Tatbestand
Streitig ist (nur noch) eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) in Höhe von 6/6 anstelle von bisher 5/6 für die Beschäftigungen des Klägers in der Zeit vom 16. September 1966 bis zum 1.
Februar 1971 und vom 17. November 1977 bis zum 13. August 1990.
Der Kläger wurde 1949 im Gebiet der ehemaligen UdSSR geboren. Vom 16. September 1966 bis zum 1. Februar 1971 war er in der
R Bauxitgrube und vom 17. November 1977 bis zum 13. August 1990 beim Weißrussischen staatlichen Konzern für Erdöl und Chemie
Offene AG "B " tätig. Zum 2. September 1990 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über. Er ist anerkannter Spätaussiedler
und besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit.
Am 16. Februar 2000 erließ die Beklagte einen Vormerkungsbescheid über rentenrechtliche Zeiten des Klägers. Gleichzeitig erstellte
sie eine (unverbindliche) Rentenauskunft, aus der u.a. hervorging, dass die Beschäftigungszeiten des Klägers in der ehemaligen
UdSSR nach dem FRG bewertet würden. Die Berücksichtigung erfolge jedoch nur zu 5/6, da die Zeiten lediglich glaubhaft gemacht und nicht nachgewiesen
worden seien. Nachdem die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Vormerkungsbescheid mit Bescheid vom 14. September
2000 zurückwies, erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Kiel (S 4 KN 35/00). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17. Juli 2002 verpflichtete sich die Beklagte, u.a. weitere rentenrechtliche Zeiten
des Klägers zu überprüfen. Zudem wies sie u.a. darauf hin, dass nur solche Zeiten der Beschäftigung voll anerkannt werden
könnten, die auch voll nachgewiesen worden seien. In den Arbeitsbüchern aus der UdSSR werde immer nur der Beginn und das Ende
des Arbeitsverhältnisses bescheinigt, nicht ergebe sich aus diesen Arbeitsbüchern, ob der Versicherte in der Zwischenzeit
arbeitsunfähig krank gewesen sei oder aus anderen Gründen das Arbeitsverhältnis unterbrochen gewesen sei. Erst wenn Nachweise
der früheren Arbeitgeber vorlägen, dass das Arbeitsverhältnis in bestimmten Zeiten durch Arbeitsunfähigkeitszeiten oder eben
gar nicht durch Arbeitsunfähigkeitszeiten unterbrochen worden sei, könne eventuell eine Vollanerkennung infrage kommen. Die
Beteiligten erklärten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Am 7. Mai 2004 erließ die Beklagte in Ausführung des
Vergleichs vom 17. Juli 2002 einen weiteren Vormerkungsbescheid über rentenrechtliche Zeiten. Auch dieser Bescheid enthielt
eine (unverbindliche) Rentenauskunft.
Am 22. Juli 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente ab dem 1. Oktober 2014. Mit
dem Rentenantrag reichte er u.a. Arbeitsbescheinigungen seiner ehemaligen Arbeitgeber ein. Ausweislich der Übersetzungen aus
der russischen Sprache war der Kläger vom 16. September 1966 bis zum 1. Februar 1971 bei der R -Bauxitgrube und vom 17. November
1977 bis zum 13. August 1990 beim Weißrussischen staatlichen Konzern für Erdöl und Chemie Offene AG "B " ununterbrochen beschäftigt
(siehe Bl. 38 und 40 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 30. September 2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Oktober 2014 eine Regelaltersrente. Ausweislich
der Anlage 10 des Rentenbescheids erfolgte die Anrechnung der FRG-Zeiten in den streitigen Zeiträumen lediglich zu 5/6. Die zu 5/6 angerechneten Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten könnten
nicht voll berücksichtigt werden, weil sie nicht nachgewiesen, sondern nur glaubhaft gemacht worden seien.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 2014 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Rentenbescheid, mit dem er sich u.a. gegen die nicht
vollständige Berücksichtigung der FRG-Zeiten in den streitigen Zeiträumen wandte. Er habe Bestätigungen über die ununterbrochenen Arbeitsverhältnisse eingereicht.
Eine Berücksichtigung zu lediglich 5/6 komme mithin nicht in Betracht.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2015 erfolgte eine Rentenanpassung zum 1. Juli 2015. Auch hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben
vom 14. Juli 2015 Widerspruch. Er könne den neuen Rentenbetrag nicht nachvollziehen.
Mit Bescheid vom 13. Juli 2015 stellte die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers ab 1. Oktober 2014 unter Berücksichtigung
der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG - Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 29/11 R - juris) neu fest und half dem ersten Widerspruch des Klägers insoweit teilweise ab. In Bezug auf die streitigen FRG-Zeiten blieb es bei der 5/6-Belegung. Der Bescheid wurde nach §
86 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2015 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Rentenanpassung (Bescheid vom 30. Juni
2015) zurück. Zum 1. Juli eines Jahres würden die Renten angepasst. Der aktuelle Rentenwert habe sich zum 1. Juli 2015 von
28,61 EUR auf 29,21 EUR erhöht. Dem entspreche der angefochtene Anpassungsbescheid.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2015 wies die Beklagte den Widerspruch nach Erlass des Rentenbescheids vom
13. Juli 2015 zurück. Bezüglich der 5/6-Anrechnung führte die Beklagte aus, dass die eingereichten Arbeitsbescheinigungen
nicht geeignet seien, die Zeiten zu 6/6 anzurechnen. § 22 Abs. 3 FRG bestimme, dass bei nicht nachgewiesenen (= glaubhaft gemachten) Beitrags- oder Beschäftigungszeiten die ermittelten Entgeltpunkte
um ein Sechstel zu kürzen seien. Bei nachgewiesenen Beitrags- oder Beschäftigungszeiten seien dagegen die Entgeltpunkte im
ursprünglichen Umfang anzurechnen. Zeiten seien unter Hinweis auf die BSG-Rechtsprechung nur nachgewiesen und zu 6/6 anrechenbar, wenn zur Überzeugung des Versichertenträgers feststehe, dass Anrechnungszeittatbestände
(krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit usw.) nicht eingetreten seien, nicht jedoch schon dann, wenn nur
Anfang und Ende der jeweiligen Zeiten feststünden. Der Nachweis der fehlenden Unterbrechung entfalle auch dann nicht, wenn
Unterbrechungen in dem Beweismittel (z.B. Arbeitsbuch) üblicherweise nicht aufgeführt würden und einem Versicherten im Übrigen
keine sonstigen amtlichen Unterlagen zur Verfügung stünden. Die in Arbeitsbescheinigungen, Arbeitszeugnissen, Arbeitsbüchern
und anderen Unterlagen bestätigten Beitrags- und Beschäftigungszeiten seien grundsätzlich nur als glaubhaft gemachte Zeiten
im Sinne von § 22 Abs. 3 FRG anzusehen und daher nur zu 5/6 anzurechnen. Auch wenn in Arbeitgeberbescheinigungen, Arbeitszeugnissen, Arbeitsbüchern u.ä.
Unterlagen der Beginn und das Ende der Beschäftigung genau angegeben seien, so berechtige dies nicht zu der Annahme, dass
während dieser Zeit eine Beschäftigung ununterbrochen ausgeübt worden sei. Die Vermutung spreche vielmehr dafür, dass dazwischen
Anrechnungszeiten, wie Zeiten der Krankheit und Arbeitslosigkeit, lägen, die nicht besonders angegeben seien.
Mit am 2. August 2015 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben hat der Kläger sinngemäß Klage gegen die Widerspruchsbescheide
der Beklagten vom 23. Juli 2015 erhoben. Die Beklagte hat die Klage an das zuständige Sozialgericht Lübeck weitergeleitet.
Zwischen den Beteiligten ist mittlerweile nur noch die nicht vollständige Berücksichtigung der FRG-Zeiten streitig. Der Kläger hat zur Begründung vorgetragen, dass die Beklagte ihm die Zeiten auf 5/6 kürze, ohne irgendwelche
Beweise zu haben. Sie stütze sich lediglich auf die Vermutung, dass er in dieser Zeit eventuell krank oder arbeitslos gewesen
sei. Entsprechend den Empfehlungen im Rahmen des vor dem Sozialgericht Kiel geführten Verfahrens habe er mit dem Rentenantrag
Nachweise über seine ununterbrochene Beschäftigung eingereicht. Trotzdem weigere sich die Beklagte, die Zeiten vollständig
zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat sich in Bezug auf die 5/6-Kürzung im Wesentlichen auf den Inhalt der streitigen Bescheide bezogen.
Mit Urteil vom 15. Mai 2018 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom
30. September 2014 in der Fassung des Bescheids vom 30. Juni 2015 in der Fassung des Bescheids vom 13. Juli 2015 in der Gestalt
der Widerspruchsbescheide vom 23. Juli 2015 verurteilt, dem Kläger ab dem 1. Oktober 2014 eine höhere Regelaltersrente unter
Berücksichtigung der in den beiden Arbeitsbescheinigungen genannten Zeiten (vom 16. September 1966 bis zum 1. Februar 1971
einerseits und vom 17. November 1977 bis zum 13. August 1990 andererseits) zu einem Anteil von jeweils 6/6 statt nur zu 5/6
zu bewilligen. Die Beklagte habe die streitbefangenen Zeiten nicht in Anwendung des § 22 Abs. 3 FRG auf 5/6 kürzen dürfen. Die Kammer schließe sich nach eigener Prüfung den überzeugenden vom LSG Niedersachen-Bremen mit Urteil
vom 3. Juni 2015 - L 2 R 227/13 - juris aufgestellten Maßstäben an. Vorliegend stünden zur Überzeugungsbildung zum einen die vom Kläger bereits im Verwaltungsverfahren
eingereichten Arbeitsbescheinigungen zur Verfügung, zum anderen die persönliche Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung.
Der Kläger weise zu Recht darauf hin, dass die Verwendung der Formulierung "ununterbrochen beschäftigt" in beiden Bescheinigungen
ein nicht unerhebliches Indiz dafür sei, dass er dort auch - abgesehen von nach den dargestellten Maßstäben des LSG Niedersachen-Bremen
hier irrelevanten Urlaubszeiten oder nur kurzen, jeweils weniger als einen Monat dauernden krankheitsbedingten Unterbrechungen
- durchgängig tätig gewesen sei und insoweit für ihn durchgängig Pflichtbeiträge nach sowjetischem Recht geleistet worden
seien. Der Kläger habe eine besondere berufliche Belastbarkeit zur Überzeugung der Kammer aufgezeigt. Er habe überzeugend
darauf hingewiesen, dass sein aus der zweiten Bescheinigung (den Zeitraum von 1977 bis 1990 betreffend) ersichtlicher beruflicher
Aufstieg vom Steiger bis schließlich stellvertretenden Leiter der Gewinnungsabteilung Nummer 4 der Grube und stellvertretenden
Chefingenieur der Grube für die 2. Kaliumsohle der Grube wohl äußerst unwahrscheinlich gewesen wäre, wenn er nicht besonderen
Fleiß und besondere Belastbarkeit an den Tag gelegt hätte. Damit seien längere Fehl- bzw. Ausfallzeiten nach Ansicht der Kammer
nicht vereinbar. Auch in den vorliegenden Arbeitsbüchern seien - wie wohl auch im Fall des LSG Niedersachen-Bremen - Tag genau
der Beginn und das Ende der jeweiligen Beschäftigung ausgewiesen. Wie das LSG Niedersachen-Bremen gehe auch die Kammer davon
aus, dass Zeiten einer zwischenzeitlichen Arbeitslosigkeit oder sonstigen Unterbrechung der Beschäftigung des Klägers - hätten
sie bestanden - in den hier streitigen Bescheinigungen aufgenommen worden wären.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 18. Juni 2018 zugestellte Urteil am 18. Juli 2018 Berufung vor dem Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass der Nachweis einer Beitragszeit nur erbracht sei, wenn aus
den Unterlagen ersichtlich sei, in welchem Umfang Fehlzeiten vorhanden gewesen seien oder dass sie nicht vorgelegen hätten.
Enthielten die Unterlagen, wie im Falle des Klägers, lediglich Angaben über Beginn und Ende einer Beschäftigung, ohne zweifelsfrei
erkennen zu lassen, ob und in welchem Umfang die Beschäftigung und damit die Beitragszahlung durch Fehlzeiten unterbrochen
sei, stellten sie lediglich ein Mittel der Glaubhaftmachung dar. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG). Die Heranziehung der Regelungen des § 26 Satz 2 FRG durch das Sozialgericht sei nicht passend. Diese Regelung zu den kurzfristigen Krankheitstagen könne nicht zu den Bestimmungen
des § 22 Abs. 3 FRG gleichgesetzt werden, sondern untermauere vielmehr die Tatsache, dass Beitragszeiten nur nachgewiesen und zu 6/6 anrechenbar
seien, wenn keine Ausfalltatbestände (wie z.B. Krankheit) und somit Unterbrechungen der Beitragszahlungen vorlägen. Das Sozialgericht
missachte zudem die verschiedenen Beweisstufen des Fremdrentenrechts. Eidesstattliche Versicherungen stellten nach § 4 Abs. 3 FRG ausdrücklich (nur) ein Mittel der Glaubhaftmachung dar. Daraus folge, dass dem eigenen Vortrag des Klägers im Rahmen der
gerichtlichen Überzeugungsbildung kein höherer Beweiswert im Sinne eines Vollbeweises beigemessen werden dürfe. Zudem dürfe
auch das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Ausgang des Verfahrens nicht verkannt werden. Auch könne nicht unberücksichtigt
bleiben, dass die strittigen Zeiträume bis zu mehr als 50 Jahre zurücklägen. Im vorliegend Fall seien auch andere Geschehensablaufe
denkbar. Selbst bei ansonsten gesunden Personen könne es aufgrund von Verletzungen bzw. Unfällen zu entsprechenden Fehlzeiten
kommen. Außerdem befasse sich das Sozialgericht nur mit krankheitsbedingten Fehlzeiten. Andere Fehlzeiten (z.B. unbezahlter
Urlaub oder Freistellung zu Fortbildungszwecken) seien denkbar und könnten nicht pauschal ausgeschlossen werden. Die Argumentation
des Sozialgerichts, dass aufgrund der hohen beruflichen Belastbarkeit des Klägers längere Fehl- und Ausfallzeiten nicht vereinbar
seien, sei eine Unterstellung und stütze die Annahme, dass andere Fehlzeiten bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigt worden
seien. Nach dem Gesamtergebnis aller Ermittlungen könne es durchaus als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden, dass
keine größeren Fehlzeiten vorgelegen hätten. Dies stelle aber nach den Beweisstufen des Fremdrentenrechts nur eine Glaubhaftmachung
dar. Der Nachweis sei nicht erbracht, weil Fehlzeiten nicht mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen
werden könnten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 15. Mai 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Weitere Dokumente zu den streitigen Beitrags- und Beschäftigungszeiten
in der ehemaligen UdSSR lägen ihm nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge
der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Rentenbewilligungsbescheid vom 30.
September 2014 in der Fassung des Bescheids vom 30. Juni 2015 sowie des Rentenbescheids vom 13. Juli 2015 in Gestalt der Widerspruchsbescheide
vom 23. Juli 2015 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 1. Oktober 2014 eine höhere Regelaltersrente unter
Berücksichtigung der Beitrags- und Beschäftigungszeiten vom 16. September 1966 bis zum 1. Februar 1971 und vom 17. November
1977 bis zum 13. August 1990 zu einem Anteil von jeweils 6/6 statt nur zu 5/6 zu bewilligen. Die Bescheide sind rechtmäßig
und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung
der streitigen Zeiten zu 6/6.
Der Kläger gehört als russlanddeutscher Spätaussiedler zu dem in § 1 a) FRG genannten Personenkreis.
Nach § 15 Abs. 1 FRG werden Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger (§ 15 Abs. 2 FRG) der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt worden sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichgestellt.
Vorliegend ist unzweifelhaft, dass der Kläger in den streitigen Zeiträumen vom 6. September 1966 bis zum 1. Februar 1971 und
vom 17. November 1977 bis zum 13. August 1990 Beitragszeiten bei einem nicht deutschen Träger in der ehemaligen Sowjetunion
zurückgelegt hat. Dementsprechend hat die Beklagte dem Kläger eine Regelaltersrente unter Berücksichtigung dieser Zeiten gewährt.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 FRG genügt für die Feststellung der Beitragszeiten, dass sie glaubhaft gemacht werden. Allerdings werden gemäß § 22 Abs. 3 FRG für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, die ermittelten Entgeltpunkte (EP) um 1/6 gekürzt,
sodass bei einer Glaubhaftmachung lediglich 5/6 in Ansatz gebracht werden.
Wie sich aus § 22 Abs. 3 FRG ergibt, kommt es - um eine Besserstellung gegenüber den in Deutschland rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern zu vermeiden
- bei Beitragszeiten nach § 15 FRG somit darauf an, ob jeweils im Einzelfall eine höhere Beitragsdichte als 5/6 nachgewiesen wird. Dabei ist davon auszugehen,
dass Beitragszeiten im Sinne des § 15 FRG dann als nachgewiesen i.S.d. § 22 Abs. 3 FRG anzusehen sind, wenn und soweit für den Versicherten in seinem Heimatland eine gesetzliche Sozialversicherung als Pflichtversicherung
bestand und die entsprechenden Beiträge ohne Rücksicht auf Zeiten der Arbeitsunterbrechung einzelner Mitglieder durchgehend
entrichtet wurden (BSG, Urteil vom 19. November 2009 - B 13 R 145/08 R, juris Rn. 21 m.w.N.), wie dies z.B. in der Sowjetunion für (bezahlte) Urlaubszeiten, nicht aber für Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit
oder bei sonstigen Arbeitsunterbrechungen der Fall war (vgl. nur BSG, Urteil vom 21. April 1982 - 4 RJ 33/81, juris Rn. 10; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. Juni 2015 - L 2 R 227/13, juris Rn. 29). Der Nachweis im Sinne eines Vollbeweises ist regelmäßig erst dann geführt, wenn für das Vorliegen der behaupteten
rechtserheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche
begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig
zu schweigen haben. Es darf also kein vernünftiger, in den Umständen des Einzelfalles begründeter Zweifel mehr bestehen (ständige
Rechtsprechung; vgl. BSG, Urteil vom 28. November 1957 - 4 RJ 186/56, juris; Urteil vom 17. März 1964 - 11/1 RA 216/62, juris; Urteil vom 9. November 1982 - 11 RA 64/81, juris Rn. 12). Zwar lässt es die aus Gründen der Abmilderung von Beweisnotständen geschaffene Bestimmung des § 4 Abs. 1 FRG für die Feststellung der nach diesem Gesetz erheblichen Tatsachen genügen, dass sie glaubhaft gemacht sind. Bei bloßer Glaubhaftmachung
ist eine Vollanrechnung der Beitragszeiten im Herkunftsgebiet indessen nicht möglich. Die in § 22 Abs. 3 FRG vorgesehene Kürzung der ermittelten Entgeltpunkte auf 5/6 für lediglich glaubhaft gemachte Beitrags- oder Beschäftigungszeiten
beruht auf der Erfahrungstatsache, dass auch die durchschnittliche Beitragsdichte im Bundesgebiet (nur) diesem Umfang entspricht
(vgl. BSG, Urteil vom 20. August 1974 - 4 RJ 241/73, juris Rdnr. 25; Urteil vom 5. Februar 1976 - 11 RA 48/75, juris Rn. 14; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. November 2016 - L 7 R 2582/15, juris Rn. 23 m.w.N.). Um eine Besserstellung des fremdrentenberechtigten Personenkreises gegenüber den in Deutschland rentenversicherungspflichtigen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu vermeiden, muss daher eine höhere Beitragsdichte bezüglich etwaiger Fremdrentenzeiten
jeweils im Einzelfall nachgewiesen werden.
Nachgewiesen sind Beitragszeiten in diesem Sinne nicht schon dann, wenn lediglich Anfang und Ende des jeweiligen Zeitraums
einer beitragspflichtigen Beschäftigung genau bekannt sind; denn aus dem Nachweis einer ununterbrochenen Beschäftigungszeit
ergibt sich nicht zwingend, dass während dieser Zeit auch ununterbrochen Beiträge entrichtet worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 1970 - 5 RKn 10/68, juris Rn. 21). Vielmehr muss darüber hinaus zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass Unterbrechungen in der Beitragsentrichtung
(z.B. durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, unbezahlten Urlaub, unentschuldigte Fehlzeiten, Arbeitslosigkeit usw.)
nicht eingetreten sind, mithin im Einzelfall eine den Anteil von 5/6 übersteigende höhere Beitragsdichte erreicht worden ist.
Den dem Rentenversicherungsträger vorgelegten Arbeitsbescheinigungen und sonstigen Unterlagen müssen mithin die jeweiligen
Unterbrechungszeiträume genau zu entnehmen sein (vgl. BSG, Urteil vom 20. August 1974 - 4 RJ 241/73, juris Rn. 25; Urteil vom 24. Juli 1980 - 5 RJ 38/79, juris Rn. 27; LSG Saarland, Urteil vom 26. April 2018 - L 1 R 94/16, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. November 2016 - L 7 R 2582/15, juris; LSG Bayern, Urteil vom 8. Februar 2017 - L 13 R 899/13, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2019 - L 7 R 4280/17, juris).
Ausgehend von diesen Maßstäben vermochte sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass für den Kläger hinsichtlich der vorliegend
streitbefangenen Zeiten in der ehemaligen Sowjetunion ununterbrochen Beiträge entrichtet worden sind. Mithin hat die Beklagte
die von ihr anerkannten Beitragszeiten zu Recht nur als glaubhaft gemacht gewertet. Nach den aktenkundigen Unterlagen steht
lediglich fest, dass der Kläger in der ehemaligen Sowjetunion zu bestimmten Zeiten ununterbrochen in einem Beschäftigungsverhältnis
gestanden bzw. gearbeitet hat und dass er während dieser Zeiten grundsätzlich der Beitragspflicht zur dortigen Rentenversicherung
unterfallen ist. Weitere Unterlagen in Bezug auf die damaligen Beschäftigungsverhältnisse und die Beitragsentrichtung liegen
nicht mehr vor. Von einer lückenlosen tatsächlichen Beitragsentrichtung während der streitigen Zeiten kann somit nicht mit
der erforderlichen Sicherheit ausgegangen werden.
Etwas anderes ergibt sich nach Auffassung des Senats auch nicht aus der Regelung des § 26 Satz 2 FRG (so aber LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. Juni 2015 - L 2 R 227/13, juris Rn. 32 f.).
§ 26 FRG bestimmt, dass bei Anwendung des § 22 Abs. 1 FRG die Entgeltpunkte nur anteilmäßig berücksichtigt werden, wenn Beitrags- und Beschäftigungszeiten nur für einen Teil eines
Kalenderjahres angerechnet werden (§ 26 S. 1 FRG). Dabei zählen Kalendermonate, die zum Teil mit Anrechnungszeiten nach §
58 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) belegt sind, als Zeiten mit vollwertigen Beiträgen (§ 26 Satz 2 FRG).
Diese aufeinander Bezug nehmenden Regelungen ("dabei") beanspruchen schon nach ihrem Wortlaut nur bei der Anwendung des §
22 Abs. 1 FRG Gültigkeit und nicht im Rahmen des § 22 Abs. 3 FRG. § 22 Abs. 3 FRG findet Anwendung, wenn - wie hier - unklar ist, ob, wann und in welchem Umfang Fehlzeiten vorliegen. Dann kommt es zu einer
pauschalierten Kürzung der Entgeltpunkte auf 5/6. Steht hingegen im Sinne eines Nachweises fest - was vorliegend gerade nicht
der Fall ist -, dass Kalendermonate zum Teil mit Beitrags- oder Beschäftigungszeiten und zum Teil mit Anrechnungszeiten im
Sinne des §
58 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI belegt sind (Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, Zeiten der Rehabilitation), zählen diese nach § 26 Satz 2 FRG als Kalendermonate mit "vollwertigen Beiträgen" (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 8. Februar 2017 - L 13 R 899/13, juris Rn. 55).
Zudem gibt es auch noch andere Unterbrechungstatbestände, die von § 26 FRG von vornherein nicht erfasst werden. Zu denken ist hier an Zeiten der unbezahlten Freistellung vom Dienst und Zeiten der
Arbeitslosigkeit (LSG Bayern, a.a.O., juris Rn. 56). Selbst wenn letztere in der ehemaligen Sowjetunion keine Bedeutung erlangt
haben sollten, sind jedenfalls erstere, wie auch die Beklagte vorträgt, nicht zur völligen Überzeugung des Senats ausgeschlossen.
Schließlich ergibt sich auch aus den eigenen Aussagen des Versicherten kein Nachweis im Sinne des § 22 Abs. 3 FRG. Soweit das Sozialgericht sich hierbei den vom LSG Niedersachen-Bremen (Urteil vom 3. Juni 2015 - L 2 R 227/13, juris Rn. 23 ff.) aufgestellten Maßstäben anschließt, folgt der Senat dem nicht.
Das LSG Niedersachsen-Bremen bezieht sich zu Unrecht auf das Urteil des BSG vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08, juris. In diesem Urteil hat das BSG sich mit der Frage auseinandergesetzt, welche Bedeutung die Angaben eines hinterbliebenen Ehegatten zu den Motiven für die
Schließung einer Ehe haben, die weniger als ein Jahr gedauert hat, um die in §
46 Abs.
2 a SGB VI normierte Vermutung einer sog. Versorgungsehe zu widerlegen. Das BSG hat dort betont, dass derartige Angaben des Hinterbliebenen neben den objektiv nach außen tretenden Umständen in die Gesamtwürdigung
mit einzubeziehen sind. Entgegen der Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen folgt daraus aber kein allgemeiner Rechtssatz,
der auch im Fremdrentenrecht anzuwenden wäre, dahingehend, dass im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände des zu beurteilenden
Einzelfalls namentlich auch als glaubhaft einzuschätzende Angaben des Versicherten die maßgebliche Grundlage für richterliche
Feststellungen bilden können (so auch LSG Bayern, a.a.O., Rn. 61 ff.). Da die relevanten Tatbestände bereits oftmals Jahrzehnte
zurückliegen, ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage bloße Angaben von Versicherten, es hätten keine Unterbrechungen
insbesondere aufgrund von Krankheit vorgelegen, als Nachweis für eine durchgehende Beitragsentrichtung erachtet werden können.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG) liegen nicht vor.