Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Klägerin zu gewährenden Arbeitslosengeldes II nach dem Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
(SGB II) im Zeitraum vom 01.09. bis 31.12.2007. Konkret ist umstritten, ob die Versicherungspauschale bei der unterhaltsberechtigten
Klägerin leistungserhöhend wirkt.
Die Klägerin bezieht gemeinsam mit ihren beiden Kindern Leistungen nach dem SGB II. Sie hat einen titulierten Unterhaltsanspruch
gegen ihren geschiedenen Ehemann über 550 Euro monatlich, der im Voraus bis zum 03. eines jeden Monats zu zahlen ist (Urteil
des Amtsgerichts O vom 29.05.2002). Dieser Verpflichtung kam der geschiedene Ehemann zwar laufend und vollständig nach, allerdings
erfolgten die Zahlungen in einem Zeitfenster von Monatsanfang bis Monatsmitte. Der Unterhalt wurde vom Beklagten zunächst
als eigenes Einkommen der Klägerin abzüglich der Versicherungspauschale von 30 Euro berücksichtigt. Wegen der Unregelmäßigkeit
der Unterhaltszahlungen gewährte er der Klägerin verschiedentlich Leistungen ohne Unterhaltsanrechnung, musste dann nach Eingang
der Zahlungen die zwischenzeitlichen (Änderungs-)Bescheide wieder korrigieren. Im September 2007 teilte der Beklagte dem geschiedenen
Ehemann der Klägerin mit, dass die Unterhaltszahlungen nunmehr an ihn zu erfolgen hätten, weil der Unterhaltsanspruch übergegangen
sei. Dem kam der geschiedene Ehemann der Klägerin im Folgezeitraum nach.
Mit Bescheid vom 02.08.2007 änderte der Beklagte frühere Leistungsbescheide vom 26.06.2007 und 17.07.2007 ab. Er gewährte
der Klägerin und ihren Kindern für den Zeitraum von September bis Dezember 2007 nunmehr Leistungen ohne Anrechnung von Unterhalt.
Bei der Ermittlung des Hilfebedarfs ließ er die Versicherungspauschale außer Betracht. Den Widerspruch, der sich gegen die
Nichtberücksichtigung der Pauschale richtete, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2007 zurück.
Die Klägerin hat am 17.01.2010 Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und beantragt, ihr ab September 2007 eigenes Einkommen in Form von Unterhalt zuzurechnen und dabei eine
Einkommensbereinigung in Höhe von 30,00 Euro Versicherungspauschale vorzunehmen.
Angesichts regelmäßiger Zahlungen des geschiedenen Ehemannes der Klägerin hat der Beklagte zugestimmt, dass der Unterhalt
ab dem 01.08.2008 wieder direkt an die Klägerin gezahlt wird. Entsprechend hat er Grundsicherungsleistungen wieder unter Berücksichtigung
des Unterhalts als Einkommen unter Abzug der Versicherungspauschale berechnet.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 09.02.2010 stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin für die Zeit von September
bis Dezember 2007 weitere 30,00 Euro monatlich zu gewähren. Zwar sei der Anspruch gegen den geschiedenen Ehemann im streitigen
Zeitraum zu Recht gem. § 33 SGB II auf den Beklagten übergegangen, so dass die Klägerin kein Einkommen erzielt habe. Es sei
aber geboten, die § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB II iVm § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung
von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) in der Fassung vom 20.10.1994, BGBl I S. 2622, Geltungsdauer: 01.01.2005 bis 31.12.2007) analog anzuwenden. Es liege eine Regelungslücke vor, da das SGB II nicht auch
die Anwendung der Einkommensanrechnungsvorschriften für nach § 33 SGB II auf den Leistungsträger übergegangene Ansprüche vorsehe.
Es handele sich auch um eine planwidrige Lücke, da der Gesetzgeber es schlicht übersehen habe, diesen Fall zu regeln. Die
Gesetzesmaterialien ließen nicht erkennen, dass er den Leistungsempfänger bei Anspruchsübergang bewusst habe schlechter stellen
wollen. Aus Sicht des betroffenen Leistungsempfängers hänge es nur vom Zufall ab, ob der Schuldner an ihn zu leisten habe,
was zu einer Bereinigung des Einkommens führe, oder ob der Anspruch auf den Leistungsträger übergegangen sei. Die Interessenlage
in beiden Sachverhalten sei gleich und kein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung ersichtlich.
Gegen das ihm am 23.02.2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 16.03.2010 Berufung eingelegt. Die Vorschrift des § 11
SGB II i.V.m. § 3 Nr. 1 der Alg II-VO a.F. sei nicht anwendbar, da die Klägerin mit dem Forderungsübergang kein Einkommen
mehr erzielt habe. Die Versicherungspauschale könne nicht über eine analoge Anwendung der Alg II-VO angerechnet werden, sie
könne allenfalls bei der Berechnung des Forderungsübergangs berücksichtigt werden. Es ergebe sich dann ggf. ein weiterer Unterhaltsanspruch
der Klägerin oder ein Anspruch des Unterhaltsverpflichteten gegen den Beklagten in Höhe von 30,00 Euro monatlich. Im Übrigen
hänge es nicht vom Zufall ab, ob der Anspruch übergehe. Vielmehr habe es der Klägerin freigestanden, die rechtzeitige Erfüllung
der Verpflichtungen bei ihrem geschiedenen Ehemann anzumahnen und ggf. auf zivilrechtlichem Weg durchzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.02.2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte
verwiesen; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.
Der Beklagte ist mit der Bezeichnung Jobcenter gemäß § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher
beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid vom 02.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12.12.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§
54 Abs.
2 S. 1
Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.09. bis 31.12.2007.
Die von der Klägerin begehrte Anrechnung der Versicherungspauschale gem. § 3 Nr. 1 Alg II-V a. F. findet nach dem ausdrücklichen
und nicht weiter auslegungsfähigen Wortlaut der Vorschrift sowie der dieser zugrunde liegenden Ermächtigungsgrundlage des
§ 13 Abs. 1 Nr. 3 SGB II nur dann Anwendung, wenn Einkommen erzielt wird. Als Einkommen zu berücksichtigen sind gem. § 11
Abs. 1 S. 1 SGB II grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Nach der vom Bundessozialgericht (BSG) in ständiger
Rechtsprechung vertretenen modifizierten Zuflusstheorie ist Einkommen all das, was jemand in der sog. Bedarfszeit wertmäßig
dazu erhält (z.B. BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R Rn 18 in BSGE 101, 291 ff.; Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 57/07 R Rn 18 in SozR 4-4200 § 11 Nr. 16; Urteil vom 30.07.2008, B 14/7b AS 12/07 R Rn 20; Urteil vom 30.07.2008, B 14 AS 26/07 R Rn 23 in SozR 4-4200 § 11 Nr. 17). Dabei fließen geldwerte Leistungen grundsätzlich dann zu, wenn ein tatsächlicher Zufluss
erfolgt, soweit nicht rechtlich ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt wurde (Brühl in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 11
Rn 7). In der Zeit vom 01.09. bis 31.12.2007 ist der Klägerin kein Unterhalt als Einkommen zugeflossen. Die Unterhaltszahlungen
ihres geschiedenen Ehemannes sind unmittelbar an den Beklagten und in keinem Monat des streitigen Leistungszeitraums an die
Klägerin selbst gegangen.
Dahinstehen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob der Beklagte im Zeitpunkt der Zahlung des geschiedenen Ehemannes der Klägerin
bereits Gläubiger des Unterhaltsanspruchs war oder ob dem vom Sozialgericht angenommenen Anspruchsübergang des § 33 Abs. 1
S. 1 SGB II die Vorschrift des § 33 Abs. 2 S. 1 SGB II entgegenstand. Die Frage bedarf hier keiner Entscheidung, da der Klägerin
in beiden Fällen keine Leistungen zugeflossen sind. Denn entweder war die Klägerin dann nicht einmal mehr Inhaberin des Unterhaltsanspruchs
oder ihr geschiedener Ehemann hat - wenn oder soweit ein Anspruchsübergang nicht stattgefunden hat - an einen vermeintlichen,
aber falschen Gläubiger gezahlt, dies mit der Folge, dass der Anspruch der Klägerin insoweit noch offen wäre.
Ohne den Zufluss von Einkommen ist § 3 Nr. 1 Alg II-V a. F. nicht anwendbar mit der Folge, dass die Pauschale zugunsten der
Klägerin nicht berücksichtigt werden kann. Dieses Ergebnis kann weder durch richterliche Rechtsfortbildung im Rahmen einer
analogen Anwendung der Alg II-V noch durch eine über den Wortlaut hinausgehende verfassungskonforme Auslegung des § 11 SGB
II i.V.m. der Alg II-V korrigiert werden.
Soll eine Vorschrift analog angewendet werden, ist Voraussetzung hierfür eine gesetzesimmanente Lücke im Sinne einer planwidrigen
Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelungen, die Sinn und Zweck sowie den Absichten des Gesetzgebers widerspricht (vgl.
hierzu BVerfG, Beschluss vom 28.07.2010, 1 BvR 2133/08 Rn 8; Beschluss vom 03.04.1990, 1 BvR 1186/89 Rn 23 in BVerfGE 82, 6 ff; BSG, Urteil vom 25.02.2010, B 10 LW 1/09 R in Breithaupt 2010, 952 ff.). Ob eine planwidrige Lücke innerhalb des Regelungszusammenhangs eines Gesetzes - im Sinne eines
Fehlens rechtlicher Regelungsinhalte dort, wo sie für bestimmte Sachverhalte erwartet werden - anzunehmen ist, bestimmt sich
ausgehend von der gesetzlichen Regelung selbst, den ihr zugrunde liegenden Regelungsabsichten, den verfolgten Zwecken und
Wertungen, auch gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung (BSG, Urteil vom 18.01.2001, B 4 AS 108/10 R Rn 24). Das Begehren der Klägerin, von der Versicherungspauschale auch dann zu profitieren, wenn sie tatsächlich kein Einkommen
in Form einer Unterhaltszahlung erzielt, findet in der gesetzgeberischen Gesamtregelung keine Stütze. Ein Wille des Gesetzgebers,
Hilfebedürftigen eine Pauschale für Versicherungsleistungen generell leistungserhöhend zuzurechnen, ist nicht ersichtlich.
Vielmehr ist diese Pauschale ausdrücklich (lediglich) als Absetzfaktor bei der Berücksichtigung von Einkommen zur Verfügung
gestellt worden (vgl. auch BSG, Urteil vom 21.12.2009, B 14 AS 42/08 R Rn 28 in BSGE 105, 201 ff.). Wollte der Gesetzgeber aber nur Regelungen zu Absetzbeträgen bei Einkommenserzielung treffen, so liegt keine planwidrige
Lücke vor, wenn solche Absetzbeträge bei fehlender Einkommenserzielung nicht zum Tragen kommen.
Die Klägerin kann die gewünschte Anrechnung der Versicherungspauschale auch nicht durch eine über den Wortlaut der Vorschrift
des § 11 SGB II i.V.m. § 3 Alg II-V a.F. hinausgehende sog. verfassungskonforme Auslegung erreichen.
Eine verfassungskonforme Auslegung einer einfachgesetzlichen Vorschrift ist dann zulässig und geboten, wenn damit ein Verstoß
der Norm gegen Verfassungsrecht vermieden werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.04.2004, 1 BvR 1372/98 Rn 26 in SozR 4-5868 § 85 Nr. 3). Es ist dann legitime richterliche Aufgabe, den Sinn einer Gesetzesbestimmung aus ihrer
Einordnung in die gesamte Rechtsordnung zu erforschen, ohne am Wortlaut des Gesetzes zu haften (BVerfG, Beschluss vom 23.10.1958,
1 BvL 45/56 Rn 28 in BVerfGE 8, 210 ff.). Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art.
20 Abs.
2 Grundgesetz -
GG) fordert dabei eine Auslegung, die die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt. Die Deutung darf nicht dazu führen,
dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.12.2010,
1 BvR 2760/08 Rn 16; Beschluss vom 21.12.2010, 1 BvR 2742/08 Rn 16; Beschluss vom 16.11.2010, 2 BvL 12/09 Rn 104; Beschluss vom 12.03.2008, 2 BvF 4/03 Rn 140 in BVerfGE 121, 30 ff.; Beschluss vom 14.12.1999, 1 BvR 1327/98 Rn 52 in BVerfGE 101, 312 ff.; Beschluss vom 22.10.1985, 1 BvL 44/83 Rn 56 in BVerfGE 71, 81 ff; Beschluss vom 30.06.1964, 1 BvL 16/62 Rn 50 in BVerfGE 18, 97 ff.; Beschluss vom 11.06.1958, 1 BvL 149/52 Rn 29 in BVerfGE 8, 28 ff.). Unzulässig ist dementsprechend eine Interpretation contra legem, durch die einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen
Gesetz ein entgegengesetzter Sinn gegeben würde, weil das Gericht dann in verfassungsrechtlich unhaltbarer Weise in die Kompetenzen
des Gesetzgebers eingriffe (BVerfG, Beschluss vom 23.10.1958, 1 BvL 45/56 Rn 28 in BVerfGE 8, 210 ff).
Es begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Versicherungspauschale bei Unterhaltsberechtigten,
denen der Unterhalt nicht selbst ausgezahlt wird, nicht berücksichtigt wird. Dies verstößt weder gegen den Gleichheitsgrundsatz
noch gegen das Sozialstaatsgebot.
Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz des Art.
3 Abs.
1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich
Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Verboten ist daher auch ein
gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis
aber vorenthalten wird (BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010, 1 BvL 14/09 Rn 44 in MDR 2010, 1452 ff; Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvR 611/07 Rn 78 in NJW 2010, 2783 ff.; Beschluss vom 26.04.1988, 1 BvL 84/86 Rn 47 m.w.N. in BVerfGE 78, 104 ff.). Die aus Art.
3 Abs.
1 GG folgenden Grenzen sind überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt
wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche
Behandlung rechtfertigen könnten (Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvR 611/07 Rn 83 in NJW 2010, 2783 ff.; Beschluss vom 22.05.2003, 1 BvR 452/99 Rn 17 in FamRZ 2003, 1084 ff.; Beschluss vom 10.11.1998, 1 BvL 50/92 Rn 63 in BVerfGE 99, 165 ff.; Beschluss vom 12.03.1996, 1 BvR 609/90 Rn 54 in BVerfGE 94, 241 ff.).
Die von der Klägerin gerügte Ungleichbehandlung von Unterhaltsberechtigten, die die Unterhaltsleistungen direkt vom Unterhaltsschuldner
ausgezahlt bekommen gegenüber denjenigen Unterhaltsberechtigten, bei denen der Unterhaltsschuldner an den Leistungsträger
zahlt, ist nicht im Sinne von Art.
3 Abs.
1 GG ungerechtfertigt.
Tatsächlich erfolgt nach der gesetzgeberischen Regelung eine Ungleichbehandlung dieser Personengruppen. Vergleichbar sind
die Personengruppen insofern, als bei beiden zunächst ein Anspruch auf Unterhaltszahlungen besteht. Die Differenzierung erfolgt
dann mittelbar wegen des Umstandes, dass in einem Fall Unterhaltsleistungen unmittelbar an den Unterhaltsberechtigten gezahlt
werden und im anderen Fall nicht.
Auch bei vergleichbaren Tatbeständen verbietet der allgemeine Gleichheitssatz nicht jegliche Differenzierung. Je nach Regelungsgegenstand
und Differenzierungsmerkmal ergeben sich unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung
an Verhältnismäßigkeitsgrundsätze reichen (BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010, 1 BvL 14/09 Rn 45 in MDR 2010, 1452 ff; Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvR 611/07 Rn 79 in NJW 2010, 2783 ff.; Beschluss vom 16.09.2009, 1 BvR 2275/07 Rn 38 in NVwZ-RR 2009, 985 ff.). Insbesondere bei der - wie hier - gewährenden bzw. darreichenden Staatstätigkeit ist dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum
zuzuerkennen (BVerfG, Beschluss vom 22.05.2003, 1 BvR 452/99 Rn 17 in FamRZ 2003, 1084 ff.; Beschluss vom 14.03.2001, 1 BvR 1931/96 Rn 29; Beschluss vom 10.11.1998, 1 BvL 50/92 Rn 63 in BVerfGE 99, 165 ff.; Beschluss vom 26.04.1988, 1 BvL 84/86 Rn 47 in BVerfGE 78, 104 ff.; Beschluss vom 13.01.1982, 1 BvR 848/70 Rn 67 in BVerfGE 59, 231 ff.), weil sozialpolitische Entscheidungen grundsätzlicher Art zu treffen sind (BVerfG, Beschluss vom 22.05.2003, 1 BvR 452/99 Rn 17 in FamRZ 2003, 1084 ff.). Hier obliegt den Gerichten größte Zurückhaltung, dem Gesetzgeber über den Gleichheitssatz zusätzliche Leistungsverpflichtungen
aufzuerlegen (BVerfG, Beschluss vom 26.04.1988, 1 BvL 84/86 Rn 47 in BVerfGE 78, 104 ff.).
Dem Umfang des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums entspricht die Kontrolldichte richterlicher Überprüfung: ein Verstoß
gegen Art.
3 Abs.
1 GG ist nur dann festzustellen, wenn die Unsachlichkeit einer Differenzierung evident ist (BVerfG, Beschluss vom 16.09.2009,
1 BvR 2275/07 Rn 38 in NVwZ-RR 2009, 985 ff.), d.h. wenn für die gesetzliche Unterscheidung kein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie
einleuchtender Grund vorliegt und die Regelung damit als willkürlich angesehen werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008,
1 BvL 3/05 Rn 73 in BVerfGE 122,151 ff.; Beschluss vom 15.03.2000, 1 BvL 16/96 Rn 72 in BVerfGE 102, 68 ff; Beschluss vom 10.11.1998, 1 BvL 50/92 Rn 63 in BVerfGE 99, 165 ff.; Beschluss vom 26.04.1988, 1 BvL 84/86 Rn 47 in BVerfGE 78, 104 ff.; Beschluss vom 06.10.1983, 2 BvL 22/80 Rn 30 in BVerfGE 65, 141 ff.; Beschluss vom 19.06.1973, 1 BvL 39/69 Rn 30 in BVerfGE 35, 263 ff.).
Es ist nicht als willkürlich anzusehen, dass der Gesetzgeber die Anrechnung von Versicherungspauschalen an die Erzielung von
Einkommen geknüpft hat.
Welches Differenzierungskriterium der Gesetzgeber heranzieht, um Leistungsansprüche zu gewähren, ist entsprechend dem o.g.
Gestaltungsspielraum zunächst seine Entscheidung. Ihm obliegt die Feststellung, welche Sachverhaltselemente so wesentlich
sind, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist (BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998, 1 BvL 50/92 Rn 63 in BVerfGE 99, 165 ff.; Beschluss vom 12.03.1996, 1 BvR 609/90 Rn 54 in BVerfGE 94, 241 ff.; Beschluss vom 26.04.1988, 1 BvL 84/86 Rn 47 in BVerfGE 78, 104 ff.; Beschluss vom 06.10.1983, 2 BvL 22/80 Rn 30 in BVerfGE 65, 141 ff.; Beschluss vom 13.01.1982, 1 BvR 848/70 Rn 67 in BVerfGE 59, 231 ff.; Beschluss vom 09.08.1978, 2 BvR 831/76 in BVerfGE 49, 148 ff.; Beschluss vom 19.06.1973, 1 BvL 39/69 Rn 30 in BVerfGE 35, 263 ff.). Gerade im Sozialleistungsrecht dürfen zur Ordnung von Massenerscheinungen typisierende und pauschalierende Regelungen
getroffen werden (BVerfG, Beschluss vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09 Rn 205 in BVerfGE 125, 175 ff.; Beschluss vom 20.07.2004, 1 BvR 2515/95 Rn 40; Beschluss vom 08.06.2004, 2 BvL 5/00 Rn 72 in BVerfGE 110, 412 ff.; Beschluss vom 08.02.1983, 1 BvL 28/79 Rn 38 in BVerfGE 63, 119 ff.; Beschluss vom 24.07.1963, 1 BvL 11/61 Rn 59 in BVerfGE 17, 1 ff.). Das gilt auch für Leistungen zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG, Beschluss vom 09.02.2010,
1 BvL 1/09 Rn 205 in BVerfGE 125, 175 ff.). Von den Gerichten nicht zu prüfen ist, ob der Gesetzgeber mit der von ihm getroffenen Regelung die zweckmäßigste, vernünftigste
und gerechteste Lösung gefunden hat (BVerfG, Beschluss vom 16.09.2009, 1 BvR 2275/07 Rn 38 in NVwZ-RR 2009, 985 ff.; Beschluss vom 08.06.2004, 2 BvL 5/00 Rn 71 in BVerfGE 110, 412 ff.). Ebenso wenig kommt es darauf an, was aus Sicht desjenigen, der Unterstützungsbedarf hat, wünschenswert oder unerlässlich
erscheint (BVerfG, Beschluss vom 22.05.2003, 1 BvR 452/99 Rn 18 in FamRZ 2003, 1084 ff.).
Hieran gemessen ist ein Verstoß gegen Art.
3 GG durch die Anknüpfung der Gewährung einer Versicherungspauschale an das Merkmal des tatsächlichen Zuflusses von Einkommen
nicht feststellbar. Der Gesetzgeber hat einen weiten Gestaltungsspielraum im Hinblick darauf, welche Bedarfe er durch die
Regelleistung als gedeckt ansehen will. Entsprechend obliegt ihm die Entscheidung darüber, wann er Beiträge zu Versicherungen
finanziert. Im Regelungssystem des SGB II hat sich der Gesetzgeber sozialpolitisch dafür entschieden, Versicherungspauschalen
lediglich als Absetzbeträge bei Einkommen zu berücksichtigen. Die Absetzmöglichkeit von Versicherungsbeiträgen soll nicht
leistungserhöhend wirken, sondern nur dann, wenn Einkommen erzielt wird - im Regelfall aus Erwerbstätigkeit - letztendlich
einen speziellen "Freibetrag" gewähren (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14 AS 55/07 R Rn 34 in SGb 2009, 548; BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R Rn 28 in BSGE 97, 254 ff.). Fehlen Einkünfte, führt dies dazu, dass ein Pauschalabzug für Versicherungen nicht in Betracht kommt (BSG, Urteil vom
18.06.2008, B 14 AS 55/07 R Rn 33; BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R Rn 28 in BSGE 97, 254 ff.). Diese eindeutige gesetzgeberische Entscheidung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und kann entsprechend
nicht durch rechtspolitische Vorstellungen der Gerichte verändert werden (vgl. zur Einschränkung der Befugnis der Gerichte
BVerfG, Beschluss vom 03.04.1990, 1 BvR 1186/89 Rn 20 in BVerfGE 82, 6 ff.). Einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf bestimmte Absetzbeträge für bestimmte Bedarfe gibt es nicht (BSG,
Urteil vom 18.06.2008, B 14 AS 55/07 R Rn 44 in SGb 2009, 548).
Zu berücksichtigen ist auch, dass die Klägerin zwar gegenüber denjenigen Unterhaltsberechtigten schlechter gestellt ist, denen
die Unterhaltsleistung des Unterhaltsgläubigers als Einkommen angerechnet wird. Gleichzeitig wird sie aber genauso behandelt
wie die große Gruppe all derjenigen Hilfebedürftigen, die - wie sie - kein Einkommen erzielen und denen daher ebenso keine
Absetzbeträge zugute kommen. Die Gleichstellung mit letzterer Personengruppe ist dabei auch sachlich nachvollziehbar. Denn
die Versicherungspauschale wird vom Gesetzgeber deshalb als Absetzbetrag gewährt, weil mit der Erzielung von Einkommen in
der Regel entsprechende Ausgaben verbunden sind. Ob dies überhaupt für Unterhaltszahlungen gilt oder die Anwendbarkeit der
Vorschrift des § 3 Nr. 1 Alg II-V a.F. dann, wenn Unterhalt das einzige Einkommen eines Hilfebedürftigen darstellt, nicht
vielmehr in restriktiver Auslegung ausgeschlossen werden sollte, kann dahinstehen. Denn jedenfalls haben Personen, denen wie
bei der Klägerin der Unterhalt nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird, keine der Erzielung von Einkommen korrespondierenden
Aufwendungen. Vielmehr erlangt die Klägerin durch die vollständigen Leistungen des Beklagten ohne Anrechnung von Unterhalt
durchaus auch Vorteile. So ist sie von der Unsicherheit befreit, ob und wann genau sie in jedem Monat mit einer Unterhaltszahlung
ihres geschiedenen Ehemannes rechnen kann und erhält statt dessen sicher am Anfang jeden Monats von dem Beklagten den gleichen
Zahlbetrag existenzsichernder Leistungen. Ebenfalls wird ihr die Verpflichtung abgenommen, sich bei ausbleibenden Zahlungen
entweder bei dem Beklagten um eine Vorauszahlung und/oder selbstständig oder ggf. mit anwaltlicher oder sogar gerichtlicher
Hilfe gegen etwaige Versäumnisse des Unterhaltspflichtigen zu wehren.
Die Berücksichtigung der Versicherungspauschale gebietet in der hier vorliegenden Fallgestaltung auch das Sozialstaatsprinzip
nicht. Dieses Prinzip (Art.
20 Abs.
1 GG) verpflichtet den Staat, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. Angesichts der Weite und Unbestimmtheit dieses Prinzips
lässt sich daraus jedoch kein Gebot entnehmen, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren (BSG, Urteil vom
23.11.2006, B 11b AS 1/06 R Rn 45 in SozR 4-4200 § 20 Nr. 3). Wie der Gesetzgeber den Gestaltungsauftrag des verfassungsrechtlich nicht näher konkretisierten
Sozialstaatsprinzips erfüllt, ist seine Sache. Zwingend ist lediglich, dass der Staat die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges
Dasein seiner Bürger schafft (BVerfG, Beschluss vom 08.06.2004, 2 BvL 5/00 Rn 94 in BVerfGE 110, 412 ff.; Beschluss vom 27.04.1999, 1 BvR 2203/93 Rn 56 in BVerfGE 100, 271 ff.; Beschluss vom 12.03.1996, 1 BvR 609/90 Rn 62 in BVerfGE 94, 241 ff.; Beschluss vom 29.05.1990, 1 BvL 20/84 Rn 83 in BVerfGE 82, 60 ff.). Diese Mindestvoraussetzungen sind hier nicht berührt. Allein die fehlende Anrechnung der Versicherungspauschale stellt
die Sicherung der Existenzgrundlage für die Klägerin nicht in Frage. Ihr nach dem SGB II errechneter Bedarf wird bereits durch
die Leistungen des Beklagten gedeckt.
Die Klägerin kann einen Anspruch auf Leistung von weiteren 30,00 Euro monatlich im streitigen Zeitraum auch nicht aus einem
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten.
Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung
des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses
der Versicherten gegenüber erwachsenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß
wahrgenommen hätte. Voraussetzung ist, dass die verletzte Pflicht dem Sozialleistungsträger gerade gegenüber dem Versicherten
oblag, diesem also ein entsprechendes subjektives Recht einräumt. Die objektiv rechtswidrige Pflichtverletzung muss zumindest
gleichwertig (neben anderen Bedingungen) einen Nachteil der Versicherten bewirkt haben. Schließlich muss ein Schutzzweckzusammenhang
bestehen, d. h. die verletzte Pflicht darauf gerichtet gewesen sein, die Betroffene gerade vor den eingetretenen Nachteilen
zu bewahren (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BSG, Urteil vom 22.10.1996, - 13 RJ 23/95 - Rn 34 m.w.N. in BSGE 79, 168 ff.).
Eine Verletzung von Beratungs- und Auskunftspflichten des Beklagten gegenüber der Klägerin nach §§
14,
15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) oder eine andersartige Fehl- oder Nichtinformation (vgl. hierzu BSG, aaO., Rn 39), die ursächlich einen Nachteil der Klägerin
bewirkt hat, vor dem sie gerade zu bewahren war, liegt nicht vor. Zwar traf die Mitteilung des Beklagten an den geschiedenen
Ehemann der Klägerin, dass eine schuldbefreiende Zahlung ab September 2007 nicht mehr an die Klägerin, sondern nur noch an
ihn selbst möglich sei, nicht vollumfänglich zu. Tatsächlich hätte der geschiedene Ehemann der Klägerin dann schuldbefreiend
an die Klägerin leisten können, wenn seine Zahlungen bis zum dritten Werktag des Monats erfolgt wären. Grund hierfür ist,
dass ein Übergang des Anspruchs gemäß § 33 Abs. 2 S. 2 SGB II ausgeschlossen ist, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende
Zahlung erfüllt wird. Als laufende Zahlung ist eine Zahlung anzusehen, bei der der Unterhaltsschuldner seinen rechtlichen
Verpflichtungen nachkommt, indem er fristgerecht zahlt (vgl. §§
1612,
1361,
1585 Bürgerliches Gesetzbuch,
BGB; auch Grote-Seifert in juris-Praxiskommentar, 2. Aufl. 2007, §
33 Rn 60; Link in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl. 2008, § 33 Rn 36). Die Fehlinformation ist jedoch nicht, wie beim sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch erforderlich, an die Klägerin selbst, sondern lediglich an einen Dritten erfolgt. Darüber hinaus fehlt
es am Schutzzweckzusammenhang. Den Beklagten trifft keine Pflicht, Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit der Anrechnung einer
Versicherungspauschale zu eröffnen. Wie bereits oben ausgeführt, hat der Gesetzgeber die Versicherungspauschale gerade nicht
als Anspruch, sondern lediglich als Anrechnungsminderung ausgestaltet. Ergänzend ist auch hier zu berücksichtigen, dass dem
Unterhaltsberechtigten bei einem eher unzuverlässigen Unterhaltsschuldner auch Vorteile erwachsen, wenn der Beklagte den Unterhalt
nicht als Einkommen anrechnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage als gegeben
angesehen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).