Nachweis von Beschäftigungszeiten im Sinne des FRG
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Fehlende Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage
Gründe:
I
In dem mit der Beschwerde angegriffenen Urteil vom 10.10.2017 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch des aus Ungarn
stammenden Klägers auf Berechnung seiner Regelaltersrente unter Berücksichtigung des Zeitraums vom 1.9.1963 bis 9.6.1972 als
nachgewiesene Pflichtbeitragszeiten ohne Kürzung um 1/6 nach § 22 Abs 3 FRG verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich ausschließlich auf die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits (Zulassungsgrund nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
II
Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr,
vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
Mit der von seiner Prozessbevollmächtigten gefertigten Beschwerdebegründung vom 18.12.2017 macht der Kläger allein den Zulassungsgrund
der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) geltend. Jedoch genügt die Beschwerdebegründung nicht den formalen Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich
ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung
im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit)
ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre
nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage
im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr, zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG [Kammer] Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - Juris RdNr 12).
Der Kläger misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei,
"welche Beweismittel für den Nachweis der Beschäftigungszeiten im Sinne des FRG für eine ungekürzte Anrechnung auf die deutsche Rente ausreichen, d.h. welche Anforderungen an die im Rahmen des zu erbringenden
Vollbeweises erforderliche Plausibilitätsprüfung einer über 5/6 liegenden Beitragsdichte zu stellen sind und wie der Begriff
des 'Nachweises' im Sinne des FRG auszulegen ist".
Hierzu erläutert der Kläger, es frage sich, ob der Begriff des Nachweises im Sozialversicherungsrecht anders zu verstehen
sei als in den sonstigen Rechtsgebieten. Die Antwort auf die Rechtsfrage ergebe sich nicht zweifelsfrei aus dem Gesetz. Aus
§ 22 Abs 3 FRG folge, dass Beitrags- und Beschäftigungszeiten, sofern sie nicht nachgewiesen seien, nur mit 5/6 anzurechnen seien. Nachgewiesen
seien Zeiten, bei denen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehe, dass sie zurückgelegt worden seien, für
die also voller Beweis erbracht worden sei. Wenn nach dem angegriffenen Urteil "zum Nachweis der ununterbrochenen Beschäftigungs-
und Beitragszeiten ausschließlich der ungarische Sozialversicherungsausweis oder die Gesundheitskartei des Arbeitgebers nur
unter Umständen als Beweis im Sinne des Vollbeweises dienen könne", werde der Anschein einer unsicheren und willkürlichen
Rechtanwendung gesetzt. Das Gesetz konkretisiere die Voraussetzungen für den Nachweis nicht, insbesondere ergebe sich aus
den einschlägigen Regelungen keine Beschränkung des Nachweises auf den Urkundsbeweis. Durch eine solche Einschränkung könnte
der Nachweis vom betroffenen Personenkreis überhaupt nicht erbracht werden. Die durch § 22 FRG bezweckte "Rechtswohltat" könne sich nicht auswirken. Zudem sei dem Gesetz nicht zu entnehmen, warum im Gegensatz zu Zeiten
bei deutschen Rentenversicherungsträgern bei FRG-Zeiten eines ausländischen Versicherungsnehmers der Nachweis verlangt werde, an welchen Tagen und warum er gefehlt habe.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit eine hinreichend konkrete und aus sich selbst heraus verständliche Rechtsfrage zur
Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den folgenden Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt
ausreichend konkret dargelegt hat. Denn jedenfalls hat er die Klärungsbedürftigkeit der formulierten Frage - deren Qualität
als Rechtsfrage unterstellt - nicht den nach §
160a Abs
2 S 3
SGG diesbezüglich geltenden Anforderungen entsprechend dargelegt. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage fehlt nicht
nur dann, wenn sich ihre Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz ergibt. Vielmehr fehlt auch die Klärungsbedürftigkeit einer
Frage, deren Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt,
wenn die Frage also "geklärt" ist (vgl zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 6 mwN). Daher hätte der Kläger auf die umfangreiche Rechtsprechung des BSG zu § 22 Abs 3 FRG eingehen und aufzeigen müssen, dass sich die von ihm formulierte Frage auch auf deren Grundlage nicht beantworten lässt.
Dies hat er versäumt.
Insbesondere wäre es erforderlich gewesen, in der Beschwerdebegründung zumindest auf das Urteil des BSG vom 17.3.1964 (11/1 RA 216/62 - BSG 20, 255 = SozR Nr 1 zu § 19 FRG) einzugehen. Dieses Urteil hat bereits das SG in seinem der Berufung zugrunde liegenden und vom LSG nach §
153 Abs
2 SGG in Bezug genommenen Urteil vom 24.5.2017 zitiert. Im Leitsatz 1 des BSG heißt es: "'Nachweis' im Recht der Sozialversicherung ist grundsätzlich nichts anderes als 'Beweis'. Sofern im Recht der
Sozialversicherung nicht ausdrücklich zum 'Nachweis' nur bestimmte Beweismittel zugelassen sind, kann der 'Nachweis' mit allen
zulässigen Beweismitteln geführt werden, also nicht nur durch Urkunden, sondern auch durch Zeugen". Dennoch fehlen in der
Beschwerdebegründung - anders als erforderlich - jegliche Ausführungen zur einschlägigen Rechtsprechung des BSG und im Hinblick auf die vom Kläger formulierte Frage ggf dennoch verbleibender Zweifel.
Soweit der Kläger der Auffassung ist, die formulierte Frage sei möglicherweise durch die Rechtsprechung geklärt gewesen, jedoch
erneut klärungsbedürftig geworden (vgl zu dieser Möglichkeit schon BSG Beschluss vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 7; jüngst BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - Juris RdNr
16), wird auch dies nicht anforderungsgerecht (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG) dargelegt. Insofern wäre darzustellen gewesen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprochen
worden ist oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen
könnten (BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - Juris RdNr 16). Entsprechende Ausführungen fehlen in der Beschwerdebegründung.
Die in der Beschwerdebegründung aufscheinenden Zweifel, ob das LSG die streitigen Zeiten trotz der vorgelegten Unterlagen
zurecht nicht als "nachgewiesen" angesehen hat, sind von vornherein nicht geeignet, die Beschwerde zulässig zu begründen.
Dass das LSG diese Unterlagen nicht als Vollbeweis einer Beitrags- oder Beschäftigungszeit gewertet hat, betrifft grundsätzlich
die richterliche Überzeugungsbildung iS des §
128 Abs
1 S 1
SGG. Hierauf kann jedoch nach der ausdrücklichen Regelung von §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.