimitteln entstehen können, eine Lebensgefahr begründen können. Dr. C. hat in seinem Attest
vom 28. Mai 2005 deshalb ausgeführt, dass das Absetzen der Basistherapie mit den im Streit befindlichen Arzneimitteln für
die Neurodermitispatientin durchaus lebensbedrohlich werden kann. Dieser Zustand liegt aber nicht vor.
Die Beweisfrage, ob die Erkrankung der Klägerin schwerwiegend ist oder eine schwere Erkrankung darstellt, bedarf keiner weiteren
Aufklärung, weil nur eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Krankheit die grundrechtsorientierte Erweiterung des
Leistungskatalogs der GKV zur Folge hätte. Eine schwerwiegende oder schwere Erkrankung ist nach der Rechtsprechung des BSG eine der Voraussetzungen für einen Off-Label-Use (vgl Urteil des BSG vom 5. Mai 2009, Az: B 1 KR 15/08 R in SozR 4-2500 § 27 Nr 16). Ein Off-Label-Use der streitgegenständlichen Arzneimittel kommt jedoch nicht in Betracht, weil
diese bereits durch die AMR ausgeschlossen sind. Eine Erweiterung der Indikation im Rahmen des Off-Label-Use würde deshalb
keinen Anspruch der Klägerin begründen. Im Übrigen kann anhand der vorliegenden Atteste als wahr unterstellt werden, dass
die Therapie mit den im Streit befindlichen Arzneimitteln als Therapiestandard (zumindest für die Klägerin) gilt. Hierauf
kommt es jedoch, wie ausgeführt, nicht an. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich, so dass die Berufung zurückzuweisen
ist.
Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor (§
160 Abs
2 SGG). Das BSG hat im Urteil vom 6. November 2008 mit dem Az: B 1 KR 6/08 R zur Rechtslage hinreichend und für den Senat überzeugend Stellung genommen. Gegen dieses Urteil ist zwar Verfassungsbeschwerde
eingelegt worden (Az: 1 BvR 69/09), gleichwohl liegt darin kein Grund für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.