LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.01.2022 - 18 AS 1513/19
Gewährung einer Weiterbildungsprämie nach Bestehen einer trägerinternen Prüfung
Anforderungen an eine Zwischenprüfung
Berufliche Umschulung
Normenkette: SGB II § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 ,
BBiG § 48 Abs. 1 ,
BBiG § 79 Abs. 4 ,
BBiG §§ 58 ff.
Vorinstanzen: SG Berlin 20.06.2019 S 137 AS 3894/18
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2019 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Weiterbildungsprämie (WBP) nach Bestehen einer trägerinternen Prüfung.
Die 1979 geborene Klägerin begann am 28. November 2016 bei der C G für aB mbH (CGB) eine überbetriebliche Umschulung zur Steuerfachangestellten,
welche von dem Beklagten nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) iVm § 81 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung ( SGB III) gefördert wurde. Nachdem sie am 8. Dezember 2017 die von der CGB angebotene schriftliche „Zwischenprüfung“ erfolgreich abgelegt
hatte (vgl. Zwischenzeugnis vom 9. Februar 2018), verlangte sie mit E-Mail vom 9. Dezember 2017 vom Beklagten die Zahlung
einer WBP nach § 131a Abs. 3 Nr. 1 SGB III. Nach Art. 3 Grundgesetz ( GG) könne die WBP nicht nur Auszubildenden in einer betrieblichen Umschulung zugute kommen. Mit Ablehnungsbescheid vom 14. Februar
2018 lehnte der Beklagte die Zahlung der WBP ab und führte aus, die WBP könne nur für eine erfolgreiche Prüfung bei einer
zuständigen Kammer gezahlt werden. Für trägerinterne Prüfungen finde die Prämienregelung keine Anwendung. Mit ihrem Widerspruch
trug die Klägerin vor, die von der Steuerberaterkammer (StbK) für Auszubildende und betriebliche Umschüler durchgeführten
Zwischenprüfungen erstreckten sich auf einen Zeitraum von 180 Minuten. Ihre interne Zwischenprüfung habe sogar 360 Minuten
gedauert und alle von der Ausbildungs- und Prüfungsordnung vorgesehenen Bereiche umfasst. Von Prämien seien einzig und allein
Weiterbildungen ausgeschlossen, die zu keinem anerkannten Berufsabschluss führten. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 2. März 2018 zurück. Die Klägerin werde nicht diskriminiert, weil ungleiche Sachverhalte unterschiedlich behandelt würden.
Für die Umschulung im Sinne des § 62 Berufsbildungsgesetzes (BBiG) sei im Unterschied zu der in § 48 BBiG iVm § 7 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Steuerfachangestellten/zur Steuerfachangestellten vom 9. Mai 1996 (BGBl. I S.
672 - Sfa-BA-V) geregelten Berufsausbildung gerade keine Zwischenprüfung vorgesehen.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin eine Auskunft der CGB eingeholt. Diese hat mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 mitgeteilt, sie biete eine Zwischenprüfung
für ihre Umschüler an, um eine Vergleichbarkeit mit einer Ausbildung herzustellen. Man orientiere sich dabei an den veröffentlichten
Zwischen – und Abschlussprüfungen der StbK. Die Umschüler seien der CGB gegenüber verpflichtet, an der Zwischenprüfung teilzunehmen.
Ein Nichtbestehen habe keine Auswirkungen auf die Zulassung zur Abschlussprüfung.
Das SG hat mit Urteil vom 20. Juni 2019 den Bescheid des Beklagten vom 14. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 2. März 2018 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin eine WBP in Höhe von (iHv) 1.000,- € zu gewähren. Zur
Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei begründet. Die Klägerin erfülle alle Voraussetzungen für die Gewährung
der WBP für das Bestehen der Zwischenprüfung. Bei der von ihr bei der CGB absolvierten Prüfung handele es sich um eine Zwischenprüfung
iSd § 131a Abs. 3 Nr. 1 SGB III. Erforderlich sei nach dieser Vorschrift eine in den bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften, in denen eine Ausbildungsdauer
von mindestens zwei Jahren festgelegt sei, geregelte Zwischenprüfung. Solche Regelungen enthielten die für die Umschulung
der Klägerin relevanten und von der StbK Berlin aufgrund der Ermächtigung des § 59 BBiG erlassenen Regelungen für die überbetriebliche Umschulung zum/zur Steuerfachangestellten und die Umschulungsprüfung (Umschulungsregelungen)
– UmschR –. Aus § 8 Abs. 1 der Neufassung der UmschR ergebe sich, dass während der Umschulung keine Zwischenprüfung durchgeführt
werde. § 8 Abs. 2 UmschR lege fest, dass zur Ermittlung des Ausbildungsstandes während der Umschulung durch den Umschulungsträger
eine Prüfung durchgeführt werden solle, die sich auf Fertigkeiten erstrecke, wie sie für den betreffenden Abschnitt gemäß
§ 48 BBiG zu erwarten seien. Es handele sich also nicht um eine zwingend vorgeschriebene Zwischenprüfung. Vielmehr sei ihre Durchführung
als Soll-Vorschrift in den in Form einer Satzung erlassenen UmschR vorgesehen. Zwar spräche die Gesetzesbegründung (BT-Drucks
18/8042, S. 15, 27), soweit sie auf durch „Gesetz oder Verordnung“ bzw. „Ausbildungsverordnung vorgeschriebene“ Zwischenprüfungen
abstelle und ferner die Anwendung der Prämienregelung für trägerinterne Leistungsüberprüfungen ausschließe, zunächst dagegen,
dass § 131a Abs. 3 Nr. 1 SGB III auch die UmschR in Bezug nehme. Indes strebe § 8 UmschR eine inhaltliche Vergleichbarkeit der von Externen abzunehmenden Zwischenprüfung mit den nach § 48 BBiG für Auszubildende zwingend durchzuführenden Zwischenprüfungen an. Es bestehe auch kein Zweifel daran, dass die von der Klägerin
abgelegte Zwischenprüfung im Hinblick auf Schweregrad und Anforderungen nicht hinter der in § 48 BBiG geregelten Zwischenprüfung zurückbleibe. Soweit die Nichtteilnahme an der trägerinternen Zwischenprüfung – anders als die
Nichtteilnahme an der Zwischenprüfung nach § 48 BBiG – die Zulassung zur Abschlussprüfung nicht hindere, komme es hierauf nach Sinn und Zweck des § 131a Abs. 3 Nr. 1 SGB III nicht an. Anknüpfend an die gesetzgeberische Absicht, die Motivation zum Durchhalten der geförderten Weiterbildung zu erhöhen,
sei kein Grund dafür ersichtlich, lediglich für von der StbK Berlin durchzuführende Zwischenprüfungen eine WBP zu gewähren.
Mit der Berufung trägt der Beklagte vor: Eine Prämie könne nur für durch Gesetz oder Verordnung geregelte Zwischenprüfungen,
nicht jedoch für trägerinterne Leistungsüberprüfungen gewährt werden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor, die Auffassung des Beklagten finde bereits im Wortlaut des
§ 131a Abs. 3 SGB III keine Stütze. Die Klägerin habe an einer regulären Umschulung von zwei Jahren Dauer teilgenommen mit einer vom Bildungsträger
ausdrücklich so bezeichneten Zwischenprüfung. Auch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung gebiete hier die Zahlung der WBP.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie die Gerichtsakten und den Ausdruck der e-Akten des Beklagten, welche Gegenstand der Beratung waren, verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere statthafte (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Beklagten ist begründet.
Das SG hat zu Unrecht den angefochtenen Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 14. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 2. März 2018 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, eine WBP iHv 1.000,- € zu zahlen. Die Klägerin hat keinen Anspruch
auf Gewährung einer WBP nach Bestehen einer Zwischenprüfung nach § 131a Abs. 3 Nr. 1 SGB III.
Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm §§ 131a Abs. 3 Nr. 1, 444a Abs. 2 SGB III in der hier maßgeblichen, vom 1. August 2016 bis 31. Dezember 2018 geltenden Fassung erhalten Leistungsberechtigte nach dem
SGB II, die – wie die Klägerin – an einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen, die zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf - hier Steuerfachangestellte
- führt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt
ist – hier drei Jahre (vgl. § 2 Sfa-BA-V) –, wenn die Maßnahme nach dem 31. Juli 2016 und vor Ablauf des 31. Dezember 2020
bzw. inzwischen (§ 131a Abs. 3 SGB III in der Fassung vom 20. Mai 2020) vor Ablauf des 31. Dezember 2023 begonnen hat, eine Prämie iHv 1.000,- € nach Bestehen einer
in diesen Vorschriften geregelten Zwischenprüfung.
Der Klägerin, deren Weiterbildung im dargelegten Zeitraum begonnen hat, steht die WBP nicht zu, weil sie keine Zwischenprüfung
iSd § 131a Abs. 3 Nr. 1 SGB III absolviert hat. Diese Vorschrift stellt eine Anspruchsgrundlage nur für Zwischenprüfungen dar, die in den bundes- oder landesrechtlichen
Vorschriften über die Ausbildung für den jeweiligen Ausbildungsberuf geregelt sind (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil
vom 3. November 2021 – B 11 AL 2/21 R - juris - Rn.15). Zwar legt § 48 Abs. 1 BBiG fest, dass während der Berufsausbildung zur Ermittlung des Ausbildungsstandes eine Zwischenprüfung durchzuführen ist, die
für den staatlich anerkannten Ausbildungsberuf des/der Steuerfachangestellten durch § 7 Sfa-BA-V näher geregelt wird. Diese Vorschriften sind indes – wie das SG erkannt hat – auf die Klägerin nicht anwendbar, weil die Klägerin keine Berufsausbildung iSd der §§ 4ff. BBiG durchlaufen hat, sondern sich in einer beruflichen Umschulung nach §§ 58 ff. BBiG befand. Für die Umschulung zur Steuerfachangestellten hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung von der ihm durch
§ 58 BBiG eingeräumten Möglichkeit, durch Rechtsverordnung eine Umschulungsordnung zu bestimmen, keinen Gebrauch gemacht. Maßgeblich
für die Umschulung der Klägerin ist daher die gemäß § 59 iVm § 79 Abs. 4 BBiG „ersatzweise“ von der StbK Berlin als zuständige Stelle nach § 71 Abs. 5 BBiG erlassene Neufassung der UmschR vom 16. Januar 2017 (NUmschR 2017) – in Kraft ab 17. Januar 2017 (vgl. Amtliche Bekanntmachung
Nr. 3/2017 der StBKBerlin, veröffentlicht unter https://stbk-berlin.de/aktuelles/#amtliche-bekanntmachungen). Deren Bestimmungen
sind als von § 131a Abs. 3 Nr. 1 SGB III in Bezug genommene Vorschriften über die Ausbildung für den jeweiligen Ausbildungsberuf anzusehen, wobei angesichts des Wortlauts
des § 131a Abs. 3 Nr. 1 SGB III offen bleiben kann, ob es sich bei dieser “Rechtsvorschrift“ (vgl. zur Terminologie § 79 Abs. 4 Satz 1 BBiG; vom SG wird die NUmschR 2017 wohl zutreffend als Satzung eingestuft, vgl. Leisner, in BeckOK, HwO, Stand: 1. August 2021, § 42 f Rn. 4 zur vergleichbaren Fortbildungsprüfungsregelung nach der HwO; siehe aber kritisch zur Einstufung von Rechtsvorschriften nach § 79 Abs. 4 BBiG OVG Münster, Beschluss vom 2. Juli 2008 - 19 A 3506/07 -, juris Rn. 14 ff.) um eine bundes- oder eine landesrechtliche Vorschrift handelt. Nach § 8 Abs. 1 NUmschR 2017 wird während
der Umschulung keine Zwischenprüfung durchgeführt. Stattdessen „soll“ nach § 8 Abs. 2 NUmschR 2017 während der Umschulung
durch den Umschulungsträger eine „Prüfung“ abgehalten werden, die sich auf die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erstreckt,
wie sie für den betreffenden Abschnitt gemäß § 48 BBiG zu erwarten sind. Nach dem klaren Wortlaut und der Systematik des § 8 NUmschR kann kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei der trägerinternen Prüfung nach Abs. 2 gerade nicht um eine „Zwischenprüfung“
handelt.
Da der eindeutige Wortlaut einer Norm eine Auslegungsgrenze bildet (vgl. nur BSG, Urteil vom 3. November 2021 – B 11 AL 2/21 R – juris - mwN), steht dies hier einer Auslegung entgegen, nach der auch eine trägerinterne Prüfung als Zwischenprüfung iS
des § 131a Abs. 3 Nr. 1 SGB III verstanden werden könnte. Die durch den Wortlaut gezogene Auslegungsgrenze steht einer anderen Auslegung auch unter Berücksichtigung
der Gesetzgebungsmaterialien entgegen. Zwar ist der Wille des Gesetzgebers für die Normauslegung von maßgeblicher Bedeutung;
ihm kommt zumindest eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu (vgl. Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 ua - BVerfGE 133, 168 [205, RdNr 66]; BVerfG vom 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14 ua - BVerfGE 149, 126 [154 f, Rn. 74]). Ein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille bildet - ebenso wie der Normwortlaut - zudem eine Auslegungsgrenze
(BVerfG vom 16. Dezember 2014 - 1 BvR 2142/11 - BVerfGE 138, 64 [94, Rn. 86] mwN; BVerfG vom 22. März 2018 - 2 BvR 780/16 - BVerfGE 148, 69 [130 f, Rn. 150] mwN; BVerfG vom 14. Januar 2020 - 2 BvR 1333/17 - BVerfGE 153, 1 [53, Rn. 118]; BSG vom 7. Oktober 2009 - B 11 AL 31/08 R - BSGE 104, 285 = SozR 4-4300 § 335 Nr. 2, Rn.16; BSG vom 24. Juni 2020 - B 4 AS 7/20 R - SozR 4-4200 § 22 Nr .107 Rn. 42). Denn Bindung der Gerichte an das "Gesetz" bedeutet eine Bindung an die im Normtext
zum Ausdruck gebrachte demokratische Entscheidung des Gesetzgebers, dessen Erwägungen zumindest teilweise in den Materialien
dokumentiert sind (BVerfG vom 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14 ua - BVerfGE 149, 126 [155, Rn. 75]; BVerfG [K] vom 26. November 2018 - 1 BvR 318/17 ua - juris Rn. 32). Zwar wird die Begründung des Gesetzentwurfes regelmäßig nicht von Abgeordneten verfasst, sondern von
Ministerialbeamten, aber der Gesetzgeber muss sie sich grundsätzlich zurechnen lassen (Fleischer, AcP 211 [2011], 317 [330
f]; Frieling, Gesetzesmaterialien und Wille des Gesetzgebers, 2017, S. 166 ff sowie historische Nachweise auf S. 51 f; Möllers,
Juristische Methodenlehre, 3. Aufl 2020, § 4 Rn.163, 169; Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl 2020, Rn. 351; Rixen,
SGb 2020, 558 [559]; differenzierend Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 329; Waldhoff in Depenheuer/Heintzen/Jestaedt/Axer,
Festschrift für Isensee, 2007, S. 325 [329 f]), wenn die Norm in ihrer Entwurfsfassung auch verabschiedet wird und keine gegenteiligen
Zweckbestimmungen oder Auslegungsintentionen dokumentiert werden (vgl. BVerfG vom 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14 ua - BVerfGE 149, 126 [155, Rn.74]).
Allerdings ist der dokumentierte Wille des Gesetzgebers nur dann verbindlich, wenn er im Normwortlaut einen Anknüpfungspunkt
gefunden hat (vgl. BVerfG vom 17. Mai 1960 - 2 BvL 11/59 ua - BVerfGE 11, 126 [129 ff]; BVerfG vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261 [268]; Bundesgerichtshof <BGH> vom 19. April 2012 - I ZB 80/11 - BGHZ 195, 257 [269, Rn. 30] mwN; BGH vom 6. Juni 2019 - I ZR 67/18 - juris Rn.66; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 12. Aufl 2018, S. 143; gegen die sog. Andeutungstheorie aber
etwa Rüthers, Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat, 2. Aufl 2016, S. 95; ders/Fischer/Birk, Rechtstheorie,
11. Aufl 2020, Rn.734 ff mwN; differenzierend Canaris in Beuthien/Fuchs/Roth/Schiemann/Wacke, Festschrift für Medicus, 1999,
S. 25 [55]). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
Zwar ist die Vorschrift des § 131a Abs. 3 SGB III in der derzeit geltenden Fassung zum 1. August 2016 durch Art. 1 Nr. 11 des Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung
(Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz – AWStG) vom 18. Juli 2016 in das SGB III eingefügt worden. Nach den Gesetzesmaterialien stellt die Teilnahme an einer mehrjährigen, abschlussbezogenen Weiterbildung
für erwachsene Teilnehmerinnen und Teilnehmer hohe Anforderungen an Motivation und Durchhaltevermögen. Mit der Einführung
von Erfolgsprämien für das Bestehen einer durch Gesetz oder Verordnung geregelten Zwischenprüfung und der Abschlussprüfung
sollte die Motivation erhöht werden, eine von Agenturen für Arbeit geförderte abschlussbezogene berufliche Weiterbildung aufzunehmen,
durchzuhalten und erfolgreich abzuschließen. Die Prämienzahlung honoriere damit Lernbereitschaft und Durchhaltevermögen der
Teilnehmenden (BT-Drucks. 18/8042, S. 15, 27). Zutreffend stellt das SG im angegriffenen Urteil fest, dass auch bei trägerinternen Prüfungen eine Motivierung der Umschüler durch das In-Aussicht-Stellen
einer WBP erreicht werden könnte. Selbst wenn man damit eine entsprechende Regelungsintention für trägerinterne Prüfungen
unterstellt, so hat diese im Normwortlaut aber gerade keine Anhaltspunkte gefunden. Eine solche weitgehende Regelungsintention
des Gesetzgebers kann im Übrigen auch nicht unterstellt werden. Die Gesetzesbegründung stellt zwar ausdrücklich fest, dass
es nicht darauf ankommen soll, ob die Leistungskontrolle freiwillig ist oder nicht. Sie stellt aber zugleich klar, dass damit
nicht gemeint sein soll, dass die Prämienregelungen auch auf trägerinterne Leistungsüberprüfungen anwendbar sein sollen (vgl.
BT-Drucks. 18/8042, S. 27: „Zwar sind Umschülerinnen und Umschüler nach dem Berufsbildungsgesetz beziehungsweise der Handwerksordnung nicht verpflichtet, an einer Zwischenprüfung teilzunehmen. Die Teilnahme kann aber gleichwohl Bestandteil des Weiterbildungs-
beziehungsweise Umschulungsvertrages sein und damit den bisherigen Leistungsstand dokumentieren. Für trägerinterne Leistungsüberprüfungen
finden die Prämienregelungen keine Anwendung“). Mithin hat es lediglich der Absicht des Gesetzgebers entsprochen, die (freiwillige)
erfolgreiche Teilnahme von Umschülern an von den nach § 71 BBiG zuständigen Stellen durchgeführten Zwischenprüfungen zu prämieren. An einer solchen Prüfung hat indes die Klägerin nicht
teilgenommen. Ihre Teilnahme wäre auch nach der NUmschR 2017 gar nicht möglich gewesen. Die Rechtslage hat sich erst mit der
Novellierung des § 48 BBiG mit Wirkung zum 1. Januar 2020, mit der nach Abs. 3 der Vorschrift auch Umschüler das Recht zum Absolvieren der Zwischenprüfung
entsprechend der Ausbildungsordnung zuerkannt wurde („Umzuschulende sind auf ihren Antrag zur Zwischenprüfung zuzulassen“),
geändert. Die StbK Berlin hat diesen bundesrechtlichen Vorgaben (erst) mit dem neugefassten § 8 UmschR vom 1. November 2021
(vgl. Amtliche Bekanntmachung Nr. 12/2101 vom 2. November 2021) Rechnung getragen.
Schließlich ist für eine analoge Anwendung von § 131a Abs. 3 Nr. 1 SGB III auf trägerinterne, von diesen ggfs als „Zwischenprüfung“ bezeichnete Leistungsüberprüfungen mangels einer Regelungslücke
bzw. einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes (vgl. dazu BSG, Urteil vom 3. November 2021 – B 11 AL 2/21 R - juris Rn. 22 ff.) kein Raum. Gleiches gilt für eine verfassungskonforme Auslegung der Norm. Denn der Gesetzgeber hat mit
plausiblen Gründen den Anspruch auf eine Prämie an das Bestehen einer von einer zuständigen Stelle nach § 71 BBiG durchgeführten Zwischenprüfung geknüpft. Diese Beschränkung beruht erkennbar darauf, dass bei den für das Prüfungswesen im
Berufsbildungsbereich zuständigen öffentlichen Stellen am ehesten darauf vertraut werden kann, dass eine „korrekte“, an der
Sfa-BA-V orientierte Leistungskontrolle vorgenommen wird. Damit wird der nicht von der Hand zu weisenden Gefahr begegnet,
dass die WBP auch an solche Umschüler zu gewähren wäre, die lediglich eine nach dem Ermessen des jeweiligen Umschulungsträgers
mehr oder weniger anspruchsvolle Leistungskontrolle bestanden haben. Entgegen der von der Klägerin geäußerten Rechtsauffassung
vermag der Senat daher keine Ungleichbehandlung bzw. keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erkennen, wenn Umschüler, die bei ihrem Umschulungsträger einen „privaten“ Leistungstest durchlaufen, anders behandelt werden
als Umschüler, die eine formelle Zwischenprüfung bestehen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 10. September 2020 –
L 15 AS 135/19 – juris Rn. 13).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
|