Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, bei der der Geschädigte (Versicherter) gesetzlich krankenversichert ist, die Erstattung
von Aufwendungen gemäß § 105 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Der bei den Beteiligten versicherte H. war bei der Beklagten beschäftigt. Er erlitt am 21. März 2016 um ca. 12:30 Uhr einen
Unfall, als er im Gebäude seiner Arbeitgeberin auf dem Weg zum Zeiterfassungsgerät, um sich zur Mittagspause auszuloggen,
im Treppenhaus auf einer Stufe ausrutschte und sich dabei eine schwere Schulterprellung rechts sowie eine Ruptur der Rotatorenmanschette
und der Supraspinatussehne zuzog. Die Klägerin übernahm zunächst die Kosten der Heilbehandlung.
Mit Bescheid vom 2. November 2016 lehnte die Klägerin das Unfallereignis als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung
ab. Der Versicherte habe sich zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg nach draußen befunden. Gemäß eigener Aussage habe der Versicherte
vorgehabt, in der halbstündigen Mittagspause außerhalb des Betriebsgebäudes einen Spaziergang zu unternehmen. Dieser Weg habe
in keinem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden, sondern sei dem privaten, unversicherten Lebensbereich zuzuordnen.
Zwar diene ein Spaziergang der eigenen Gesundheit und somit indirekt auch der eigenen Arbeitsleistung, allerdings bestehe
Versicherungsschutz bei Spaziergängen an der frischen Luft nur in solchen Fällen, in denen Besonderheiten der Arbeitsplatzumgebung
oder die Art der Arbeit einen Spaziergang in der freien Zeit erforderlich mache, um die Arbeitskraft aufrechtzuerhalten. Die
Art der Arbeit des Versicherten stellten an die physischen und psychischen Kräfte keine besonderen Anforderungen, sodass die
Erholung in der Arbeitspause in der von dem Versicherten gewählten Form für die Fortsetzung der Arbeit nicht notwendig gewesen
sei. Gegen diesen Bescheid legte der Versicherte keinen Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 9. November 2016 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihren Erstattungsanspruch in Höhe von 5.479,65
EUR geltend und fügte diverse Rechnungen dem Erstattungsschreiben bei. Unter dem 27. Januar 2017 teilte die Klägerin der Beklagten
mit, dass weitere Kosten entstanden seien, so dass sich die Forderungssumme insgesamt auf 5.655,85 EUR belaufe.
Die Beklagte wies den Erstattungsanspruch mit Schreiben vom 24. August 2017 zurück. Der Versicherte habe sich zum Zeitpunkt
des Ereignisses im Dienstgebäude der Beklagten befunden und sei auf dem Weg nach draußen gewesen, um in seiner Mittagspause
einen Spaziergang zu unternehmen. Da er sich zum Zeitpunkt des Unfalles im Dienstgebäude des Arbeitgebers befunden habe, falle
das Ereignis unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Arbeitgeber verfüge in seinen Gebäuden im Eingangsbereich
über eine elektronische Zeiterfassung, mit dem die Arbeitszeiten dokumentiert würden. Das Buchungsterminal sei bei Arbeitsaufnahme
und -ende sowie bei jedem Verlassen des Dienstgebäudes, insbesondere während der Ruhepausen und auch bei kurzfristigen Unterbrechungen
der Arbeit, mit dem Buchungsausweis zu bedienen. Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Ereignisses auf dem Weg zum Buchungsterminal
gewesen, um seine Arbeitszeit durch einen Spaziergang zu unterbrechen. Das Dienstgebäude gehöre zum räumlichen Machtbereich
des Dienstherrn. Der Unfall habe sich im Treppenhaus des Gebäudes, also in einem Gefahrenbereich, in dem der Beschäftigte
entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig sei, ereignet. Zum Zeitpunkt des Unfalles habe der Versicherte
daher noch dem Direktionsbereich seines Arbeitgebers unterstanden.
Die Klägerin entgegnete mit weiteren Schreiben, dass nach allgemeiner Auffassung Anknüpfungspunkt der Prüfung, ob eine versicherte
Tätigkeit vorliege, die finale Handlungstendenz des Versicherten zur Zeit des Unfallereignisses oder der Zweck seines Handelns
sei. Die Handlungstendenz des Versicherten sei im vorliegenden Fall eindeutig darauf ausgerichtet gewesen eine private bzw.
eigenwirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Es existiere keinerlei Regelung dahingehend, dass der Versicherungsschutz alleine
dadurch begründet sei, dass sich jemand noch im Dienstgebäude befinde. Vielmehr kenne die gesetzliche Unfallversicherung keinen
sogenannten Betriebsbann, d. h. die Erfassung aller Unfälle, die sich in einem Betrieb ereignen, gleichviel, ob sie durch
eine Verrichtung verursacht seien, die im inneren Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit stehe.
Nachdem die Beklagte den Erstattungsanspruch weiterhin ablehnte, hat die Klägerin am 8. Juni 2020 Klage erhoben und vorgetragen,
dass ein Spaziergang während einer Arbeitspause mit der versicherten Tätigkeit nur dann in einem inneren Zusammenhang stehe,
wenn er aus besonderen Gründen, d. h. aufgrund einer besonderen Belastung durch die bisher verrichtete betriebliche Tätigkeit
im Sinne einer Ausnahmesituation zur notwendigen Erholung für die weitere betriebliche Tätigkeit erforderlich sei.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat sich im Wesentlichen auf Ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren bezogen.
Ergänzend hat sie vorgetragen, dass sich der Versicherte im Treppenhaus auf einem Betriebsweg befunden habe. Er habe sich
zudem auch noch nicht in der Pause und erst recht nicht außerhalb des Betriebsgeländes befunden. Vorgesehene oder zugelassene
Pausenwege im Betrieb, um die Pause überhaupt wahrnehmen zu können, zum Beispiel zum Verlassen und der Rückweg von dort zum
Arbeitsplatz, seien durchaus versichert. Hierunter fielen das Aufsuchen pausengerechter Aufenthaltsstätten, zum Beispiel der
Pausenraum, die Kantine oder das Freigelände. Unversichert sei lediglich der Aufenthalt am Ort der Pause, unabhängig davon,
ob sich dieser Ort im Dienstgebäude oder außerhalb des Dienstgebäudes befinde. Im vorliegenden Fall habe sich der Versicherte
jedoch noch nicht am Ort der Pause und schon gar nicht außerhalb des Betriebsgeländes befunden.
Durch Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, weil eine den Erstattungsanspruch nach
§ 105 SGB X begründende Leistung der Klägerin nicht vorgelegen habe. Die Klägerin habe als zuständige Leistungsträgerin zu Recht die
Kosten für die Heilbehandlung sowie Verletztengeld und Sozialversicherungsbeiträge geleistet. Der Unfall des Versicherten
sei ein Arbeitsunfall im Sinne des §
8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) gewesen, für dessen Entschädigung die Klägerin zuständig gewesen sei. Der Weg des Versicherten zur Aufnahme eines Spaziergangs
während seiner Mittagspause sei versichert, weil der Spaziergang nicht vor Durchschreiten der Außentür des Betriebsgeländes
des Arbeitgebers aufgenommen worden sei. Zwar sei die Handlungstendenz des Versicherten eindeutig darauf ausgerichtet gewesen,
eine privat- bzw. eigenwirtschaftliche Tätigkeit, nämlich einen Spaziergang in der Mittagspause, auszuführen. Ein solcher
Spaziergang sei grundsätzlich nur versichert, wenn er aus besonderen, mit der betrieblichen Tätigkeit zusammenhängenden Umständen
nötig sei. Jedoch habe sich der Unfall gerade nicht während, sondern in Vorbereitung dieser eigenwirtschaftlichen Tätigkeit
ereignet. Mit Durchschreiten der Außentür des Betriebsgeländes sei von einer Aufnahme der unversicherten Tätigkeit eines Spaziergangs
auszugehen, jedoch nicht davor.
Auch für die während der Mittagspause vorgenommene Nahrungsaufnahme gelte, dass Essen und Trinken im Allgemeinen dem persönlichen
und daher unversicherten Bereich zuzurechnen seien, weil die Nahrungsaufnahme für jeden Menschen Grundbedürfnis sei und somit
betriebliche Belange, etwa das betriebliche Interesse an der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers, regelmäßig
zurückträten. Auch die Vornahme eines Spaziergangs während der Mittagspause, insbesondere vor dem Hintergrund der Ausübung
einer überwiegend sitzenden Tätigkeit am Arbeitsplatz, wie sie der Versicherte ausgeübt habe, zähle als menschliches Grundbedürfnis.
Wenn nun der Weg zum und vom Essens- oder Pausenplatz oder um Erfrischungen zu holen (auch außerhalb des Betriebsgeländes)
versichert sei, so müsse dies auch für die Durchführung eines Spaziergangs im Rahmen der betrieblich vorgesehenen Mittagspause
gelten, welcher nach Durchschreiten der Außentür des Betriebsgeländes bzw. -gebäudes aufgenommen werde. Denn auch für diesen
sei das mittelbar betriebsbezogene Handlungsziel der Erhaltung der Arbeitskraft (welche grundsätzlich nicht versichert sei)
anzunehmen und zu berücksichtigen, dass durch die betriebsbedingte Anwesenheit des Versicherten auf der Betriebsstätte diese
Verrichtung an einem anderen Ort durchgeführt werden müsse. Werde dabei für den Weg zur Nahrungsaufnahme der innere Zusammenhang
bejaht, so sei dies auch für den mit gleicher Zielsetzung und Handlungstendenz wie die Nahrungsaufnahme (Erhaltung der Arbeitskraft)
durchgeführten Sparziergang anzuerkennen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Versicherte noch nicht einmal das Betriebsgebäude
verlassen habe, als der Unfall geschehen sei.
Zu Unrecht, aber in diesem Fall unschädlich, habe die Beklagte mit einem „Betriebsweg“, „Betriebsbann“ und einem „Direktionsrecht
des Arbeitgebers“ argumentiert. Daraus allein lasse sich kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung ableiten,
weil es grundsätzlich auf die Handlungstendenz des jeweils betroffenen Versicherten ankomme. Insbesondere könne der Arbeitgeber
nicht bestimmen, wann ein entsprechender Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung angenommen werden müsse.
Das Direktionsrecht des Arbeitgebers könne gewiss gegenüber dem Arbeitnehmer als Versicherten ausgeübt werden, jedoch sicher
nicht gegenüber den Regelungen der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 2. Juli 2021 zugestellten Gerichtsbescheid am 7. Juli 2021 Berufung eingelegt. Zwar habe
das Sozialgericht zutreffend festgestellt, dass die gesetzliche Unfallversicherung keinen sogenannten Betriebsbann erfasse.
Das Sozialgericht habe jedoch verkannt, dass allein die Handlungstendenz entscheidend sei, unabhängig davon, ob die Tätigkeit
noch im Gebäude oder außerhalb verrichtet werde. Ein Spaziergang während einer Arbeitspause stehe mit der versicherten Tätigkeit
nur dann in einem inneren Zusammenhang, wenn dieser aus besonderen Gründen, beispielsweise wegen einer besonderen Belastung
durch die bisher verrichtete betriebliche Tätigkeit im Sinne einer Ausnahmesituation, zur notwendigen Erholung für die weitere
betriebliche Tätigkeit erforderlich sei. Eine solche besondere Belastung bestehe bei einem Büroarbeitsplatz nicht.
Die Klägerin beantragt nach Lage der Akten,
den Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr einen Betrag in Höhe von 5.655,85 EUR
zu erstatten.
Die Beklagte beantragt nach Lage der Akten,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass sich der Unfall gerade nicht während eines Spaziergangs in der Pause ereignet habe. Ein Spaziergang
liege nur in der Freizeit vor. Die Dienstzeit ende und die halbstündige Pause des Versicherten beginne jedoch erst mit dem
Ausstechen an der Zeitschaltuhr. Erst mit dem Ausstechen werde dokumentiert, dass der Bedienstete eine Pause antrete. Andernfalls
wäre eine klare Abgrenzung zwischen Pausen und Arbeitszeiten nicht möglich.
Mit Beschluss vom 10. Januar 2022 hat der Senat die Berufung gem. §
153 Abs.
5 SGG dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakten der Klägerin und
der Beklagten sowie die Sitzungsniederschrift vom 14. September 2022 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Klägerin im Termin mündlich verhandeln und entscheiden, weil die Klägerin in ihrer
Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (vgl. §§
126,
110 Abs.
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetzes –
SGG -; Meyer-Ladewig,
SGG, 13. Auflage, §
126 Rn. 4 m.w.N.).
Die Berufung, über die der Senat gemäß §
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden kann, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft
(§§
143,
144 SGG) und form- und fristgerecht eingelegt (§
151 SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die zulässige Leistungsklage (§
54 Abs.
5 SGG) zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der von ihr aus Anlass des Unfalls
am 21. März 2016 getätigten Aufwendungen nach den für die Beklagte geltenden Rechtsvorschriften.
Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen
erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, soweit der an sich zuständige Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des
anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 105 Abs. 1 SGB X setzt daher voraus, dass sie die Aufwendungen für die Behandlung der Unfallfolgen als materiell-rechtlich unzuständiger Träger
erbracht hat. Dies ist hier der Fall. Die Klägerin hat die Leistungen als unzuständiger Träger erbracht, weil der Versicherte
zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hat.
Die Unzuständigkeit der Klägerin ergibt sich nicht bereits aus einer Bindungswirkung des gegenüber dem Versicherten ergangenen
bestandskräftigen Bescheids vom 2. November 2016, mit dem sie die Anerkennung des Sturzereignisses als Arbeitsunfall abgelehnt
hat. Dieser Bescheid entfaltet gegenüber dem Erstattungsanspruch gegen die Beklagte keine Bindungswirkung, denn er greift
nicht unmittelbar in die Rechte der beklagten Krankenkasse ein und die Beklagte war auch nicht Beteiligte im Sinne des §
77 SGG (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 28. Februar 2018 – L 2 U 18/17, juris unter Verweis auf BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016 – B 1 KR 25/16 R, juris; siehe auch BSG, Urteil vom 30. Januar 2020 – B 2 U 19/18 R, BSGE 130, 25).
Die Klägerin ist unzuständiger Leistungsträger, weil der Versicherte keinen Arbeitsunfall erlitten hat. Nach §
8 Abs.
1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende
Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Die Verrichtung des Versicherten unmittelbar vor
dem Unfallereignis muss den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Nur dies begründet die Versichertenstellung
in und seinen Versicherungsschutz aus der jeweiligen Versicherung (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44). Die versicherte Tätigkeit muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, eine Einwirkung,
objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese Einwirkung wiederum muss den Gesundheitserstschaden
oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die
versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und der Gesundheitserstschaden bzw. der Tod erwiesen sein. Dies bedeutet,
dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen
als erbracht angesehen werden kann (BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84, BSGE 58, 80). Dagegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 5/10 R, SozR 4-2700 § 200 Nr. 3). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei vernünftiger Abwägung aller
wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon
dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSG, a.a.O.). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht
werden, so geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte
ableitet (BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 – 2 RU 31/90, SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar hat der Versicherte einen Unfall i.S.d. §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII erlitten, als er an seinem Arbeitsplatz im Bürogebäude der Beklagten auf dem Weg zum Ausstempeln in die Pause stürzte und
sich dabei eine Verletzung der Schulter zuzog. Auch wenn sich der Unfall im Bürogebäude der Beklagten ereignete, in dem der
Versicherte arbeitete, ist dieser jedoch unmittelbar vor dem Unfall keiner versicherten Tätigkeit im Sinne des §
8 Abs.
2 Nr.
1 i.V.m. §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII nachgegangen. Ein rein örtlicher und/oder zeitlicher Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit ist nicht
ausreichend für die Annahme eines Arbeitsunfalls. Ob der Betroffene versichert ist, hängt nicht entscheidend davon ab, ob
das Unfallereignis in der Arbeitszeit und innerhalb des Betriebsgeländes stattfindet, denn in der gesetzlichen Unfallversicherung
ist kein Raum für einen sogenannten Betriebsbann, nach dem der Versicherungsschutz von Beschäftigten innerhalb des Betriebs
auch auf Tätigkeiten erstreckt wird, die zum privaten Lebensbereich zählen (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 – B 2 U 5/15 R, BSGE 122, 1; Keller in: Hauck/Noftz
SGB VII, § 8, Rn. 16). Erforderlich ist vielmehr ein innerer bzw. sachlicher Zusammenhang zwischen dem versicherten Tätigkeitsbereich
und der Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfallereignisses (st. Rspr., vgl. nur BSG, Urteil vom 30. Januar 2020 – B 2 U 2/18 R, BSGE 130, 1-17). Maßgebend für den sachlichen Zusammenhang zwischen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit und der Handlung zum Zeitpunkt
des Unfallereignisses ist, ob der Beschäftigte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Handlung ausüben wollte und ob
diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG, Urteil vom 10. Oktober 2006 – B 2 U 20/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 19, m.w.N.).
Die Handlungstendenz des Versicherten war nicht auf die Erfüllung des gesetzlichen Versicherungstatbestands als Beschäftigter
im Sinne des §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII gerichtet. Eine nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter liegt vor, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechtsverhältnisses,
insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen (vgl. §
7 Abs.
1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse ihrer Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder
Nachteil gereichen (vgl. §
136 Abs.
3 Nr.
1 SGB VII). Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf
die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen
des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung im Sinne des §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv
bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv
nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach
den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder
er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 – B 2 U 5/15 R, BSGE 122, 1-11).
Zum Zeitpunkt des Unfalls stieg der Versicherte die Treppe hinab, um das Gebäude zum Zwecke eines Spaziergangs in der Pause
verlassen. Gleichzeitig beabsichtigte er, zunächst das Buchungsterminal zur Zeiterfassung zu bedienen. Bei einem Spaziergang
in der Pause handelt es sich zweifellos nicht um eine sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebende Haupt- oder Nebenpflicht
des Versicherten. Anders ist dies jedoch hinsichtlich der Betätigung des Zeiterfassungssystems zu beurteilen. Indem der Versicherte
vor dem Verlassen des Gebäudes das Buchungsterminal bediente, kam er seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zur Erfassung
seiner Arbeitszeit nach und verrichtete daher insoweit eine versicherte Tätigkeit. Die in dem Hinabsteigen liegende Verrichtung
dient damit zugleich dem eigenwirtschaftlichen Interesse des Versicherten (Spaziergang) und dem Interesse der Arbeitgeberin
(Zeiterfassung). Dementsprechend handelt es sich um eine sogenannte Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz bzw. gemischter
Motivationslage. Zur Bestimmung der Motivationslage bei gemischten Tätigkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
als Abgrenzungskriterium die Frage heranziehen, ob die Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die
private Motivation des Handelns entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten,
tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2020 – B 2 U 2/18 R, BSGE 130, 1-17; BSG, Urteil vom 26. Juni 2014 – B 2 U 4/13 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 52). Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten
Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist
zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen
lässt (BSG, Urteil vom 30. Januar 2020 – B 2 U 2/18 R, BSGE 130, 1-17; Urteil vom 26. Juni 2014 - B 2 U 4/13 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 52; Urteil vom 9. November 2010 – B 2 U 14/10 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 39; BSG, Urteil vom 12. Mai 2009 – B 2 U 12/08 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 33).
Nach diesem Maßstab ist eine versicherungsbezogene Handlungstendenz objektiv nicht erkennbar. Zwar wäre der Versicherte Treppe
auch hinabgestiegen, um das Buchungsterminal zu bedienen, wenn er das Gebäude aus anderen Gründen, zum Beispiel zum Antritt
des Heimwegs nach Beendigung seiner Arbeitszeit, verlassen hätte. Denn nach § 6 Abs. 1 der Dienstvereinbarung über die Durchführung
der Zeiterfassung und der Zutrittskontrolle vom 7. Juni 2006 zwischen der Geschäftsführung und dem Hauptpersonalrat der Beklagten
sind die Buchungsterminals bei Arbeitsaufnahme und -ende sowie bei jedem Verlassen des Dienstgebäudes – insbesondere während
der der Ruhepausen und auch bei kurzfristigen Unterbrechungen der Arbeit – mit dem Buchungsausweis zu bedienen. Wenn man sich
die private Motivation, das Gebäude zu einem privaten Spaziergang in der Pause zu verlassen, hinwegdenkt, wäre der Versicherte
jedoch zum konkreten Zeitpunkt des Unfalls nicht die Treppe hinabgestiegen. Es ist nicht erkennbar, dass er auch aus anderen
Gründen beabsichtigt hatte, das Gebäude zu verlassen. Auch sind die Beschäftigten der Beklagten nicht verpflichtet, sich stets
für die Mittagspause auszuloggen, so dass nicht angenommen werden kann, dass der Versicherte zum Beginn der Mittagspause ohnehin
die Treppe zum Zeiterfassungsgerät hinabgestiegen wäre. Hätte der Versicherte sich entschlossen, die Pause an seinem Arbeitsplatz
zu verbringen und das Gebäude nicht zu verlassen, wären ihm nach den Regelungen der Dienstvereinbarung der Beklagten automatisch
30 Minuten Pausenzeit abgezogen worden.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Weg zur Vornahme eines Spaziergangs in der Mittagspause auch nicht deshalb
versichert, weil ein Spaziergang bei Ausübung einer überwiegend sitzenden Tätigkeit am Arbeitsplatz, ebenso wie die Nahrungsaufnahme,
als Grundbedürfnis einzuordnen ist. Das Bundessozialgericht hat für die Wege zum Essen, Trinken und dem Verrichten der Notdurft
während der Arbeitszeit Versicherungsschutz angenommen, weil es sich hierbei um notwendige Handlungen handele, um die Arbeitskraft
des Versicherten zu erhalten und es ihm damit mittelbar zu ermöglichen, die jeweils aktuelle betriebliche Tätigkeit fortzusetzen.
Wege, die zu diesen Zwecken zurückgelegt werden, seien von dem mittelbar betriebsbezogenen Handlungsziel geprägt. (vgl. BSG, Urteil vom 6. Dezember 1989 – 2 RU 5/89 –, SozR 2200 § 548 Nr. 97). Durch die Anwesenheit auf der Betriebsstätte sei der Versicherte gezwungen, die Nahrungsaufnahme
einem anderen Ort zu verrichten, als er dies von seinem häuslichen Bereich aus getan haben würde. Bei Wegen auf dem Betriebsgelände
oder innerhalb der Betriebsstätte zur Nahrungsaufnahme bestehe daher ein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit
(vgl. BSG, Urteil vom 6. Dezember 1989 – 2 RU 5/89 –, SozR 2200 § 548 Nr. 97). Mit einem derartigen Grundbedürfnis ist ein gewöhnlicher Spaziergang in der Mittagspause jedoch
nicht vergleichbar. Auch wenn ein Spaziergang dazu dienen sollte, sich zu erholen und die Arbeitsfähigkeit für die nachfolgende
betriebliche Tätigkeit wiederherzustellen oder jedenfalls zu erhalten, hat das Bundessozialgericht eine Parallele zur Nahrungsaufnahme
nur in dem Ausnahmefall angenommen, wenn der Versicherte zuvor besonderen betrieblichen Belastungen ausgesetzt war und die
bisherige betriebliche Tätigkeit als wesentliche Ursache eine besondere Ermüdung des Versicherten verursacht hat, die ohne
die betriebliche Tätigkeit gar nicht oder erst später aufgetreten wäre (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2001 – B 2 U 30/00 R, SozR 3-2200 § 548 Nr. 43). Dass der Versicherte hier derartigen besonderen betrieblichen Belastungen unterlag, ist weder
vorgetragen noch erkennbar.
Auch die Übrigen Voraussetzungen des § 105 SGB X liegen vor. Die Klägerin hat als unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen (§
11 Satz 1
SGB I) erbracht, indem sie die Kosten der Heilbehandlung (§
27 Abs.
1 SGB V) sowie für Hilfsmittel (§
33 SGB V) und Verletztengeld (§
45 SGB VII) übernommen hat. Auch hat die Klägerin als der die Erstattung begehrende Leistungsträger nicht nach § 102 SGB X vorläufig geleistet und der Anspruch ist nicht nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG liegen nicht vor.