Rente wegen voller Erwerbsminderung
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Prozessordnungsgemäßer Beweisantrag in einem Rentenverfahren
Auswirkungen dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen
1. Ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag muss eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese
Tatsache enthalten.
2. Für Rentenverfahren gilt, dass sich der Beweisantrag möglichst präzise mit den Auswirkungen dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen
auf das verbliebene Leistungsvermögen befassen muss.
3. Ein Antrag, "hilfsweise, ein orthopädisches Gutachten zu erheben zum Beweis der geltend gemachten Verschlechterung der
Funktionalität", erfüllt diese Voraussetzung nicht; es muss vielmehr substantiiert angegeben werden, welche für die Entscheidung
erheblichen Tatsachen durch die Einholung eines weiteren Gutachtens noch geklärt werden sollen.
Gründe:
Mit Urteil vom 18.7.2018 - dem Kläger zugestellt am 26.7.2018 - hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch des Klägers auf
Rente wegen voller Erwerbsminderung abgelehnt.
Mit einem am 15.8.2018 beim BSG eingegangenen Schreiben ohne Datum hat der Kläger für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Revision in diesem Urteil die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.
Die Bewilligung von PKH ist abzulehnen.
Nach §
73a Abs
1 S 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) iVm §
114 Zivilprozessordung (
ZPO) kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist
hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein nach §
73 Abs
4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen.
Gemäß §
160 Abs
2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung
des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr
3). Solche Zulassungsgründe sind nach Prüfung des Streitstoffs nicht ersichtlich.
Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das vom Kläger angegriffene Urteil auf §
160 Abs
2 Nr
1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine
Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig
sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die
Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Zu den Leistungsvoraussetzungen der hier streitigen Rente wegen Erwerbsminderung nach den §§
43,
240 SGB VI besteht bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des BSG (vgl dazu Gürtner in Kasseler Kommentar, Stand: April 2010, laufende Kommentierung zu §§
43,
240 SGB VI und die Nachweise im Ablegeordner zu §§
43, 44
SGB VI). Es ist nicht ersichtlich, dass sich hier Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen, die über den Einzelfall hinaus
Bedeutung haben.
Der Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder
- anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen
zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung
von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.
Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Nach Halbs 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht
auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Merkmal eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels
für diese Tatsache. Im Rahmen eines Rentenverfahrens muss sich der Beweisantrag möglichst präzise mit den Auswirkungen dauerhafter
Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen befassen (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6).
Der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellte Antrag, "hilfsweise, ein orthopädisches
Gutachten zu erheben zum Beweis der geltend gemachten Verschlechterung der Funktionalität der rechten Hand und der rechten
Schulter", genügt den Anforderungen nicht. Der Kläger hätte in der aktuellen Prozesssituation substantiiert angeben müssen,
welche für die Entscheidung erheblichen Tatsachen durch die Einholung eines weiteren Gutachtens noch geklärt werden sollten.
Die allgemeine Formulierung ("Verschlechterung der Funktionalität") ist insofern nicht ausreichend. Sonstige Verfahrensfehler
des Berufungsgerichts sind ebenfalls nicht erkennbar.
Da dem Kläger somit PKH nicht zu bewilligen ist, hat er nach §
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
121 ZPO auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts.