Arbeitsassistenz für eine Weiterbildung zur psychologischen Psychotherapeutin
Anspruch trotz fehlender Arbeitslosigkeit des Behinderten
Behinderungsbedingte berufliche Weiterbildung
Verbesserung der Wettbewerbssituation im Verhältnis zu nichtbehinderten Arbeitnehmern
Tatbestand:
Die 1988 geborene Klägerin ist von Geburt an blind. Sie hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 inne; ferner liegen bei
ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, H, BL und RF vor. Die Klägerin beendete im September 2014
das Studium der Psychologie mit einem Abschluss als Master. Im Rahmen ihrer über das Ausbildungsinstitut der Berliner Fortbildungsakademie
organisierten Weiterbildung zur psychologischen Psychotherapeutin leistete sie in der Zeit vom 1. Mai 2015 bis 31. Oktober
2016 eine praktische Tätigkeit (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 Psychotherapeutengesetz - PsychThG -) am Städtischen Klinikum D ab. Seit 1. November 2016 setzt die Klägerin diese Ausbildung fort, wobei sie Wochenendseminare
absolviert und - unter Aufsicht von Supervisoren - Patienten behandelt. Bis Oktober 2018 sind von ihr 280 der für die Ausbildung
erforderlichen 600 Stunden Therapie ambulanter Patienten geleitstet worden. Ihren Lebensunterhalt finanziert sie derzeit mit
einer versicherungspflichtigen 20 (bzw. ab 1. März 2019 15)-Stunden-Teilzeitstelle als Sozialarbeiterin; ferner arbeitet sie
zusätzlich alle zwei Wochen auf Honorarbasis als psychologische Beraterin bei einem Bildungsträger für schwer behinderte Menschen.
Die Klägerin stellte bereits am 17. Dezember 2014 bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
und gab an, wegen ihrer Behinderung zur Berufsausübung technische Arbeitshilfen zu benötigen, d. h. PC-Hardware und PC-Software.
Ferner beantragte sie mit nicht datiertem Schreiben die Kosten für eine Arbeitsassistenz (7,5 Stunden wöchentlich bzw. 30
Stunden monatlich) zu übernehmen, damit sie z. B. diagnostische Tests zur Feststellung psychischer Störungen durchführen könne.
Sie benötige ferner Hilfe bei der Orientierung in fremder Umgebung, der Aufbereitung des Inhalts von Fachbüchern sowie beim
Deuten nonverbaler Signale von Patienten während der Behandlung.
Mit Bescheid vom 18. Dezember 2014 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin grundsätzlich Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben
gem. §
19 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (
SGB III) benötige. Mit Bescheid vom 24. März 2015 lehnte die Beklagte den Antrag auf Förderung einer technischen Arbeitshilfe vom
17. Dezember 2014 ab und führte aus: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wie die Leistungen der technischen Arbeitshilfen
könnten nur zur Erlangung oder Erhaltung eines Arbeitsplatzes gewährt werden (§ 33 Abs. 3 in Verbindung mit §
33 Abs.
8 Sozialgesetzbuch - Rehabilitation wegen Teilhabe behinderter Menschen -
SGB IX - in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung [aF]). Ein Arbeitsplatz im Sinne des Gesetzes seien Stellen eines versicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnisses (vgl. §
73 SGB IX aF). Diese Voraussetzungen seien im Fall der Klägerin nicht gegeben. Mit einem weiteren Bescheid vom 24. März 2015 beendete
die Beklagte das Verfahren zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation), weil davon auszugehen sei, dass eine
dauerhafte Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr in einem absehbaren Zeitraum erreicht werden könne.
Mit Schreiben vom 1. April 2015 übersandte das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin - Integrationsamt - (IA) der Beklagten
Kopien eines Antrages der Klägerin vom 26. März 2015 auf Arbeitsassistenz und bat um Mitteilung, ob die Beklagte damit einverstanden
sei, dass das IA gemäß §
33 Abs.
8 Satz 2
SGB IX aF die Leistungen ausführe und die notwendigen Kosten hierfür von der Beklagten erstattet würden. Mit Schreiben vom 8. April
2015 teilte die Beklagte dem IA mit, Kosten für eine Arbeitsassistenz könnten nicht übernommen werden, da sich die Klägerin
nicht in einem Arbeitsverhältnis befinde.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 10. April 2015 Widerspruch gegen den das Reha-Beendigungsbescheid vom 24. März 2015 ein
und ließ mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 5. Mai 2015 hierzu vortragen, dass Teil ihrer Aufbauausbildung
zur Psychotherapeutin entsprechend der Bescheinigung des Städtischen Klinikum Dresdens vom 13. April 2015 auch die sozialversicherungspflichtige
Erbringung von Dienstleistungen in diesem Bereich sei. Bereits am 28. April 2015 hatte die Klägerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigte
Widerspruch gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Förderung einer technischen Arbeitshilfe einlegen lassen. Mit Widerspruchsbescheid
vom 29. Mai 2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 10. April 2015 gegen den Bescheid vom 24. März 2015 wegen
Ablehnung des Antrags auf Förderung einer technischen Arbeitshilfe zurück und führte aus: Entgegen der Ausführung im Widerspruch
handele es sich bei dem Praktikum im Städtischen Krankenhaus D nicht um eine versicherungspflichtige Beschäftigung. Daher
könnten durch die Beklagte keine technischen Arbeitshilfsmittel bzw. eine Arbeitsassistenz gewährt werden.
Das IA lehnte den Antrag der Klägerin auf die Gewährung von Leistungen aus Mitteln der Ausgleichsabgabe für eine Arbeitsassistenz
mit Bescheid vom 8. Juni 2016, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2016, ab; gegen diese Entscheidung ist
eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin - VG 22 K 565.16 - anhängig.
Mit der am 25. Juni 2015 vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 24. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2015 hat die
Klägerin die Gewährung einer technischen Arbeitsausstattung iHv 16.999,15 EUR für die Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin
sowie dem Grunde nach eine Arbeitsplatzassistenz begehrt. Die Klägerin hat vortragen: Die Aufgaben, die aufgrund fehlender
Assistenz nicht vollständig selbstständig erledigt werden könnten, wie beispielsweise das Lesen handschriftlicher Texte, das
Ausfüllen von Formularen oder das Auswerten psychologischer Diagnostik würden momentan von anderen Kollegen erledigt bzw.
sie bekomme deren Unterstützung beispielsweise in Form des Vorlesens. Die Beklagte hat vorgetragen: Es sei richtig, dass der
Arbeitsplatzbegriff des §
73 SGB IX nicht zur Ablehnung des Antrags hätte herangezogen werden können. Richtigerweise wäre auf §
2 SGB III zu verweisen, wonach nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer gefördert werden könnten. Die Klägerin befinde sich in einer der fachlichen
Ausbildung dienenden schulischen Fortbildung und gehöre daher zum versicherungsfreien Personenkreis nach §
27 Abs.
4 Satz 1 Nr.
1 SGB III. Im Rahmen der schulischen Ausbildung/Fortbildung werde ein Praktikum durchgeführt. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
könnten nur zur Erlangung und Erhaltung eines Arbeitsplatzes gewährt werden. Durch das Praktikum habe die Klägerin keinen
Arbeitsplatz erlangt.
Das SG hat die auf Gewährung einer technischen Arbeitsausstattung sowie einer Arbeitsassistenz - jeweils dem Grunde nach - gerichtete
Klage mit Urteil vom 29. März 2017 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Soweit die Klägerin die Förderung der Teilhabe
am Arbeitsleben und damit eine berufliche Rehabilitation durch Übernahme der Kosten einer technischen Arbeitshilfe begehrt,
sei die Klage zwar zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsleben, an dem teilzuhaben den behinderten und von der Behinderung
bedrohten Menschen ermöglicht werden soll, ziele mit dem entsprechenden üblichen Verständnis grundsätzlich auf bezahlte Erwerbsarbeit
zur Sicherung oder als Beitrag zur Sicherung des allgemeinen Lebensunterhalts des behinderten oder von Behinderung bedrohten
Menschen. Mit der von der Klägerin abzuleistenden praktischen Tätigkeit liege eine Berufsausübung im Sinne von §
33 Abs.
8 Satz 1 Nr.
5 SGB IX aF nicht vor. Die Klägerin sei mit ihrer praktischen Tätigkeit nach dem PsychThG nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im
Rahmen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung tätig und sie erfahre auch keine betriebliche Qualifizierung. Soweit
die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz begehre, bestünden Zweifel an der Zulässigkeit der Klage,
d. h. ob der mit der Klage angegriffene Bescheid dazu überhaupt eine ablehnende Regelung treffe. Im Übrigen habe das IA nach
Beendigung des Verfahrens zur Teilhabe der Klägerin am Arbeitsleben durch den bestandskräftiger Bescheid der Beklagten vom
24. März 2015 wohl schon aus diesem Grund keine andere als die ablehnende Entscheidung vom 8. Juni 2015 treffen können.
Mit der am 5. Mai 2017 eingelegten Berufung hat die rechtskundig vertretene Klägerin sich gegen den Bescheid vom 24. März
2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2015 gewandt und mit der Berufungsbegründung vom 9. Juni 2017 darauf
hingewiesen, dass sie immer noch eine "ungedeckten" Bedarf habe. Nachdem die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung
am 23. Januar 2019 ihr Einverständnis mit einer Nutzung der der Klägerin im Rahmen ihrer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung
zur Verfügung gestellten technischen Arbeitshilfen (auch) für ihre Weiterbildung zur psychologischen Psychotherapeutin erklärt
hatte, hat die Klägerin den Rechtsstreit für erledigt erklärt, soweit die Gewährung von technischen Arbeitshilfen begehrt
worden war. Sie trägt vor: Der Anspruch auf Bewilligung einer Arbeitsassistenz werde allein mit dem Nichtvorliegen eines Arbeitsverhältnisses
verneint. Folge man dieser Auffassung, so wäre die Beklagte jedoch verpflichtet gewesen, Ansprüche nach anderen Rechtsgrundlagen,
z.B. im Bereich der beruflichen Teilhabe gegenüber dem IA oder als schulische Ausbildung im Bereich der Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben, nochmals abschließend zu prüfen. Soweit ihr von der Beklagten vorgehalten werde, dass sie von vornherein keine Arbeitsaufnahme
als "einfache Psychologin" in Betracht gezogen habe, sei darauf hinzuweisen, dass für Blinde oder hochgradig sehbehinderte
Psychologen eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit als Therapeut besonders geeignet sei, da in den weiteren klassischen
Beschäftigungsfeldern von Psychologen in der Werbung oder im Personalwesen häufig besondere Einstellungshemmnisse bestünden
(fehlende optische Kompetenz oder Verwendung nicht barrierefreier Standardsoftware). Mithin verbessere eine Therapeutenausbildung
die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erheblich.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2017 und die Bescheide vom 24. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29. Mai 2015 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, für die Weiterbildung der Klägerin zur psychologischen Psychotherapeutin
Kosten einer Arbeitsassistenz zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen verwiesen.
Die Gerichtsakte sowie ein Verwaltungsvorgang der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Streitgegenstand waren im vorliegenden Fall sowohl der Bescheid des Beklagten vom 24. März 2015, mit welchem der Beklagte
den Antrag der Klägers auf Bewilligung von Arbeitshilfen abgelehnt hatte, als auch der weitere Bescheid vom selben Tag, mit
welchem der Beklagte das Rehabilitationsverfahren "beendet" und damit konkludent den Antrag auf Bewilligung einer Arbeitsassistenz
abgelehnt hatte, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2015, denn mit diesem Widerspruchsbescheid hatte
der Beklagte auch den gegen die Ablehnung der Arbeitsassistenz gerichteten Widerspruch zurückgewiesen. Nachdem die Klägerin
den Rechtsstreit hinsichtlich der Bewilligung von Arbeitshilfen für erledigt erklärt hat, richtet sich die Klage nur noch
gegen den Reha-Beendigungsbescheid vom 24. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2015. Das damit
verbundene Begehren auf die Bewilligung einer Arbeitsassistenz dem Grunde nach hat die die rechtskundig vertretene Klägerin
im Klageverfahren mit der allein statthaften kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§
54 Abs.
1 und 4
Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) verfolgt und bei verständiger Würdigung auch im Berufungsverfahren aufrechterhalten.
Nach §
123 iVm §
153 Abs.
1 SGG hat der Senat über die von der Klägerin erhobenen Ansprüche zu entscheiden, ohne an die Fassung des Antrages gebunden zu
sein. Bei einem von einem Rechtsanwalt oder einem anderen qualifizierten Prozessbevollmächtigten gestellten Antrag ist allerdings
in der Regel anzunehmen, dass dieser das Gewollte richtig wiedergibt (vgl. BSG, Beschluss vom 5. Juni 2014 - B 10 ÜG 29/13 B -, juris Rn. 12; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
123 Rn. 3). Dies gilt jedoch nicht, wenn für das Gericht erkennbar ein Irrtum vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 4 R 19/06 R -, juris Rn. 16). So liegt es hier. Die rechtskundig vertretene Klägerin hätte zwar mit der Berufungseinlegung am 5. Mai
2017 bei einer ausschließlich am fachsprachlichen Wortlaut orientierten Auslegung ihres Antrags ihr Begehren auf eine nicht
statthafte isolierte Anfechtungsklage beschränkt. Bei der gebotenen verständigen Würdigung dieses Antrags ist für den Senat
indes ohne weiteres erkennbar, dass die bloße Bezugnahme auf den ablehnenden Bescheid auf einem Irrtum bzw. Versehen der Prozessbevollmächtigten
beruhte und damit keineswegs eine Beschränkung des Klagebegehrens vorgenommen werden sollte. Es bestand offensichtlich kein
Anlass dafür, von dem vor dem SG konsistent verfolgten umfassenden Klagebegehren auch nur partiell Abstand zu nehmen. Die Klägerin hat auch im Verlauf des
Berufungsverfahrens klargestellt, dass ihr Begehen zu jedem Zeitpunkt auf eine Verpflichtung der Beklagten zu Gewährung einer
Arbeitsassistenz gerichtet war und ist.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Arbeitsassistenz
für die berufliche Weiterbildung zur psychologischen Psychotherapeutin für bis zu drei Jahre.
Die Beklagte ist schon deshalb zuständiger Rehabilitationsträger, weil sie als zuerst angegangener Träger den Teilhabeantrag
nicht an einen anderen Rehabilitationsträger oder das IA (vgl. §
102 Abs.
6 SGB IX aF; jetzt § 185 Abs. 6
SGB IX nF) weitergeleitet hat (vgl. §
14 Abs.
1 und
2 SGB IX -). Nach §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IX stellt der sog. erstangegangene Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt sind, binnen zwei Wochen
nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Wird
der Antrag - wie hier der mit dem Reha-Beendigungsbescheid vom 24. März 2015 abgelehnte - nicht weitergeleitet, stellt der
erstangegangene Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX). Die in §
14 Abs.
1 und
2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich dann im Außenverhältnis (Mensch mit Behinderung/Rehabilitationsträger) auf alle Rechtsgrundlagen,
die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind (dazu grundlegend BSGE 93, 283 ff Rn. 8 mwN = SozR 4-3250 § 14 Nr. 1; BSG, Urteil vom 20. April 2016 - B 8 SO 20/14 R - juris). Im Verhältnis zum Menschen mit Behinderung wird dadurch eine eigene
gesetzliche Verpflichtung des Trägers begründet, die einen endgültigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistungen in
diesem Rechtsverhältnis bildet.
Im Übrigen ist die Beklagte entgegen ihrer Auffassung für den von der Klägerin geltend gemachten Teilhabeanspruch nach dem
SGB III auch im Innenverhältnis zu anderen in Betracht kommenden Rehabilitationsträgern (allein) zuständig, so dass eine Beiladung
anderer Träger oder des IA nicht geboten war. Nach §
7 Satz 2
SGB IX richten sich die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger
geltenden Leistungsgesetzen, dh aus der vom SG herangezogenen Regelung des §
33 SGB IX aF bzw. aus der ab 1. Januar 2018 geltenden und hier nun maßgeblichen Nachfolgevorschrift des §
49 SGB IX (nF) selbst kann nicht unmittelbar ein Anspruch hergeleitet werden, sondern diese Regelung betrifft die konkrete Ausgestaltung
eines bestehenden Teilhabeanspruchs. Der Zuständigkeit der Beklagten steht §
22 Abs.
2 Satz 1
SGB III nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen allgemeine und besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur erbracht
werden, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger iSd
SGB IX zuständig ist. Eine Leistungspflicht der für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
5 Nr. 2
SGB IX neben der Beklagten hier allenfalls in Betracht kommenden Träger der Rentenversicherung (vgl. §
6 Abs.
1 Nr.
4 SGB IX nF) und der Eingliederungshilfe (vgl. §
6 Abs.
1 Nr.
7 SGB IX nF) scheidet bezüglich der Rentenversicherung aus, weil die 1988 geborene Klägerin offensichtlich nicht die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen des §
11 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (
SGB VI) erfüllt, und ist auch hinsichtlich der Eingliederungshilfe aufgrund der allgemeinen Subsidiarität der Sozialhilfe nach §
2 Sozialgesetzbuch -Sozialhilfe - (SGB XII) nicht anzunehmen (vgl. Janda in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB III, 2. Aufl. 2019, §
22 SGB III Rn. 43). Schließlich gehen die Leistungen des zuständigen Rehabilitationsträgers nach §
33 SGB IX aF bzw §
49 SGB IX nF auch der Leistung nach §
102 Abs.
4 SGB Ix aF bzw § 185 Abs. 4
SGB IX nF vor. Das IA führt die Leistung nach §
49 Abs.
8 Satz 1 Nr.
3 SGB IX nF lediglich aus (vgl. §
49 Abs.
8 Satz 2
SGB IX nF).
Maßgebliche Anspruchsgrundlagen für die Teilhabe von behinderten Menschen am Arbeitsleben nach dem
SGB III sind die §§
112 Abs.
1,
115 Nr.
1 und
3,
116 Abs.
1 und 5 Nr.
1,
117 Satz 1 Nr.
2 SGB III.
Die Voraussetzungen einer Leistungserbringung auf der Grundlage des §
112 SGB III liegen vor. Nach dieser Vorschrift können Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte Menschen erbracht
werden, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sicher,
soweit Art und Schwere der Behinderung dies erfordern. Dies hat die Beklagte mit dem - nach wie vor - wirksamen Bescheid vom
18. Dezember 2014 bindend festgestellt. Der Reha-Beendigungsbescheid vom 24. März 2014 trifft insoweit keine abweichende Regelung.
Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen des §
112 Abs.
1 SGB III in der Person der Klägerin angesichts der Schwere ihrer Behinderung und des Umstandes, dass von einer dauerhaften Eingliederung
in das Berufsleben (vgl. dazu Karmanski, in Brand,
SGB III, 7. Aufl., §
112 Rn. 22f.) derzeit noch nicht die Rede sein kann, weiterhin vor. Nach §
116 Abs.
1 und 5 Satz 1 Nr.
1 SGB III können Leistungen zur beruflichen Eingliederung auch erbracht werden bzw. kann eine berufliche Weiterbildung schon dann gefördert
werden, wenn behinderte Menschen iSv §
19 SGB III, zu denen die seit ihrer Geburt blinde Klägerin zweifelsfrei gehört, (noch) nicht arbeitslos sind. Es schadet also nicht,
dass die Klägerin nicht arbeitslos gewesen ist und auch derzeit nicht arbeitslos ist. Die berufliche Weiterbildung muss jedoch
behinderungsbedingt erforderlich sein (vgl. LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 1. April 2014 - L 13 R 2341 13 -, juris Rn.
32, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. November 2016 - L 18 AL 19/16 -, juris, Karmanski, aaO. Rn. 9).
Eine berufliche Neuorientierung ist dann als behinderungsbedingt anzusehen, wenn die angestrebte neue, auf Dauer angelegte
Beschäftigung, dem durch die Behinderung eingeschränkte Leistungsvermögen des behinderten Menschen besser entspricht, so dass
seine Wettbewerbssituation im Verhältnis zu nichtbehinderten Arbeitnehmern verbessert wird (Lauterbach, in Gagel,
SGB III, §
101, Rn. 17; Großmann, in Hauck/Noftz,
SGB III, §
166 Rn. 35). Die Klägerin hat überzeugend dargelegt, dass sie aufgrund ihrer Behinderung in den neben dem Therapeutenwesen weiteren
klassischen Beschäftigungsfeldern für Psychologen, nämlich Werbung und Personalwesen, erheblich weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt
hat als als psychologische Psychotherapeutin. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass sich ihre Wettbewerbssituation im
Verhältnis zu "einfachen" Psychologen ohne Behinderung verbessert, wenn sie über eine abgeschlossene Weiterbildung als psychologische
Psychotherapeutin verfügen kann. Soweit die Beklagte auf den zur Eingliederung einer tauben Psychologin ergangenen Beschluss
des LSG Baden-Württemberg vom 21. Februar 2011 - L 2 SO 379/11 ER-B -, juris, verweist und die Auffassung vertritt, die Klägerin
habe mit dem Masterabschluss als Psychologin bereits einen "angemessenen" Beruf iSd §54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII erlangt, mag dies zwar zutreffen; dies ändert indes nichts daran, dass die von der blinden Klägerin angestrebte Tätigkeit
als psychologischer Psychotherapeutin erkennbar ihrem Leistungsvermögen eher entspricht als eine Tätigkeit als "einfache"
Psychologin und mithin die tatbestandlichen Voraussetzungen für die vom Beklagten zu treffende Entscheidung über die Erbringung
von Teilhabeleistungen danach erfüllt sind. Es liegt gerade nicht der Fall vor, dass ein behinderter Mensch nach dauerhafter
beruflicher Eingliederung die Nachteile seiner Behinderung überwunden hat und ihm daher für einen beruflichen Aufstieg nur
die Fördermittel wie bei nicht behinderten Menschen zustehen, sofern nicht der Aufstieg behinderungsbedingt erschwert ist
(vgl. BSG, Urteil vom 26. August 1992 - 9b RAr 21/91 - juris).
Nach §
117 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB III sind besondere Leistungen der Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben anstelle der allgemeinen Leistungen zu erbringen, wenn
die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht in erforderlichem
Umfang vorsehen. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, besteht auf die besonderen Leistungen ein Rechtsanspruch (vgl.
Karmanski, aaO, §
117 Rn. 3). Die von §
115 SGB III in Bezug genommenen allgemeinen Leistungen nach den §§
44 - 47, 51 bis 87, 93 bis 94
SGB III sind nicht von vorneherein auf spezielle Bedürfnisse Behinderter zugeschnitten und tragen daher dem hier geltend gemachten
spezifischen "Behindertenbedarf" in Form einer Arbeitsassistenz nicht Rechnung. Besondere Leistungen iSd §
117 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB III können insbesondere die sonstigen Hilfen sein, die §
33 Abs.
3 SGB IX aF bzw. §
49 Abs.
3 SGB IX nF aufführen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2013 - B 11 AL 8/12 R -, juris Rn. 19, Karmanski, aaO § 117 Rn. 7).
Gemäß §
49 Abs.
1 SGB IX nF werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderung
oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder
wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.Nach Abs. 3 Nr. 4 der Vorschrift umfassen
die Leistungen insbesondere die berufliche Anpassung und - was hier einschlägig ist - die Weiterbildung, auch soweit die Leistungen
in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden. Dies erhellt, dass der Begriff "Arbeitsleben"
sich grundsätzlich auch auf die Weiterbildung erstreckt. Unmittelbar aus §
49 Abs.
3 Nr.
4 SGB IX nF ergibt sich der Anspruch des Betroffenen auf Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenz indes nicht. Denn diese Vorschrift
betrifft nur die berufliche Weiterbildung als solche. Hierzu zählen nur Leistungen, die selbst Teil der Weiterbildung sind
(vgl. BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr. 1 zur Ausbildung). Als integrierter Bestandteil der Weiterbildung ist der Einsatz einer Arbeitsassistenz
aber nicht zu verstehen, denn er wird lediglich im Zusammenhang mit der beruflichen Weiterbildung gewährt (vgl. auch BVerwG,
Urteil vom 10. Januar 2013 - 5 C 24/11 -, juris Rn. 12 ff. zur fachkompetenten Kommunikationshilfe). Auch §
49 Abs.
3 Nr.
7 SGB IX nF beschreibt den Anspruch auf die streitige Leistung nicht direkt. Nach dieser Vorschrift umfassen die Leistungen zur Teilhabe
am Arbeitsleben auch sonstige Hilfen zur Förderung, um Menschen mit Behinderungen eine angemessene und geeignete Beschäftigung
oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten; diese Hilfen werden in Abs. 8 der Vorschrift beispielhaft
konkretisiert. Gemäß §
49 Abs.
8 Satz 1 Nr.
3 SGB IX nF umfassen die Leistungen nach Abs. 3 Nr. 7 auch die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen
als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes. Bei dem Einsatz der Arbeitsassistenz geht es bei der schwerbehinderten (vgl.
§
2 Abs.
2 SGB IX) Klägerin aber nicht um die Erlangung eines Arbeitsplatzes, sondern um die Ermöglichung ihrer Teilnahme an der Weiterbildung
zur psychologischen Psychotherapeutin mit dem Ziel einer Verbesserung der Erwerbsfähigkeit und dauerhaften Sicherung der Teilhabe
am Arbeitsleben. Der erfolgreiche Abschluss der Weiterbildung ist zwar lediglich Voraussetzung für die Erlangung eines Arbeitsplatzes
und zielt selbst nicht auf dessen Vermittlung. Die Übernahme der notwendigen Kosten einer Arbeitsassistenz für schwerbehinderte
Menschen ist jedoch ein in §
49 Abs.
8 SGB IX nF nicht näher konkretisierter Fall einer sonstigen Hilfe zur Förderung der Teilnahme am Arbeitsleben iS des §
49 Abs.
3 Nr.
7 SGB IX nF. Denn die in §
49 Abs.
3 und Abs.
8 Satz 1
SGB IX nF enthaltenen Leistungskataloge sind nicht abschließend. Dies folgt aus der Wortwahl in §
33 Abs.
3 SGB IX, wonach "insbesondere" die unter 1. bis 7. angesprochenen Aufwendungen und Hilfen von dem Begriff der Teilhabe am Arbeitsleben
umfasst werden (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2013, aaO Rn. 24 mwN). Diese Angaben werden durch Abs. 8 Satz 1 der Vorschrift lediglich konkretisiert;
denn dort heißt es, dass Leistungen nach Abs. 3 Nr. 1 bis 7 "auch" die nun näher in Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 bis 6 beschriebenen
Maßnahmen und Leistungen umfassen. Die sonstigen Hilfen iS des §
49 Abs.
3 Nr.
7 SGB IX nF stehen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit von Menschen mit Behinderung. Diese Regelung hat - wegen der Verwendung
des Wortes "insbesondere" im Einleitungssatz - die Funktion eines Auffangtatbestands; sie wiederholt und konkretisiert in
ihrem zweiten Teil lediglich das in Abs. 1 der Vorschrift bereits ausgedrückte Regelungsziel. Ihr Ziel ist es mithin, die
berufliche Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft umfassend zu fördern. Da hierzu - wie bereits ausgeführt
- auch die berufliche Weiterbildung zählt, gehört auch die begleitende persönliche Hilfe (hier: durch eine Arbeitsassistenz)
zu den Aufwendungen und Leistungen, die zur Eingliederung in das Erwerbsleben geleistet werden. In der Gesetzesbegründung
zu der inhaltlich übereinstimmenden Vorgängervorschrift des §
33 SGB IX aF (vgl. BT-Drucks 14/5074, S. 107, 108) heißt es dazu: "Die Vorschrift beschreibt in den Absätzen 1 und 3, welche Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben von den hierfür zuständigen Rehabilitationsträgern zu erbringen sind. Die Aufzählung der wichtigsten
Leistungen in Absatz 3 stimmt weitgehend mit § 11 Abs. 2 Rehabilitations-Angleichungsgesetz und den entsprechenden Regelungen
für die einzelnen Träger überein." Nach alledem steht für den Senat fest, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die
Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben vorliegen.
Hieraus ergibt sich nach §
117 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB III ein Rechtsanspruch auf Förderung. Im Hinblick darauf, dass der von der Klägerin dargelegte und zur Überzeugung des Senats
gegebene Bedarf an "persönlicher" Unterstützung nur durch die Übernahme von Kosten für eine Arbeitsassistenz befriedigt werden
kann, sodass insoweit andere besondere Leistungen nicht in Betracht kommen, ist das hinsichtlich der Auswahl der besonderen
Leistungen (vgl. §
49 Abs.
4 Satz 1
SGB IX nF) bestehende Ermessen der Beklagten insoweit auf Null reduziert. Die Beklagte war daher zur Bewilligung der Übernahme der
Kosten für eine Arbeitsassistenz dem Grunde nach gemäß §
30 Abs.
1 Satz 1
SGG zu verurteilen. Im Rahmen der zu treffenden Bewilligungsentscheidung wird sie nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. § 39 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -) über den zeitlichen Umfang der Übernahme der Kosten, welcher von der Klägerin
auf 7,5 Stunden wöchentlich bzw. 30 Stunden monatlich beziffert worden ist, und die Dauer der Bewilligung, die nach §
49 Abs.
8 Satz 2
SGB IX nF auf maximal drei Jahre - gerechnet vom Beginn der Bewilligung für die hier in Rede stehende berufliche Weiterbildung,
und zwar ungeachtet der (bereits erfolgten) Gewährung einer Arbeitsplatzassistenz für die versicherungspflichtige Beschäftigung
der Klägerin als Sozialarbeiterin - begrenzt ist, zu entscheiden haben. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 oder 2
SGG liegen nicht vor.