Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II
Verfassungsmäßigkeit der Bemessung der Regelbedarfe ab dem 01.01.2015
Tatbestand
Der Kläger begehrt höhere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Dezember 2015 bis November 2016.
Der am 00.00.1954 geborene Kläger bezieht laufend Grundsicherungsleistungen nach SGB II. Er hat keine eigene Wohnung und hält sich teilweise bei Herrn I, X-weg 00 in C auf. Mit Bescheid vom 27.10.2015 in der Fassung
des Änderungsbescheides vom 29.11.2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit von Dezember 2015 bis November 2016
Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in Höhe des jeweils geltenden maßgeblichen Regelbedarfs für Alleinstehende. Den von dem Kläger eingelegten Widerspruch, mit
welchem der Kläger eine monatliche Pauschale für Warmwasser und die Verfassungswidrigkeit des Regelbedarfs geltend machte,
wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2016 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 14.04.2016 Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass das Warmwasser bei Herrn
I dezentral durch Boiler hergestellt werde. Außerdem würden seine Leistungen per Barscheck erbracht. Er müsse seine Leistungen
kostenfrei erhalten. Es fielen jeweils 5,00 Euro Einlösegebühr bei der Bank an. Ferner dürfe der Beklagte für die Scheckzahlung
nicht jeweils 2,85 Euro von den Leistungen abziehen. Die Regelsätze für 2015 und 2016 seien verfassungswidrig zu niedrig.
Dies ergebe sich aus einem Gutachten von Herrn C1. Der Beklagte sei nur ein ausgelagertes Schreibbüro. Bescheide würden nicht
ordnungsgemäß unterschrieben. Auch sei der Beklagte nicht ordnungsgemäß im Prozess vertreten.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid vom 27.10.2015 in der Fassung des Bescheides vom 29.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2016
teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm für Dezember 2015 bis November 2016 höhere Leistungen zu bewilligen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 23.07.2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei, soweit es die Höhe der Leistungen betreffe,
form- und fristgerecht, aber nicht begründet. Der Kläger sei insoweit durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von
§
54 Abs.
2 SGG beschwert. Er habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach SGB II. Soweit der Kläger die Bewilligung der Warmwasser-Pauschale begehre, sei § 21 Abs. 7 SGB II maßgeblich. Darin heiße es, bei Leistungsberechtigten werde ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft
installierte Vorrichtung dezentral erzeugt werde. Der Mehrbedarf betrage 2,3 Prozent des Regelbedarfs, soweit nicht im Einzelfall
ein abweichender Bedarf bestehe. Die Vorschrift sei eingeführt worden, um die Leistungsempfänger mit dezentraler Warmwasserzubereitung
mit den Leistungsempfängern gleichzustellen, deren Warmwasserkosten vom Jobcenter über die Heizkosten getragen werden. Der
Kläger habe jedoch keinen finanziellen Aufwand für Warmwasser. Dies ergebe sich aus seinen Angaben bei der Anhörung und der
Zeugenaussage. Deswegen sei ihm kein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II zuzusprechen. § 21 Abs. 7 letzter Halbsatz SGB II lasse nach seinem klaren Wortlaut auch ein Abweichen von den zuvor genannten Prozentzahlen nach unten, auch auf null, zu.
Soweit der Kläger eine für ihn kostenlose Anweisung der Leistungen begehre, sei die Klage ebenfalls unbegründet. § 42 Satz 2 SGB II besage, wenn Geldleistungen an den gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten übermittelt werden, seien ihm die dadurch
veranlassten Kosten abzuziehen. Dies gelte nach § 42 Satz 3 SGB II nur dann nicht, wenn der Leistungsberechtigte nachweise, dass ihm die Einrichtung eines Kontos bei einem Geldinstitut ohne
eigenes Verschulden nicht möglich sei. Hier seien die Geldleistungen per Scheck angewiesen worden, weil der Kläger kein Konto
habe. Die Kammer habe sich nicht davon überzeugen können, dass er ohne eigenes Verschulden kein Konto habe. Nach seinen eigenen
Angaben habe er sich seit längerem nicht bemüht, ein Konto zu eröffnen, weil er sich nicht die Hacken ablaufen wolle und auch
gut ohne Konto leben könne. Es sei einem Hilfeempfänger jedoch zumutbar, sich nach einem vergeblichen Versuch, ein Konto zu
eröffnen, nach einiger Zeit erneut um ein Konto zu bemühen. Demnach habe er die durch die Scheckzahlung entstehenden Kosten
zu tragen. Dabei handele es sich einmal um die Kosten der Zahlungsanweisung in Höhe von monatlich 2,85 Euro als Grundentgelt
sowie die von dem Kreditinstitut erhobenen Gebühren. Die Kammer habe keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe
des Regelsatzes in den Jahren 2015 und 2016. Die Regelsätze seien nicht evident zu gering. Es sei auch unbedenklich, dass
zum 01.01.2016 der neue Regelsatz nicht aufgrund der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 ermittelt worden sei. Der Gesetzgeber
habe nämlich nicht genug Zeit, um bei der Anpassung des Regelsatzes zum 01.01.2016 die Ergebnisse der Stichprobe im Gesetzgebungsverfahren
zu berücksichtigen. Auch im Übrigen konnte die Klage keinen Erfolg haben. Der Kammer seien insofern keine Anspruchsgrundlagen
ersichtlich.
Gegen das am 10.08.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.09.2018 Berufung eingelegt. Einen Berufungsantrag und eine
Berufungsbegründung hat der Kläger bis zu heutigen Tage nicht eingereicht.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Senat hat mit Schreiben vom 07.11.2018 den Kläger aufgefordert, die Berufung bis zum 30.11.2018 zu begründen. Die Beteiligten
sind dazu angehört worden, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch Beschluss nach §
154 Abs.
4 SGG zurückzuweisen. Eine Reaktion der Beteiligten hierauf erfolgte nicht.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§
12 Abs.
1 S. 2
SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich
hält (§
153 Abs.
4 SGG). Die Beteiligten sind hierzu ordnungsgemäß angehört worden. Der Senat sieht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
angesichts der Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage sowie des Umstands, dass bereits das Sozialgericht einen Verhandlungstermin
mit Beteiligung des Klägers durchgeführt hat, nicht als erforderlich an (zur Ermessensausübung im Rahmen des §
153 Abs.
4 SGG vgl. näher BSG, Beschlüsse vom 06.04.2011 - B 4 AS 188/10 B; vom 24.05.2012 - B 9 SB 14/11 B und vom 29.05.2012 - B 1 KR 6/12 B; Keller in Meyer-Ladewig,
SGG, 12. Aufl., §
153 Rn. 15 m.w.N.).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.12.2015 bis 30.11.2016. Der Senat nimmt vollumfänglich Bezug auf die Gründe des angefochtenen Urteils,
die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen macht und auf die gemäß §
153 Abs.
2 SGG Bezug genommen wird.
Ergänzend weist der Senat hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs auf Folgendes hin:
Der Senat hat sich nicht veranlasst gesehen, das Verfahren nach Art.
100 Abs.
1 S. 1
GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vereinbarkeit des § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II (i.d.F. der RBBeK 2015 vom 15.10.2014 BGBl. I. S. 1620 und RBBeK 2016 vom 22.10.2015, BGBl. I S. 1792) mit Art.
1 Abs.
1 GG i.V.m. Art.
20 Abs.
1 GG einzuholen. Er hat keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Regelbedarfe für die Zeit ab
dem 01.01.2015 bzw. ab dem 01.01.2016 (vgl. Beschlüsse des Senats vom 05.02.2018 - L 19 AS 2324/17 B und vom 04.06.2018 - L19 AS 664/18 B; ebenso LSG NRW, Beschlüsse vom 19.12.2017 - L 2 AS 1900/17 B und vom 05.10.2017 - L 12 AS 1595/17; LSG Bayern, Beschluss vom 23.08.2017 - L 11 AS 529/17 NZB). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, BVerfGE 137, 34 - festgestellt, dass die Regelung der Höhe der Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs einschließlich ihrer Fortschreibungen
nach § 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 5, § 23 Nr. 1, § 77 Abs. 4 Nr. 1 und 2 SGB II und § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 6, Abs. 2 Nr. 1 und 3 RBEG i.d.F. vom 24.03.2011 (BGBl. I, 453 - RBEG 2011) jeweils in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II und § 28a SGB XII, sowie der Anlage zu § 28 SGB XII sowie § 2 RBSFV 2012, § 2 RBSFV 2013 und § 2 RBSFV 2014 nach Maßgabe der Gründe mit Art.
1 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art.
20 Abs.
1 GG vereinbar ist.
Soweit sich der Kläger auf die Ausführungen eines Gutachtens von Frau Dr. C (Stellungnahme zum RBEG Ausschussdrucksache 18
(11) 849 S. 55 ff.; Regelbedarfsbemessung: Gutachten zum Gesetzentwurf 2016 für Diakonie Deutschland vom 03.10.2016 http://www.harald-thome.de/fa/harald-thome/files/Bericht
Teil 1 Regelbedarfe final ib.pdf) beruft, räumt auch diese die Orientierung des Gesetzgebers an den Standards des BVerfG bei
seiner Ermittlung der Regelbedarfe auf der Grundlage der Einkommens- und Verbraucherstichprobe 2013 ein. Sie moniert dagegen,
der Gesetzgeber habe seine Bewertung nicht an gesellschaftspolitischen Zielen der Bedarfs- und Chancengerechtigkeit jenseits
des verfassungsrechtlichen Minimums gemessen (vgl. Seite 2 des Gutachtens).
Insoweit erwecken die Ausführungen von Dr. C keine substantiellen Zweifel an der verfassungskonformen Ermittlung der Regelbedarfe
für das Jahr 2017. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13; festgehalten, das
Grundgesetz gewährleiste durch Art.
1 Abs.
1 GG i.V.m. Art.
20 Abs.
1 GG ein Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimums. Dieses ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch
eingelöst werden, der wiederum der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber bedarf. Dieser hat die
zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen mit
ihren Auswirkungen auf den konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten. Ihm steht dabei ein Gestaltungsspielraum zu (Saitzek,
a.a.O. Rn. 48).
Das
Grundgesetz schreibt insofern auch keine bestimmte Methode vor, die diesen Gestaltungsspielraum begrenzt. Es kommt dem Gesetzgeber zu,
die Methode zur Ermittlung der Bedarfe und zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unter
den Gesichtspunkten der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auszuwählen. Er ist nicht verpflichtet, durch Einbeziehung
aller denkbaren Faktoren eine optimale Bestimmung des Existenzminimums vorzunehmen. Da das
Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistung vorgibt, beschränkt sich die materielle Kontrolle
der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz darauf, ob die Leistungen evident unzureichend
sind (Saitzek, a.a.O. Rn 4). Diese Kontrolle bezieht sich im Wege einer Gesamtschau auf die Höhe der Leistungen insgesamt
und nicht auf einzelne Berechnungselemente, die dazu dienen, diese Höhe zu bestimmen. Jenseits dieser Evidenzkontrolle ist
lediglich zu prüfen, ob die Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren
im Ergebnis zu rechtfertigen sind. Dies ist hier der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Anlass, die Revision nach §
160 Abs.
2 SGG zuzulassen, besteht nicht.