Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Höchstrichterlich bereits geklärte Rechtsfrage
Gründe:
I
Im Streit ist die vom Einsatz von Einkommen und Vermögen unabhängige Übernahme von Kosten für einen Integrationshelfer im
Hort während der Ferienzeiten als Leistung der Sozialhilfe.
Der 2009 geborene Kläger ist wesentlich behindert und Grundschulkind in einer Regelschule. Für den Besuch der Schule bewilligte
der Beklagte einen Integrationshelfer, lehnte dies aber für den Besuch des Horts in der Ferienzeit des Schuljahres 2016/2017
als vom Einkommen und Vermögen unabhängige Leistung mit der Begründung ab, es handle sich hierbei um eine Leistung der Teilhabe
am Leben in der Gemeinschaft. Während das Sozialgericht (SG) Meiningen das Klagebegehren als zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage behandelt, in der Sache den Anspruch aber abgelehnt
hat (Urteil vom 22.2.2018), hat das Thüringer Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen,
die Klage sei bereits unzulässig, weil es angesichts fehlender Wiederholungsgefahr am Fortsetzungsfeststellungsinteresse fehle.
Lege man die vom Bundessozialgericht (BSG) geforderte individuelle Betrachtung der Erforderlichkeit und Eignung einer Hilfe der Beurteilung zugrunde, sei angesichts
der - positiven - Entwicklung des Klägers von einer maßgeblichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse auszugehen und
eine Feststellung dem Grunde nach nicht möglich. Auch weil die Teilnahme am Hortangebot freiwillig sei, müsse jeweils auf
Basis eines konkreten Ferienangebots geprüft werden, ob dessen Schwerpunkt auf dem Gebiet der Schulbildung oder von Freizeitaktivitäten
liege (Beschluss vom 13.6.2019).
Mit seiner Beschwerde macht der Kläger allein die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Es sei die Rechtsfrage
zu beantworten, ob Ferienangebote des Schulhorts unter das Tatbestandsmerkmal "angemessene Schulbildung einschließlich der
Vorbereitung hierzu" iS des § 54 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) fielen. Es fehle dazu an höchstrichterlichen Entscheidungen. Ob an einem Hort auch Freizeitangebote durchgeführt würden,
sei angesichts der Rechtsprechung des BSG vom 22.3.2012 (B 8 SO 30/10 R), wonach nicht nach pädagogischen und nichtpädagogischen Angeboten zu unterscheiden sei, ohne
Belang. Das sei auch in der Sache richtig, weil die Vorgaben des LSG praktisch nicht umzusetzen seien. Freizeit- und schulfördernde
Maßnahmen ließen sich nämlich nicht trennen.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
(§
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der
ehrenamtlichen Richter nach §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger hat zwar
eine konkrete Rechtsfrage formuliert, deren Entscheidung durch den Senat angestrebt wird. Doch wird der (fortbestehende oder
neu aufgetretene) Klärungsbedarf der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig,
wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt
ist. Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen
ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage
geben (stRspr; zB BSG Beschluss vom 14.9.2017 - B 5 R 258/17 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis entweder substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung
vorliege oder dass durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht
beantwortet sei (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN). Zur Darlegung
des Klärungsbedarfs hätte sich der Kläger deshalb insbesondere mit den Urteilen des Senats vom 6.12.2018 (B 8 SO 7/17 R und
B 8 SO 4/17 R) zur Frage der Schulbegleitung während der Nachmittagsbetreuung in einer offenen Ganztagsschule als Hilfe zur
angemessenen Schulbildung auseinandersetzen müssen. Darin hat der Senat nicht nur bestärkt, dass auch ein freiwilliges schulisches
Nachmittagsangebot in Form der offenen Ganztagsschule je nach Ziel der Maßnahme im Hinblick auf den konkreten Förderbedarf
des behinderten Kindes eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung darstellen kann, sondern auch die für die Abgrenzung der Leistungen
(Hilfe zur angemessenen Schulbildung einerseits und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft andererseits) maßgeblichen Kriterien
(nochmals) beschrieben. Damit hätte sich der Kläger im Einzelnen auseinandersetzen und insbesondere darlegen müssen, warum
es auch unter Berücksichtigung dieser Entscheidungen noch der Klärung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage bedarf. Daran
fehlt es. Der Verweis auf die Entscheidung des Senats vom 22.3.2012 genügt diesen Anforderungen nicht, weil dort die Abgrenzung
von Hilfeangeboten zum Kernbereich pädagogischer Arbeit im Streit stand, um die es bei der Frage der Bewertung eines außerunterrichtlichen
Betreuungsangebots wie einer Hortbetreuung in den Schulferien erkennbar nicht gehen kann.
Da das LSG zudem die Klage bereits als unzulässig angesehen hat, hätte es auch schlüssigen Vortrags zur Klärungsfähigkeit
der aufgeworfenen Rechtsfrage im vorliegenden Verfahren bedurft. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nämlich nur dann, wenn
sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit
- konkret-individuell sachlich entscheiden müssen (BSG vom 25.6.1980 - 1 BA 23/80 - SozR 1500 § 160 Nr 39; BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg
der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich
bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Insoweit trägt der Kläger zwar vor, dass ausgehend von der in der Beschwerdebegründung geäußerten Rechtsauffassung
sehr wohl eine Wiederholungsgefahr bestünde. Selbst wenn dies in der Sache zutreffend sein sollte, genügt dieser Vortrag aber
nicht, um aufzuzeigen, wie der Senat - ausgehend von der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG - zu einer Sachentscheidung
gelangen kann. Eine Verfahrensrüge (Prozessurteil statt Sachurteil) hat der Kläger erkennbar nicht erhoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.