Gericht
Sozialgerichtsbarkeit (38838)
Verfassungsgerichtsbarkeit (83)
Verwaltungsgerichtsbarkeit (1210)
Gerichte der EU (6)
Ordentliche Gerichtsbarkeit (1013)
Arbeitsgerichtsbarkeit (137)
Finanzgerichtsbarkeit (87)

Datum
2022 (1459)
2021 (2495)
2020 (2120)
2019 (2531)
2018 (2333)
2017 (2639)
2016 (2936)
2015 (4224)
2014 (2921)
2013 (1392)
mehr...
LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.01.2019 - 33 R 24/17
Vorinstanzen: SG Cottbus S 8 R 374/14
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 12. Dezember 2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Feststellung höherer Arbeitsentgelte für die Jahre 1973 bis 1989 unter Berücksichtigung der gewährten Jahresendprämie (JEP).
Dem 1942 geborenen Kläger war durch Urkunde der Ingenieurschule für Gummi- und Plasttechnologie F vom 23. Juli 1966 die Berechtigung verliehen, die Berufsbezeichnung Chemieingenieur der Fachrichtung Technologie der Plaste zu führen. Vom 1. Januar 1973 bis zum 30. Juni 1985 war der Kläger beim VEB Braunkohlenbohrungen und Schachtbau (BuS) Welzow als Gruppenleiter Vorbereitung und vom 1. Juli 1985 bis zum 30. Juni 1990 beim VEB Braunkohlenwerk (BKW) Cottbus als Leiter Projektvorbereitung und -planung beschäftigt. Beide Betriebe waren Kombinatsbetriebe des VE Braunkohlenkombinat (VE BKK) Senftenberg.
Mit Feststellungsbescheid vom 11. Dezember 2001 stellte die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Träger der Zusatzversorgung auf der Grundlage der Entgeltbescheinigungen der S GmbH (1. September 1966 bis 31. Dezember 1972) und der L Hauptverwaltung (1. Januar 1973 bis 30. Juni 1990) die in der Zeit vom 1. September 1966 bis 30. Juni 1990 erzielten Arbeitsentgelte des Klägers nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) fest.
Im Juni 2010 beantragte der Kläger beim Rentenversicherungsträger - der Knappschaft Bahn See - die Neuberechnung seiner Rente unter Einbeziehung der JEP und des Bergmanngeldes. Diesem Antrag fügte er als Nachweis für den Bezug der JEP und des Bergmanngeldes sowie als Berechnungsgrundlage die eidesstattliche Erklärung des ehemaligen Generaldirektors (H P) und des Direktors für Sozialökonomie (Dr. D W) des VE BKK Senftenberg vom 11./26. April 2010 bei. Der Rentenversicherungsträger leitete diesen Antrag an die Beklagte weiter, die den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 22. November 2010 ablehnte. Im Widerspruchsverfahren übersandte der Kläger die Entgeltbescheinigung der V E M AG vom 4. März 2011, in der es u.a. heißt, dass von JEP keine Unterlagen vorhanden seien. Die Beklagte stellte die darin bescheinigten zusätzlichen Arbeitsentgelte (Bergmannprämie) mit Feststellungsbescheid vom 24. Juni 2011 fest und wies den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2011 zurück. Die R O S GmbH teilte der Beklagten unter dem 24. Februar 2012 mit, dass von dem Kläger keine Unterlagen im Archivbestand vorhanden seien.
Im Dezember 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Hinweis auf das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 12. November 2013 (L 5 RS 622/10) erneut die Neuberechnung seiner Rente unter Vorlage einer Erklärung zu den Zahlungen der JEP im BuS Welzow und BKW Jugend/C vom 11. Dezember 2013. Darin gab der Kläger an, dass die Auszahllisten für die JEP zwar nicht archiviert worden seien, den im Bundesarchiv vorliegenden Unterlagen jedoch für die Jahre 1967 bis 1989 die in der VVB Braunkohle/dem BKK Senftenberg gezahlten JEP-Prozentsätze zu entnehmen seien, nach denen sich aus den vorliegenden Bruttoverdiensten für jeden Mitarbeiter die JEP neu errechnen ließen. Er räumte allerdings auch ein, dass die von der VVB Braunkohle/dem BKK Senftenberg für die einzelnen Braunkohlenwerke getroffenen geringen Differenzierungen dabei verloren gingen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20. März 2014 die Anerkennung höherer Arbeitsverdienste unter Berücksichtigung der JEP ab, denn die Überprüfung des Bescheides vom 24. Juni 2011 habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei, weil es keine gesetzliche Grundlage zur Berücksichtigung einer pauschal ermittelten JEP gebe, sondern die Feststellung zusätzlicher Entgelte den Nachweis erfordere, dass ein bestimmter berücksichtigungsfähiger Betrag tatsächlich gezahlt worden sei. Da dieser Nachweis nicht erbracht worden sei, könne keine Feststellung erfolgen. Bei der angegebenen Entscheidung des Sächsischen LSG handele es sich um eine Einzelfallentscheidung, die sie nicht binde.
Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2014).
Mit seiner am 23. Juni 2014 beim Sozialgericht Cottbus(SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und eine undatierte schriftliche Erklärung des Zeugen H D eingereicht.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12. Dezember 2016 abgewiesen, denn der Kläger habe keinen Anspruch auf Änderung des Feststellungsbescheides vom 24. Juni 2011 unter zusätzlicher Berücksichtigung von JEP. Die Beklagten habe neben den in diesem Bescheid bereits bescheinigten Arbeitsentgelten keine weiteren Arbeitsentgelte nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG zu berücksichtigen, weil dem Kläger der Nachweis bzw. die Glaubhaftmachung des Zuflusses einer jährlichen JEP nicht gelungen sei. Um das Gericht von einer Zahlung der JEP zu überzeugen, müsse im Einzelnen nachgewiesen werden, dass die genannten Voraussetzungen für jedes geltend gemachte Jahr vorgelegen hätten und dem Betroffenen die geltend gemachten Beträge auch tatsächlich gezahlt worden seien. Ein solcher Nachweis sei nicht gelungen, denn der Kläger habe bezeichnenderweise lediglich angegeben, immer fast 100 % als JEP bekommen zu haben. Auch die allgemeinen Erklärungen von Vorgesetzten und Kollegen über die Zahlungsweise reichten nicht aus, die tatsächliche Zahlung und den Erhalt der Prämie jeweils nachzuweisen. Mit den allgemeinen Angaben, die keinerlei Rückschlüsse auf eine konkrete Zahlung von JEP im streitigen Zeitraum zuließen, sei die behauptete Zahlung von JEP für die Jahre 1973 bis 1989 auch nicht glaubhaft gemacht, denn das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit reiche nicht aus. Die Zweifel, die an dem tatsächlichen Zufluss der Prämien in der behaupteten Höhe bestünden, stünden auch einer Glaubhaftmachung des tatsächlichen Zuflusses entgegen, sodass insoweit auch nicht von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden könne (Bezugnahme auf LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2013 - L 33 R 508/12).
Gegen das dem Kläger am 30. Dezember 2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. Januar 2017 eingegangene Berufung, mit der er geltend macht, dass sich die Urteilsbegründung überwiegend auf ältere Urteile beziehe, während für seine Auffassung zahlreiche Urteile des Sächsischen LSG aus neuerer Zeit sprächen, die eine Glaubhaftmachung auf der Basis der eidesstattlichen Erklärung des Generaldirektors und des Direktors Sozialökonomie des BKK Senftenberg aus April 2010 zuließen, insbesondere das rechtskräftige Urteil des Sächsischen LSG - L 5 RS 806/15 - vom 14. (richtig: 6.) Dezember 2016 eines Kollegen, der in den gleichen Betrieben, Direktionsbereichen und Abteilungen wie er tätig gewesen sei. Er sei auch nie von der Zahlung der JEP ausgeschlossen gewesen, was sich auch daraus ergebe, dass in seinen SV-Ausweisen keine Fehlschichten verzeichnet seien, die zu einem Ausschluss vom Bezug der JEP geführt hätten. Der Kläger hat die von dem Direktor Sozialökonomie Dr. W erstellte, wegen dessen Todes aber nur von dem Generaldirektor H P unterschriebene Ergänzung zur Erklärung vom 11./26. April 2010 vom 13. Februar 2012 eingereicht, auf die Bezug genommen wird.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 12. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 20. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2014 zu verpflichten, unter Änderung des Feststellungsbescheides vom 24. Juni 2011 für die Jahre 1973 bis 1989 weitere Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien nach dem AAÜG wie folgt als glaubhaft gemacht festzustellen:
1973 835,15 Mark 1974 858,41 Mark 1975 880,58 Mark 1976 921,64 Mark 1977 962,85 Mark 1978 1.103,23 Mark 1979 1.057,06 Mark 1980 1.061,30 Mark 1981 1.023,98 Mark 1982 740,26 Mark 1983 1.063,65 Mark 1984 944,90 Mark 1985 1.095,95 Mark 1986 1.144,53 Mark 1987 1.162,55 Mark 1988 1.295,50 Mark 1989 1.294,98 Mark
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält dem entgegen, dass die Erklärung der Zeugen P und Dr. W keinen Beweiswert habe. Der Zeuge P habe, in einem anderen Verfahren als Zeuge geladen, über seine Anwälte ausrichten lassen, er könne zum Gegenstand der Vernehmung keinerlei Aussagen machen, sodass die von ihm unterschriebenen Erklärungen vor diesem Hintergrund keinerlei Beweiswert hätten. Sie habe anhand der von Anspruchsstellern in einer Vielzahl anderer Verwaltungsverfahren durch Prämienschreiben - die in den Prämienverordnungen vorgegeben gewesen seien -nachgewiesener JEP erkennen können, dass die dort bestätigten JEP mit den errechneten JEP auf der Basis der Durchschnittsmonatsverdienste in der Erklärung vom 11./26. April 2010 nicht übereinstimmten. Die von ihr durchgeführten Plausibilitätsprüfungen hätten regelmäßig Abweichungen ergeben.
Auf Anforderung der Berichterstatterin hat die Beklagte neben dem - nicht veröffentlichten, rechtskräftigen - Urteil des Sächsischen LSG vom 6. Dezember 2016 - Aktenzeichen L 5 RS 806/15 - u. a. die im dortigen Verfahren erstinstanzlich eingeholten schriftlichen Aussagen der Zeugen Dr. H-J N vom 9. Februar 2015 und H D vom 12. Februar 2015 übersandt, auf die Bezug genommen wird (Blatt 118 bis 122 der Gerichtsakte).
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. H-J N, der der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers beim BKK Senftenberg war. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage 1 der Sitzungsniederschrift vom 6. März 2018 Bezug genommen. Der Zeuge H P hat über seine Rechtsanwälte erklären lassen, dass er zum Gegenstand der Vernehmung keinerlei Aussage treffen könne, und sodann schriftlich erklärt, der Direktor Sozialökonomie und der Hauptbuchhalter hätten über mehrere Monate unter Nutzung einer Vielzahl vorhandener Unterlagen verantwortungsvoll und gewissenhaft die jeweiligen Prozentsätze pro Jahr für die JEP ermittelt. Er selbst sei an der Ermittlung der Prozentsätze nicht beteiligt gewesen. Allerdings sei er von der Integrität sowie der Sach- und Fachkenntnis des damaligen Hauptbuchhalters und des Direktors Sozialökonomie überzeugt gewesen und habe sich auf die Richtigkeit der von ihnen ermittelten Ergebnisse verlassen, da beide stets zuverlässig und ordnungsgemäß gearbeitet hätten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie den übrigen Inhalt der Gerichts- und der von der Beklagten rekonstruierten Verwaltungsakten Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungstext anzeigen: