Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II; Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung wegen einer Laktoseintoleranz
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.10.2010 bis 31.3.2011 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung wegen einer
Laktoseintoleranz.
Bei der 1998 geborenen Klägerin, die mit ihrer 1970 geborenen Mutter in einer Wohnung lebt und wie diese Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht, besteht eine Laktoseintoleranz. Am 27.12.2010 beantragte sie unter Vorlage eines ärztlichen Attests beim beklagten
Jobcenter die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung. Sie dürfe wegen der Laktoseintoleranz Milch und
Milchprodukte nicht bzw nur in sehr kleinen Mengen zu sich nehmen und sei auf laktosefreie Diätnahrung angewiesen, die teurer
sei als normale Milchprodukte. Der Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die angegebene Krankheit keinen nach § 21 Abs 5 SGB II unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts darstelle und nicht im Katalog der Mehrbedarfe für eine kostenaufwändige
Ernährung enthalten sei. Bei einer Laktoseintoleranz seien laktosehaltige Nahrungsmittel zu meiden oder zu reduzieren, wodurch
keine gravierend höheren Kosten entstünden (Bescheid vom 7.1.2011; Widerspruchsbescheid vom 2.3.2011).
Hiergegen haben die Klägerin und ihre Mutter Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben und geltend gemacht, die Laktoseintoleranz führe zu höheren Kosten für Ernährung und damit zu einem Anspruch
auf die Gewährung ernährungsbedingten Mehrbedarfs; das SG Bremen beziffere diesen Bedarf auf 53 Euro. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.1.2012). Die Klage der Mutter sei unzulässig, weil diese durch die Ablehnung nicht
beschwert sei. Die Klage der Klägerin sei unbegründet. Sie leide zwar nachgewiesenermaßen an einer Laktoseintoleranz, diese
Krankheit bringe jedoch keinen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung mit sich. Der Milchzuckerunverträglichkeit könne
durch die Vermeidung von laktosehaltiger Kost begegnet werden. Alle anderen Grundnahrungsmittel könnten konsumiert werden.
Als Orientierungshilfe für einen etwaigen Mehrbedarf seien die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private
Fürsorge vom 1.10.2008 heranzuziehen. Dort werde ein Mehrbedarf für Erkrankungen, die keiner spezifischen Diät, sondern sogenannter
Vollkost bedürften, verneint. Etwas anderes gelte nur für die aufgeführten verzehrenden Erkrankungen. Damit sei die Laktoseunverträglichkeit
nicht vergleichbar, es handele sich um eine weit verbreitete Lebensmittelunverträglichkeit, bei der lediglich auf ausreichende
Zufuhr von Kalzium durch andere Lebensmittel geachtet werden müsse. Im Übrigen böten wegen der weiten Verbreitung der Erkrankung
auch viele Discounter zu günstigen Preisen laktosefreie Milchprodukte an. Die Klägerin habe keine Besonderheiten, insbesondere
auch keine von den Empfehlungen abweichende Bedarfe substanziiert geltend gemacht, weshalb von weiteren Ermittlungen vorliegend
abgesehen werden könne. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Klägerin minderjährig sei, denn die Regelsätze
für Kinder und Jugendliche seien bei der Neuberechnung der Regelsätze auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
2008 neu ermittelt und kinderspezifische Bedarfe berücksichtigt worden. Damit sei für den vorliegend einschlägigen Zeitraum
auch für Kinder und Jugendliche eine verlässliche Bezugsgröße vorhanden.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision macht nur noch die Klägerin eine Verletzung von § 21 Abs 5 SGB II geltend. Das SG habe die Klage aufgrund unzutreffender tatsächlicher Annahmen abgewiesen. Es handele sich hier ausnahmsweise um Tatsachen,
die der Beurteilung des Revisionsgerichts unterlägen. Die unzutreffenden tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen
Gerichts hinsichtlich der Frage, ob die Ernährung mit laktosefreier Kost kostenaufwändiger sei als laktosehaltige Nahrung,
beruhe zwar auf verfahrensfehlerhafter Ermittlung, die vorliegend nicht gerügt werden könne. Allerdings seien die Mehrkosten
am Nahrungsmittelmarkt keine individuelle Tatsache, sondern eine Rechtstatsache, die für die Auslegung, dh die Bestimmung
des Inhalts des § 21 Abs 5 SGB II benötigt werde, weshalb die unzutreffenden Feststellungen des SG in Bezug auf die Kosten laktosefreier Ernährung der revisionsgerichtlichen Kontrolle nicht entzogen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Januar 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2011 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 2. März 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Oktober
2010 bis 31. März 2011 höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen medizinisch erforderlicher kostenaufwändiger Ernährung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend.
II
Die zulässige Sprungrevision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des SG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht (§
170 Abs
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz [SGG]) begründet. Soweit die Klägerin die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom
1.10.2010 bis 31.3.2011 geltend macht, kann auf Grundlage der Feststellungen des SG nicht abschließend entschieden werden, ob ihr ein weitergehender Anspruch zusteht.
1. Streitgegenstand im Revisionsverfahren ist noch das Begehren der Klägerin, für die Zeit vom 1.10.2010 bis zum 31.3.2011
höheres Sozialgeld zu erhalten. Ihre Mutter hat die von ihr ursprünglich eingelegte Revision zurückgenommen. Die Gewährung
eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung, auf den sie ihr Begehren in der Sache stützt, kann entgegen der Auffassung
des SG nicht in zulässiger Weise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bestimmt werden. Zudem kann eine
ablehnende Entscheidung hinsichtlich eines bestimmten Bedarfs wegen der in § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II vorgeschriebenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für zukünftige Bewilligungsabschnitte
entfalten (vgl nur BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 14 f mwN). Dem hat die Klägerin Rechnung getragen und im Revisionsverfahren höhere Leistungen
nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen besonders kostenaufwändiger Ernährung allein noch für den Zeitraum vom 1.10.2010
bis 31.3.2011 beantragt. Offen bleiben kann, ob auch unter Neufassung der §§ 19 bis 22 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz [RBEG]) vom 24.3.2011 (BGBl I 453) zum 1.1.2011 die Höhe von Leistungen für Bedarfe für Unterkunft
und Heizung weiterhin in prozessual zulässiger Weise getrennt von der Höhe der Leistungen für Regelbedarfe und Mehrbedarfe
geltend gemacht werden kann; für eine solche Einschränkung gibt der Vortrag der Klägerin keinen Anhalt.
Gegenstand des Verfahrens sind neben dem Bescheid vom 7.1.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.3.2011 auch die
Bewilligungsbescheide, die für die Klägerin die Höhe des Sozialgelds im streitigen Bewilligungszeitraum regeln. Neben dem
Bescheid, der zum 1.10.2010 ergangen ist, ist auch ein ggf mit Inkrafttreten des RBEG zum 1.1.2011 ergangener Änderungsbescheid
für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 31.3.2011 Gegenstand des Verfahrens geworden. Das SG wird diese Bescheide, die bislang nicht aktenkundig sind, in seine Prüfung einzubeziehen haben. Dabei wird zu berücksichtigen
sein, dass die Klägerin den Mehrbedarf zwar erst am 27.12.2010 beim Beklagten geltend gemacht hat, sich aus ihrem weitergehenden
Vortrag aber ergibt, dass dieser aus ihrer Sicht seit Oktober 2010 bestanden hat. Da ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger
Ernährung nicht nur auf gesonderten Antrag hin gewährt wird (vgl nur Urteil des Senats vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14 mwN), ist vom SG zu überprüfen, ob im Zeitpunkt der Geltendmachung des Bedarfs bereits bestandskräftig gewordene Bescheide unter dem Blickwinkel
der §§ 44, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch zu ändern sind.
2. Die Revision ist auch im Übrigen zulässig. Mit ihrer Rüge, das SG sei fehlerhaft zu dem Schluss gekommen, bei einer Laktoseintoleranz handele es sich nicht um eine Erkrankung, die einen Mehrbedarf
wegen kostenaufwändiger Ernährung auslösen könne, macht die Klägerin nicht nur einen Verfahrensmangel geltend. Sie behauptet
damit zwar auch, das SG habe den Sachverhalt im Einzelfall, nämlich bezogen auf die Auswirkungen der Erkrankung bei ihr, nicht zutreffend ermittelt
(§
103 SGG; zur Verpflichtung zur Amtsermittlung im Hinblick auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II vgl BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 17). Mit einer solchen Rüge ist sie im Fall der Sprungrevision ausgeschlossen (vgl §
161 Abs
4 SGG). Sie hat aber ausreichend iS des §
164 Abs
2 SGG dargelegt, dass sich die Feststellungen des SG zu den ernährungsbedingten Einschränkungen wegen einer Laktoseintoleranz nicht auf den Einzelfall beschränkten, sondern vom
Gericht (unzutreffend) als generelle Tatsachen (Rechtstatsachen) aufgrund des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes
bei der Anwendung von § 21 Abs 5 SGB II unterstellt worden seien. Verstöße gegen das Prozessrecht (hier die unzureichende Aufklärung des Sachverhalts nach §
103 SGG), die sich nur als prozessuale Konsequenz aus der fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts ergeben, bleiben auch mit
der Sprungrevision rügbar (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
161 RdNr 10b; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kap, RdNr 344). Ob die dabei von
der Klägerin aufgeworfenen Fragen zum ernährungsbedingten Mehrbedarf wegen Laktoseintoleranz angesichts der bereits vorliegenden
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu anderen Erkrankungen (dazu sogleich) noch grundsätzliche Bedeutung haben, kann dahin stehen, denn der Senat ist an die
Zulassung der Sprungrevision durch das SG gebunden.
3. Nach § 21 Abs 5 SGB II erhalten Leistungsberechtigte, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf
in angemessener Höhe. Voraussetzung für den Rechtsanspruch auf einen Mehrbedarf ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung,
die eine besondere Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher ("aufwändiger") sind als dies für Personen ohne eine solche
Einschränkung der Fall ist (vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10 RdNr 21; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 16; BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 15, jeweils mwN). Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder einer
drohenden Erkrankung oder Behinderung und der Notwendigkeit einer besonderen Ernährung vorliegen und diese besondere "Krankenkost"
muss gegenüber der in der Bevölkerung üblichen, im Regelbedarf zum Ausdruck kommenden Ernährung kostenaufwändiger sein.
a) Die bei der Klägerin festgestellte Laktoseintoleranz (vgl ICD-10-GM E73) stellt eine gesundheitliche Beeinträchtigung iS
des § 21 Abs 5 SGB II, nämlich eine Krankheit im Sinne eines regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustands dar. Unerheblich für den Begriff
der gesundheitlichen Störung ist die Frage, wie verbreitet dieser krankhafte Zustand in der Bevölkerung ist, solange es sich
um einen für sich genommen regelwidrigen Zustand handelt. Die von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angesprochene weite Verbreitung der Laktoseintoleranz (insbesondere in asiatischen Ländern) kann allenfalls Anlass für die
Prüfung geben, ob und in welchen Fällen durch die gesundheitliche Beeinträchtigung und das damit medizinisch begründete besondere
Ernährungsbedürfnis auch höhere Kosten anfallen.
b) Ob die bei der Klägerin bestehende Laktoseintoleranz ein besonderes, medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis mit sich
bringt, lässt sich auf Grundlage der Feststellungen des SG nicht beurteilen. Die Annahme des SG, eine Laktoseintoleranz begründe von vornherein keinen Mehrbedarf, weil lediglich bestimmte Nahrungsmittel vermieden und
durch andere, vom Regelbedarf abgedeckte Grundnahrungsmittel ersetzt werden müssten, vermengt die bereits dargestellten Prüfungsschritte
in unzutreffender Weise mit einander; insoweit hat das SG die Maßstäbe des § 21 Abs 5 SGB II verkannt.
Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate bereits entschieden haben, haben die Gerichte
einen streitig gebliebenen krankheitsbedingten Mehrbedarf im Einzelfall aufzuklären (so bereits BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6 und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R; vgl zur Laktoseintoleranz auch BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R - Juris RdNr 24). Dazu ist zunächst zu überprüfen, welches besondere Ernährungsbedürfnis
medizinisch, dh durch die Erkrankung, begründet ist. Insbesondere wenn ein besonderes Ernährungsbedürfnis abhängig von der
Schwere der Erkrankung ausgelöst wird, sind die Erfordernisse an die besondere Ernährung im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen.
Erst wenn feststeht, welches medizinisch begründete Ernährungsbedürfnis im Einzelfall besteht, kommt es darauf an, ob hierdurch
auch höhere Kosten entstehen (dazu unter c). Die erforderlichen Prüfungsschritte wird das SG nach Zurückverweisung ausgehend von dem vorgelegten Attest nachzuholen haben.
Bei der Prüfung eines besonderen, medizinisch begründeten Ernährungsbedürfnisses lässt nicht schon die fehlende Auflistung
der entsprechenden Erkrankung in den Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1.10.2008 ([vgl NDV 2008, 503 ff] Mehrbedarfsempfehlungen 2008) den Schluss zu, dass es sich nicht um eine Erkrankung handelt, die einen Mehrbedarf auslösen
kann. Der Senat schließt sich der Auffassung des 4. Senats an, wonach die Mehrbedarfsempfehlungen 2008 weder nach ihrer Konzeption
noch nach ihrer Entstehungsgeschichte die Anforderungen an antizipierte Sachverständigengutachten erfüllen, die von den Gerichten
in normähnlicher Weise angewandt werden könnten (vgl BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14). Wenn weit verbreitete Erkrankungen wie die Laktoseintolereanz in den Mehrbedarfsempfehlungen
2008 nicht genannt sind, kann dieser Umstand damit nur eine Orientierungshilfe sein, die den Umfang der Ermittlungen im Einzelfall
steuert.
c) Auch wegen der Kosten, die aus einem besonderen, medizinisch begründeten Ernährungsbedürfnis entstehen, stellt § 21 Abs 5 SGB II erkennbar auf die Umstände des Einzelfalles ab. Dies lässt sich schon daraus ersehen, dass - abweichend von den in § 21 Abs 1 bis 4 SGB II genannten Fallgruppen eines Mehrbedarfs - keine Pauschalen für die entstehenden Bedarfe normiert sind. Im Anwendungsbereich
des § 21 Abs 5 SGB II sind deshalb Fälle kaum denkbar, in denen sich für eine bestimmte Erkrankung, die - wie die Laktoseintoleranz - Einfluss
auf die Ernährung haben, ein besonderer Kostenaufwand abschließend als generelle Tatsache (Rechtstatsache) mit Gültigkeit
für jeden Einzelfall verneinen lässt (vgl bereits BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10). Ohnehin lassen die Ausführungen des SG, eine Laktoseintoleranz sei in allen denkbaren Fällen ohne höheren Kostenaufwand zu kompensieren, in keiner Weise erkennen,
worauf es diese Schlussfolgerung stützt. Für das von ihm genannte Gutachten eines "Prof. Dr. H." lässt sich eine Quelle nicht
finden; auch im Übrigen lassen sich die von dem SG getroffenen Schlüsse nicht auf allgemeinkundige Tatsachen zurückführen. Zwar ist denkbar, dass mit zunehmendem Alter eines
Kindes sich Nahrungsmittel, die Milchzucker enthalten, besser vermeiden lassen. Je weiter außerdem eine Erkrankung, die eine
besondere Ernährung erfordert, verbreitet ist, umso mehr wird dies das Ernährungsverhalten der gesamten Bevölkerung beeinflussen.
Dies mag zu günstigeren Preisen für Ersatz- oder Ergänzungsnahrungsmittel (wie etwa die vom SG genannten laktosefreien Milchprodukte) führen und - sofern ein bestimmtes Ernährungsverhalten allgemein üblich wird - ggf
auch die Höhe des Regelbedarfs mitbestimmen. Ob der Klägerin im Einzelfall nicht gleichwohl ein Mehrbedarf zusteht, lässt
sich aber allein mit solchen Annahmen nicht ausschließen.
Das SG wird außerdem über die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu entscheiden haben.