Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Gründe:
Mit Urteil vom 13.4.2018 hat das LSG Nordrhein-Westfalen die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Münster
vom 31.8.2017 zurückgewiesen. Das LSG hat die Berufung für unzulässig erachtet, soweit der Kläger die Feststellung einer Untätigkeit
der Beklagten begehrte sowie die Feststellung, dass es sich bei der Unterhaltsbeihilfe um eine Sozialleistung handelte. Darüber
hinaus hat das LSG einen Anspruch des Klägers auf Leistung eines höheren Übergangsgeldes für die Zeit vom 10.6.2015 bis zum
29.7.2015 verneint.
Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger mit einem
am 27.4.2018 bei Gericht eingegangenen Schreiben die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Der Kläger trägt
dazu vor, ihm sei die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem LSG verwehrt worden. Er verfüge nicht über ausreichende
Mittel zur Finanzierung der Fahrtkosten. Sein Antrag auf Bewilligung eines Fahrtkostenvorschusses sei von dem Berufungsgericht
abgelehnt worden. Auch habe das LSG sein persönliches Erscheinen mit der Möglichkeit, eine Entschädigung nach dem JVEG zu erhalten, nicht angeordnet. Bei Erstattung nach dem JVEG hätte er sich das Geld für die Anreise zur mündlichen Verhandlung leihen und später zurückzahlen können.
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nach §
73a SGG iVm §
114 Abs
1 S 1
ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist
hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein nach §
73 Abs
4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht
und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Solche Zulassungsgründe sind nach Prüfung des Streitstoffs nicht ersichtlich. Dabei geht der Senat als Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens
von der Entscheidung des LSG insgesamt aus, dh auch soweit es die Berufung - wie aus den Entscheidungsgründen ersichtlich
- als unzulässig verworfen hat.
1. Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist kein Verfahrensmangel erkennbar, der als solcher bezeichnet gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung
vor dem LSG am 13.4.2018 verwehrt wurde, ergeben sich weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus den vorliegenden Gerichtsakten.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers könnte ein Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf rechtliches
Gehör (Art
103 Abs
1 GG; §
62 SGG) nicht hinreichend begründen. Das Recht auf rechtliches Gehör gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten
Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird
aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, müssen die Beteiligten die Gelegenheit erhalten, ihren Standpunkt in der mündlichen
Verhandlung darzulegen. Diese Möglichkeit war dem Kläger nicht verwehrt. Dem Kläger wurde die Ladung zum Termin der mündlichen
Verhandlung vor dem LSG am 13.4.2018 ausweislich der in den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde am 9.3.2018 zugestellt.
Auch hat das LSG mit Beschluss vom 11.4.2018, dem Kläger zugestellt am 12.4.2018 um 10.45 Uhr, zeitnah vor dem Termin eine
Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Bewilligung eines Reisekostenvorschusses getroffen (zum völligen Übergehen eines
solchen Antrags bei mittellosen und nicht rechtskundig vertretenen Klägern als Verfahrensfehler vgl BSG Beschluss vom 11.2.2015 - B 13 R 329/13 B - und zur fehlenden Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung einer Reiseentschädigung vgl BSG Beschluss vom 19.12.2017 - B 1 KR 38/17 B).
Auch setzt ein Gehörsverstoß voraus, dass ein Kläger dem Termin fernbleibt und die geltend gemachte Mittellosigkeit als Grund
des Fernbleibens nach dem Vorbringen des Klägers in dem Rechtszug, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen ist, nicht
fern liegt (vgl BSG Beschluss vom 19.12.2017 - B 1 KR 38/17 B - RdNr 8). Dies kann vorliegend schon deshalb nicht angenommen werden, weil der Kläger am 20.3.2018 persönlich vor dem LSG
vorgesprochen und ein weiteres Schreiben mit Antrag auf Fahrtkostenvorschuss abgegeben hat. Der Kläger hat dies lediglich
mit seiner Anwesenheit "in einem anderen Verfahren" begründet, ohne aufzuklären, wie er die Anreise finanziert hat. Auch hat
der Kläger im Berufungsverfahren vorgetragen, dass er aufgrund seiner Behinderung "Rente und Grundsicherung" beziehe und zum
Beleg dafür lediglich einen Bescheid über die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
nach dem SGB XII vorgelegt. In welcher Höhe der Kläger insgesamt Leistungen bezogen hat, lässt sich seinem Vorbringen vor dem LSG nicht entnehmen.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde könnte der Kläger auch nicht darauf stützen, dass das Berufungsgericht - wie von ihm geltend
gemacht - die Anordnung des persönlichen Erscheinens (§
111 Abs
1 SGG) fehlerhaft unterlassen hat. Ein Ermessensfehler des LSG ist nicht ersichtlich. Die Anhörung steht grundsätzlich im Ermessen
des Gerichts und lässt ihm einen großen Entscheidungsspielraum. Das Gericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet, dafür Sorge
zu tragen, etwa durch Anordnung der Übernahme der Fahrtkosten, dass jeder Beteiligte auch persönlich vor Gericht auftreten
kann (vgl BSG Beschluss vom 13.11.2017 - B 13 R 152/17 B - RdNr 11 mwN). Auch war die Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht ausnahmsweise aufgrund einer besonderen Unbeholfenheit
oder Sprachunkenntnis eines mittellosen Beteiligten geboten. Der Kläger hat sich im Verfahren vielmehr mehrfach schriftlich
geäußert und war aufgrund seiner juristischen Vorbildung auch in der Lage, sein Begehren hinreichend deutlich vorzubringen.
Allein der Bezug von Grundsicherungsleistungen führt nicht zu einer derartigen Reduktion des Ermessens, dass das LSG das persönliche
Erscheinen hätte anordnen müssen (vgl BSG aaO RdNr 11).
Dass das LSG im Berufungsverfahren dem mehrfach formulierten Anliegen des Klägers, vorab einen Erörterungstermin zur Vorbereitung
der mündlichen Verhandlung (§
106 Abs
3 Nr
7 SGG) anzuberaumen, nicht nachgekommen ist, führt ebenfalls nicht zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Durchführung
eines Erörterungstermins liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Auch erschließt sich dem Senat nicht die im Berufungsverfahren
vom Kläger vorgetragene Notwendigkeit eines Erörterungstermins, zumal die Durchführung eines solchen Termins für ihn einen
zusätzlichen Aufwand an Reisekosten bedeutet hätte.
Darüber hinaus könnte ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG auch nicht erfolgreich mit einem Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters gemäß Art
101 Abs
1 S 2
GG begründet werden. Das LSG war in der mündlichen Verhandlung vom 13.4.2018 vorschriftsmäßig besetzt (§
547 Nr 1
ZPO iVm §
202 S 1
SGG). Der Beschluss vom 21.2.2018, in dem das Befangenheitsgesuch des Klägers gegen den Richter am LSG P. zurückgewiesen wurde,
unterliegt nicht der Beurteilung des BSG (§
557 Abs
2 ZPO iVm §
202 S 1 und §
177 SGG). Es liegt kein Fall vor, in dem ausnahmsweise das Revisionsgericht nicht an diese dem Endurteil vorausgegangene Entscheidung
gebunden ist. Weder beruht die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen manipulativen Erwägungen noch hat das
LSG in seiner Entscheidung Bedeutung und Tragweite des Art
101 Abs
1 S 2
GG grundlegend verkannt (vgl dazu BSG Beschluss vom 7.12.2017 - B 5 R 208/17 B - RdNr 9).
Auch darüber hinaus sind keine Verfahrensfehler iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ersichtlich, die für die Entscheidung des LSG im Ergebnis erheblich sein könnten. Hätte das LSG auf die Feststellungsbegehren
des Klägers bereits die Zulässigkeit der Klageänderungen (§
99 Abs
1 SGG) verneint, wäre es ebenfalls nicht zu einer Sachentscheidung gekommen. Soweit das Berufungsgericht unter Annahme von zulässigen
Klageänderungen die Zulässigkeit der Feststellungsklagen (nicht der Berufung) verneint und nicht in der Sache entschieden
hat, vermag dies ebenfalls keinen Verfahrensmangel zu begründen.
2. Es fehlen zudem jegliche Anhaltspunkte dafür, dass eine Zulassung der Revision gegen das angegriffene Urteil auf §
160 Abs
2 Nr
1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache ua nur dann, wenn sie eine
Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig
und klärungsfähig, dh entscheidungserheblich sein (vgl zum Ganzen BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Eine solche Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist vorliegend nicht erkennbar. Es besteht bereits
eine umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung zur Berechnung des Übergangsgeldes nach §
21 Abs
2 SGB VI (vgl ua zuletzt BSGE 124, 98 = SozR 4-3250 §
48 Nr 1). Das LSG ging dabei aufgrund der Tätigkeit als Rechtsreferendar zu Recht von der Versicherungsfreiheit des Klägers
in der gesetzlichen Rentenversicherung aus (§
5 Abs
1 S 1 Nr
2 SGB VI).
3. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder
- anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen
zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung
von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Auch dafür liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.
4. Soweit der Kläger darüber hinaus vorträgt, als Rechtsreferendar hätte ihm während der stationären Rehabilitationsmaßnahme
weder Übergangsgeld noch Krankengeld, sondern Unterhaltsbeihilfe gezahlt werden müssen, auch sei seine frühere Versicherungspflicht
in der Künstlersozialkasse rückwirkend aufgehoben worden, ist dies schon nicht ansatzweise geeignet, einen Anspruch auf Leistung
eines höheren Übergangsgeldes zu begründen. Sollte der Kläger damit allgemein die inhaltliche Richtigkeit des Berufungsurteils
angreifen wollen, kann darauf nach dem eindeutigen Wortlaut des §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG ohnehin eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Mit Ablehnung der begehrten PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§
73a Abs
1 SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).