Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Rechtlich vorteilhafte Beitragserstattungsbescheide
Gründe:
I
In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Überprüfungsverfahren darüber, ob die Klägerin
einen Anspruch auf Regelaltersrente hat und ob die Beklagte eine 1960 erfolgte Beitragserstattung rückgängig machen muss.
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das stattgebende Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufhebung der bestandskräftigen Bescheide vom
5.12.2003 und vom 16.4.2004, mit denen die Beklagte die Rücknahme der Beitragserstattung und den Antrag auf Regelaltersrente
abgelehnt habe. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Beitragserstattung rückgängig zu machen. Bei dem Beitragserstattungsbescheid
handele es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Als solcher könne er nach dem Übergangsrecht zur Einführung des SGB X nicht mehr zurückgenommen werden, da er damals bereits bestandskräftig gewesen sei und auch nach § 1744
RVO in der vor dem 1.1.1981 geltenden Fassung nicht mehr habe überprüft werden können (Urteil vom 20.10.2017).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich ausschließlich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
II
Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen
§
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Dass die Klägerin das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen
(stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
Mit der von ihrer Prozessbevollmächtigten gefertigten Beschwerdebegründung vom 15.2.2018 macht die Klägerin allein den Zulassungsgrund
der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) geltend. Jedoch genügt die Beschwerdebegründung nicht den formalen Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich
ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung
im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit)
ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre
nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage
im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr, zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG [Kammer] Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - Juris RdNr 12).
Die Klägerin misst folgender Frage grundsätzliche Bedeutung bei:
"Handelt es sich bei einem vor Einführung des SGB X auf Antrag des Versicherten erlassenen Beitragserstattungsbescheides um einen rein begünstigenden Verwaltungsakt mit der
Folge, dass dieser nach den Rücknahmevorschriften des SGB X wegen entgegenstehenden Übergangsrechts (hier Art. II § 40 Abs. 2 SGB X) nicht mehr überprüft werden kann, oder handelt es sich statt dessen um einen zumindest auch stets belastenden Verwaltungsakt
in der Folge des mit der Beitragserstattung einhergehenden Rechtsverlusts in Form der Wiedererlangung der entrichteten Beiträge,
der Wiedererlangung der bisher zurückgelegten Versicherungszeiten, dem Recht zur freiwilligen Weiterversicherung und der Erfüllung
der allgemeinen Wartezeit".
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin damit eine hinreichend konkrete und aus sich selbst heraus verständliche Rechtsfrage
zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den folgenden Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt
ausreichend konkret dargelegt hat.
Ebenso wenig muss entschieden werden, ob die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der von ihr formulierten Frage anforderungsgerecht
dargelegt hat. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen
Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt" ist (vgl zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 6 mwN). Die Klägerin geht in ihrer Duplik vom 3.4.2018 selbst davon aus, dass das BSG die aufgeworfene Rechtsfrage bereits dahingehend beantwortet hat, dass Beitragserstattungsbescheide ausschließlich rechtlich
vorteilhaft sind und zitiert hierfür noch in der Beschwerdebegründung mehrere Entscheidungen. Sie ist jedoch der Auffassung,
die Frage sei erneut klärungsbedürftig geworden (vgl zu dieser Möglichkeit schon BSG Beschluss vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 7; jüngst BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - Juris RdNr 16). Insofern verweist sie auf Rechtsprechung des 2. Senats des BSG und zwei Kommentierungen zu § 44 SGB X. Ob sie damit den Anforderungen an die Darlegung einer erneuten Klärungsbedürftigkeit genügt, kann jedoch offenbleiben.
Jedenfalls genügen die Ausführungen der Klägerin zur Klärungsfähigkeit der von ihr formulierten Frage - deren Qualität als
Rechtsfrage unterstellt - nicht den nach §
160a Abs
2 S 3
SGG diesbezüglich geltenden Anforderungen. Die formulierte Frage hält sie für entscheidungserheblich, weil sie nur, "wenn der
Beitragserstattungsbescheid - auch - als belastender Verwaltungsakt anzusehen ist", einen Anspruch auf dessen Aufhebung habe.
Jedoch versäumt sie es darzulegen, dass der Senat in den angestrebten Revisionsverfahren tatsächlich über die formulierte
Frage entscheiden müsste und das Urteil des LSG nicht bereits aus anderen, naheliegenden Gründen bestätigen könnte (vgl Leitherer
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
160a RdNr 14k mwN). Hierfür hätte sie ausführen müssen, dass alle (übrigen) Voraussetzungen des ihrer Meinung nach einen Anspruch
auf Aufhebung des Beitragserstattungsbescheids begründenden § 44 SGB X erfüllt sind und das LSG die insoweit notwendigen Tatsachen mit Bindungswirkung für das BSG (§
163 SGG) festgestellt hat. Aus diesem Grunde hätte sie auf Grundlage der im angegriffenen Urteil festgestellten Tatsachen im Einzelnen
angeben müssen, dass und weshalb die Beklagte bei Erlass dieses Bescheides das Recht unrichtig angewandt hat. Entsprechende
Angaben fehlen aber in der Beschwerdebegründung.
Die von der Klägerin persönlich nach Ende der am 15.2.2018 abgelaufenen Beschwerdebegründungsfrist (§
160a Abs
1 S 2 iVm §
64 Abs
3 SGG) eingereichten Schreiben hat der Senat zur Kenntnis genommen. Ihren Inhalt konnte er jedoch wegen des Fristablaufs und des
auch im Verfahren über Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision vor dem BSG geltenden Vertretungszwangs (§
73 Abs
4 SGG) nicht berücksichtigen. Die von der Klägerin in diesen Schreiben vorgebrachten Gründe gegen die inhaltliche Richtigkeit des
angegriffenen LSG-Urteils können - wie bereits oben dargelegt - ohnehin nicht zur Zulassung der Revision führen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.