Rüge eines Verfassungsverstoßes
Nicht klärungsbedürftige Rechtsfrage
Höchstrichterliche Klärung
1. Wer einen Verfassungsverstoß geltend macht, darf sich nicht nur auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze
beschränken, sondern muss unter Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vortragen, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die
schon vorliegende Rechtsprechung die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist.
2. Zudem muss der Beschwerdeführer darlegen, woraus sich die Verfassungswidrigkeit im konkreten Fall ergeben soll.
3. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich z.B. unmittelbar
aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist.
4. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw. das BVerfG diese
zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind,
die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben.
Gründe:
Mit Urteil vom 3.4.2014 hat das LSG Berlin-Brandenburg einen Anspruch des Klägers auf höhere Altersrente ohne Anrechnung der
von ihm bezogenen Verletztenrente verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte)
Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Der Kläger hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
(1) "Verletzt die Anrechnung der in eine Verletztenrente umgewandelte Unfallteilrente, welche auf Grund einer Dienstbeschädigung
während des Dienstes in der Nationalen Volksarmee gewährt wurde, auf die Altersrente nach §
93 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI den bereits mit der erstmaligen Gewährung der Unfallteilrente erlangten Vertrauensschutz?"
(2) "Dürfen in Verletztengeld überführte Unfallteilrenten bei der Anrechnung nach §
93 Abs.
1 SGB VI anders als Dienstbeschädigungsteilrenten bzw. Dienstbeschädigungsausgleiche unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitsgebots
aus Art.
3 Abs.
1 GG behandelt werden?"
Der Kläger hat es jedoch versäumt, die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit darzulegen. Eine Rechtsfrage ist dann nicht
klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits
höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht
bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen
ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage
geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Wer einen Verfassungsverstoß geltend macht, darf sich nicht nur auf die bloße Benennung angeblich verletzter
Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vortragen, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die
schon vorliegende Rechtsprechung die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist
(vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Auflage 2011, Kap IX RdNr 183 mwN). Zudem muss der
Beschwerdeführer darlegen, woraus sich die Verfassungswidrigkeit im konkreten Fall ergeben soll (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11).
Der Kläger zitiert im Zusammenhang mit §
93 Abs
1 SGB VI und Art
14 GG und Art
3 Abs
1 GG Entscheidungen des BSG (Urteil vom 31.3.1998 - B 4 RA 49/96 R - und Urteil vom 16.5.2001 - B 8 KN 2/00 R). Zur Darlegung der (erneuten) Klärungsbedürftigkeit ist aber in jedem Fall eine substantiierte Auseinandersetzung mit den
bereits ergangenen Entscheidungen des BVerfG und des BSG zu dem aufgeworfenen Problemkreis unter Kenntnisnahme des dortigen Inhalts erforderlich. Sofern die Beschwerdebegründung
- wie hier - neben dem Gleichheitssatz zusätzlich eine Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art
20 Abs
1 GG) herrührenden Vertrauensschutzes geltend macht, muss sie die angebliche Verfassungswidrigkeit näher substantiieren, indem
sie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG darlegt, aus welchen Gründen die beanstandete Norm verfassungswidrig
sein soll. Hierzu fehlen ausreichende Darlegungen.
Des Weiteren fehlen ausreichende Angaben zur Klärungsfähigkeit. Insoweit hätte der Kläger darlegen müssen, von welchem Sachverhalt
das BSG auszugehen hat und dass auf dieser Grundlage im angestrebten Revisionsverfahren notwendig über die aufgeworfenen Fragen entschieden
werden muss. Die Beschwerdebegründung lässt indes offen, an welcher Stelle das LSG welche Tatsachen für das Revisionsgericht
verbindlich (§
163 SGG) festgestellt hat. Der Kläger gibt bereits nicht den der Berufungsentscheidung zugrunde liegenden, vom LSG festgestellten
Sachverhalt wieder. Zwar schildert er im Rahmen der Beschwerdebegründung bruchstückhaft einen Sachverhalt. Ob die dort angegebenen
Tatsachen auf Feststellungen des Berufungsgerichts beruhen, ist den Ausführungen des Klägers nicht zu entnehmen. Fehlt jedoch
die maßgebliche Sachverhaltsdarstellung, wird das Beschwerdegericht nicht in die Lage versetzt, allein anhand der Beschwerdebegründung
zu beurteilen, ob die als grundsätzlich erachtete Rechtsfrage entscheidungserheblich ist. Keinesfalls gehört es zu den Aufgaben
des Beschwerdegerichts, sich die maßgeblichen Tatsachen aus der angegriffenen Entscheidung selbst herauszusuchen (Senatsbeschlüsse
vom 16.5.2012 - B 5 R 442/11 B - BeckRS 2012, 70568 RdNr 13 und vom 21.2.2012 - B 5 R 222/11 B - BeckRS 2012, 69065 RdNr 9). Vielmehr muss die Beschwerdebegründung den Senat in die Lage versetzen, sich ohne Studium
der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des klägerischen Vortrags ein Bild über den Streitgegenstand sowie seine
tatsächlichen und rechtlichen Streitpunkte zu machen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 26.6.2006 - B 13 R 153/06 B - Juris RdNr 9 mwN). Hieran fehlt es.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.