Berücksichtigung des Einkommens eines privat krankenversicherten Ehegatten zur Beitragserhebung der gesetzlichen Krankenversicherung
Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die freiwillig krankenversicherte Klägerin
gegen die Berücksichtigung des Einkommens ihres privat krankenversicherten Ehemanns im Rahmen der Beitragserhebung zur gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV).
Die Klägerin ist als selbstständige Rechtsanwältin seit November 2019 bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versichert
ohne Krankengeldanspruch. Ihr Ehemann sowie die drei gemeinsamen Kinder sind privat krankenversichert. Die Klägerin gab voraussichtliche
Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit iHv monatlich 100 Euro an. Zudem habe sie Einkünfte aus Kapitalerträgen iHv monatlich
50 Euro. Das Gehalt ihres Ehemannes beliefe sich auf monatlich ca 20.000 Euro. Die Beklagte setzte die monatlichen Beiträge
zur GKV und sPV wiederholt ua unter Berücksichtigung eines halben Familieneinkommens iHv 8.483,71 Euro (Stand: 16.10.2019) fest. Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (SG-Gerichtsbescheid vom 16.10.2020; LSG-Urteil vom 29.6.2021). Die Beitragsbemessung bestimmte sich nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Ein "Grundsatz zur Einzelverbeitragung"
bestehe im Sozialrecht nicht. Art
3 Abs
1 und Art
6 Abs
1 GG seien nicht verletzt. Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG in entsprechender Anwendung von §
169 Satz 2 und
3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels sind entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG die gelten gemachten Zulassungsgründe der Divergenz und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt
oder bezeichnet.
1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Die Klägerin macht geltend, das angefochtene Urteil weiche von einem Beschluss des BVerfG vom 17.1.1957 (1 BvL 4/54 - BVerfGE 6, 55) zum Steuersplitting ab. Darin habe das BVerfG den Rechtssatz aufgestellt, in der steuerlichen Zusammenveranlagung von Eheleuten
sei eine mit Art
6 Abs
1 GG nicht zu vereinbarende Besteuerung des Haushaltes zu sehen, da diese eine Ausnahme der grundsätzlichen Individualbesteuerung
darstelle und zu einer erhöhten Steuerpflicht der Eheleute führe. Demgegenüber habe das LSG ausgeführt, dass ein Grundsatz
der Einzelverbeitragung im Sozialrecht nicht existiere. Im Recht der GKV werde stets auf die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
unter Berücksichtigung der Schutzbedürftigkeit einerseits und des sozialen Ausgleichs andererseits abgestellt. Das Berufungsgericht
lasse eine Abweichung von grundlegenden Rechtssätzen im Beschluss der BVerfG vom 17.1.1957 (aaO) erkennen.
Hierdurch legt die Klägerin eine entscheidungserhebliche Divergenz nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden
Weise dar. Sie führt nicht hinreichend aus, inwieweit die geltend gemachten Rechtssätze zu einer vergleichbaren Rechtslage
ergangen sind und sich widersprechen sollen, obwohl sie nicht denselben Gegenstand betreffen. Trotz der umfangreichen Hinweise
des LSG auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BSG befasst sie sich nicht mit den Besonderheiten der solidarischen Finanzierung der GKV und sPV durch Beiträge. Dass die Klägerin
einzelne Entscheidungen des BSG inhaltlich wiedergibt, genügt insoweit nicht. Auch setzt sie sich nicht damit auseinander, dass sie der GKV freiwillig angehört.
Ungeachtet dessen hat die Klägerin auch nicht dargelegt, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG oder des BVerfG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch infrage gestellt hätte.
2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN).
a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) schon deshalb nicht, weil darin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit
einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert wird. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit
das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
b) Unabhängig hiervon legt die Klägerin auch nicht die Klärungsbedürftigkeit der von ihr geltend gemachten grundsätzlichen
Bedeutung hinreichend dar. Sie zeigt insbesondere nicht hinreichend auf, inwieweit trotz der vom LSG herangezogenen umfangreichen
höchstrichterlichen Rechtsprechung erneut Klärungsbedürftigkeit eingetreten sein soll. Die Klägerin stützt ihre abweichende
Rechtsmeinung auf eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags (WD) vom 5.12.2006 ( WD 9 - 205/06), wonach die Rechtsprechung des BSG als "stark zweckorientiert" und "systematisch nicht unbedenklich" bewertet worden sei. Allerdings zeigt die Beschwerde nicht
auf, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen worden
ist (BSG Beschluss vom 18.2.2021 - B 10 ÜG 8/20 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 5.2.2019 - B 1 KR 34/18 B - juris RdNr 7), oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (BSG Beschluss vom 3.8.2016 - B 12 P 4/15 B - juris RdNr 5 mwN). Zudem legt die Klägerin nicht hinreichend dar, inwieweit die Aussage der WD vor dem Hintergrund der zwischenzeitlichen Entwicklungen
in den gesetzlichen Regelungen und der umfangreichen Rechtsprechung, auf die das LSG hingewiesen hat (vgl ua zuletzt BSG Urteil vom 15.8.2018 - B 12 KR 8/17 R - BSGE 126, 189 = SozR 4-2500 § 240 Nr 36 mwN; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 KR 9/10 R - juris RdNr 16 ff mwN; hierzu auch BSG Urteil vom 24.4.2002 - B 7/1 A 1/00 R - BSGE 89, 213 = SozR 3-2500 § 240 Nr 42), eine erneute Klärungsbedürftigkeit begründen kann.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.