Anspruch auf Arbeitslosengeld; Zulässigkeit einer Sperrzeit bei außerordentlicher fristloser Arbeitgeberkündigung ohne vorherige
Abmahnung wegen arbeitsvertragswidrigem Verhalten
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum
22. Februar 2007 und begehrt in diesem Zusammenhang die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) im Sinne des §
117 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch -
SGB III -.
Der am I. geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1996 bei den J. Entsorgungsbetrieben - einem Eigenbetrieb der Stadt K. - als
Straßenreiniger beschäftigt. Einer festen Kolonne war er nicht zugeordnet; er wurde als Springer eingesetzt. Mit Schreiben
vom 28. November 2006 sprach der Oberbürgermeister der Stadt K. eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses
mit dem Kläger mit Wirkung zum 30. November 2006 aus. Denn durch ein von den Entsorgungsbetrieben beauftragtes Detektivbüro
sei festgestellt worden, dass durch eine Müllwerkerkolonne in der Zeit vom 12. September bis zum 7. November 2006 an einer
bestimmten Stelle im Stadtbereich neunmal illegal fremder Müll angenommen bzw. umgeladen worden sei. Auf Videoaufnahmen sei
der Kläger einmal, nämlich am 7. November 2006, als Beteiligter am Umladevorgang zu erkennen. Nach Anhörung habe man daher
ohne vorherige Abmahnung aufgrund dieses Verhaltens und des für die Abfallbetriebe entstandenen nicht unerheblichen Schadens
eine Kündigung aussprechen müssen. Wegen der Schwere der Pflichtverletzungen bzw. wegen erfüllter Straftatbestände habe diese
außerordentlich erfolgen müssen. Die erforderliche Vertrauensgrundlage sei nicht mehr gegeben und daher die Weiterführung
des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar.
Am 28. November 2006 beantragte der Kläger die Bewilligung von Alg bei der Beklagten. Ausweislich der in diesem Zusammenhang
vorgelegten Arbeitgeberbescheinigung vom 6. Dezember 2006 hätte seinerzeit die Frist für die ordentliche arbeitgeberseitige
Kündigung 5 Monate zum Ende eines Vierteljahres betragen. Mit Bescheid vom 30. Januar 2007 stellte die Beklagte für die Zeit
vom 1. Dezember 2006 bis zum 22. Februar 2007 (12 Wochen) den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe fest. Mit Bescheid
vom 31. Januar 2007 bewilligte sie für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 22. Februar 2007 Leistungen i.H.v. "0,00 Euro",
danach i.H.v. 40,45 Euro kalendertäglich. Mit weiterem Bescheid vom 31. Januar 2007 stellte sie ferner bestandskräftig für
die Zeit vom 1. bis 7. Dezember 2006 ein Ruhen des Alg-Anspruchs wegen Urlaubsabgeltung fest. Gegen den Bescheid vom 30. Januar
2007 legte der Kläger am 7. Februar 2007 Widerspruch ein mit dem er geltend machte, nicht an der Müllumladung am 7. November
2006 beteiligt gewesen zu sein. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 29. März 2007 zurück. Der Kläger bezog
bis zum 12. November 2007 Alg. Vom 13. November 2007 bis zum 17. April 2008 erhielt er Krankengeld von seiner Krankenkasse,
vom 18. April bis zur Anspruchserschöpfung am 29. April 2008 erhielt er wiederum Alg von der Beklagten.
Die am 4. Dezember 2006 gegen den Arbeitgeber erhobene Klage wies das Arbeitsgericht K. mit Urteil vom 22. Januar 2008 ab,
da die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt gewesen sei (Az: L.). Der Kläger legte Berufung beim Landesarbeitsgericht
Niedersachsen ein (Az: M.). Mit Vergleich vor dem Arbeitsgericht K. vom 1. Juli 2008 (Az: N.) einigte sich der Kläger mit
der Stadt K. dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 28. November 2006 beendet
worden sei. Gleichzeitig stellte ihn die Stadt K. mit Wirkung vom 1. Juli 2008 mit den Einsatzbereichen Müllwerker oder Kanalbetriebsarbeiter
unter Verzicht auf eine Probezeit, mit der Maßgabe der sofortigen Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes sowie unter Anrechnung seiner bereits zurückgelegten Betriebszeiten wieder ein. Ferner erklärten die Beteiligten ihre arbeitsgerichtlichen
Rechtsstreite für erledigt.
Gegen den Bescheid vom 30. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. März 2007 hat der Kläger am 3. April
2007 Klage beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Zur Begründung hat er angegeben, ausschließlich am 7. November 2006 in der Kolonne eingesetzt gewesen
zu sein, die über eine längere Zeit eine illegale Müllumladung betrieben habe. Auf den Videoaufnahmen sei er nach Auskunft
des Personalratsvorsitzenden zwar zu sehen, allerdings nicht bei der illegalen Umladung von Müll, sondern bei der Verrichtung
seiner ordnungsgemäßen Aufgaben, nämlich dem Aufladen von Mülltonnen.
Mit Urteil vom 16. Oktober 2008 hat das SG Oldenburg unter teilweiser Aufhebung der angegriffenen Bescheide festgestellt,
dass aufgrund einer besonderen Härte lediglich eine Sperrzeit von 6 Wochen eingetreten sei. Diese sei darin begründet, dass
der Arbeitgeber den Kläger auf der Grundlage des arbeitsgerichtlichen Vergleiches wieder eingestellt habe, so dass davon auszugehen
sei, dass das Vertrauensverhältnis der Arbeitsvertragsparteien nicht endgültig zerrüttet gewesen sei. Im Übrigen sei nicht
festzustellen, dass sich der Kläger in dem vorausgegangenen Beschäftigungszeitraum von 10 Jahren etwas zu Schulden habe kommen
lassen. Es habe sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt und der Kläger sei in der Kolonne, die eine illegale Müllannahme
betrieben habe, lediglich an einem Tag tätig gewesen. Unter diesen Umständen hätte es der Arbeitgeber bei einer strengen Abmahnung
bewenden lassen können.
Gegen das seinem Bevollmächtigten und der Beklagten am 30. Oktober 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. November
2008 Berufung eingelegt.
Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seinen bisherigen Vortrag und hebt nochmals hervor, nicht an der illegalen Müllumladung
beteiligt gewesen zu sei. Aber selbst wenn man dies unterstellte, hätte die Arbeitgeberin nicht fristlos kündigen dürfen.
Es sei ihr nämlich zuzumuten gewesen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzuführen.
Dies werde allein schon dadurch deutlich, dass sie sich in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich auf eine Wiedereinstellung eingelassen
habe. Entgegen dem SG Oldenburg liege somit nicht eine besondere Härte im Sinne der Sperrzeitvorschriften vor, sondern es
fehle bereits an den Voraussetzungen für eine Sperrzeit. Auf den arbeitsgerichtlichen Vergleich habe er sich trotz seiner
damals positiven Einschätzung des Ausganges des arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahrens nur wegen seiner prekären finanziellen
Situation eingelassen.
Der Kläger, der das Ruhen des Alg-Anspruchs wegen Urlaubsabgeltung vom 1. bis 7. Dezember 2006 ausdrücklich nicht (mehr) angreift,
beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 16. Oktober 2008 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2007
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2007 insgesamt aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 31.
Januar 2007 zu ändern,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm für weitere sechs Wochen Arbeitslosengeld zu gewähren,
3. die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen,
2. im Wege der Anschlussberufung, das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 16. Oktober 2008 abzuändern und die Klage insgesamt
abzuweisen.
Sie ist weiterhin der Auffassung, dass der Kläger nach den arbeitsgerichtlichen Feststellungen an einer unzulässigen Abfallbeseitigung
beteiligt gewesen sei, was eine fristlose verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber gerechtfertigt habe. Durch sein
Verhalten habe der Kläger seine Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, so dass auch eine Reduzierung der
Sperrzeitdauer nicht zu rechtfertigen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten als Verwaltungsvorgänge
vorgelegten Unterlagen, die Gerichtsakten des Arbeitsgerichts K. bzw. des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (Az: L. bzw.
M.), ferner auf die Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16.
Juni 2010 sowie über die mündliche Verhandlung am 24. Januar 2012 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Rechtsstreits ist nicht nur der Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 29. März 2007, mit dem die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit festgestellt hat. Gegenstand des Verfahrens ist auch
der Bescheid vom 31. Januar 2007, soweit die Beklagte damit für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 22. Februar 2007 die
Leistungen auf "0,00 Euro" festgesetzt, d.h. eine Leistungsbewilligung für den genannten Zeitraum abgelehnt hat. Nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bildet der Leistungsbescheid eine rechtliche Einheit mit dem Sperrzeitbescheid (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - B 7a AL 46/05 R; Urteil vom 5. August 1999 - B 7 AL 14/99 R). Aufgrund der Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2012 ist die
Zeit vom 1. bis zum 7. Dezember 2006 (Anspruchsruhen wegen Urlaubsabgeltung) nicht streitgegenständlich.
Die auf diesen Streitgegenstand bezogene Berufung des Klägers ist nach §§
143,
144 Abs
1,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet. Die unselbstständige Anschlussberufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe liegen nicht vor. Der Anspruch des Klägers gegen
die Beklagte auf Alg ruhte daher nicht.
Der Anspruch auf Alg ruht nach §
144 Abs
1 Satz 1
SGB III (in der hier anzuwendenden Fassung des Art 2 des Gesetzes über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen und zur Änderung weiterer Gesetze vom 22. Dezember 2005, BGBl.
I, S. 3676) für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich der Arbeitslose versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund
zu haben. Ein versicherungswidriges Verhalten liegt nach §
144 Abs
1 Satz 2 Nr
1, 2. Alt.
SGB III u.a. vor, wenn der Arbeitslose durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses
(durch den Arbeitgeber) gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit
bei Arbeitsaufgabe). Ein solches Verhalten liegt vor, wenn der Arbeitnehmer gegen Haupt- oder Nebenpflichten aus seinem Arbeitsvertrag
verstößt. Das Verhalten muss kausal für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses und dies wiederum Ursache für den Eintritt
der Arbeitslosigkeit gewesen sein. Schließlich muss die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit
des Arbeitnehmers beruhen, wobei nicht von einem objektiven, sondern von einem subjektiven, individualisierenden Maßstab auszugehen
ist (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - B 7a AL 46/05 R - m.w.N., vgl. auch Voelzke in: Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts,
2003, § 12 Rn 301 ff).
Im Rahmen der Kausalitätsprüfung ist zu klären, ob das Verhalten des Arbeitslosen Anlass für die Kündigung gab. Es reicht
aber nicht ein bloßer tatsächlicher Zusammenhang, vielmehr ist maßgeblich, ob die Kündigung des Arbeitgebers zu Recht ausgesprochen
wurde, also arbeitsrechtlich wirksam ist (vgl. Karmanski, in: Niesel/Brandt,
SGB III, 5. Auflage 2010 §
144 Rn 50). Diese Frage haben die Beklagte und die Sozialgerichte eigenständig zu prüfen; sie sind nicht an etwaige arbeitsgerichtliche
Entscheidungen oder an vor den Arbeitsgerichten abgeschlossene Vergleiche gebunden (Karmanski aaO., Rn 55). Für die sozialrechtliche
Prüfung sind nur die materiell-, nicht aber die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Arbeitgeberkündigung relevant (vgl.
Karmanski, aaO., Rn 43; Winkler in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand 201, §
144 SGB III Rn 65). Bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung ist somit festzustellen, ob die Voraussetzungen des §
626 Abs
1 Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB - vorgelegen haben, ob also ein wichtiger Grund für die Kündigung vorlag und dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile bis zum Ablauf
der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden konnte.
Dies zugrunde gelegt ist im vorliegenden Fall nicht von einer wirksamen außerordentlichen Kündigung auszugehen. Der angerufene
Senat lässt es dabei offen, ob der Kläger tatsächlich am 7. November 2006 an der illegalen Müllumladung beteiligt gewesen
ist oder ob er lediglich seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit verrichtet hat, d.h. Mülltonnen in das Müllfahrzeug
entleert hat. Selbst wenn der Kläger an der unzulässigen Müllentsorgung beteiligt gewesen sein sollte, rechtfertigte dieses
Verhalten nicht den Ausspruch einer außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung. Es ist nicht festzustellen, dass es dem
Arbeitgeber unzumutbar gewesen wäre, den Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Im
Rahmen der insoweit durchzuführenden Interessenabwägung ist zunächst der Umstand maßgeblich, dass der Arbeitgeber - wie in
seiner Kündigung vom 28. November 2006 angegeben - bereits seit dem 12. September 2006 eine bestimmte Arbeitskolonne wegen
des Verdachts der illegalen Müllannahme durch eine Detektei überwachen ließ. In diesem Zeitraum seien 9 inkriminierende Vorgänge
durch die Detektei festgestellt worden. Eine Beteiligung des Klägers, der als Springer tätig war und der mit der beobachteten
Arbeitskolonne ansonsten nichts zu tun hatte, habe nur ein einziges Mal, nämlich am 7. November 2006, als er der Kolonne zugewiesen
worden sei, festgestellt werden können. Unterstellt der Kläger hätte zu dem fraglichen Termin tatsächlich illegal Müll umgeladen,
wäre dies eine außerordentlich geringe Beteiligung gewesen, die eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gerechtfertigt
hätte. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Kläger seit dem 1. Juli 1996, mithin über einen Zeitraum von mehr als 10
Jahren, bei dem Arbeitgeber beschäftigt gewesen war, ohne dass es zu einem arbeitsvertragswidrigen Verhalten gekommen ist.
Ein solches wird in dem Kündigungsschreiben vom 28. November 2006 nicht benannt. Zu berücksichtigen ist hier auch, dass der
Arbeitgeber keinerlei Gründe für eine Wiederholungsgefahr vorgetragen hat. Als Indiz für eine Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung
kann auch der Ausgang des arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahrens gelten. Ausweislich des zur Beendigung dieses Verfahrens
vor dem Arbeitsgericht K. am 1. Juli 2008 geschlossenen Vergleiches verpflichtete sich der Arbeitgeber, den Kläger unter Belassung
der bis zur fristlosen Kündigung erworbenen Rechte ab dem 1. Juli 2008 als Müllwerker oder Kanalbetriebsarbeiter in einem
neuen Arbeitsverhältnis zu beschäftigen. Diese erneute Beschäftigung bzw. Weiterbeschäftigung spricht dafür, dass keine so
tiefgreifende Zerrüttung des arbeitsrechtlichen Vertrauensverhältnisses bestand, die eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses
geboten hätte. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass zwischen der Kündigung und dem Abschluss des Vergleichs ein
Zeitraum von mehr als 1,5 Jahren lag. Jedenfalls legt der Vergleichsabschluss nahe, dass ein Einsatz des Klägers auch in anderen
Arbeitsbereichen - nämlich als Müllwerker oder Kanalbetriebsarbeiter - möglich war. Allein deswegen hätte kein Erfordernis
bestanden, das Arbeitsverhältnis ohne Berücksichtigung der Kündigungsfrist zu beenden. Vielmehr hätte es gereicht, den Kläger
in einer anderen Kolonne einzusetzen. Jedenfalls im Hinblick auf die - unterstellt - geringe Tatbeteiligung hätte der Arbeitgeber
(einstweilen) eine Weiterbeschäftigung des Klägers in einem anderen Betriebsbereich vornehmen können. Zu berücksichtigen ist
aber in jedem Fall die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - "Emmely"), nach der eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner nicht notwendig, schon durch
eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig zerstört wird. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung des BAG hätte
vorliegend schon eine Abmahnung ausgereicht (vgl. BAG, aaO., Rn 37 ff). Das Fehlen einer solchen führt im Hinblick auf die
sozialrechtliche Beurteilung dazu, dass es an der Kausalität des Verhaltens des Arbeitslosen für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses
fehlt (vgl. Lüdtke, in: LPK,
SGB III, 2008 §
144 Rn 12 m.w.N.) beziehungsweise nicht von dem erforderlichen Verschulden des Arbeitnehmers im Hinblick auf die Herbeiführung
der Arbeitslosigkeit ausgegangen werden kann (vgl. Karmanski, aaO., Rn 45, 54).
Ohne Belang ist im vorliegenden Fall, ob das - unterstellte - Verhalten des Klägers, das keine außerordentliche Kündigung
rechtfertigte, eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung hätte rechtfertigen können (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 6. März 2003 - B 11 AL 69/02 R - Rn 22). In diesem Fall würde eine Sperrzeit nicht vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist eintreten (vgl. BSG, aaO.). Diese Frist belief sich ausweislich der nach §
312 SGB III erstellten Arbeitgeberbescheinigung vom 6. Dezember 2006 auf 5 Monate zum Ende eines Vierteljahres. Eine wirksame Beendigung
des Arbeitsverhältnisses durch eine ordentliche Kündigung hätte daher eine Sperrzeit frühestens mit Wirkung zum 30. Juni 2007
begründen können und wäre nicht geeignet gewesen, die hier für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 22. Februar 2007 festgestellte
Sperrzeit auszulösen. Da unter Zugrundelegung der neueren Rechtsprechung des BAG vom Erfordernis einer Abmahnung auszugehen
ist, dürfte zudem auch von der Unwirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung auszugehen sein (vgl. BAG, aaO.,
Rn 58).
Da somit im Ergebnis mangels wirksamer Beendigung des Arbeitsverhältnisses die hier festgestellte Sperrzeit nicht eingetreten
ist, kann auch nicht von dem im angegriffenen Bescheid vom 30. Januar 2007 festgestellten Ruhen des Anspruchs (vgl. §
144 Abs
1 Satz 1
SGB III) und dessen Minderung um den entsprechenden Zeitraum (§
128 Abs
1 Nr
4 SGB III) ausgegangen werden. Die Beklagte war somit zur Erbringung von Alg zu verurteilen. Die Voraussetzungen für einen entsprechenden
Anspruch nach Maßgabe der §
117 ff.
SGB III lagen vor. Der Kläger hatte sich am 28. November 2006 arbeitslos gemeldet und stand den Vermittlungsbemühungen der Beklagten
zur Verfügung. Als Anspruchsbeginn kommt allerdings erst der 8. Dezember 2006 in Betracht, da die Beklagte mit ihrem weiteren
Bescheid vom 31. Januar 2007 bestandskräftig ein Anspruchsruhen nach Maßgabe des §
143 Abs
2 SGB III wegen Urlaubsabgeltung festgestellt hatte. Das Ruhen des Alg-Anspruchs in der Zeit vom 1. bis 7. Dezember 2006 greift der
Kläger auch ausdrücklich nicht (mehr) an (vgl. Erklärung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2012).
Die Höhe des geltend gemachten Anspruchs auf Alg war nicht festzustellen, da der Kläger seinen Leistungsantrag zulässigerweise
(vgl. §
130 Abs
1 Satz 1
SGG) auf eine Verurteilung dem Grunde nach beschränkt hat.
Die Anschlussberufung der Beklagten hat angesichts des bis hier Ausgeführten keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (vgl. §
160 SGG).