Nachforderung von Pauschalbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Nachforderung von Pauschalbeiträgen
zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Der als Steuerberater selbstständig tätige Kläger beschäftigte ab dem 1.4.2013 den Beigeladenen zu 1. gegen ein Arbeitsentgelt
von monatlich 400 Euro als Hausmeister. Nach einer Betriebsprüfung forderte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg
anlässlich der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. vom Kläger Pauschalbeiträge zur GKV nach. Klage und Berufung sind erfolglos
geblieben (SG-Gerichtsbescheid vom 28.12.2020; LSG-Urteil vom 23.7.2021). Die Erhebung pauschaler Krankenversicherungsbeiträge für geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer sei nach der Rechtsprechung
des BSG mit dem
GG vereinbar. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG in entsprechender Anwendung von §
169 Satz 2 und
3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN).
Der Kläger hält es auf Seite 7 der Beschwerdebegründung für grundsätzlich klärungsbedürftig,
"dass durch die Bescheidung der Beklagten abverlangten 'Beiträge', für die der Kläger als Abgabenschuldner eintrittspflichtig
ist, Beiträge darstellen (und dies unter Verletzung des Äquivalenzgrundsatzes), sondern vielmehr als Einnahmen (Einkünfte)
zur Einnahmenerzielung zu qualifizieren sind, mit der Folge, dass diese 'Verbeitragung' unzulässig ist".
Die vom LSG getroffene Feststellung, der Beitragsbegriff der Sozialversicherung sei ein anderer als der des allgemein geltenden
Beitragsbegriffs im Bereich der Finanzverfassung des
GG, sei nicht zutreffend. Infolge unzureichender redaktioneller Arbeit des Gesetzgebers gebe es in den Regelungen des
GG zu den Abgaben, die nicht Steuer hießen, aber wie Steuern wirkten, keine umfassende und allgemein anerkannte Definition des
Abgabentypus bzw des Begriffs "Beitrag". Derartige "Beiträge" seien letztlich als unbestimmte Abgaben zu qualifizieren. Dass
eine Mitgliedschaft in einer privaten Krankenversicherung die Beitragspflicht in der GKV aufgehoben hätte, weise auf eine
klare Diskriminierung der sozialgesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmer hin. Da die Mitglieder der GKV in aller Regel
höhere Beiträge als Privatversicherte zahlen würden, sei eine Verletzung des Gleichbelastungsgrundsatzes offenkundig. Es sei
ersichtlich, dass es keine unterschiedlichen Beitragsbegriffe, Sozialversicherungsbeitrag und allgemein verfassungsrechtlicher
Typus hoheitlicher Betrag, gebe. Wenn die Äquivalenzlage oder die Wertabschöpfungsabsicht bei einer öffentlich-rechtlichen
Zuwendung, die eine Beitragserhebung rechtfertige, bei einer Abgabe fehle, sei der Beitrag letztendlich eine Steuer und zwar
unabhängig davon, in welchem Gesetzbuch diese Abgabenlast festgelegt werde.
a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) schon deshalb nicht, weil darin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit
einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert wird. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit
das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
b) Unabhängig hiervon legt der Kläger auch nicht die Klärungsbedürftigkeit der von ihm behaupteten grundsätzlichen Bedeutung
der Rechtssache dar. Insbesondere befasst er sich nicht mit dem bereits vom LSG herangezogenen Urteil des Senats zur Verfassungsmäßigkeit
der Erhebung pauschaler Krankenversicherungsbeiträge für geringfügig Beschäftigte vom 25.1.2006 (B 12 KR 27/04 R - SozR 4-2500 § 249b Nr 2). Dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen worden wäre
(BSG Beschluss vom 18.2.2021 - B 10 ÜG 8/20 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 5.2.2019 - B 1 KR 34/18 B - juris RdNr 7), oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben hätten, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten
(BSG Beschluss vom 3.8.2016 - B 12 P 4/15 B - juris RdNr 5 mwN), also erneut Klärungsbedürftigkeit bestehe, zeigt der Kläger ebenfalls nicht auf. Soweit die Ausführungen des Klägers dahingehend
zu verstehen sein sollten, dass Sozialversicherungsbeiträge stets als (steuerliche) Abgaben zu qualifizieren seien, wäre nicht
nachzuvollziehen, wie diese Annahme mit dem Institut der gesetzlichen Sozialversicherung (vgl hierzu zB BVerfG Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4 - Pflegeversicherung I) und der sie prägenden grundsätzlichen (paritätischen) Beitragstragungs- und Beitragszahlungspflicht eines Arbeitgebers zu
vereinbaren wäre.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Der Kläger trägt vor, die angefochtene Entscheidung des LSG weiche von einem Beschluss des BVerfG vom 11.10.1994 (2 BvR 633/86 - BVerfGE 91, 186 - Kohlepfennig) ab. Darin sei ausgeführt, dass zum Schutz der bundesstaatlichen Finanzverfassung und um Erfordernissen des Individualschutzes
der Steuerpflichtigen im Hinblick auf die Belastungsgleichheit Rechnung zu tragen, eine Sonderabgabe nur in engen verfassungsrechtlichen
Grenzen zulässig sei und deshalb eine seltene Ausnahme bleiben müsse. Demgegenüber vertrete das LSG die Auffassung, die Beitragspflicht
von nur bei Beschäftigung von bereits in der GKV versicherten Personen sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Dies würde
eine Heranziehung des Klägers als Abgabenschuldner zu einer Belastung bedeuten, wobei der Kläger keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit
haben könne, einer "Beitragspflicht" nachzukommen, ohne dass in seiner Person für ein Äquivalent gesorgt sei.
Eine entscheidungserhebliche Divergenz legt der Kläger hierdurch schon deshalb nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen
entsprechenden Weise dar, weil er nicht aufzeigt, dass die sich vermeintlich widersprechenden Aussagen überhaupt auf denselben
Gegenstand beziehen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2, §
162 Abs
3 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm §
63 Abs
2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.