Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Versagungsbescheides.
Der am 00.00.1981 geborene Kläger war bis Ende März 2014 als Student der Universität Q eingeschrieben und erhielt Unterhalt
von seinen Eltern. Er wohnte mit seinen Eltern und seinem Bruder zusammen in einer Wohnung. Er ist privat kranken- und pflegeversichert.
In der Zeit von April 2014 bis März 2015 gewährte die Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs sowie des Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung, zuletzt in Höhe von monatlich 888,39 EUR.
Die Zahlung erfolgte durch einen Verrechnungsscheck. Der Kläger löste die Schecks für die Zeit von Dezember 2014 bis März
2015 nicht ein.
Der Beklagte versagte wegen fehlender Mitwirkung für die Zeiträume April 2015 bis Mai 2015 (S 8 AS 745/15), Juni 2015 bis November 2015 (S 8 AS 28/16), Dezember 2015 bis Januar 2016 (S 8 AS 294/16) und Februar 2016 bis April 2016 (S 8 AS 320/16) Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Die Klage- und Berufungsverfahren blieben erfolglos.
Im Mai 2016 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 06.05.2016 forderte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung bis zum 27.05.2016 auf, folgende Unterlagen
vollständig ausgefüllt und unterschrieben vorzulegen: Weiterbewilligungsantrag, Anlage Einkommen, Mietbescheinigung, Anlage
Haushaltsgemeinschaft vom Vater und Anlage Haushaltsgemeinschaft von der Mutter. Zudem sollten lückenlose Kontoauszüge der
letzten drei Monate vorgelegt werden. Das Schreiben enthielt einen Hinweis auf die Mitwirkungspflichten und die Folgen fehlender
Mitwirkung nach §§
60,
66,
67 SGB I.
Der Kläger legte am 11.05.2016 einen ausgefüllten und am 10.05.2016 unterschriebenen Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und eine Anlage Einkommen vor.
Mit Schreiben vom 01.06.2016 erinnerte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung bis zum 29.06.2016 an die Vorlage einer
vollständig ausgefüllten und vom Vermieter unterschriebenen Mietbescheinigung sowie einer vollständig ausgefüllten und vom
Vater und der Mutter unterschriebenen Anlage Haushaltsgemeinschaft. Auch dieses Schreiben enthielt einen Hinweis auf die Mitwirkungspflichten
und die Folgen fehlender Mitwirkung.
Mit Schreiben vom 21.07.2016 wurde der Kläger erneut unter Fristsetzung bis zum 19.08.2016 an die Vorlage der Unterlagen aus
dem Schreiben vom 01.06.2016 erinnert.
Mit Bescheid vom 07.09.2016 versagte der Beklagte die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II wegen fehlender Mitwirkung. Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Daher könne nicht geprüft werden,
ob ein Leistungsanspruch bestehe. Die Entscheidung über die Versagung der Leistung stehe im Ermessen der Behörde. Im Rahmen
der zu treffenden Ermessensentscheidung sei berücksichtigt worden, dass der Kläger offenbar weiterhin nicht imstande gewesen
sei, eine Arbeit zu finden und somit wohl kein Erwerbseinkommen habe. Demgegenüber sei die Behörde jedoch auch verpflichtet,
wirtschaftlich zu handeln. Hierzu gehöre, dass im Interesse der Gemeinschaft der Steuerzahler Leistungen nur erbracht würden,
wenn die Hilfebedürftigkeit nachgewiesen sei.
Am 12.09.2016 rief der Kläger bei dem Beklagten an. Aus dem Aktenvermerk ergibt sich, dass es in dem Telefonat darum ging,
wie der Kläger trotz eines bestehenden Hausverbots seine Rechte bezüglich des Bescheides vom 07.09.2016 wahren könne. Er wurde
darauf hingewiesen, dass er einen Widerspruch schriftlich einlegen könne und eine persönliche Vorsprache dafür nicht erforderlich
sei. Der Kläger äußerte, einen Widerspruch zur Niederschrift einlegen zu wollen. Dem Kläger sei die Möglichkeit erläutert
worden, in diesem besonderen Fall seinen im Telefonat mündlich vorgetragenen Widerspruch als solchen zu werten und die Widerspruchstelle
zu bitten, daraufhin das Widerspruchsverfahren durchzuführen. Dies habe der Kläger jedoch abgelehnt und auf eine persönliche
Vorsprache bestanden. Dem Kläger wurde ein Termin zu einer persönlichen Vorsprache am 15.09.2016 um 8.00 Uhr angeboten. Diesen
Termin nahm der Kläger nicht wahr.
Daraufhin wertete der Beklagte das Telefonat vom 12.09.2016 als mündlich eingelegten Widerspruch und wies diesen mit Widerspruchsbescheid
vom 19.09.2016 als unbegründet zurück.
Mit Schreiben vom 10.10.2016 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 07.09.2016 Widerspruch ein. Diesen Widerspruch verwarf
der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2016 als unzulässig. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der gegen den Versagungsbescheid
am 12.09.2016 telefonisch eingelegte Widerspruch bereits mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2016 zurückgewiesen worden sei.
Da eine Klage gegen diesen Bescheid nicht erhoben worden sei, sei er bindend geworden. Die Entscheidung könne daher nicht
erneut durch einen Rechtsbehelf des Widerspruchs angefochten werden.
Der Kläger hat am 19.12.2016 Klage erhoben, die nicht begründet wurde.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 07.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2016 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 21.10.2019 die Klage abgewiesen. Die Klage sei
zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid beschwere den Kläger nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 SGG. Der Beklagte habe den Widerspruch vom 10.10.2016 gegen den Bescheid vom 07.09.2016 zu Recht als unzulässig verworfen. Bereits
mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2016 habe der Beklagte über den Widerspruch vom 12.09.2016 gegen den Bescheid vom 07.09.2016
entschieden. Der Beklagte sah in dem Telefonat vom 12.09.2016 zu Recht die Einlegung eines Widerspruchs. Im Rahmen des Telefonats
sei hinreichend deutlich geworden, dass der Kläger mit dem Bescheid vom 07.09.2016 nicht einverstanden sei. Grundsätzlich
sei zwar die telefonische Einlegung eines Widerspruchs nicht möglich, da der Widerspruch gem. §
84 Abs.
1 SGG schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen sei. Ausnahmsweise sei aber die telefonische Einlegung eines Widerspruchs zumindest
dann möglich, wenn hierüber ein Aktenvermerk angefertigt werde. Aufgrund der besonderen Umstände des Falles sei ein Ausnahmefall
anzunehmen. Wegen eines bestehenden Hausverbots habe der Kläger bei dem Beklagten angerufen und sich erkundigt, wie er einen
Widerspruch schriftlich einlegen könne. Aus dem Vermerk über das Telefonat gehe hinreichend deutlich hervor, dass der Kläger
mit dem Bescheid vom 07.09.2016 nicht einverstanden sei. Es sei deshalb auch ein Termin vereinbart worden, bei dem der Kläger
zur Niederschrift einen Widerspruch einlegen sollte. Zu diesem Termin sei der Kläger jedoch nicht erschienen. Insoweit habe
der Beklagte annehmen können, dass bereits in dem Telefonat vom 12.09.2016 ein Widerspruch zu sehen sei. Hierdurch sollten
die prozessualen Rechte des Klägers weitgehend gewahrt werden. Im Übrigen sei der Versagungsbescheid vom 07.09.2016 auch rechtmäßig,
da der Beklagte die Gewährung von Leistungen zu Recht versagt habe.
Der Kläger hat gegen den am 26.10.2019 zugestellten Gerichtsbescheid am 28.10.2019 Rechtsmittel eingelegt. Zur Begründung
führt er aus, der Beklagte hat nach der Rechtsprechung des LSG zu Unrecht von ihm die Anlage Haushaltsgemeinschaft, die von
seinen Eltern zu unterschreiben war, gefordert. Die Grenzen der Mitwirkungspflichten seien überschritten. Außerdem habe er
in dem Telefonat am 12.09.2016 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er keinen Widerspruch eingelegt habe. Daher sei der Widerspruch
vom 10.10.2016 zulässig gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 21.10.2019 aufzuheben und den Bescheid vom 07.09.2016 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15.11.2016 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 03.01.2020 hat der Senat die Berufung dem Berichterstatter gemäß §
153 Abs.
5 SGG übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streit- und beigezogenen Verwaltungsakte
der Beklagten und auf die darin befindlichen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.