Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Verletztengeldes.
Die im Jahre 1947 geborene Klägerin erlernte den Beruf als Metzgereiverkäuferin und arbeitete danach als Verkäuferin sowie
als Betreiberin einer Imbissbude. Zuletzt war sie als Spielhallenaufsicht beschäftigt und seit dem 31. Dezember 1998 arbeitslos.
Vom 11. Mai 1999 an nahm sie an einer von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) geförderten Maßnahme "Qualifizierung zur Hauspflegehelferin"
teil. Die für den Zeitraum vom 10. Mai 1999 bis 14. April 2000 bei dem Katholischen Jugendbildungswerk "IN VIA" vorgesehene
Maßnahme war in schulische und praktische Phasen gegliedert. Sie wurde als sog "Vollzeitmaßnahme" für Frauen ohne Ausbildung
oder Arbeit zur Verbesserung ihrer Chancen für den Berufseinstieg und die Integration bzw Rückführung in den Arbeitsmarkt
gefördert. Nach einer "trägerinternen Zwischen- und Abschlussprüfung" erhielten die Teilnehmer/innen ein Zeugnis mit persönlicher
Leistungsbewertung in den einzelnen Fächern sowie Bewertung ihres Arbeitseinsatzes in den Praxisstellen.
Am 9. Dezember 1999 erlitt die Klägerin auf dem Weg zum Unterricht einen Unfall, bei dem sie sich eine Schenkelhalsfraktur
zuzog. Die Qualifizierungsmaßnahme musste sie wegen der Unfallfolgen abbrechen. Anschließend war sie arbeitsunfähig und bezog
von der Beklagten bis zum 24. November 2001 Verletztengeld auf der Grundlage des von der BA zuletzt gezahlten Unterhaltsgeldes
nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 437,98 DM.
Im Mai 2000 bat die Klägerin um Anpassung des Verletztengeldes im Hinblick darauf, dass die berufsfördernde Maßnahme bei regulärem
Verlauf im April 2000 geendet hätte und sie danach wahrscheinlich Einkommen aus einer Tätigkeit als Hauspflegehelferin erzielt
hätte. Nach Durchführung umfangreicher Ermittlungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Juni 2001 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26. November 2001 eine auf §
47 Abs
8 iVm §
90 Abs
1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII) gestützte Erhöhung des Verletztengeldes für die Zeit ab 20. April 2000 ab. Es sei fraglich, ob die Qualifizierungsmaßnahme
die Kriterien einer Berufsausbildung iS von §
90 SGB VII erfülle. Jedenfalls habe durch die Kursteilnahme nach den eingeholten Auskünften eine Höhergruppierung und damit verbunden
ein Mehrverdienst nicht erreicht werden können.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin ab dem 15. April 2000 Verletztengeld
unter Zugrundelegung eines Monatseinkommens von 3.395,94 DM zu gewähren (Urteil vom 25. März 2003). Auf die Berufungen der
Klägerin und der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 17. Dezember 2004 die Entscheidung
des SG geändert und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin Verletztenrente
ab dem 1. Mai 2000 unter Zugrundelegung eines Jahresarbeitsverdienstes (JAV) ausgehend von der Vergütungsgruppe KR 1 für Mitarbeiter
im Pflegedienst der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) nach Maßgabe
der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen hat es die Berufungen zurückgewiesen. Die Klägerin habe Anspruch auf
höheres Verletztengeld, denn sie sei während einer Berufsausbildung iS des §
90 Abs
1 SGB VII verunglückt. Der Begriff der Berufsausbildung habe in dieser Vorschrift eine eigenständige Bedeutung und dürfe nach dem Gesetzeszweck
nicht zu eng ausgelegt werden. Er umfasse nicht nur eine herkömmliche Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf, sondern
jede Maßnahme zum Erwerb der für eine Berufstätigkeit benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten. Das gelte auch dann, wenn es
für die betreffende Tätigkeit keinen vorgeschriebenen oder doch wenigstens von den beteiligten Kreisen allgemein anerkannten
oder üblichen Ausbildungsweg gebe. Die Klägerin habe sich zur Zeit des Versicherungsfalls in diesem Sinne in Berufsausbildung
befunden, denn sie habe mit der Qualifizierungsmaßnahme die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erlangen sollen, um den
Beruf der Hauspflegehelferin ausüben zu können. Nach §
47 Abs
8 iVm §
90 Abs
1 Satz 2
SGB VII stehe ihr ab dem Ende des Monats, in dem die Maßnahme geendet hätte, mithin ab 1. Mai 2000, höheres Verletztengeld auf der
Basis des Arbeitsentgeltes zu, das zu dieser Zeit für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag
vorgesehen gewesen sei. Entsprechend den Auskünften des Caritas-Verbandes sei dies die für Mitarbeiter/innen in der Pflege
ohne entsprechende Ausbildung (zB Pflegehelfer/innen) maßgebende Vergütungsgruppe KR 1.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das LSG habe den Begriff der Berufsausbildung iS von
§
90 Abs
1 Satz 1
SGB VII unzutreffend ausgelegt und die streitige Maßnahme zu Unrecht als Berufsausbildung angesehen. Berufsausbildung umfasse zwar
nicht nur eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Voraussetzung sei aber mindestens, dass die Bildungsmaßnahme
im Zeitpunkt des Versicherungsfalls typischerweise eine notwendige Voraussetzung zur Erreichung des Berufsziels gewesen sei.
Eine Berufsausbildung liege nur vor, wenn die Ausbildung Kenntnisse und Fähigkeiten für den erstrebten Beruf vermittele und
Voraussetzung für dessen Ausübung sei. Der Ausbildungserfolg sei durch eine Prüfung zu verifizieren. Beides treffe auf den
vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Dies zeigten die in den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen, nach denen Kräfte, die
eine entsprechende Integrationsmaßnahme durchlaufen hätten, nach wie vor als ungelernte Kräfte geführt würden. Die Qualifizierungsmaßnahme
beinhalte auch keinen staatlichen Abschluss, sondern zertifiziere lediglich die Teilnahme an einem solchen Kursus, wenn auch
in qualifizierter Form, dh durch Aufführen der durchgeführten Maßnahmen einschließlich einer Beurteilung. Eine Abschlussprüfung
finde nicht statt. Die Maßnahme habe letztlich darauf abgezielt, die Vermittlungschancen der Teilnehmerinnen in dem angestrebten
Beruf zu verbessern. Sie sei aber nicht Voraussetzung für die Ausübung eines hauspflegerischen Berufs, sondern der Arbeitsaufnahme
lediglich förderlich. Für eine ungelernte Tätigkeit wie die der Hauspflegehelferin könne es denknotwendig keinen Ausbildungsweg
geben. Diese Personen könnten lediglich zur Verbesserung der Vermittlungschancen mit Vorkenntnissen sowie persönlichkeitsbildenden
Maßnahmen versehen werden.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Dezember 2004 sowie das Urteil des Sozialgerichts Detmold
vom 25. März 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des LSG hat die Klägerin keinen Anspruch auf Neuberechnung
des Verletztengeldes ab 1. Mai 2000 nach dem Tariflohn einer Mitarbeiterin im Pflegedienst. Die hierfür erforderlichen gesetzlichen
Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wie die Revision zutreffend geltend macht.
Als Rechtsgrundlage eines Anspruchs auf höheres Verletztengeld kommt allein §
47 Abs
8 SGB VII in Betracht. Danach gilt die Regelung des §
90 Abs
1 und
3 SGB VII über die Neufestsetzung des JAV nach voraussichtlicher Beendigung einer Schul- oder Berufsausbildung oder nach tariflichen
Berufs- oder Altersstufen für das Verletztengeld entsprechend. Der für den Fall der Klägerin allein einschlägige §
90 Abs
1 SGB VII schreibt vor, das bei Eintritt des Versicherungsfalls während einer Schul- oder Berufsausbildung der JAV, wenn dies für den
Versicherten günstiger ist, von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt wird, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich
beendet worden wäre. Der Neufestsetzung wird das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher
Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag vorgesehen oder sonst ortsüblich ist.
Die Vorschrift des §
47 Abs
8 SGB VII ist durch das Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch vom 7. August
1996 (BGBl I 1254) neu eingeführt worden. Sie übernimmt für das Verletztengeld die für Rentenleistungen schon bisher geltende
Härteregelung, nach der ein Versicherter, der während einer Schul- oder Berufsausbildung verunglückt, ab dem Zeitpunkt, in
dem er die Ausbildung voraussichtlich abgeschlossen hätte, bei der Leistungsbemessung so zu stellen ist, als ob er den Arbeitsunfall
erst nach Aufnahme einer Tätigkeit in dem Ausbildungsberuf erlitten hätte (früher § 573 Abs 1 der
Reichsversicherungsordnung >RVO<; jetzt §
90 Abs
1 SGB VII). Für das Verletztengeld enthielt der frühere § 561
RVO keine dem jetzigen §
47 Abs
8 SGB VII vergleichbare Bestimmung. Außer in dem Sonderfall des § 561 Abs 3
RVO, in dem auch das Verletztengeld nach dem JAV berechnet wurde (siehe zum geltenden Recht §
47 Abs
5 und Abs
6 Halbs 2
SGB VII), kam deshalb bei dieser Leistung eine Anhebung auf das höhere Entgeltniveau des Ausbildungsberufs nicht in Betracht. Eine
entsprechende oder analoge Anwendung der Regelung über die Anpassung des JAV bei Unfällen während einer Schul- oder Berufsausbildung
auf das Verletztengeld hatte das Bundessozialgericht (BSG) auch bei längerfristigem Leistungsbezug stets abgelehnt (BSGE 42,
163 = SozR 2200 § 561 Nr 3; BSGE 49, 219 = SozR 2200 § 573 Nr 10).
Diese Rechtslage hat sich mit dem Inkrafttreten des
SGB VII geändert. Da §
90 SGB VII in den Fällen, in denen sich das Verletztengeld nach dem JAV richtet, ohnehin unmittelbar Anwendung findet, kann die Formulierung
in §
47 Abs
8 SGB VII, die Regelung des §
90 Abs
1 und
3 gelte für das Verletztengeld "entsprechend", nur bedeuten, dass eine Anpassung an das nach Abschluss der Ausbildung voraussichtlich
erzielbare Entgelt auch dann zu erfolgen hat, wenn Bemessungsgrundlage nicht der JAV, sondern das Regelentgelt (§
47 Abs
1 SGB VII) oder, wie im Fall der Klägerin, das vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezogene Unterhaltsgeld (§
47 Abs
3 SGB VII iVm § 47b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) war.
Der Klägerin würde nach alledem für die Zeit ab Mai 2000 höheres Verletztengeld zustehen, wenn sie sich im Unfallzeitpunkt,
wie in §
90 Abs
1 SGB VII vorausgesetzt, in einer Berufsausbildung befunden hätte. Entgegen der Ansicht des LSG war das jedoch nicht der Fall. Die
vom Arbeitsamt vermittelte und geförderte Maßnahme "Qualifizierung zur Hauspflegehelferin", an der die Klägerin teilgenommen
hat, war keine Berufsausbildung im Sinne der genannten Vorschrift.
Der Begriff der Berufsausbildung wird in §
90 Abs
1 Satz 1
SGB VII selbst nicht definiert. Seine Bedeutung muss daher aus dem Wortsinn sowie dem systematischen Zusammenhang und dem Zweck der
Regelung erschlossen werden. Zu den mit §
90 Abs
1 SGB VII inhaltlich übereinstimmenden Vorläufervorschriften des § 565 Abs 1
RVO aF bzw später des § 573 Abs 1
RVO hat der Senat wiederholt entschieden, dass ihnen ein eigenständiger Begriff der Berufsausbildung zugrunde liegt und auf die
aus anderen Bereichen des Sozialrechts geläufigen Begriffsbestimmungen deshalb bei der Auslegung nicht ohne weiteres zurückgegriffen
werden kann (BSGE 18, 136, 141 = SozR Nr 5 zu § 565
RVO aF; SozR 2200 § 573 Nr 2 S 3; Urteil vom 4 Dezember 1991 - 2 RU 69/90 - HV-Info 1992, 598).
Nach dem Wortsinn dient eine Berufsausbildung der Vermittlung bzw dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten, die zur späteren
Ausübung des Berufes benötigt werden. Daran anknüpfend hat das BSG für die Anwendung des §
90 SGB VII bzw seiner Vorläufervorschriften stets eine geregelte, zu einem qualifizierten beruflichen Abschluss führende Ausbildung
vorausgesetzt (so zB BSGE 60, 258 = SozR 2200 § 573 Nr 12 - Ausbildung zum Steuerberater und Wirtschaftsprüfer; SozR 3-2200 § 573 Nr 2 - Ausbildung zum Bauingenieur;
Urteil vom 26. März 1986 - 2 RU 32/84 = HV-Info 1986, 860 - Ausbildung zur Hauswirtschaftslehrerin; Urteil vom 4. Dezember 1991 - 2 RU 69/90 = HV-Info 1992, 598 - Ausbildung zum staatlich geprüften Landwirt). Dieses Begriffsverständnis deckt sich mit der im Berufsbildungsgesetzes (BBiG) vom 14. August 1969 (BGBl I 1112), neugefasst durch Gesetz vom 23. März 2005 (BGBl I 931) beschriebenen Aufgabenstellung,
nach der die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt
notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln und den
Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen hat (§ 1 Abs 3 BBiG). Nicht als Berufsausbildung gewertet wurde im Gegensatz dazu eine bloße berufliche Weiterbildung zur Erlangung eines bestimmten
Status oder zur Verbesserung der Qualifikation und der beruflichen Chancen und Verdienstmöglichkeiten (zB BSGE 12, 109 = SozR Nr 2 zu § 565
RVO aF - Facharztausbildung eines approbierten Arztes; BSGE 14, 5 = SozR Nr 3 zu § 565
RVO aF - Ableistung der Vorbereitungszeit für die kassenärztliche Tätigkeit; BSGE 19, 252 = SozR Nr 6 zu § 565 aF - Qualifizierung eines Tarifangestellten einer Krankenkasse zum Dienstordnungs-Angestellten), und
zwar auch dann nicht, wenn während der Weiterbildungsphase - vergleichbar einer Ausbildungssituation - die reguläre Berufstätigkeit
unterbrochen und ein niedrigeres Entgelt bezogen wurde (BSGE 18, 136 = SozR Nr 5 zu § 565
RVO aF - Promotion eines Diplom-Chemikers; Urteil vom 30. Oktober 1991 - 2 RU 61/90 = HV-Info 1992, 428 - Promotionsstudium eines Arztes). Auch diese Abgrenzung findet ihre Entsprechung im BBiG, wo zwischen Berufsausbildung auf der einen und beruflicher Fortbildung (§ 1 Abs 4 BBiG) auf der anderen Seite unterschieden wird.
Dass der Begriff der Berufsausbildung in §
90 SGB VII bzw seinen Vorläufervorschriften nicht über den Wortsinn hinaus auf andere Formen beruflicher Bildung ausgedehnt werden kann,
folgt auch aus dem Ausnahmecharakter der gesetzlichen Regelung, den die Rechtsprechung stets betont hat (BSGE 19, 252, 254 = SozR Nr 6 zu § 565
RVO aF; BSG SozR Nr 7 zu § 565
RVO aF Bl Aa 11; BSG Urteil vom 26. März 1986 - 2 RU 32/84 = HV-Info 1986, 860; BSG Urteil vom 4. Dezember 1991 - 2 RU 69/90 = HV-Info 1992, 598). Mit der Möglichkeit, bei Eintritt des Versicherungsfalls während einer Schul- oder Berufsausbildung die Bemessungsgrundlage
anzuheben, weicht das Gesetz für einen Sonderfall von dem die Unfallversicherung beherrschenden Grundsatz ab, dass die Verdienstverhältnisse
vor dem Arbeitsunfall für alle Zukunft die maßgebende Grundlage der Geldleistungen bleiben und spätere Erwerbsaussichten bei
der Feststellung des JAV nicht zu berücksichtigen sind (BSGE 31, 38, 40 = SozR Nr 1 zu § 573
RVO; BSGE 38, 216, 218 = SozR 2200 § 573 Nr 2 S 6; BSGE 47, 137, 140 = SozR 2200 § 573 Nr 9 S 26). Einzig Personen, die bereits während der Zeit der Ausbildung für einen späteren Beruf
einen Arbeitsunfall erleiden und deshalb im Jahre vor dem Unfall regelmäßig noch kein Arbeitsentgelt, sondern allenfalls eine
geringe Ausbildungsvergütung erhalten haben, sollen zur Vermeidung von Härten geschützt und so gestellt werden, als hätten
sie den Unfall nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung erlitten. Eine solche genau umschriebene Ausnahmeregelung
kann nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung auf andere, vermeintlich ähnlich liegende Sachverhalte erstreckt werden.
Allerdings ist der Anwendungsbereich des §
90 SGB VII weiter als der des BBiG und erstreckt sich auch auf Bereiche der beruflichen Bildung, für die dieses Gesetz nicht oder nur eingeschränkt gilt, wie
etwa die Hochschulausbildung oder die Ausbildung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder in einem Handwerksberuf
(vgl § 3 BBiG). Ob auch Ausbildungen unterhalb der in § 5 Abs 1 Nr 2 BBiG genannten Ausbildungszeiten von nicht weniger als zwei und in der Regel nicht mehr als drei Jahren von §
90 SGB VII erfasst sind (zu den sog Anlernberufen bzw sonstigen Ausbildungsberufen mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu
zwei Jahren vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 29, 45, 50), sofern sie zu einem qualifizierten Abschluss führen, kann dahinstehen,
weil die hier zu beurteilende Maßnahme, wie nachfolgend dargelegt wird, auch nicht die Voraussetzungen für einen sog Anlernberuf
erfüllt. Schließlich ist Berufsausbildung im Sinne des §
90 SGB VII auch, anders als im Recht der beruflichen Bildung und im Arbeitsförderungsrecht, nicht nur die erste, sondern jede zu einem
beruflichen Abschluss führende Bildungsmaßnahme (dazu: BSG SozR 3-2200 § 573 Nr 2 S 3 mwN), sodass es unschädlich ist, dass
die Klägerin nach den Feststellungen des LSG früher schon eine Ausbildung für einen anderen Beruf durchlaufen hatte. All das
ändert aber nichts daran, dass eine Neuberechnung der Verletztenrente und entsprechend des Verletztengeldes nur erfolgt, wenn
die Maßnahme, während der sich der Versicherungsfall ereignet hat, die zuvor angesprochenen qualitativen Merkmale einer Berufsausbildung
aufweist.
Für die hier zu beurteilende Maßnahme "Qualifizierung zur Hauspflegehelferin" trifft dies nicht zu. Nach den vom LSG zur tariflichen
Einstufung getroffenen Feststellungen handelt es sich bei der Tätigkeit der Hauspflegehelferin, auf die die Maßnahme vorbereiten
sollte, um eine ungelernte Arbeit, für deren Aufnahme keine spezielle Berufsausbildung vorausgesetzt wird. Die im Urteil zugrunde
gelegte Vergütungsgruppe KR 1 der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes erfasst
definitionsgemäß "Mitarbeiter/innen in der Pflege ohne entsprechende Ausbildung (zB Pflegehelferin)". Eine Ausbildung war
danach für die angestrebte Berufstätigkeit gerade nicht erforderlich. Entsprechend sollte die Maßnahme auch nicht zu einem
anerkannten Berufsabschluss führen, sondern lediglich für Frauen ohne Ausbildung oder Arbeit die Chancen für den Berufseinstieg
und die Integration bzw Rückführung in den Arbeitsmarkt verbessern. Sie diente damit ähnlichen Zwecken wie eine berufliche
Weiterbildung bei Personen, die über einen beruflichen Abschluss verfügen und sich durch den Erwerb zusätzlicher Kenntnisse
und Fähigkeiten eine breitere Qualifikation und eine bessere Position im beruflichen Wettbewerb verschaffen wollen.
Dass die in den §
47 Abs
8, §
90 Abs
1 SGB VII vorgesehene Vergünstigung auf Berufsausbildungen im engeren Sinne beschränkt bleibt und bei bloßen Qualifizierungs- oder
Weiterbildungsmaßnahmen nicht zum Tragen kommt, führt nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung.
Bei der Behandlung von Personengruppen verletzt der Gesetzgeber den Gleichheitssatz, wenn er eine Gruppe anders behandelt
als eine andere, obwohl zwischen den Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass diese die
unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Der rechtfertigende Grund für die unterschiedliche Leistungsbemessung bei
Unfällen während einer Schul- oder Berufsausbildung auf der einen und Unfällen während einer sonstigen beruflichen Bildungsmaßnahme
auf der anderen Seite liegt in der unterschiedlichen Ausgangssituation der betroffenen Versicherten. Da eine Schul- oder Berufsausbildung
in aller Regel vor dem Eintritt in das Erwerbsleben absolviert wird, hat ein Versicherter, der während einer solchen Ausbildung
einen Unfall erleidet, typischerweise noch kein oder nur ein geringes Arbeitseinkommen erzielt und bliebe bei den als Entschädigung
zu beanspruchenden Geldleistungen dauerhaft, bei Rentenleistungen unter Umständen lebenslang, auf das Niveau des Mindest-JAV
festgelegt. Umgekehrt ist für Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung oder Weiterbildung typisch, dass die Teilnehmer zuvor
bereits berufstätig waren und die Bildungsmaßnahme entweder berufsbegleitend oder zur Behebung einer zwischenzeitlich eingetretenen
Arbeitslosigkeit durchführen. In diesen Fällen haben sie vor Eintritt des Versicherungsfalls Arbeitsentgelt oder eine Lohnersatzleistung
in Form von Unterhaltsgeld bezogen, an das beim Regelentgelt für das Verletztengeld oder beim JAV für die Verletztenrente
angeknüpft werden kann. Mag das Arbeitsentgelt oder die Lohnersatzleistung auch hinter dem Entgelt zurückbleiben, das der
Versicherte bei einem erfolgreichen Abschluss der Maßnahme hätte erzielen können, so unterscheidet sich die Situation eines
solchen Maßnahmeteilnehmers, was die Bemessungsgrundlagen für Leistungen der Unfallversicherung angeht, doch so grundlegend
von der eines Schülers oder Auszubildenden, dass der Gesetzgeber sich auf eine Ausnahmeregelung zu Gunsten der zuletzt genannten
Personengruppe beschränken durfte.
Nach alledem waren auf die Revision der Beklagten die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.