Anspruch auf Arbeitslosengeld in einer vorlesungsfreien Zeit während eines Medizinstudiums
Fehlende Verfügbarkeit
Darlegungs- und Beweisführungslast des Arbeitslosen
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) in einer vorlesungsfreien Zeit während ihres Medizinstudiums
vom 14.03.2017 bis 23.04.2017.
Die 1997 geborene Klägerin leistete nach ihrem Abitur ein freiwilliges soziales Jahr vom 01.09.2015 bis 31.08.2016 ab mit
einem monatlichen Einkommen von brutto/netto 400 EUR. Auf ihre Arbeitslosmeldung am 05.09.2016 hin bewilligte ihr die Beklagte
mit Bescheid vom 08.11.2016 Alg i.H.v. 6,22 EUR täglich vom 05.09.2016 bis 30.09.2016 bei einer Anspruchsdauer von insgesamt
180 Tagen. Ab Oktober 2016 war die Klägerin im Studiengang Humanmedizin (Regelstudienzeit: 13 Semester) eingeschrieben. Ausbildungsförderung
bezog die Klägerin nicht.
Am 14.03.2017 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten für den Zeitraum vom 14.03. bis 23.04.2017 arbeitslos. Sie erklärte,
dass sie dem Arbeitsmarkt in dieser Zeit vollständig zur Verfügung stünde, ihre letzte Klausur am 13.03.2017 abgelegt habe
und die Vorlesungszeit des nächsten Semesters am 24.04.2017 beginne. Bis dahin fänden keine Lehrveranstaltungen statt und
sie habe auch ihr Krankenpflegepraktikum schon abgeschlossen. Ohne Vor- und Nachbereitung wende sie 22 Stunden pro Woche für
das Studium auf.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 17.03.2017 den Antrag auf Alg ab. Die Klägerin könne als Studentin vermutlich nur versicherungsfreie
Beschäftigungen ausüben. Die Eigenschaft als Studentin bestehe auch während der üblichen unterrichts- und vorlesungsfreien
Zeiten. Zu den ordentlichen Studierenden gehörten diejenigen, die an einer Hochschule eingeschrieben seien und deren Zeit
der Ausbildung überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen werde. Damit sei die Klägerin nicht arbeitslos.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2017 zurück. Bei Studentinnen an einer Hochschule werde
vermutet, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben könnten. Diese widerlegbare Nichtverfügbarkeitsvermutung
begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie sei widerlegt, wenn dargelegt und nachgewiesen würde, dass der Ausbildungsgang
die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer
Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulasse. Die Vermutung sei durch
den Nachweis, dass die Studentin während der Semesterferien eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne, nicht
aber während der Vorlesungszeit, nicht widerlegt. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie neben dem Studium noch eine
versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne. Sie können ausschließlich in den Semesterferien bzw. in den Zeiten, in
denen sie durch Lehrveranstaltungen oder sonstige mit dem Studium zusammenhängende Anforderungen nicht belastet sei, eine
entgeltliche Tätigkeit aufnehmen. Das Studium bleibe damit Hauptsache. Sie stehe damit den Vermittlungsbemühungen der Beklagten
nicht zur Verfügung und sei damit nicht arbeitslos.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Sie habe den Nachweis erbracht, dass sie im Zeitraum vom 14.03.2017 bis 23.04.2017 trotz eines Vollstudiums der
Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe, so dass die Vermutungsregelung widerlegt sei. Im beantragten Zeitraum hätten
keine studentischen Verpflichtungen bestanden und auch ansonsten keine studentischen Tätigkeiten erledigt werden können.
Das SG hat mit Urteil vom 14.09.2017 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Ein Anspruch auf Alg setze objektive Verfügbarkeit
voraus. Bei Studenten liege dies nur dann vor, wenn ihnen über eine versicherungsfreie Beschäftigung hinaus eine versicherungspflichtige
Beschäftigung rechtlich und tatsächlich möglich sei. Widerleglich werde vom Gesetz bei Studenten vermutet, dass sie nur versicherungsfrei
tätig sein könnten. Entscheidend sei somit, ob die neben dem Studium beabsichtigte Tätigkeit nach Zweck und Dauer untergeordnet
ausgeübt werden solle. Bei einer Beschäftigung bis zu 20 Stunden pro Woche werde dies vermutet. Der Student müsse die Vermutung
grundsätzlich für den gesamten Zeitraum seiner Ausbildung widerlegen. Nicht ausreichend sei es, wenn er nachweise, dass er
nur während der Semesterferien eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne. Die Klägerin habe bereits nicht vorgetragen,
dass sie während der Vorlesungszeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen wolle oder könne. Sie beschränke
ihre Verfügbarkeit vielmehr auf die Semesterferien. Daher sei sie nicht verfügbar.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
habe entschieden, dass der generelle Ausschluss von Studierenden vom Bezug von Alg mit dem
Grundgesetz unvereinbar sei. Weder die Belastung der Versichertengemeinschaft noch die Gefahr eines Missbrauchs seien ausreichende Gründe
dafür, Studenten, die vor ihrem Studium einen Anspruch auf Alg erworben hätten, vom Bezug dieser Unterstützung ausnahmslos
auszuschließen. Die Klägerin habe den - als verfassungsgemäß erachteten - Nachweis erbracht, dass sie trotz eines Vollstudiums
der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe, so dass die Vermutungsregelung widerlegt sei. Die jetzt praktizierte Regelung,
wonach ein Student für ein volles Semester (Ausbildungsabschnitt) dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müsse, werde als nicht
vereinbar mit der Entscheidung des BVerfG und damit als grundgesetzwidrig angesehen. Auch werde damit das Gleichheitsprinzip
verletzt, da beispielsweise ein normaler Arbeitnehmer zwischen zwei Beschäftigungen Anspruch auf Alg habe, auch wenn die Nichtbeschäftigung
nur zwei Wochen andauere.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.09.2017 und den Bescheid der Beklagten vom 17.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 23.05.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 14.03.2017 bis 23.04.2017 Arbeitslosengeld
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
144,
151 SGG). Die wegen Unterschreitung des Berufungswertes zulassungsbedürftige Berufung ist für den Senat bindend vom SG zugelassen worden (§
144 Abs.
2 Nr.
1 und Abs.
3 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet, das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 17.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
23.05.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn die Klägerin hat im Zeitraum vom 14.03.2017
bis 23.04.2017 schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf Alg.
Gegenstand der Berufung ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 und 4
SGG) gerichtet auf den Bezug von Alg vom 14.03.2017 bis 23.04.2017. Dazu ficht die Klägerin den Bescheid vom 17.03.2017 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2017 an und begehrt eine Leistung der Beklagten. Diese Klage ist auch ohne exakte
Bezifferung der Höhe der begehrten Leistung zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2014 - B 11 AL 10/13 R - juris), denn das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs - bei stattgebender Entscheidung - ist wahrscheinlich.
Die Klägerin hat im Zeitraum vom 14.03.2017 bis 23.04.2017 keinen Anspruch auf Alg. Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit
gemäß §
136 Abs.
1 Nr.
1, §
137 Abs.
1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) hat, wer arbeitslos ist (§
138 Abs.
1 SGB III) - d.h. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit
zu beenden (Eigenbemühungen), und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit) -,
sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (§
141 Abs.
1 SGB III) und die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Gemäß §
142 Abs.
1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden
hat. Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre, beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch
auf Alg und reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der die oder der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit
erfüllt hatte (§
143 Abs.
1 und
2 SGB III).
Danach hat die Klägerin aufgrund der persönlichen Arbeitslosmeldung am 14.03.2017 kein neues Stammrecht auf Alg erworben.
Wegen der bis zum 04.09.2016 reichenden vorausgehenden Rahmenfrist (Arbeitslosmeldung am 05.09.2016) verkürzte sich die Rahmenfrist
nach der Arbeitslosmeldung am 14.03.2017 auf den Zeitraum vom 05.09.2016 bis 13.03.2017 (§
143 Abs.
1 und
2 SGG). In dieser Frist konnte die Klägerin die Anwartschaftszeit von 12 Monaten in einem Versicherungspflichtverhältnis offenkundig
nicht erfüllen. Ein Fall des §
142 Abs.
2 Satz 1
SGB III lag ebenfalls nicht vor.
Allerdings hat die Klägerin infolge der persönlichen Arbeitslosmeldung am 05.09.2016 ein Stammrecht auf Alg mit einer Anspruchsdauer
von ursprünglich 180 Tagen erworben. Sie erfüllte die Regelvoraussetzungen für einen Anspruch auf Alg, das die Beklagte mit
Bescheid vom 08.11.2016 auch i.H.v. täglich 6,22 EUR für die Zeit vom 05.09.2016 bis 30.09.2016 bewilligt hat. Die Klägerin
stand insbesondere in der damaligen Rahmenfrist vom 05.09.2014 bis 04.09.2016 in der Zeit vom 01.09.2015 bis 31.08.2016 in
einem Versicherungspflichtverhältnis. Die Teilnehmer an einem freiwilligen sozialen Jahr bzw. am Bundesfreiwilligendienst
sind nämlich zumindest Beschäftigten i.S.d. §
25 Abs.
1 SGB III gleichgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 23.02.2017 - B 11 AL 1/16 R - juris). Dieser im Umfang von 180 Tagen erworbene Anspruch (§
147 Abs.
2 SGB III) minderte sich infolge des Bezuges von Alg vom 05.09.2016 bis 30.09.2016 um 26 Tage (§
148 Abs.
1 Nr.
1 SGB III), womit bei der erneuten Arbeitslosmeldung am 14.03.2017 noch 154 Tage Restanspruch bestanden. Mangels Entstehens eines neuen
Stammrechts auf Alg aufgrund der Arbeitslosmeldung am 14.03.2017 war der Anspruch auf Alg auch nicht gemäß §
161 Abs.
1 Nr.
1 SGB III erloschen und konnte noch geltend gemacht werden (§
161 Abs.
2 SGB III). Lediglich die Wirkung der Arbeitslosmeldung am 05.09.2016 war infolge der Aufnahme des Studiums im Oktober 2016 erloschen
(§
141 Abs.
2 Nr.
1 SGB III).
Obschon die Klägerin sich am 14.03.2017 erneut persönlich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet hat, hat sie aber keinen (Zahlungs-)Anspruch
auf Alg für die Zeit vom 14.03.2017 bis 23.04.2017 begründet, denn es fehlte in dieser Zeit an der Verfügbarkeit. Grundsätzlich
ist gemäß §
138 Abs.
5 SGB III verfügbar, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den
üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (Nummer 1), Vorschlägen
der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann (Nummer 2), bereit ist, jede Beschäftigung
im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben (Nummer 3), und bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das
Erwerbsleben teilzunehmen (Nummer 4). Diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin für den streitigen Zeitraum nicht, obwohl
sie zu dieser Zeit in Vollzeit arbeitsbereit war. Jedoch war die Klägerin in dem Zeitraum weiterhin als ordentliche Studentin
im Studiengang Humanmedizin an einer Universität immatrikuliert und hat ihr Studium auch tatsächlich betrieben (zur möglichen
Relevanz des tatsächlichen Betreibens der Ausbildung: vgl. BSG, Beschluss vom 08.04.2013 - B 11 AL 137/12 B - mit Verweis auf: BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 102/11 R - beide nach juris), wie sich aus ihren insofern nicht anzuzweifelnden Darlegungen ergibt. Die Klägerin gehörte im streitigen
Zeitraum organisatorisch der Hochschule weiter an, sie war immatrikuliert, und hat auch die zu absolvierenden Lehrveranstaltungen
davor und danach besucht. Allerdings stellt für Studentinnen oder Studenten einer Hochschule §
139 Abs.
2 SGB III die Vermutung auf, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können. Die Vermutung ist widerlegt, wenn die
Studentin oder der Student darlegt und nachweist, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens
15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen
vorgeschriebenen Anforderungen zulässt. Mit der Regelung des §
139 Abs.
2 SGB III wird der Grundsatz der amtlichen Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) durchbrochen und dem Arbeitslosen eine Darlegungs- und Beweisführungslast auferlegt. Zur Widerlegung der Vermutung ist darzulegen
und nachzuweisen, dass bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen
nicht nur die Aufnahme einer mindestens 15 Stunden umfassenden Beschäftigung möglich ist, sondern auch, dass auf die mögliche
Beschäftigung das Werkstudentenprivileg im Sinne von §
27 Abs.
4 Satz 1
SGB III keine Anwendung finden würde. Danach sind versicherungsfrei Personen, die während der Dauer ihrer Ausbildung an einer allgemeinbildenden
Schule (Nummer 1) oder ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden
Schule (Nummer 2) eine Beschäftigung ausüben. Insoweit kommt es nicht auf eine feste Stundengrenze an, sondern darauf, ob
die Tätigkeit, deren Aufnahme neben der schulischen Ausbildung oder dem Studium der Schüler bzw. Studenten beabsichtigt, neben
der Ausbildung oder dem Studium, d.h. ihr bzw. ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet, ausgeübt werden soll, d.h. die Ausbildung
bzw. das Studium die Haupt-, und die Beschäftigung die Nebensache sein soll, oder ob der Student bei Aufnahme der beabsichtigten
Tätigkeit nach seinem Erscheinungsbild nicht als Student, sondern als Arbeitnehmer anzusehen wäre. Für die Abgrenzung ist
insbesondere auf die zeitliche Inanspruchnahme durch die Beschäftigung abzustellen. Wird diese in einem Umfang von regelmäßig
nicht mehr als 20 Wochenstunden ausgeübt, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Student durch sein Studium überwiegend
in Anspruch genommen wird, dieses mithin prägend ist. Dies gilt auch bei höheren Arbeitszeitanteilen, wenn diese an das Studium
angepasst sind. Eine in den von Studienanforderungen freien Semesterferien ausgeübte Beschäftigung steht dem Erscheinungsbild
als Student jedoch nicht unbedingt entgegen, auch wenn die genannte 20-Stunden-Grenze überschritten wird. Allerdings wird
bei einem längeren Ausschöpfen der 20-Stunden-Grenze im Semester und einer vollschichtigen Beschäftigung in den Semesterferien
das Erscheinungsbild eines Arbeitnehmers bestehen, weil dann insgesamt eine weit mehr als halbschichtige Beschäftigung ausgeübt
wird (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 11.11.2003 - B 12 KR 24/03 R - m.w.N.; Urteil des Senats vom 15.02.2017 - L 10 AL 285/15 - m.w.N., alle nach juris; Brand in Brand,
SGB III, 8. Aufl., §
27, Rn. 26 ff.; Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB III, Stand 27. März 2018, §
27, Rn. 36 ff.). Zur Erfüllung seiner aus §
139 Abs.
2 Satz 2
SGB III folgenden Darlegungs- und Beweisführungslast hat der Student in einem ersten Schritt darzulegen, dass nicht bereits die abstrakten
Regelungen in den einschlägigen Studien- und Prüfungsordnungen der Ausübung einer Beschäftigung, auf die das Werkstudentenprivileg
keine Anwendung finden würde, entgegenstehen. Insoweit kommt es nur auf die verbindlich vorgeschriebenen Ausbildungs- und
Anwesenheitszeiten an. Existieren gar keine Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen und geht die Alg begehrende Person deshalb
keinem geregelten Ausbildungsgang nach, ist die Vermutung schon deshalb widerlegt. Handelt es sich um einen geregelten Studien-
oder Ausbildungsgang und lassen die abstrakten verbindlichen Vorgaben als solche die Aufnahme einer Beschäftigung zu, in der
die Alg begehrende Person nach ihrem Erscheinungsbild Arbeitnehmer wäre, ist die Vermutung noch nicht widerlegt. Vielmehr
hat die betreffende Person dann in einem zweiten Schritt darzulegen und nachzuweisen, wie sie ihr Studium bzw. ihre Ausbildung
bei ordnungsgemäßer Erfüllung der vorgeschriebenen Anforderungen, also im Rahmen der zulässigen Erstreckung des Studiums bzw.
der Ausbildung über die Regelanforderungen hinaus gestaltet hätte, um daneben einer nicht dem Werkstudentenprivileg unterfallenden
Beschäftigung nachgehen zu können. Insoweit sind konkrete, einfach überprüfbare und damit objektivierbare Tatsachen vorzutragen.
Der pauschale Vortrag, durch das Studium bzw. die Ausbildung, etwa wegen hoher Begabung, nicht voll in Anspruch genommen zu
werden, genügt nicht. Vielmehr muss der Schüler bzw. Student die von ihm beabsichtigte Studien- bzw. Ausbildungsgestaltung
im Einzelnen aufzeigen, und zwar unter Angabe des jeweiligen Semesters sowie der Anzahl und insbesondere der zeitlichen Lage
der vorgesehenen Unterrichtsstunden zuzüglich der zu berücksichtigenden Zeiten für Vor- und Nachbearbeitung, Wegezeiten und
ggf. Praktika. Insoweit kommt es nicht auf eine rückschauende, sondern auf eine vorausschauende Beurteilung an. Das Aufzeigen
einer bloß theoretischen Möglichkeit, eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen, genügt (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 19.03.1998 - B 7 AL 44/97 R -, Beschluss vom 19.07.2017 - B 11 AL 29/17 B -; Urteil des Senats, a.a.O.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.03.2017 - L 18 AL 100/16 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.06.2014 - L 9 AL 130/13 - alle nach juris).
Nach diesen Maßstäben ist keine versicherungspflichtige Beschäftigung dargelegt. Die Klägerin hat allein für den Zeitraum
vom 14.03.2017 bis 23.04.2017 belegt, dass sie durch ihr Studium nicht derart in Anspruch genommen wird, dass ihr daneben
eine Vollzeitbeschäftigung möglich ist. Für das restliche 1. Semester bzw. das mit dem 01.04.2017 beginnende 2. Semester ihres
Studiums hat sie dies weder dargelegt noch ist es angesichts der Ausbildungsvorschriften anzunehmen. Insofern mangelt es an
einem entsprechenden Vortrag der Klägerin. Der Senat kann sich aus den vorgelegten Unterlagen zum Studium der Klägerin, insbesondere
den Stundenplänen, nicht davon überzeugen, dass der Klägerin in den beiden betroffenen Semestern eine Tätigkeit im Umfang
von mehr als 15 oder gar mehr als 20 Stunden möglich gewesen wäre, mit deren Ausübung ihr Studium in den Hintergrund getreten
wäre. So sieht der von der Klägerin für das 1. Semester Humanmedizin vorgelegte Stundenplan für die Tage Montag bis Donnerstag
Veranstaltungen ab 08:15 Uhr bis nach 17 Uhr bzw. bis 19 Uhr und am Freitag von 08:15 Uhr bis 12:45 Uhr vor. Hinzu kam ein
Praktikum "Chemie für Mediziner" vom 13.02.2017 bis 24.02.2017 mit Klausur am 24.02.2017 und Wiederholungsklausur am 13.03.2017
sowie ein Praktikum "Physik für Mediziner" vom 20.02.2017 bis 09.03.2017 mit Klausur am 10.03.2017. In Anbetracht dessen und
der üblicherweise erforderlichen Zeit für Vor- und Nachbereitung und Wegezeiten schied im 1. Semester eine Tätigkeit der Klägerin
mit mehr als 15 Wochenstunden neben dem Studium aus. Von Montag bis Donnerstag war die Klägerin nämlich mit Veranstaltungen
ihres Studiums über den ganzen Tag beschäftigt und Freitags bis knapp 13 Uhr. Rechnet man zu den sich so ergebenden rund 37
Wochenstunden nur 10 Stunden Vor- und Nachbereitungszeit hinzu - was der Senat bereits für sehr knapp bemessen hält (vgl.
dazu Urteil des Senats vom 11.12.2002 - L 10 AL 243/01 - juris) -, wäre der Klägerin daneben, auch unter Berücksichtigung des Wochenendes, keine Tätigkeit mehr möglich gewesen,
die sich als prägend für ihr Erscheinungsbild hätte darstellen können. Zum gleichen Ergebnis gelangt der Senat, wenn nicht
die o.g. Dauer der jeweiligen Inanspruchnahme durch Veranstaltungen zugrunde gelegt wird, sondern "nur" der von der Klägerin
selbst genannte Wert von 22 Stunden pro Woche (ohne Vor- und Nachbereitung und ohne Fahrzeiten). Auch dann ergibt sich unter
zusätzlicher Berücksichtigung von 10 Stunden pro Woche für Vor- und Nachbereitung eine zeitliche Beanspruchung durch das Studium,
die als prägend für das Erscheinungsbild anzusehen ist. An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts mit Blick auf vorlesungsfreie
Zeiten, denn diese waren mit Ausnahme der Zeit vom 01.10.2016 bis 16.10.2016 und der "Weihnachtsferien" vom 24.12.2016 bis
06.01.2017 nicht veranstaltungsfrei. So fanden die bereits erwähnten Praktika statt, an denen die Klägerin teilgenommen hat.
Dabei hat sie ganz offenbar am 13.03.2017 die Wiederholungsklausur im Praktikum "Chemie für Mediziner" absolviert, nachdem
sie sich erst am Folgetag arbeitslos gemeldet hat. Somit ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zwischen dem Ende des Praktikums
"Physik für Mediziner" mit der Klausur am 10.03.2017 noch für die Klausur am 13.03.2017 gelernt haben wird. Für das 2. Semester
ergibt sich kein anderes Bild. Der Beginn der Vorlesungszeit war hier der 24.04.2017 und das Ende der 30.07.2017. Nach dem
Stundenplan für das 2. Semester Humanmedizin hatte die Klägerin pro Woche rund 28:15 Stunden zuzüglich einer für Freitag vorgesehenen
Berufsfelderkundung in Eigenregie zu absolvieren. Mit den für Vor- und Nachbereitung angesetzten 10 Stunden wöchentlich ergeben
sich damit bereits mindestens 38:15 Stunden bzw. 32 Stunden pro Woche, legt man den von der Klägerin angeführten Wert zugrunde.
Auch diese zeitliche Inanspruchnahme durch das Studium schloss - in beiden Fällen - daneben eine nicht nur untergeordnete
Beschäftigung der Klägerin aus. Zwar hatte die vorlesungsfreie Zeit im 2. Semester vom 01.04.2017 bis 23.04.2017 und vom 31.07.2017
bis 30.09.2017 einen größeren Umfang. Die Klägerin hätte in dieser Zeit aber auch keine Beschäftigung ausüben können, die
sich so ausgewirkt hätte, dass sie nicht mehr als Studentin erschienen wäre. Die nicht mit Veranstaltungen belegte Zeit des
2. Semesters stellt nämlich den kleineren Teil dar und es ist zudem davon auszugehen, dass die Klägerin einen guten Teil der
vorlesungsfreien Zeit des 2. Semesters für Nachbereitungen genutzt hat.
Abgesehen davon hat sich die Klägerin nur für die Zeit vom 14.03.2017 bis 23.04.2017 der Arbeitsverwaltung der Beklagten zur
Verfügung gestellt. Für weitere Zeiten während der Semesterferien bzw. während der mit Vorlesungen belegten Zeit hat sie keine
Arbeit gesucht.
Im Ergebnis kommt der Senat bei einer Gesamtbetrachtung - nicht allein, aber wesentlich - mit Blick auf die zeitlich mögliche
Inanspruchnahme der Klägerin durch eine Beschäftigung bzw. der von ihr selbst angegebenen möglichen Inanspruchnahme nicht
zu der Ansicht, dass die Klägerin für mehr als versicherungsfreie Tätigkeiten der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stehen konnte
bzw. stand. Ihr war nur während des streitigen Zeitraums - wie von ihr selbst eingeräumt - und überdies im 2. Semester vom
31.07. bis 30.09.2017 eine Beschäftigung in Vollzeit möglich, daneben allenfalls eine geringfügige Tätigkeit i.S.d. §
8 Abs.
1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) und §
27 Abs.
4 Satz 1
SGB III. Diese hätte neben dem tatsächlich betriebenen Medizinstudium der Klägerin keinen so breiten Raum einnehmen können, dass
sie nicht mehr als "arbeitende Studentin", sondern vielmehr als "studierende Arbeitnehmerin" anzusehen gewesen wäre.
Die Vorschrift des §
139 Abs.
2 SGB III genügt auch verfassungsrechtlichen Anforderungen. So kann insbesondere aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) keine andere Beurteilung zugunsten der Klägerin hergeleitet werden. Der Gesetzgeber ist dadurch verpflichtet, wesentlich
Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Damit ist ihm aber nicht jede Differenzierung verwehrt noch
ist es ihm untersagt, von Differenzierungen abzusehen, die er vornehmen dürfte. In Ansehung des allgemeinen Gleichheitssatzes
bedürfen Differenzierungen der Rechtfertigung durch angemessene Sachgründe. Die hierbei dem Gesetzgeber gesetzten Grenzen
reichen von einer Beschränkung auf das Willkürverbot bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen, wobei er im Bereich
der gewährenden Staatstätigkeit grundsätzlich über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.11.2011
- 1 BvR 1853/11 - juris). Demnach besteht zwar eine Ungleichbehandlung der Klägerin mit anderen Personen, die Alg begehren, hinsichtlich
der Anforderungen an das Merkmal der Verfügbarkeit. Diese ungleiche Behandlung ist aber nach Ansicht des Senats ausreichend
sachlich gerechtfertigt. Das BSG (Urteile vom 24.07.1997 - 11 RAr 99/96 - und vom 19.03.1998 - B 7 AL 44/97 R - beide nach juris) hat zur Vorgängerregelung in § 103a Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ausgeführt, Art.
3 Abs.
1 GG sei nicht berührt. Die gesetzliche Vermutung mit der Möglichkeit ihrer Widerlegung sei gerade unter verfassungsrechtlichen
Gesichtspunkten auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung gewählt worden. Erst wenn eine Widerlegung unter den in
§ 103a Abs. 2 AFG gesteckten Grenzen überhaupt nicht möglich wäre, könnte dies verfassungsrechtliche Bedeutung erlangen. Im Übrigen sei zu
berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch das Gebot der Gleichheit vor dem Gesetz nicht gehindert ist, bei der Regelung
von Massenerscheinungen im Interesse effizienter Verwaltung und praktikabler Rechtsanwendung zu typisieren und zu pauschalieren.
Bei Studenten liege wegen ihrer Inanspruchnahme durch das Studium nahe, dass sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung
stehen. Die nach § 103a Abs. 2 AFG begrenzte Widerlegungsmöglichkeit sei wegen der Schwierigkeit, individuelle Gestaltungen eines Studiums zu überprüfen, sachgerecht.
Hinzu kommt, dass die Neuregelung in § 103a Abs. 2 AFG gerade in Reaktion auf die Entscheidung des BVerfG vom 18.11.1986 (1 BvL 29/83, 1 BvL 30/83, 1 BvL 33/83, 1 BvL 34/83, 1 BvL 36/83 - juris) erfolgte, mit der die Vorgängervorschrift (§ 118a Abs. 1 AFG) für verfassungswidrig erachtet wurde, und die den Vorgaben des BVerfG entsprechen wollte. Dem folgte wiederum die Entscheidung
des BSG nach. Die Überlegungen des BSG können daher auf die hier maßgebliche Nachfolgeregelung in §
139 Abs.
2 SGB III, die mit § 103a Abs. 2 AFG im Wesentlichen inhaltlich übereinstimmt, übertragen werden und weiterhin Gültigkeit beanspruchen. Es erscheint auch nicht
praktisch ausgeschlossen, als Student den Nachweis zu erbringen, dass neben dem Studium als Hauptsache eine Beschäftigung
mit mehr als 20 Stunden pro Woche als Nebensache durchführbar ist. Vielmehr ist dies abhängig vom jeweiligen Studiengang und
den jeweils gültigen Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen. Diese können sowohl von Studiengang zu Studiengang als auch von
Hochschule zu Hochschule variieren und unterliegen zudem noch der Möglichkeit zeitlicher Veränderungen. Mag es für den Studiengang
Humanmedizin an der von der Klägerin besuchten Universität auch schwierig sein, diesen Nachweis zu erbringen, kann dies für
andere Studiengänge oder für andere Hochschulen anders aussehen. Daher kann nicht angenommen werden, dass mit §
139 Abs.
2 SGB III Studenten ausnahmslos vom Bezug von Alg ausgeschlossen werden. Schließlich kann die Klägerin auch nicht unter dem Aspekt
der Gleichbehandlung ein anderes Ergebnis ableiten, weil ihrem Vater während seines Studiums offenbar Alg bewilligt worden
ist. Es ist nämlich nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die maßgeblichen Umstände in beiden Fällen identisch
waren. Insbesondere hat der Vater der Kläger weder an derselben Universität studiert noch denselben Studiengang belegt.
Die Berufung der Klägerin war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§
183,
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.