Prozessvertretung durch zugelassenen Verbandsvertreter im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
Mit Urteil vom 1. September 2006 hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Gewährung
höherer Regelaltersrente verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) persönlich unter Hinweis
darauf, er sei Vorsitzender des Bundes der Pflegeversicherten eV, Bundesgeschäftsstelle, Münster, Beschwerde eingelegt. Auf
Anforderung des Senats hat der Kläger einen Vereinsregisterauszug sowie "Programm und Satzung" des Bundes der Pflegeversicherten
eV vorgelegt. Der Vereinsregisterauszug weist den Kläger als 1. Vorsitzenden des Vereins aus; nach § 2 der vorgelegten Satzung
steht der Zweck des Bundes der Pflegeversicherten eV unter der Herausforderung, nach der es Pflicht aller gesellschaftlichen
Kräfte, insbesondere der staatlichen Gewalt sein muss, die Menschlichkeit im Menschen zu fördern. Danach versteht sich der
Bund der Pflegeversicherten eV als Schutzgemeinschaft zum Schutz der Pflegebedürftigen, ihrer Angehörigen sowie der Pflegekräfte.
Die Ziele des Vereins sind in der Vorschrift ua wie folgt beschrieben:
"2.1.
Förderung der Selbstbestimmung und der Eigenverantwortung jedes einzelnen in der Solidargemeinschaft der Pflegeversicherten.
-
2.2.
Sensibilisierung und Beratung der Pflegeversicherten sowie ihrer Angehörigen, ihre Belange in voller Selbstbestimmung zu regeln.
Interessenvertretung der Pflegeversicherten gegenüber den Vertragspartnern (Pflegekassen, Krankenkassen, Sozialhilfeträgern,
soziale und private Pflegedienste usw. -"
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Mangels Postulationsfähigkeit (Fähigkeit, Prozesshandlungen wirksam
vorzunehmen) kann sich der Kläger in eigenen Angelegenheiten vor dem BSG nicht vertreten; auch als 1. Vorsitzender des Bundes
der Pflegeversicherten eV ist ihm die Möglichkeit des Auftretens vor dem BSG nicht eröffnet. Denn gemäß § 166 Abs 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) sind Mitglieder von selbständigen Vereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung nur dann zur Vertretung
zugelassen, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind. Eine entsprechende Befugnis des Klägers
ergibt sich aus der vorgelegten Satzung nicht.
Zwar lässt § 2 der Satzung zu 2.2. erkennen, dass der Satzungszweck eine "Interessenvertretung der Pflegeversicherten gegenüber
den Vertragspartnern (Pflegekassen, Krankenkassen, Sozialhilfeträgern, soziale und private Pflegedienste usw)" umfassen soll.
Die Vertretung vor Gericht wird hiervon jedoch noch nicht einmal allgemein umfasst. Für eine Zulassung eines Verbandsvertreters
zur Prozessvertretung iS von § 166 Abs 2
SGG ist aber erforderlich, dass der Verband klar und eindeutig in der vom Gesetz vorgesehenen Weise regelt, welche seiner Mitglieder
(oder Angestellten) befugt sein sollen, eine Prozessvertretung - hier: vor dem BSG - zu übernehmen (vgl BSG Beschlüsse vom
10. September 2002 - B 2 U 193/02 B - und vom 30. Januar 1998 - B 10 LW 12/97 R - beide veröffentlicht bei Juris). Denn Zweck des § 166 Abs 2 Satz 1
SGG ist es, nur diejenigen als Prozessbevollmächtigte vor dem BSG zuzulassen, die nach Überzeugung des Verbands nach ihren Kenntnissen
und Erfahrungen auf dem Gebiet des Sozialrechts hierzu geeignet sind (BSG Beschluss vom 30. Januar 1998, aaO). Überdies kommen
zur Prozessvertretung nur solche Vereinigungen in Betracht, die eine gewisse Bedeutung haben und aufgrund ihrer Mitgliederzahl
und finanziellen Mittel die Gewähr dafür bieten, dass sie geeignete Prozessvertreter bereitstellen können. Diese Gewähr ist
grundsätzlich erst dann als gegeben anzusehen, wenn der Verband mindestens 1000 Mitglieder hat (BVerfG SozR 1500 § 166 Nr 14; SozR Nr 5 zu Art
101 GG; BSG SozR Nr 39 zu § 166
SGG; BSG Beschlüsse vom 20. April 1998 - B 1 KR 55/97 B - und vom 26. Januar 1993 - 1 RK 33/92 - beide veröffentlicht bei Juris).
Beim Kläger mangelt es bereits an der ersten der vorgenannten Voraussetzungen. Eine Prozessvertretungsbefugnis iS des § 166 Abs 2
SGG ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten Satzung nicht. Eine besondere Vollmacht des Bundes der Pflegeversicherten eV hat
der Kläger ebenfalls nicht zu den Akten gereicht. Das Erfordernis des Vorliegens einer schriftlichen Vollmacht oder einer
entsprechenden Satzungsbestimmung gemäß § 166 Abs 2 Satz 1
SGG spätestens zum Zeitpunkt des Ablaufs der Beschwerdefrist folgt aber daraus, dass die von einem Postulationsunfähigen vorgenommene
Prozesshandlung wegen Fehlens der Prozesshandlungsfähigkeit unwirksam ist und durch die spätere Genehmigung eines Postulationsfähigen
nicht geheilt werden kann (BSG SozR 3-1500 § 166 Nr 1).
Mangels - kraft Satzung oder Vollmacht - eindeutig geregelter Postulationsfähigkeit des Klägers ist die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde
durch ihn mithin unwirksam. Die Verwerfung der nicht formgerecht eingelegten Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 Satz 3
SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.