Sozialrecht in der Juristischen Ausbildung - Ein Notstandsgebiet!

20.06.2019 opener

Der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. - DSGT- setzt sich seit langem für die Stärkung des Sozialrechts in der juristischen Ausbildung ein. Festzustellen ist jedoch, dass das Sozialrecht in der studentischen Ausbildung an den Universitäten immer weiter geschwächt wird. Derzeit erarbeitet der Ausschuss zur Koordinierung der Juristenausbildung weitere Empfehlungen.

Brandbrief des DSGT an die Landesjustizministerien

In einem Brandbrief vom 16. April 2019 an die Justizminister und Justizministerinnen der Länder hat der DSGT gefordert, Grundzüge des Sozialrechts und des Sozialverwaltungsverfahrensrechts in den Pflichtstoffkatalog aufzunehmen sowie das Sozialrecht nachhaltig im Schwerpunktbereich zu stärken. Wir haben dazu einen Vorschlag zur Änderung des § 5a Abs 2 Satz 3 DRiG formuliert.

Die (traditionelle) Vernachlässigung des Sozialrechts in der Juristenausbildung steht im krassen Gegensatz zu dessen überragender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedeutung. Jeder unterliegt der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht, die übergroße Mehrheit auch der Renten-, Arbeitslosen - oder Unfallversicherung. Das Sozialbudget entspricht mit fast 1.000 Milliarden Euro etwa einem Drittel des Bruttonationaleinkommens. Im Gesundheits- und Sozialwesen arbeiten 5,2 Millionen Menschen; hinzu kommen zig-tausend Beschäftigte der Sozialversicherungsträger und der öffentlichen Verwaltung.

Vielgestaltigkeit und Komplexität des Rechtsgebietes bedingen eine hohe Nachfrage nach im Sozialrecht gut ausgebildeten Juistinnen und Juristen in den verschiedensten Professionen. Deren Rekrutierung wird immer schwieriger.

Der DSGT hat sich nicht nur an die Landesjustizverwaltungen gewandt, sondern auch an den Bundesarbeits- und Sozialminister sowie die Landessozialministerien mit der Bitte, das Anliegen nach ihren Möglichkeiten zu unterstützen.

Sozialrecht ungeeignet für Pflichtfachausbildung???!!!

Die Vorsitzende des Koordinierungsausschusses hat in einem Schreiben an den DSGT für die Landesjustizminister und -ministerinnen geantwortet. Diese Antwort kann nur Befremden oder eher noch Bestürzung auslösen. Reformüberlegungen gingen und gehen, so heißt es darin, n i c h t dahin, das Sozialrecht in den Pflichtfachkanon aufzunehmen. Begründet wird dies damit, das Sozialrecht sei ungeeignet, das Ziel der juristischen Ausbildung, nämlich Methodik und Systematik der juristischen Denkweise zu vermitteln, die es den angehenden Juristinnen und Juristen ermöglicht, sich in jedes Rechtsgebiet einzuarbeiten und es zu durchdringen. Das Sozialrecht werde nicht zu den Stoffgebieten gerechnet, die in besonderer Weise zum exemplarischen und /oder methodischen Lehren und Lernen geeignet sind. Es sei im Rahmen des Schwerpunktbereichsstudiums allerdings ohne Weiteres möglich, sich im Sozialrecht durch die nötige kritische und wissenschaftiche Vertiefung zu qualifizieren und diese Profilbildung im juristischen Vorbereitungsdienst fortzusetzen.

Unerwartete Schützenhilfe

Während das BMAS nicht und etliche Landessozialministerien unter Hinweis auf ihre fehlende Zuständigkeit (die dem DSGT natürlich durchaus bekannt ist) geanwortet haben, hat der der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen Laumann die stärkere Berücksichtigung des Sozialrechts aus den von uns dargelegten und von ihm geteilten Gründen begrüßt und signalisiert, sich je nach dem, wie die Antwort der Justizminister ausfällt, für unser Anliegen einzusetzen. Die Bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales Schreyer (zuständig für die Sozialgerichtsbarkeit) hat ebenfalls die Vernachlässigung des Sozialrechts in der juristischen Ausbildung beklagt, die in einem nicht vertretbaren Gegensatz zu dessen überragender Bedeutung für Gesellschaft und Wirtschaft stehe. Ministerin Schreyer teilt mit, mit dem für die juristische Ausbildung zuständigen Staatsministerium der Justiz und mit den auf dem Gebiet des Sozialrechts tätigen Professoren in regem Kontakt zu stehen.

Sozialrecht muss Pflichtstoff sein

Der DSGT muss und wird "am Ball" bleiben. Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass das Sozialrecht - anders als andere nicht weniger komplexe Fachgebiete - aus dem universitären Pflichtstoff ausgeschlossen wird mit der nur als despektierlich zu bezeichnenden Begründung, es sei zur Vermittlung von Methodik und Systematik der juristischen Denkweise nicht geeignet. Wäre dies richtig, müssten andere nicht weniger komplexe Fachgebiete aus dem Pflichtfachkanon entfernt werden.

Monika Paulat

Päsidentin des Deutschen Sozialgerichtstages e.V.

Autor: Monika Paulat, Präsidentin des DSGT e.V. und Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg a.D.

Anlass: Juristenausbildung

Das Sozialrecht wird in der studentischen Ausbildung an den Universitäten immer weiter geschwächt. In einem Brandbrief an die Justizminister und Justizministerinnen der Länder hat der DSGT gefordert, Grundzüge in den Pflichtstoffkatalog aufzunehmen und das Sozialrecht nachhaltig im Schwerpunktbereich zu stärken.

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Schlagwörter: Juristenausbildung, Justizminister, Brandbrief, Sozialrecht