Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld
Erstattung überzahlter Leistungen
Bestimmtheit eines Änderungsbescheides
Berücksichtigung einer Umschulungsvergütung
Tatbestand
Streitig sind (noch) die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. September 2013 bis
24. Juli 2015 im Rahmen eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X und die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 1.079,52 €.
Die 1967 geb. Klägerin ist litauische Staatsangehörige und war vor ihrer Einreise nach Deutschland in Litauen beschäftigt.
Von März bis Oktober 2011 hat sie einen Integrationskurs in Deutschland absolviert. Vom 1. März 2012 bis 28. Februar 2013
war die Klägerin als Servicekraft in Vollzeit bei der P. GmbH beschäftigt. Sie meldete sich am 28. Februar 2013 zum 1. März
2013 bei der Beklagten arbeitslos und gab in dem am 14. März 2013 unterzeichneten und am 11. April 2013 bei der Beklagten
eingegangenen schriftlichen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld an, dass sie in der Zeit vom 6. März 2013 bis 31. März
2013 eine Nebenbeschäftigung als Servicekraft/Aushilfe bei ihrem letzten Arbeitgeber ausgeübt habe (Lohn 221,25 € brutto =
netto). Im Antragsformular versicherte die Klägerin, dass ihre Angaben zutreffen, sie Änderungen unverzüglich anzeigen werde
und das Merkblatt 1 erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen habe. In diesem Merkblatt, auf dessen Inhalt im Übrigen
Bezug genommen wird, heißt es auf Seite 61:
„Beziehen Sie Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, müssen Sie auch die Leistungen angeben, die Sie von Ihrem Arbeitgeber
oder dem Träger der Weiterbildungsmaßnahme wegen der Teilnahme an der Maßnahme erhalten. Gleiches gilt, wenn Sie ohne Ausübung
einer Beschäftigung für die Teilnahme Leistungen von dem aktuellen oder einem vorigen Arbeitgeber erhalten. In diesem Fall
wird ein monatlicher Freibetrag von 400 € eingeräumt.“
Zudem hatte die Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Vorsprache am 14. März 2013 das Merkblatt „Wissenswertes zum Thema Nebeneinkommen“
erhalten, in dem ausgeführt wird:
„Anrechnung von Nebeneinkommen
…
Anrechnung von Arbeitgeber- oder Trägerleistungen
Zum Lebensunterhalt bestimmte Leistungen, die Sie während der beruflichen Weiterbildung
- von der Arbeitgeberin/vom Arbeitgeber oder dem Träger der beruflichen Weiterbildung wegen der Teilnahme oder
- aufgrund eines früheren oder bestehenden Arbeitsverhältnisses (ohne Ausübung einer Beschäftigung)
erhalten, werden mit ihrem Nettobetrag berücksichtigt und nach Abzug eines Freibetrages von 400 € monatlich auf das Arbeitslosengeld
angerechnet.“
Mit Bescheid vom 11. April 2013 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. Juli 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld
für den Zeitraum vom 1. März 2013 bis 31. März 2013 in Höhe von täglich 16,06 € und für den Zeitraum vom 1. April 2013 bis
31. August 2013 in Höhe von täglich 17,94 €, wobei im März ein Nebeneinkommen in Höhe von täglich 1,88 € angerechnet und die
Ermittlung des Anrechnungsbetrags erläutert wurde. Im Bescheid vom 11. April 2013 heißt es bei den Erläuterungen zum Bemessungsentgelt
u. a.: „Ab dem 01.03.2013 können Sie wieder so viele Stunden arbeiten wie im Bemessungszeitraum.“ Weiter wird in dem Bescheid
ausgeführt, dass auch während der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung Arbeitslosengeld gezahlt werde.
Neben dem Arbeitslosengeld erhielt die Klägerin vom H.-Jobcenter R. aufstockend Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II. Bereits am 18. März 2013 teilte der damalige anwaltlich Bevollmächtigte und heutige Ehemann der Klägerin dem zuständigen
H.-Jobcenter R. mit, dass für die Klägerin ein Umschulungsangebot bei dem früheren Arbeitgeber P. in B. vorliege.
Am 24. Juni 2013 schloss die Klägerin mit der P. GmbH einen Umschulungsvertrag über eine betriebliche Umschulung zur Hotelfachfrau
in der Zeit vom 1. August 2013 bis 31. Juli 2015. Die Umschulungsvergütung sollte brutto 500,00 € im August 2013, monatlich
525,00 € von September 2013 bis Juli 2014, 580,00 € im August 2014 und monatlich 610,00 € von September 2014 bis Juli 2015
betragen. Den Umschulungsvertrag legte die Klägerin (ausschließlich) beim H.-Jobcenter Rostock vor.
Am 18. Juli 2013 teilte das H.-Jobcenter R. der Beklagten per E-Mail mit, dass die Klägerin vom 1. August 2013 bis 31. Juli
2015 an einer betrieblichen Einzelumschulung teilnehme, und bat um Kenntnisnahme und weitere Veranlassung.
Die Beklagte erließ daraufhin am 18. Juli 2013 zwei Änderungsbescheide, mit denen sie der Klägerin für die Zeit ab dem 1.
August 2013 „bis auf weiteres“ und vom 1. August 2015 bis 30. August 2015 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 17,94 € bewilligte.
Auch hierin heißt es, dass die Klägerin ab dem 1. August 2013 wieder so viele Stunden arbeiten könne wie im Bemessungszeitraum.
Mit zwei Änderungsbescheiden vom 3. August 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin unter Hinweis auf zu berücksichtigende
Änderungen des
Einkommensteuergesetzes Arbeitslosengeld ab dem 1. August 2013 „bis auf weiteres“ und vom 1. August 2015 bis 30. August 2015 jeweils in Höhe von
täglich 17,98 €. Unter demselben Datum erließ die Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid, mit dem sie der Klägerin u. a.
für den Monat März 2013 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 16,10 € bewilligte, wobei weiterhin das Einkommen der Klägerin
aus der ausgeübten Nebenbeschäftigung Berücksichtigung fand.
Im Oktober 2013 erhielt die Beklagte eine Überschneidungsmitteilung, mit der eine versicherungspflichtige Beschäftigung der
Klägerin für die Zeit vom 1. August 2013 bis 9. Oktober 2013 beim Arbeitgeber P. GmbH mitgeteilt wurde. Die Beklagte vermerkte
hierzu, dass es sich wohl um den Arbeitgeber für die Einzelmaßnahme des Jobcenters handele, und veranlasste nichts weiter.
Nachdem die Beklagte eine weitere Überschneidungsmitteilung für den Zeitraum 15. Juni 2015 bis 9. Juli 2015 erhalten hatte,
teilte sie der Klägerin mit Schreiben vom 27. Juli 2015 mit, dass sie durch einen Datenabgleich Kenntnis davon erlangt habe,
dass ihr Arbeitgeber sie ab dem 15. Juni 2015 als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte angemeldet habe, und bat hierzu
um nähere Erläuterungen.
Hierauf teilte die Klägerin mit Schreiben vom 30. Juli 2015 mit, dass die Abmeldung bei der Krankenkasse durch den Arbeitgeber
mit dem letzten Prüfungstag erfolgt sei, ab dem 25. Juli 2015 sei sie arbeitslos. Diesem Schreiben waren der Umschulungsvertrag
vom 24. Juni 2013 beigefügt sowie eine Bestätigung über das Bestehen der Prüfung vom 24. Juli 2015.
Mit Änderungsbescheiden vom 4. August 2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. August
2013 bis 25. Juli 2015 und vom 26. Juli 2015 bis 25. August 2015 in Höhe von täglich 17,98 €. Zur Begründung führte die Beklagte
aus, dass sich der Beginn des Anspruchs vom 1. August 2015 auf den 26. Juli 2015 verschoben habe.
Mit Schreiben vom gleichen Tage teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass diese in der Zeit vom 1. August 2013 bis 24. Juli
2015 Einkommen aus einem Einzelumschulungsvertrag bei der Firma P. GmbH erhalten habe. Es sei zu prüfen, ob die Bewilligung
vom 1. August 2013 bis 24. Juli 2015 teilweise aufzuheben und die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen zu fordern sei.
Das Einkommen aus der Umschulungsmaßnahme sei auf das Arbeitslosengeld anzurechnen, soweit der Nettobetrag des Einkommens
den Freibetrag in Höhe von 400,00 € monatlich übersteige. Der Klägerin wurde aufgegeben, Nachweise über das Nettoeinkommen
einzureichen.
Die Klägerin reichte daraufhin die Lohnbescheinigungen für August 2013 (brutto 500,00 € / netto 399,12 €), September 2013
(brutto 525,00 € / netto 419,08 €), Februar 2014 (brutto 525,00 € / netto 419,08 €), September 2014 (brutto 610,00 € / netto
486,93 €) und Januar 2015 (brutto 610,00 € zuzüglich 63,00 € Sachbezug/ Nettoauszahlungsbetrag 474,55 €) ein.
Mit Änderungsbescheid vom 14. August 2015 minderte die Beklagte das Arbeitslosengeld unter (teilweiser) Anrechnung der Vergütung
für die Zeit vom 1. September 2013 bis 31. August 2014 auf 17,35 € täglich, für die Zeit vom 1. September 2014 bis 31. Dezember
2014 auf 15,09 € täglich und für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 25. Juli 2015 auf 15,50 € täglich. Zur Begründung führte
die Beklagte aus, der Bewilligungsbescheid werde gemäß § 48 SGB X geändert, da wesentliche Änderungen in den Verhältnissen eingetreten seien. Ab dem 1. September 2013 ändere sich der Anrechnungsbetrag.
Zuwendungen des Arbeitgebers oder Trägers, die die Klägerin für ihre Teilnahme an der Maßnahme erhalten habe, würden gemäß
§
155 Abs.
3 SGB III angerechnet. Von den Zuwendungen würden Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und ein monatlicher Freibetrag von 400,00 €
abgezogen. Mit Schreiben vom selben Tag erläuterte die Beklagte die Berechnung der Anrechnungsbeträge.
Mit weiterem Schreiben vom 14. August 2015 hörte die Beklagte die Klägerin darüber hinaus zu einer beabsichtigten teilweisen
Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X für den Zeitraum vom 1. September 2013 bis 25. Juli 2015 in Höhe von insgesamt 1.082,00 € unter Bezifferung des täglichen
Aufhebungsbetrages an. Die Klägerin habe Anspruch auf Zahlung von Ausbildungsvergütung wegen der Teilnahme an der Maßnahme
gehabt, sodass der Leistungsanspruch teilweise ruhe. Nach den vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin die Überzahlung verursacht,
da sie eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in den Verhältnissen nicht mitgeteilt habe. Sie sei durch das Merkblatt
über die Tatbestände, unter denen die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen, unterrichtet worden. Der Klägerin wurde Gelegenheit
zur Stellungnahme bis zum 5. September 2015 gegeben.
Eine Reaktion der Klägerin erfolgte hierauf nicht.
Am 14. September 2015 erließ die Beklagte einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem sie – ohne Nennung von Leistungsbescheiden
– die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. September 2013 bis 31. August 2014 teilweise in Höhe von 0,63 €
täglich, vom 1. September 2014 bis 31. Dezember 2014 teilweise in Höhe von 2,89 € täglich und vom 1. Januar 2015 bis 25. Juli
2015 teilweise in Höhe von 2,48 € täglich aufhob. Für diese Zeit habe Arbeitslosengeld nicht in der ursprünglich bewilligten
Höhe gezahlt werden dürfen, § 48 SGB X i. V. m. §
330 Abs.
3 SGB III. Die Klägerin habe vom 1. September 2013 bis 25. Juli 2015 Anspruch auf Zahlung einer Ausbildungsvergütung wegen der Teilnahme
an einer Weiterbildungsmaßnahme gehabt, sodass der Leistungsanspruch dementsprechend teilweise ruhe. Den überzahlten Betrag
in Höhe von 1.082,00 € müsse die Klägerin erstatten.
Am 17. September 2015 erhob der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid
vom 14. September 2015 Widerspruch, der in der Folgezeit nicht weiter begründet wurde. Die Beklagte wies den Widerspruch mit
Widerspruchsbescheid vom 10. November 2015 als unbegründet zurück. Der Bescheid entspreche den gesetzlichen Bestimmungen.
Hiergegen hat die Klägerin am 14. Dezember 2015 (Montag) Klage vor dem Sozialgericht Rostock (SG) unter dem Aktenzeichen S 2 AL 121/15 erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, dass sie keine Mitteilungspflichten verletzt habe. Sie habe den Umschulungsvertrag
im Juli 2013 beim Jobcenter eingereicht und damit ihrer Mitteilungspflicht Genüge getan, zumal sich aus diesem eindeutig die
Vergütung ergeben habe. Sie habe daher davon ausgehen können, dass der Beklagten die Vergütung bekannt sei. Es sei auch nahezu
sittenwidrig, wenn die Beklagte der Klägerin bei Antragstellung im März 2013 ein umfangreiches Merkblatt aushändige und sich
zeitgleich bestätigen lasse, dass die Klägerin dieses zur Kenntnis genommen habe. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin als
litauische Staatsangehörige hörbar keine Muttersprachlerin sei und sich die Beklagte nunmehr auf einen Hinweis auf Seite 61
des Merkblattes berufen wolle. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte trotz Kenntnis von der Umschulungsmaßnahme überhaupt
nicht nachgefragt habe, ob die Klägerin eine Ausbildungsvergütung erhalte, und - für die Klägerin ersichtlich – eine Kommunikation
zwischen der Beklagten und dem Jobcenter über die Umschulung stattgefunden habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass
die Klägerin die Ausbildungsvergütung grob fahrlässig verschwiegen habe. Darüber hinaus sei die Klägerin im Bewilligungsbescheid
vom 11. April 2013 darüber belehrt worden, dass sie ab dem 1. März 2013 im gleichen Umfang tätig sein könne wie im Bemessungszeitraum.
Rechtsgrundlage einer Aufhebungsentscheidung könne zudem nur § 45 SGB X sein. Im Übrigen sei der angegriffene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid zu unbestimmt, da sich nicht zweifelsfrei entnehmen
lasse, welcher Bescheid denn nun tatsächlich hätte aufgehoben werden sollen. Die Änderungsbescheide vom 18. Juli 20013, 3.
August 2013 und 4. August 2015 seien bestandskräftig, aber nicht im Aufhebungsbescheid benannt, sodass eine Aufhebung dieser
Änderungsbescheide nicht verfügt sei. Ebenso sei der Bescheid vom 14. August 2015 bestandskräftig. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung
gehe daher ins Leere, eine Erstattung scheide aus.
Die Klägerin hat beantragt,
den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 14. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.
November 2015 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass der Änderungsbescheid vom 14. August 2015 bestandskräftig geworden sei. Zudem werde
in dem Merkblatt 1, das die Klägerin bei Antragstellung erhalten habe, darüber belehrt, dass während des Bezuges von Arbeitslosengeld
bei einer beruflichen Weiterbildung auch Leistungen anzugeben seien, die wegen der Teilnahme an der Maßnahme gezahlt werden.
Weiter habe die Klägerin am 14. März 2013 das Merkblatt „Wissenswertes zum Thema Nebeneinkommen“ erhalten. Die Beklagte habe
überhaupt nur durch das Jobcenter Kenntnis von der Umschulung erlangt. Informationen über die Einnahmen der Klägerin habe
sie nicht gehabt. Erst durch den Datenabgleich sei bekannt geworden, dass die Klägerin Einnahmen erzielte.
Das SG hat mit Urteil vom 6. Dezember 2017 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 10. November 2015 aufgehoben, soweit die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. September
2013 bis 25. Juli 2015 teilweise aufgehoben hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe bereits mit Änderungsbescheid vom 14. August 2015 die
früheren Leistungsbewilligungen für die Zeit ab dem 1. September 2013 teilweise aufgehoben und das von der Klägerin aus der
Umschulungsmaßnahme erzielte Einkommen (nach Abzug eines monatlichen Freibetrages in Höhe von 400,00 €) angerechnet. Die von
der Beklagten im Änderungsbescheid vom 14. August 2015 vorgenommene Berechnung des Arbeitslosengeldes lasse Fehler zum Nachteil
der Klägerin nicht erkennen. Im Hinblick auf die mit Änderungsbescheid vom 14. August 2015 vorgenommene teilweise Aufhebung
der Leistungsbewilligung habe für eine (weitere) Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 14. September 2015 kein
Anlass bestanden. Der Bescheid vom 14. September 2015 habe letztlich zu einer doppelten Anrechnung des Einkommens geführt.
Soweit sich die Klägerin darüber hinaus auch gegen die mit dem Bescheid vom 14. September 2015 verfügte Erstattungsforderung
in Höhe von 1.082,00 € wende, sei die Klage unbegründet. Die Rechtsgrundlage für das Erstattungsbegehren der Beklagten bilde
§ 50 Abs. 1 SGB X, wobei der zu niedrig festgesetzte Betrag die Klägerin nicht beschwere.
Die mit dem Bescheid vom 14. August 2015 erfolgte teilweise Aufhebung sei grundsätzlich inhaltlich nicht zu prüfen, da diese
nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sei. Widerspruch sei nur gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid
vom 14. September 2015 eingelegt worden. Auch die Klägerin selbst gehe nach ihrem eigenen Vortrag von der Bestandskraft des
Bescheides vom 14. August 2015 aus. Selbst wenn man den Widerspruch vom 17. September 2015 auch als Widerspruch gegen den
Änderungsbescheid vom 14. August 2015 verstehen wollte, verbliebe es bei der Erstattungsforderung. Die Aufhebungsentscheidung
vom 14. August 2015 sei rechtmäßig. Der Klägerin sei rechtswidrig zu hohes Arbeitslosengeld bewilligt worden, was diese hätte
erkennen müssen.
Gegen das am 27. Dezember 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25. Januar 2018 Berufung eingelegt (L 2 AL 2/18). Sie trägt ergänzend vor, dass es mit der Aufhebung der im Bescheid vom 14. September 2015 getroffenen Aufhebungsverfügung
an einer Rechtsgrundlage für das Erstattungsbegehren der Beklagten fehle. Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Arbeitslosengeldes
seien die Änderungsbescheide vom 3. August 2013 bzw. vom 4. August 2015. Diese hätten aufgehoben werden müssen.
Der Auffassung des SG, die erforderliche Aufhebung der Leistungsbewilligung sei tatsächlich schon mit dem bestandskräftig gewordenen Änderungsbescheid
vom 14. August 2015 verfügt worden, könne nicht gefolgt werden. Der Änderungsbescheid weise lediglich einen Leistungsanspruch
der Klägerin für den Zeitraum vom 1. September 2013 bis zum 25. Juli 2015 aus, der - verglichen mit den Änderungsbescheiden
vom 3. August 2013 und 4. August 2015 - um insgesamt 1.082,00 € geringer sei. Eine Leistungsaufhebung habe hiermit jedoch
nicht erfolgen sollen; dies ergebe sich zweifellos aus dem mit gleicher Post versandten Anhörungsschreiben vom 14. August
2015, mit welchem zu einer beabsichtigten Aufhebung angehört worden sei. Nach dem objektiven Empfängerhorizont sei im Bescheid
vom 14. August 2015 keine Aufhebung der Leistungsbewilligung verfügt worden. Zumindest aber habe der Änderungsbescheid vom
14. August 2015 die Bescheide vom 3. August 2013 und 4. August 2015 benennen müssen.
Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 11. Juni 2018 die Berufung zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde
der Klägerin hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 23. Oktober 2018 (B 11 AL 4 B) den Beschluss vom 11. Juni 2018
wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Senats aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Bereits am 23. Januar 2018 hat die Klägerin einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X in Bezug auf den Änderungsbescheid vom 14. August 2015 für den Zeitraum 1. September 2013 bis 25. Juli 2015 gestellt und
hierin ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 45 SGB X nicht vorgelegen hätten, ebenso sei keine Ermessensentscheidung getroffen worden. Der Änderungsbescheid sei zu unbestimmt.
Die aufzuhebende Entscheidung werde hierin nicht benannt. Zudem fehle es an einer vorherigen Anhörung. Der Anhörungsmangel
sei auch nicht geheilt worden, da die Anhörung nur im Rahmen desselben Verfahrens erfolgen könne. Das Anhörungsschreiben vom
14. August 2015 habe sich auch nur auf die Erstattungsforderung bezogen. Da gegen den Bescheid vom 14. August 2015 auch kein
Widerspruch erhoben worden sei, habe die Anhörung auch nicht im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden können.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 28. Februar 2018 den Überprüfungsantrag mit der Begründung abgelehnt, dass eine Ermessensentscheidung
im Rahmen von § 45 SGB X nach §
330 SGB III entbehrlich sei und ein formaler Mangel aufgrund einer fehlenden Anhörung nicht zu einer Aufhebung nach § 44 SGB X führe.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin dahingehend, dass auf eine fehlende Anhörung die Aufhebung nach
§ 44 SGB X nur dann nicht gestützt werden könnte, wenn die Anhörung nach § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X entbehrlich gewesen sei. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 45 SGB X, die überhaupt nicht geprüft worden seien, nicht vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2018 wies die Beklagte den Widerspruch
zurück.
Mit der weiteren am 8. Mai 2018 vor dem SG Rostock unter dem Aktenzeichen S 2 AL 42/18 erhobenen Klage hat die Klägerin erneut darauf verwiesen, dass weder eine Anhörung vor Erlass des Bescheides vom 14. August
2015 erfolgt sei, noch habe diese wegen der Bestandskraft des Bescheides nachgeholt werden können. Auch sei zu den Voraussetzungen
des § 45 SGB X weder ermittelt noch seien diese geprüft worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 28. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.
April 2018 zu verurteilen, auf den Überprüfungsantrag der Klägerin vom 23. Januar 2018 den Änderungsbescheid vom 14. August
2015 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat mit Urteil vom 26. September 2019 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei zulässig, insbesondere
stehe ihr nicht eine anderweitige Rechtshängigkeit entgegen. Der angefochtene Überprüfungsbescheid vom 28. Februar 2018 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2018 sei nicht gemäß §
96 SGG Gegenstand des bereits beim Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern anhängigen Rechtsstreits geworden, da es sich um einen
ablehnenden Überprüfungsbescheid handele, der den Ursprungsbescheid weder abändere noch ersetze (vgl. BSG, Urteil vom 30 September 2009, - B 9 SB 19/09 B -, juris).
Die Klage sei jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 14. August 2015 sei insbesondere nicht deshalb rechtwidrig, weil vor seinem
Erlass eine Anhörung nach § 24 SGB X nicht erfolgt sei, denn die Beklagte habe die Anhörung mit Schreiben vom 14. August 2015 nachgeholt.
Die hier maßgeblichen Änderungsbescheide vom 18. Juli 2013 seien von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil die Klägerin nach
dem von ihr am 24. Juni 2013 geschlossenen Umschulungsvertrag Anspruch auf eine Vergütung gehabt habe, die gemäß §
155 Abs.
3 Nr.
1 SGB III absehbar zum teilweisen Wegfall des bewilligten Arbeitslosengeldes führen würde.
Die Rechtswidrigkeit habe auf Angaben beruht, die die Klägerin jedenfalls grob fahrlässig unvollständig gemacht habe. Nach
§
60 Abs.
1 S. Nr.
2 SGB I sei sie verpflichtet, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich seien, unverzüglich mitzuteilen. Auf
diese Mitteilungspflichten sei die Klägerin bei Beantragung des Arbeitslosengeldes in den ihr ausgehändigten Merkblättern
und im Antragsformular selbst hingewiesen worden. Die Klägerin habe der Beklagten weder die Umschulung selbst noch ihren voraussichtlichen
Arbeitsverdienst unverzüglich angezeigt. Ihr habe sich nach den gesamten Umständen des Leistungsbezugs im Jahr 2013 aufdrängen
müssen, dass es sich insoweit um eine mitteilungsbedürftige Änderung handele. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin
mit dem Arbeitslosengeld erkennbar eine Lohnersatzleistung bezogen und sie aufgrund des angerechneten Nebenverdienstes im
März 2013 gewusst habe, dass sich Einkommen auf ihren Anspruch auswirke. Soweit das Jobcenter die Aufnahme der Umschulung
der Beklagten angezeigt und um weitere Veranlassung gebeten habe, sei die Mitteilung weder unverzüglich noch vollständig.
Bei Umsetzung der angezeigten Änderung mit den Bescheiden vom 18. Juli 2013 habe die Beklagte daher angenommen, es handele
sich, wie im Regelfall üblich, um eine Umschulung ohne Vergütung. Unabhängig davon entbinde diese Mitteilung die Klägerin
nicht von ihren eigenen Mitteilungspflichten. Schließlich habe die Klägerin auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass
sie nach ihrem persönlichen Einsichtsvermögen nicht in der Lage gewesen sei, ihren Mitteilungspflichten bei Anwendung der
gebotenen Sorgfalt nachzukommen.
Gegen das am 14. Oktober 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. November 2019 Berufung eingelegt (L 2 AL 35/19). Sie macht im Wesentlichen geltend, nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass das
Jobcenter die Beklagte – für die Klägerin ersichtlich – von der Umschulungsmaßnahme in Kenntnis gesetzt habe, sodass sie habe
davon ausgehen dürfen, dass das Jobcenter alle relevanten Tatsachen mitteile. Zudem habe die Beklagte der Klägerin mitgeteilt,
dass Arbeitslosengeld während der Umschulung weitergezahlt werde, ohne darauf hinzuweisen, dass dies nur dann gelte, sofern
keine Ausbildungsvergütung gezahlt werde.
Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14. September 2022 die Rechtsstreitigkeiten L 2 AL 2/18 und L 2 AL 35/19 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klägerin persönlich angehört. In dem Termin hat der Beklagtenvertreter
ein Teilanerkenntnis abgegeben und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Umschulung der Klägerin tatsächlich am 24.
Juli 2015 geendet hat, die streitgegenständlichen Bescheide dahin abgeändert, dass eine teilweise Aufhebung und Erstattungsforderung
für den 25. Juli 2015 nicht erfolgt, sodass sich die Erstattungsforderung um 2,48 € auf 1.079,52 € reduziert. Dieses Teilanerkenntnis
hat die Klägerin nicht angenommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 26. September 2019 – S 2 AL 42/18 – sowie den Überprüfungsbescheid vom 28. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2018 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, den Änderungsbescheid vom 14. August 2015 aufzuheben sowie,
das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 6. Dezember 2017 – S 2 AL 121/15 – abzuändern und den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
10. November 2015 vollumfänglich aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die über das Teilanerkenntnis hinausgehenden Berufungen zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten,
die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufungen der Klägerin sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie sind jedoch unbegründet,
soweit sie über das von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14. September 2022 abgegebene Teilanerkenntnis
hinausgehen. Mit diesem sind die angefochtenen Bescheide unmittelbar abgeändert worden, ohne dass es hierzu einer Annahme
des Teilanerkenntnisses durch die Klägerin bedurfte.
Zu Recht hat das SG mit dem angefochtenen Urteil vom 26. September 2019 (S 2 AL 42/18) die Klage – soweit sie über das Teilanerkenntnis vom 14. September 2022 hinausgeht – abgewiesen. Die Klägerin kann keine
weitergehende Änderung des Bescheides vom 14. August 2015 beanspruchen. Der eine entsprechende Korrektur ablehnende Bescheid
der Beklagten vom 28. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2018 ist rechtmäßig.
Der Bescheid vom 14. August 2015 ist in Bestandskraft erwachsen. Insoweit kann dahinstehen, ob der ausdrücklich nur gegen
den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. September 2015 gerichtete Widerspruch vom 17. September 2015 auch als Widerspruch
gegen den Bescheid vom 14. August 2015 hätte ausgelegt werden können oder müssen. Jedenfalls nachdem die anwaltlich vertretene
Klägerin selbst mehrfach darauf hingewiesen hat, dass der Bescheid vom 14. August 2015 bestandskräftig und hiergegen kein
Widerspruch erhoben worden ist, und sie gerade aus diesem Umstand für sich günstige Folgen ableiten will, ist dieser Bescheid
auch nicht entgegen dem ausdrücklich erklärten Willen unmittelbar Verfahrensgegenstand der am 14. Dezember 2015 erhobenen
Klage geworden.
Die damit dem Bescheid vom 14. August 2015 von Gesetzes wegen (§
77 SGG) zukommende Bindungswirkung gilt fort, solange das Gesetz keine anderweitige Regelung namentlich in Form eines Überprüfungsanspruchs
vorsieht, vgl. auch § 39 Abs. 2 SGB X. Im vorliegenden Fall ist keine Durchbrechung der Bindungswirkung festzustellen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen
für den allein in Betracht kommenden Überprüfungsanspruch nach § 44 SGB X im vorliegenden Fall fehlen.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder
Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Die Vorschrift
ist zumindest entsprechend heranzuziehen, wenn, wie hier, eine bewilligte und erbrachte Sozialleistung durch einen Aufhebungs-
und Erstattungsbescheid wieder entzogen und zurückgefordert wird (stRspr, vgl. BSG, Urteil vom 3. Februar 2022 – B 5 R 26/21 R –, juris Rz. 11 mwN).
Die streitgegenständliche Rücknahmeentscheidung für die Zeit ab dem 1. September 2013 muss sich an §
330 Abs.
2 SGB III iVm § 45 SGB X messen lassen.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender
Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er gemäß § 45 Abs. 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung
für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß
§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen
unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte
nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher
Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2) oder
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3); grobe Fahrlässigkeit
liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Nach §
330 Abs.
2 SGB III ist, wenn die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen, dieser auch mit
Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Die Abgrenzung des Anwendungsbereiches von § 45 SGB X einerseits und § 48 SGB X andererseits erfolgt danach, ob der Bescheid schon anfänglich, nämlich im Zeitpunkt des Eintritts seiner Wirksamkeit gemäß
§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X durch Bekanntgabe gegenüber dem Adressaten rechtswidrig war. Es kommt insofern auf die objektive Sachlage bei Bekanntgabe
des Bescheides an (BSG, Urteil vom 8. Dezember 2020 – B 4 AS 46/20 R –, juris Rz. 15). Dabei ist für die Anfänglichkeit der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes, wenn ein früherer Verwaltungsakt
geändert worden ist, auf die Sachlage im Zeitpunkt des letzten Änderungsverwaltungsaktes abzustellen (BSG aaO, Rz. 16 mwN). Im vorliegenden Fall ist § 45 SGB X einschlägig, denn bei Bekanntgabe der für September 2013 bis Juli 2015 maßgeblichen Bescheide vom 18. Juli 2013, 3. August
2013 und 4. August 2015 stand der künftige bzw. bereits erfolgte Zufluss von auf das Arbeitslosengeld anzurechnendem Einkommen
während der Umschulung fest (§
155 Abs.
3 SGB III). Allenfalls die genaue Höhe des Nettoeinkommens konnte zweifelhaft sein, so dass zumindest eine endgültige Bewilligung nicht
hätte ergehen dürfen.
Der Änderungsbescheid vom 14. August 2015, mit dem die Beklagte eine Teilaufhebung des bewilligten Arbeitslosengeldes für
den streitbefangenen Zeitraum verfügt hat, genügt den Bestimmtheitsanforderungen des § 33 Abs. 1 SGB X. Danach muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt insbesondere voraus, dass der Verfügungssatz
des Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2017 – B 14 AS 9/17 R -, juris Rz. 17). Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und
unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge
vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts,
vgl. Urteil vom 3. Juli 2020 – B 8 SO 2/19 R -, juris Rz. 15.). Unschädlich ist es insoweit, wenn der Regelungsgehalt des
Verfügungssatzes erst durch Auslegung ermittelt werden muss, etwa indem das Anhörungsschreiben, die Begründung der angefochtenen
Bescheide, beigefügte Anlagen, früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder andere allgemein zugängliche
Unterlagen herangezogen werden (vgl. BSG, Urteile vom 29. November 2012 – B 14 AS 196/11 R -, juris Rz. 16; vom 10 September 2013 - B 4 AS 89/12 R -, juris Rz. 15; vom 25. Oktober 2017 – B 14 AS 9/17 R -, juris Rz. 17). Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des
jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (BSG, Urteil vom 3. Juli 2020 – B 8 SO 2/19 R -, juris Rz. 15). Für Verwaltungsakte, mit denen eine Leistungsbewilligung aufgehoben
wird, muss der Bescheid zumindest den Adressaten, den Zeitraum der Aufhebung und den konkreten Umfang der Aufhebung erkennen
lassen. Es muss für den Leistungsberechtigten erkennbar sein, ob und in welchem Umfang ihm monatlich Leistungen verbleiben,
um sein Verhalten danach auszurichten (BSG, Urteil vom 29. November 2012 – B 14 AS 196/11 R -, juris Rz. 17).
Nach diesen Maßstäben ergibt sich aus dem Verfügungssatz des Änderungsbescheides vom 14. August 2015 klar, was die Beklagte
regeln wollte, so dass kein Verstoß gegen das Bestimmtheitserfordernis vorliegt. Der Bescheid ändert ausdrücklich die Bewilligung
von Arbeitslosengeld für den im Bescheid benannten Zeitraum nach § 48 SGB X ab, womit letztlich völlig eindeutig nicht nur eine neue Entscheidung über die Höhe des zustehenden Leistungsanspruchs, sondern
zugleich auch eine entsprechende (Teil-)Aufhebung der vorangegangenen Leistungsbewilligungen verbunden ist. Eine andere Auslegung
des Bescheides ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass zeitgleich ein Schreiben versandt worden ist, mit dem zu einer
beabsichtigten Aufhebung der Leistungsbewilligung wegen der Anrechnung der Umschulungsvergütung angehört wird, denn der Bescheid
vom 14. August 2015 – bei dem es sich offenkundig nicht um den Entwurf eines (beabsichtigten) Aufhebungsbescheides handelt
- setzt die Einkommensanrechnung erkennbar bereits abschließend um, was durch die Formulierung „Sie erhalten Leistungen ab
dem 01.09.2013 in folgender Höhe“ deutlich wird. Unschädlich ist schließlich, dass die abzuändernden bzw. aufzuhebenden Bescheide
im Änderungsbescheid vom 14. August 2015 nicht genannt worden sind, weil auch aus objektiver Empfängersicht mit der Abänderung
der Leistungsbewilligung unter konkreter Benennung des nunmehr täglich zustehenden Leistungssatzes nur die Abänderung aller
dieser Entscheidung entgegenstehenden vorherigen Bewilligungsentscheidungen gemeint sein kann.
Entgegen der Auffassung der Klägerin führt die unterbliebene Anhörung vor Erlass des Bescheides vom 14. August 2015 nicht
zu einem Anspruch auf Rücknahme. Das Fehlen der Anhörung räumt dem Betroffenen keine dem materiellen Recht zuzuordnende Position
ein, die für sich genommen einen Anspruch auf die Durchbrechung der Bindungswirkung im Überprüfungsverfahren rechtfertigt
(BSG, Urteil vom 3. Mai 2018 – B 11 AL 3/17 R –, juris Rz. 18 mwN; BSG, Urteil vom 3. Februar 2022 – B 5 R 26/21 R -, juris Rz. 26). Bei der entsprechenden Anwendung des § 44 Abs. 1 SGB X auf Aufhebungs- und Erstattungsbescheide kann nicht allein die formelle Rechtswidrigkeit der zugrundeliegenden Verwaltungsentscheidung
wegen einer unterbliebenen Anhörung dazu führen, dass eine zu Unrecht erbrachte und vom Sozialleistungsträger zurückgeforderte
Sozialleistung behalten werden darf (BSG, Urteil vom 3. Mai 2018 – B 11 AL 3/17 R –, juris Rz. 19). Im Übrigen wurde zeitgleich mit dem Bescheid vom 14. August 2015 eine Anhörung versandt. Da die Anhörung
bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann (§ 41 Abs. 2 SGB X), konnte die Nachholung auch noch während des Laufes der Widerspruchsfrist erfolgen. Unschädlich ist, dass die Beklagte die
Klägerin nicht zu den Voraussetzungen des einschlägigen § 45 SGB X angehört hat, sondern nur zu den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es für die Ordnungsgemäßheit der Anhörung nur darauf an, dass die
Behörde zu den nach ihrer materiellrechtlichen Rechtsauffassung erheblichen Umständen anhört (BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 - B 4 AS 47/15 R -, juris Rz. 15), auch wenn diese falsch sein sollte (BSG, Urteil vom 12. Oktober 2016 - B 4 AS 60/15 R -, juris Rz. 16).
Die Bewilligungsbescheide vom 18. Juli 2013 und 3. August 2013, mit denen der Klägerin Arbeitslosengeld ohne Berücksichtigung
der Umschulungsvergütung bewilligt worden ist, beruhen auf Angaben, die die Klägerin grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung
unrichtig oder unvollständig gemacht hat (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X).
Unrichtig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X sind Angaben nicht allein dann, wenn Umstände erklärt werden, die dem tatsächlichen Sachverhalt nicht entsprechen. Unrichtig
kann eine Angabe vielmehr auch durch passives Verschweigen von Umständen werden. Voraussetzung ist, dass der konkret verschwiegene
Umstand für die fragliche Leistung rechtlich erheblich ist und vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig verschwiegen wurde
(vgl. BSG Urteil vom 11. April 2002 – B 3 KR 46/01 R –, juris Rz. 18).
Die Bewilligungsbescheide vom 18. Juli 2013 und 3. August 2013 beruhen auf den insoweit in wesentlicher Beziehung unrichtig
bzw. unvollständig gemachten Angaben der Klägerin über die Zahlung einer Umschulungsvergütung. Entgegen ihrer nach §
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB I bestehenden Verpflichtung zur unverzüglichen (d. h. ohne schuldhaftes Zögern) Mitteilung dieser wesentlichen Änderung in
den Verhältnissen hat die Klägerin die Erzielung von Einnahmen überhaupt nicht mitgeteilt. Diesbezüglich fällt der Klägerin
auch zumindest grobe Fahrlässigkeit zur Last. Die Klägerin hatte im zeitlichen Zusammenhang mit der Beantragung von Arbeitslosengeld
zum 1. März 2013 und der Erzielung von Nebeneinkommen im März 2013 das Merkblatt 1 für Arbeitslose sowie das weitere Merkblatt
„Wissenswertes zum Thema Nebeneinkommen“ erhalten, aus denen sich zweifelsfrei ergab, dass eine vom Arbeitgeber gezahlte Umschulungsvergütung
bei Überschreitung eines Freibetrages von 400,00 € zur Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führt und dass insoweit
eine Anzeigepflicht bei der Agentur für Arbeit besteht. Das Merkblatt 1 enthält zudem den ergänzenden Hinweis, dass alle Änderungen
zu den im Antrag auf Arbeitslosengeld gemachten Angaben unaufgefordert und sofort mitzuteilen sind und dass beim Bezug von
Arbeitslosengeld II die Mitteilungspflichten sowohl gegenüber der Agentur für Arbeit als auch gegenüber dem Jobcenter bestehen
(Seiten 49/50 des Merkblatts). Für den Senat bestehen aufgrund des persönlichen Eindrucks, den er von der Klägerin im Termin
zur mündlichen Verhandlung gewonnen hat, keine Zweifel, dass die Klägerin bei sorgfältigem Lesen die in den Merkblättern enthaltenen
Hinweise auch ohne Weiteres hätte verstehen können.
Insoweit verfängt auch der Hinweis der Klägerin darauf, keine Muttersprachlerin zu sein, nicht. Von mangelnden Sprachkenntnissen
kann angesichts des Umstandes, dass die Klägerin vor der hier in Rede stehenden Umschulung bereits ein Jahr als Servicekraft
in Deutschland beschäftigt gewesen ist, nicht ausgegangen werden. Deutliche Mängel im Verständnis der deutschen Sprache hat
die Klägerin auch nicht geltend gemacht. Im Übrigen können zwar sprachliche Verständigungsschwierigkeiten im Einzelfall unverschuldete
Irrtümer hervorrufen. Andererseits ist es einem der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtigen Versicherten im Rahmen seiner
Sorgfaltspflichten zuzumuten, alles Erforderliche zu unternehmen, um etwaige Verständigungsprobleme auszuräumen (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 1997 - 11 RAr 89/96 -, juris Rz. 23; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 28. Februar 2007 - L 12 AL 70/06 -, juris Rz. 27 und 03. Juni 2009 – L 8 R 210/08 -, juris Rz. 29; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 06. Dezember 2000 - L 5 AL 4372/00 -, juris Rz. 41 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Der Sorgfaltsverstoß liegt dann nicht
darin, dass der Betroffene den Inhalt des Hinweises auf die Mitteilungspflicht nicht verstanden, sondern darin, dass er sich
nicht zureichend um die Verfolgung seiner Interessen gekümmert hat, obwohl er nach Lage des Falles hierzu Anlass hatte und
dazu in der Lage war. Die Klägerin hatte aber durchaus die Möglichkeit, sich über ihren früheren Bevollmächtigten sachkundige
Hilfe zu beschaffen.
Darüber hinaus stand die Absolvierung einer Umschulung bereits seit März 2013 im Raum, sodass bereits im zeitlichen Zusammenhang
mit der Aushändigung der Merkblätter Veranlassung bestanden hat, diese hinsichtlich möglicher Auswirkungen einer Umschulung
auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld genauer zu studieren. Im Übrigen ist der Vorwurf an die Beklagte, sich unmittelbar mit
Aushändigung des durchaus umfangreicheren Merkblatt 1 dessen Kenntnisnahme bestätigen zu lassen, ersichtlich unbegründet.
Den am 28. Februar 2013 ausgereichten Antrag auf Arbeitslosengeld, mit dem das Merkblatt 1 regelmäßig ausgehändigt wird, hat
die Klägerin am 14. März 2013 ausgefüllt und unterschrieben und erst am 11. April 2013 bei der Beklagten eingereicht, sodass
ausreichend Zeit zur Lektüre des Merkblattes zur Verfügung gestanden hat.
Soweit die Klägerin darauf verweist, sie habe dem Jobcenter die Umschulung mitgeteilt, dort den Umschulungsvertrag vorgelegt
und dieses habe – für sie erkennbar - die Beklagte über die Umschulung informiert, entlastet sie dies nicht. Zum einen durfte
die Klägerin aufgrund der eindeutigen Hinweise im Merkblatt 1 zur Mitteilungspflicht gerade auch gegenüber der Beklagten schon
von vornherein nicht davon ausgehen, dass eine Anzeige beim Jobcenter genügen würde. Zum anderen ist auch nichts dafür ersichtlich,
dass die Klägerin vorliegend annehmen durfte, dass der Beklagten durch die Mitteilung des Jobcenters sämtliche Umstände bekannt
geworden sind. Im Übrigen ist die Information des Jobcenters an die Beklagte zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Klägerin
ihrer Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung des Abschlusses eines Umschulungsvertrages mit Umschulungsvergütung schon
längst hätte nachgekommen sein müssen.
Schließlich beruhen die fehlerhaften Bewilligungen vom 18. Juli 2013 und 3. August 2013 auch auf der unterlassenen Mitteilung
durch die Klägerin. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 28. März 2013 – B 4 AS 59/12 R –, juris Rz. 23 mwN) muss zwischen der Verletzung der Anzeigepflicht und der Bewilligung der Leistung ein Zusammenhang
in der Weise bestehen, dass die rechtswidrige Leistungsgewährung wesentlich durch die Verletzung der Anzeigepflicht veranlasst
worden ist ("Kausalzusammenhang"). Dies beinhaltet, dass es bei richtigen Angaben bzw. rechtzeitiger Anzeige des konkret bezeichneten
Umstandes nicht zu den anfänglich rechtswidrigen Leistungen gekommen wäre (BSG aaO mwN). Dies ist hier der Fall. Zu den rechtswidrigen Entscheidungen vom 18. Juli 2013 und 3. August 2013 ist es gerade
deshalb gekommen, weil die Klägerin ihrer nach §
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB I bestehenden Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung der Absolvierung einer Umschulung mit Bezug einer Umschulungsvergütung
an die Beklagte nicht nachgekommen ist. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte aufgrund einer (unvollständigen)
Mitteilung des Jobcenters eine Anpassung der Arbeitslosengeldbewilligung vorgenommen hat, da die Verletzung der Mitteilungspflicht
gerade durch die Klägerin eine mindestens gleichwertige Bedingung für die rechtswidrigen Bewilligungen darstellt. Da die Zahlung
einer Umschulungsvergütung die Ausnahme ist, hatte die Beklagte im Übrigen auch keine Veranlassung, diesbezüglich gesondert
bei der Klägerin nachzufragen.
Darüber hinaus liegen aber auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor. Die Klägerin kannte die Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 18. Juli 2013, 3. August 2013 und 4. August 2015 bzw. kannte
sie in Folge grober Fahrlässigkeit nicht. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt
in besonders schwerem Maße verletzt hat. Der Betroffene muss schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt
und deshalb dasjenige nicht beachtet haben, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Insoweit besteht zunächst im Allgemeinen
kein Anlass, einen Verwaltungsakt des Näheren auf Richtigkeit zu überprüfen, wenn im Verwaltungsverfahren vollständige und
zutreffende Angaben gemacht worden sind. Andererseits sind die Beteiligten im Sozialrechtsverhältnis verpflichtet, sich gegenseitig
vor vermeidbarem, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schaden zu bewahren. Dementsprechend ist der Versicherte rechtlich
gehalten, einen ihm günstigen Bewilligungsbescheid auch zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (vgl. zB BSG, Urteil vom 08. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R -, juris Rz. 25). Danach ist die Unkenntnis grob fahrlässig im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X, wenn der Adressat, hätte er den Bewilligungsbescheid gelesen und zur Kenntnis genommen, auf Grund einfachster und naheliegender
Überlegungen sicher hätte erkennen können, dass der zuerkannte Anspruch nicht oder jedenfalls so nicht besteht. Davon ist
bei Fehlern auszugehen, die sich aus dem begünstigenden Verwaltungsakt selbst oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen
des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind. Das ist anzunehmen bei solchen Fehlern, die unter Berücksichtigung aller Umstände
augenfällig sind. Augenfällig in diesem Sinne sind Fehler zunächst, wenn die Begünstigung dem Verfügungssatz nach ohne weitere
Überlegungen als unzutreffend erkannt werden kann. Ausschlaggebend für die nach diesen Kriterien zu beurteilende Erkennbarkeit
eines Fehlers ist der individuelle Verständnishorizont des Begünstigten.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist hier von grober Fahrlässigkeit auszugehen. Für den letzten Änderungsbescheid vom
4. August 2015 gilt dies bereits deshalb, weil zeitgleich mit diesem ein Schreiben an die Klägerin versandt worden ist, mit
welchem mitgeteilt wurde, dass eine teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung zu prüfen ist, weil das Einkommen aus der
Umschulungsmaßnahme auf das Arbeitslosengeld anzurechnen ist, soweit der Nettobetrag des Einkommens den Freibetrag in Höhe
von 400,00 € monatlich übersteigt. Vor diesem Hintergrund war für die Klägerin zweifelsohne erkennbar, dass der im Bescheid
vom 4. August 2012 in unveränderter Höhe und ohne Einkommensanrechnung festgesetzte Betrag nicht die tatsächlich zustehende
Leistung sein kann.
Auch hinsichtlich der Bescheide vom 18. Juli 2013 und 3. August 2013 liegt mindestens grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit
vor. Der Klägerin war durchaus bekannt, dass erzieltes Erwerbseinkommen zu einer Anrechnung auf den Arbeitslosengeldanspruch
führt, soweit es einen bestimmten Freibetrag übersteigt, denn eine solche Anrechnung hatte die Beklagte im Hinblick auf das
im März 2013 erzielte Nebeneinkommen zuletzt im Änderungsbescheid vom 1. Juli 2013 vorgenommen. Es musste sich der Klägerin
daher aufdrängen, dass die Umschulungsvergütung, die deutlich über dem im März 2013 erzielten Einkommen lag, zu einer Minderung
des Arbeitslosengeldanspruches führen könnte. Auch unter Berücksichtigung der in den ihr ausgehändigten Merkblättern enthaltenen
Hinweise musste die Klägerin davon ausgehen, dass die Umschulungsvergütung auf die bewilligte Leistung anzurechnen ist. Dass
eine Einkommensanrechnung mit den Bescheiden vom 18. Juli 2013 und 3. August 2013 tatsächlich nicht vorgenommen worden war,
ergab sich zwangslos und auch für die Klägerin leicht erkennbar aus der Tatsache, dass Leistungen in unveränderter Höhe bewilligt
worden sind. Da die Klägerin selbst keinerlei Kenntnis davon hatte, welche konkreten Tatsachen das Jobcenter der Beklagten
in Bezug auf die Umschulung mitgeteilt hatte, konnte und durfte sie auch nicht darauf vertrauen, dass einerseits das Jobcenter
alle von ihr gegebenen Informationen an die Beklagte weitergeleitet und andererseits die Beklagte diese zutreffend umgesetzt
hat. Vielmehr war die Klägerin unter den gegebenen Umständen gehalten zu überprüfen, ob die Beklagte die von ihr, der Klägerin,
an das Jobcenter übermittelten Informationen auch tatsächlich berücksichtigt hat.
Der von der Klägerin beanstandete und in der Tat unglücklich formulierte Passus in den Bewilligungsbescheiden vom 11. April
2013 und 18. Juli 2013, wonach sie so viele Stunden arbeiten könne wie im Bemessungszeitraum, führt zu keiner anderen Bewertung.
Er trifft zu der hier streitigen Einkommensanrechnung schlicht keine Aussage.
Die Beklagten hat auch die Jahresfrist gewahrt (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Die Jahresfrist beginnt regelmäßig erst nach Abschluss des Anhörungsverfahrens, weil die Beklagte frühestens hiernach Kenntnis
von allen entscheidungserheblichen Tatsachen, insbesondere den subjektiven Rücknahmevoraussetzungen, haben kann. Eine solche
Anhörung ist hier erst mit dem Schreiben vom 14. August 2015 erfolgt. Zu einem früheren Zeitpunkt hatte die Beklagte keine
hinreichend sichere Informationsgrundlage bezüglich sämtlicher für die Rücknahmeentscheidung notwendiger Tatsachen. Insbesondere
genügt allein der Erhalt einer Überschneidungsmitteilung für eine ausreichende Kenntnis der (objektiven) Tatsachen schon deshalb
nicht, weil mit dieser keine Mitteilung über die Höhe des erzielten Einkommens verbunden ist.
Ein Ermessen im Rahmen der Rücknahmeentscheidung bestand für die Beklagte nicht (§
330 Abs.
2 SGB III).
Hinsichtlich der Höhe der täglichen Aufhebungsbeträge sind Fehler zu Lasten der Klägerin nicht erkennbar.
Das SG hat zu Recht auch die Klage gegen die Erstattungsforderung aus dem Bescheid vom 14. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 10. November 2015 abgewiesen (Urteil vom 6. Dezember 2017 – S 2 AL 121/15 –), soweit sie über das Teilanerkenntnis vom 14. September 2022 hinausgeht
Die Verpflichtung zur Rückzahlung des überzahlten Betrages folgt aus § 50 Abs. 1 SGB X. Gegen die Berechnung der Höhe des nach dem Teilanerkenntnis verbliebenen Rückforderungsbetrages bestehen keine Bedenken.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG liegen nicht vor.