Erstattung von aufgewandten Kosten für die Korrektur der Fehlstellung eines Gebisses
Konkludente Anerkennung eines Arbeitsunfalls
Nachgewiesene Gesundheitsstörungen als zusätzliche Folgen eines Arbeitsunfalls (vorliegend verneint)
Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der von ihm aufgewandten Kosten für die
Korrektur der Fehlstellung seines Gebisses hat.
Der im Jahre 1962 geborene Kläger arbeitete in der Vergangenheit als Fahrer bei der Firma H. in I., einem Mitgliedsunternehmen
der Beklagten. Er erlitt am 15. April 1985 während einer Fahrt für seine Arbeitgeberin einen Autounfall (Unfallanzeige der
Arbeitgeberin vom 9. August 1985). Der Kläger wurde daraufhin mit dem Rettungswagen in das J. -Krankenhaus in K. gebracht,
wo der Chirurg Dr. L. für den Kläger die Diagnosen „Schädelprellung mit Commotio cerebri, Unterkieferfraktur links, Jochbeinfraktur
links und rechts, Prellung rechtes Handgelenk, Prellung rechter Unterschenkel mit Schürfung“ stellte und ihn nach einer Erstversorgung
in die Uni-Kieferklinik M. verlegen ließ (vgl. dessen Durchgangsarztbericht vom 15. April 1985). Dort verblieb der Kläger
bis zum 29. April 1985. Laut Befundbericht des Prof. Dr. Dr. N., Direktor der Kieferklinik M., vom 21. Februar 1986, erlitt
der Kläger auf kiefer-und gesichtschirurgischem Fachgebiet eine Kieferwinkelfraktur links, eine le Fort-I und II-Fraktur beidseits,
eine Alveolarfortsatzfraktur regio 27,28 und eine Nasenbeinfraktur. Darüber hinaus befand sich Zahn 38 im Bruchspalt der dislozierten
Unterkieferfraktur. Die Zähne 27 und 28 seien durch die Fraktur gelockert worden. Außerdem habe der Kläger eine Oberlippenplatzwunde
links, 2 cm und eine 2 cm lange Platzwunde im Bereich des Nasenrückens erlitten.
Die Beklagte übernahm die unmittelbaren Heilbehandlungskosten nach dem Unfall des Klägers, ohne den Unfall des Klägers (als
Arbeitsunfall) und die Unfallfolgen formal durch Verwaltungsakt festzustellen. In der Folge übernahm die Beklagte für einige
Zahnbehandlungen des Klägers ganz, bzw. teilweise die Kosten.
Mit Schreiben vom 14. Juli 2015, Eingang bei der Beklagten am 28. September 2015, beantragte der Kläger unter Vorlage eines
Kostenvoranschlages des Zahnarztes O. vom 10. Juli 2015 die Übernahme der Kosten für die Korrektur der unfallbedingten Fehlstellung
seines Gebisses in Höhe von 1.112,61 €. Die Beklagte holte daraufhin die beratungsärztliche Stellungnahme des Zahnarztes Dr.
P. vom 29. Oktober 2015 ein. Dieser führte in seiner Stellungnahme aus, dass sich die Ursache der Fehlstellung des Gebisses
nicht eindeutig herleiten lasse, da der Unfall bereits 30 Jahre zurückliege und es vielfältige Möglichkeiten der Entstehung
von Bisslageproblemen gebe. Da der Unfall auch nach Ansicht des behandelnden Arztes nicht als alleinige Ursache der Bisslageprobleme
angesehen werden könne, empfehle er die Übernahme von 50 % der Kosten. Dabei wies er zugleich darauf hin, dass in Zusammenhang
mit der Korrektur der Bisslage weitere Kosten auf die Beklagte zukommen würden. Mit Bescheid vom 17. November 2015 lehnte
die Beklagte die Übernahme der vom Kläger geltend gemachten Kosten für eine Zahnbehandlung ab, da nicht nachgewiesen sei,
dass die geplante Versorgung wegen der Folgen des Unfalls vom 15. April 1985 erforderlich sei.
Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch holte die Beklagte die Befundberichte der Zahnärzte Q. vom 26. Juni 2016, Dr. R. vom
29. April 2016 sowie des Dr. S. vom 27. April 2016 ein. Darüber hinaus holte sie das fachärztliche Gutachten des Mund-, Kiefer-
und plastischen Gesichtschirurgen Prof. Dr. T. vom 28. Februar 2017 ein. Danach findet sich in den Unterlagen kein Hinweis,
dass es durch die Unterkiefer- bzw. Mittelgesichtsfrakturen zu einer Veränderung der Bisslage gekommen ist. Daraufhin wies
die Beklagte den Widerspruch des Klägers nach Einholung der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. P. vom 28. April 2017
mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2017 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 21. Dezember 2017 beim Sozialgericht (SG) Stade Klage erhoben und sein bisheriges Vorbringen unter Hinweis auf die Stellungnahme des Zahnarztes O. vom 12. April 2018
bekräftigt. Der streitige Zahnschaden sei auf den Unfall am 15. April 1985 zurückzuführen. Dies ergebe sich auch daraus, dass
die Beklagte in der Vergangenheit bereits mehrfach Kosten für diverse Zahnbehandlungen übernommen habe und auch weiterhin
übernehme.
Die Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass Gegenstand des Klageverfahrens
lediglich die Kostenablehnung des Gebissaufbaues sei.
Das SG Stade hat die Stellungnahme des Zahnarztes Dr. P. vom 8. Juli 2019 sowie auf Antrag des Klägers nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) das Gutachten des Zahnarztes Dr. U. vom 17. Januar 2019 eingeholt. Mit Gerichtsbescheid vom 4. Mai 2020 hat es im Anschluss
die Klage abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Prof.
Dr. T. vom 28. Februar 2017 sowie auf die Stellungnahme des Dr. P. vom 8. Juli 2019 gestützt.
Hiergegen hat der Kläger am 7. Mai 2020 beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen Berufung eingelegt und seine bisherige
Auffassung wiederholt. Im Termin am 3. Februar 2022 hat er noch darauf hingewiesen, dass die Fehlstellung seines Gebisses
mittlerweile korrigiert sei und er die dafür angefallenen Kosten selbst gezahlt habe.
Der Kläger beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 4. Mai 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. November 2015 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2017 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm Behandlungskosten in Höhe von 1.112,61 € für die Korrektur der Fehlstellung seines Gebisses
zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Im Termin am 3. Februar 2022 hat sie bestätigt, den Autounfall
des Klägers vom 15. April 1985 (konkludent) als Arbeitsunfall anerkannt zu haben, wobei sie auch davon ausgehe, dass dieser
Unfall einen Zahnschaden zur Folge gehabt habe. Zwischen den Beteiligten umstritten sei lediglich der Umfang des Zahnschadens.
Mit Beschluss vom 23. September 2021 hat der Senat die Entscheidung über die Berufung nach §
153 Abs.
5 SGG der Berichterstatterin übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte
und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die der Entscheidungsfindung des Senats zugrunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte über die Berufung in der Besetzung mit seiner Berichterstatterin und den ehrenamtlichen Richtern entscheiden,
nachdem er die Entscheidung über die Berufung mit Beschluss vom 23. September 2021 auf die Berichterstatterin übertragen hatte.
Die nach den §§
143,
144 und
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet.
Zu Recht hat das SG Stade mit seinem Gerichtsbescheid vom 4. Mai 2020 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom
17. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erstattung der von ihm selbst getragenen Kosten für die Korrektur
der Fehlstellung seines Gebisses, denn die Fehlstellung seines Gebisses ist nicht wesentlich auf seinen Arbeitsunfall vom
15. April 1985 zurückzuführen.
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Klageziels ist vorliegend die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage
nach §
54 Abs.
1 und 4
SGG.
Nach §
214 Abs.
1 i.V.m. §
26 Abs.
1 des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (
SGB VII) haben Versicherte u. a. Anspruch auf Heilbehandlung. Der Unfallversicherungsträger hat mit allen geeigneten Mitteln möglichst
frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung
zu verhüten und seine Folgen zu mildern (§
26 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII). Zur Heilbehandlung gehört neben ärztlicher auch die zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz
(§
27 Abs.
1 Nr.
3 SGB VII). Die zahnärztliche Behandlung umfasst die Tätigkeit der Zahnärzte, die nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst erforderlich
und zweckmäßig ist (§
28 Abs.
1,
3 SGB VII). Leistungen der Heilbehandlung sind nach §
26 Abs.
4 Satz 2
SGB VII als Sach- und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen und daher als „Naturalleistung“ zu gewähren (vgl. BSGE 73, 271, 274). Ausnahmen sollen nur dann gelten, wenn dies im
SGB VII oder im
Neunten Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – (
SGB IX) ausdrücklich vorgesehen ist. Eine Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen zur Heilbehandlung und Rehabilitation
findet allein unter den Voraussetzungen des §
13 Abs.
3 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (
SGB V) statt. Diese Vorschrift ist in der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend anwendbar, da hier eine Regelungslücke hinsichtlich
der Kostenerstattung besteht, die diese Vorschrift sachgerecht ausfüllt (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Bundessozialgericht
– BSG –, Urteil vom 24. Februar 2000 – B 2 U 12/99 R – Juris). Eine Kostenerstattung in der gesetzlichen Unfallversicherung hinsichtlich einer selbstbeschafften Leistung kann
analog §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V dementsprechend nur erfolgen, wenn die Leistung notwendig war und der Unfallversicherungsträger (1.) eine unaufschiebbare
Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn er (2.) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Zusätzlich muss ein
Kausalzusammenhang zwischen dem die Haftung begründenden Umstand (bei der Alternative 1: Unvermögen zur rechtzeitigen Leistung;
bei Alternative 2: rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) bestehen (BSG, Urteil vom 24. Februar 2000 – B 2 U 12/99 R – a.a.O., Rz. 18 m.w.N.).
Der Kläger hat bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf Erstattung des nach der vorliegend allein in Betracht kommenden
Anspruchsgrundlage des §
13 Abs.
3 zweite Alternative
SGB V, denn die Behandlungsmaßnahme, für die der Kostenerstattungsanspruch geltend gemacht wird, diente nicht der Besserung und
Beseitigung von Unfallfolgen. Wie bereits oben ausgeführt, hat der Unfallversicherungsträger nach §
26 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII mit allen geeigneten Mitteln (nur) den durch den Versicherungsfall i. S. des §
7 SGB VII verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen und zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern (so auch LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 30. Januar 2017 – L 1 U 120/16 –, Juris, Rz. 37). Zwar liegt ein Versicherungsfall im o. g. Sinne in Form des Arbeitsunfalls des Klägers am 15. April 1985
i. S. des §
8 Abs.
1 SGB VII unstreitig vor. Folge dieses Unfalls ist jedoch nicht die beim Kläger bestehende Zahnschädigung in Form der Fehlstellung
seines Gebisses, die eine Korrektur dieser Fehlstellung notwendig gemacht hat, wie dies die Beklagte und das SG Stade im Hinblick
auf die Äußerungen des Prof. Dr. T. in seinem Gutachten vom 28. Februar 2017 und des Dr. P. in seiner Stellungnahme vom 8.
Juli 2019 zutreffend angenommen haben.
Vorliegend richtet sich die Anerkennung von Unfallfolgen nach den Vorschriften der §§ 547 ff.
Reichsversicherungsordnung (
RVO), denn der Kläger hat den hier streitgegenständlichen Arbeitsunfall am 15. April 1985 und damit vor Inkrafttreten des
SGB VII am 1. Januar 1997 (vgl. §
212 Abs.
1 SGB VII) erlitten.
Nach § 547
RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der Vorschriften der
RVO Leistungen. Die Versicherten haben einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge, wenn ein Gesundheitsschaden durch den
Gesundheitserstschaden eines Versicherungsfalls (hier des Arbeitsunfalls) rechtlich wesentlich verursacht wird (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 – B 2 U 6/16 R -, Rz. 19 m.w.N., Juris). Etwas anderes würde sich im Übrigen auch bei Zugrundelegung der Vorschriften des
SGB VII nicht ergeben, da im Hinblick auf die Anerkennung von Unfallfolgen keine Rechtsänderungen zwischen der bis zum 31. Dezember
1996 geltenden
RVO und dem ab dem 1. Januar 1997 geltenden Recht des
SGB VII festzustellen sind (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. November 2009 – L 2 U 342/06 –, Rz. 31, Juris).
Nachgewiesene Gesundheitsstörungen sind als zusätzliche Folgen des Arbeitsunfalls anzuerkennen, wenn zwischen dem Unfallereignis
und ihnen entweder direkt oder vermittelt durch den Gesundheitserstschaden ein Ursachenzusammenhang im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII/§ 548
RVO besteht (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, Juris). Während die geltend gemachte Unfallfolge im Sinne des sogenannten Vollbeweises feststehen, also mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit belegt sein muss, gilt für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall
und ihr der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Sie liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände
mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung
gegründet werden kann. Die Feststellung des Ursachenzusammenhangs erfolgt nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen
Bedingung (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R -, Juris Rz. 12). Danach ist nur diejenige Bedingung rechtlich erheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt
des geltend gemachten Gesundheitsschadens „wesentlich“ beigetragen hat. Nicht jede Gesundheitsstörung, die im naturwissenschaftlichen
Sinne durch das Unfallereignis beeinflusst worden ist, ist auch rechtlich dessen Folge, sondern nur diejenige, die „wesentlich“
durch das Ereignis verursacht worden ist. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, ist aus der Auffassung des praktischen
Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abzuleiten. Gesichtspunkte für die
Beurteilung der besonderen Beziehung der Ursache zum Erfolg sind z. B. die Art und das Ausmaß der Einwirkung, die konkurrierenden
Ursachen, die gesamte Krankengeschichte und ergänzend der Schutzzweck der Norm. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt
hingegen nicht (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 29/07 R –, Juris Rz. 16). Dabei ist die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung.
O. g. Voraussetzungen zugrunde gelegt, hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der von ihm für die Korrektur der Fehlstellung
seines Gebisses aufgewandten Kosten. Auch der Senat stützt seine Überzeugung auf das im Verwaltungsverfahren von der Beklagten
eingeholte Gutachten des Prof. Dr. T. vom 28. Februar 2017. Dieser Chefarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie
des Klinikums Braunschweig hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers und Auswertung der ihm von der Beklagten und der behandelnden
Zahnärzte des Klägers vorliegenden Unterlagen für den Senat überzeugend ausgeführt, dass die beim Kläger vorliegende Bisslageproblematik
nicht unfallbedingt sei. Er hat erläutert, dass sich in den Unterlagen kein Hinweis gefunden habe, dass es durch die Unterkiefer-
bzw. Mittelgesichtsfrakturen zu einer Veränderung der Bisslage gekommen sei. Nach den Unterlagen sei davon auszugehen – so
dieser Arzt in seinem Gutachten weiter – dass es unfallbedingt nur zu einer Lockerung der Zähne bei 27 und 28 gekommen sei,
so dass die aktuelle Situation des Gebisses des Klägers – mit Ausnahme der Desensibilität der Zähne 37 bis 34 – als unfallunabhängig
zu bezeichnen sei. Der Senat hat in Übereinstimmung mit dem SG Stade keine Bedenken, das von Prof. Dr. T. erstellte Gutachten
vom 28. Februar 2017 im Wege des Urkundsbeweises zu verwerten, denn dieses Gutachten entspricht in Inhalt und Form den Mindestanforderungen
an ein wissenschaftlich begründetes Gutachten (vgl. hierzu z. B. BSG, Beschluss vom 30. März 2017 – B 2 U 181/16 B -, Juris Rz. 9 m.w.N.). So hat Prof. Dr. T. den Kläger im Rahmen der Erstellung des Gutachtens ambulant untersucht und dessen
Verwaltungsakten bei der Beklagten ausgewertet. Er hat die nach Aktenlage erhobenen Befunde mit den von ihm erhobenen Befunden
abgeglichen und vor dem Hintergrund der Angaben des Klägers diskutiert.
Hiermit übereinstimmend hat auch der Zahnarzt Dr. P. auf Nachfrage des SG Stade und nach Auswertung der ihm überlassenen Verwaltungsakten
der Beklagten und des vom SG Stade eingeholten Gutachtens des Zahnarztes Dr. U. vom 17. Januar 2019 in seiner Stellungnahme
vom 8. Juli 2019 für den Senat plausibel ausgeführt, dass infolge der beim Kläger dokumentierten unfallbedingten Gesichtsfrakturen
auch ein Kreuzbiss entstehen könne. Allerdings sei es mehr als unwahrscheinlich, dass ein entsprechender Kreuzbiss erst nach
mehr als 27 Jahren entstanden sein solle, wie dies vorliegend von der Klägerseite geltend gemacht werde. Derartige Fehlstellungen
– so dieser Zahnarzt in seiner Stellungnahme weiter – entstünden, wenn das Zusammenspiel der Zähne, der Kaumuskulatur und
der Kiefergelenke aus dem Gleichgewicht geraten sei, welches sich in einer Fehlfunktion der Kiefergelenke äußern könne. Mögliche
Ursachen seien Frakturen. Es gebe aber auch vielfältige weitere Möglichkeiten, die als Ursache einer Fehlstellung in Betracht
kämen (u.a. Beinlängendifferenz, psychische Belastung, nächtliches Knirschen, nicht stimmige Füllungen im Zahnersatz, fehlende
Zähne).
Der Senat hält diese schlüssigen Einschätzungen des Prof. Dr. T. und des Dr. P., die mit der herrschenden unfallmedizinischen
Meinung übereinstimmen (vgl. zu den Voraussetzungen des Arbeitsunfalls allgemein Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, 9. Aufl., S. 5 ff.), für überzeugend und legt sie seiner Einschätzung zugrunde.
Auch das von Dr. U. eingeholte Gutachten vom 17. Januar 2019 vermag keine andere Einschätzung zu rechtfertigen. Dieser Sachverständige
führt in seinem Gutachten aus, dass die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden könne, dass der beim Kläger in der linken
Kieferhälfte bestehende Kreuzbiss auf das Unfallgeschehen zurückzuführen sei. Wie bereits oben ausgeführt, reicht die Möglichkeit
einer Verursachung durch den Arbeitsunfall jedoch nicht aus, um zu einer Anerkennung dieser Gesundheitsstörung als Unfallfolge
und damit auch zu einer Erstattung der infolge dieser Gesundheitsstörung notwendigen Kosten der Heilbehandlung zu kommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.