Vergütung stationärer Krankenhausleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung
Anforderungen an die Verpflichtung des Krankenhauses zur Erbringung einer geriatrisch frührehabilitativen Komplexbehandlung
als Leistung der Frührehabilitation
Tatbestand
Streitig ist die Vergütung der durch die Verlegung eines stationär behandelten Patienten verursachten Mehrkosten.
Der bei der Klägerin krankenversicherte und am 00.00.1938 geborene, in U wohnhafte A, (Versicherter) wurde vom 27.07.2016
bis 01.09.2016 bei der Beklagten stationär behandelt und am 01.09.2016 zur geriatrischen Weiterbehandlung in das V Krankenhaus
Hattingen (aufnehmendes Krankenhaus) verlegt. Zu diesem Zeitpunkt bestand entsprechend einer unwidersprochenen gutachterlichen
Stellungnahme des MDK vom 18.11.2016 weiterhin akutstationäre Behandlungsbedürftigkeit.
Die Beklagte ist ein zugelassenes Plankrankenhaus in Nordrhein-Westfalen. Ausweislich der Anlage zu dem die Beklagte betreffenden
Feststellungsbescheid vom 24.11.2014 sind 100 (Soll und Ist) Betten der Fachabteilung Geriatrie ausgewiesen. Die Beklagte
unterhält in ihrer Betriebsstelle in der I-Straße 00 in U das Geriatrie-Zentrum "Haus T", in dem sich die Geriatriebetten
befinden. Für das Behandlungsjahr 2016 rechnete die Beklagte bei der Klägerin 187 geriatrische Komplexbehandlungen ab. Um
den Tag der Verlegung des Versicherten wurden im Zeitraum vom 25.08.2016 bis 02.09.2016 sieben Versicherte der Klägerin in
die Geriatrie der Beklagten aufgenommen, von denen bei sechs Fällen mit der geriatrischen Komplexbehandlung begonnen wurde.
Ausweislich einer Eintragung vom 24.08.2016 in der Patientenakte des Versicherten war ursprünglich dessen Verlegung in das
Geriatrie-Zentrum "Haus T" geplant. Gründe für die Durchführung der unstreitig erforderlichen geriatrischen frührehabilitativen
Komplexbehandlung des Versicherten in dem aufnehmenden Krankenhaus anstelle des Geriatrie-Zentrums der Beklagten sind weder
vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich.
Für die stationäre Behandlung bei der Beklagten zahlte die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.367,98 €. Für die stationäre
Behandlung in dem aufnehmenden Krankenhaus zahlte sie einen Betrag von 6.874,88 € nebst einer Aufwandspauschale in Höhe von
300,00 €. Darüber hinaus sind Kosten für den Verlegungstransport iHv 107,80 € entstanden.
In einer durch die Beklagte in Auftrag gegebenen gutachterlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
Nordrhein (MDK) vom 18.11.2016 kam dieser zu dem Ergebnis, dass es keine medizinischen Gründe gegeben habe, aus denen die
Beklagte nicht selbst die geriatrische Komplexbehandlung in der klinikinternen Geriatrie hätte durchführen können.
Am 03.04.2017 hat die Klägerin beim Sozialgericht Duisburg (SG) Klage erhoben und die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.553,65 € geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, dass bei durchgehender
Behandlung des Versicherten im Haus der Beklagten Kosten lediglich iHv 9.097,01 € angefallen wären. Die Differenz zu den tatsächlich
angefallenen Kosten (einschließlich Aufwandspauschale) in Höhe von insgesamt 12.542,86 € nebst Kosten für den Verlegungstransport
iHv 107,80 €, mithin ein Betrag iHv 3.553,65 €, sei ihr als Schaden entstanden. Die Verlegung des Versicherten sei grundlos
erfolgt. Damit habe die Beklagte ihre Pflichten gegenüber der Klägerin verletzt. Der Versorgungsauftrag der Beklagten und
damit §
109 Abs
4 S 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) stehe einer grundlosen Verlegung entgegen. Hiernach sei das zugelassene Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrags
zur Krankenhausbehandlung der Versicherten verpflichtet. Hierzu gehöre gemäß §
39 Abs
1 S 3
SGB V auch die Frührehabilitation. Weder eine Ausweitung noch eine Einschränkung der zu erbringenden Krankenhausleistungen seien
ohne weiteres möglich. Dies widerspreche dem Sinn und Zweck der Krankenhausplanung durch Feststellungsbescheide, die bedarfsgerechte
Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Die Verlegung des Versicherten widerspreche auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot,
da hierdurch gegenüber einer durchgängigen Behandlung bei der Beklagten höhere Kosten entstanden seien. Unter Berücksichtigung
der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe die Klägerin nur die Kosten der stationären Behandlung zu tragen, die bei wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen
wären, sodass sich der geltend gemachte Anspruch auch auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs stütze.
Die Beklagte hat vorgetragen, die stationäre Behandlung sei erforderlich gewesen. Es komme nicht darauf an, ob medizinische
oder kapazitative Gründe für die Verlegung ausschlaggebend waren. Der anordnende Krankenhausarzt sei zum Verlegungszeitpunkt
auch nicht in der Lage einzuschätzen, ob die Verlegung zu höheren oder niedrigeren Kosten führe. So wäre in dem nicht seltenen
Fall des Abbruchs der geriatrischen Komplexbehandlung oder im Falle einer Beatmung des Versicherten unter Erreichen der oberen
Grenzverweildauer die Verlegung des Versicherten kostengünstiger gewesen als eine durchgängige Behandlung bei der Beklagten.
Die Beklagte habe deshalb keine Pflichtverletzung begangen. Jedenfalls liege kein Verschulden vor, da der über die Verlegung
entscheidende Arzt zum Verlegungszeitpunkt nicht habe absehen können, ob die Verlegung wirtschaftlich sei. Der Umstand, dass
im Zeitraum der Verlegung des Versicherten sieben andere Versicherte in die Geriatrie der Beklagten aufgenommen worden seien,
spreche dafür, dass deren Behandlungskapazitäten erschöpft gewesen seien. Auch insofern treffe sie kein Verschulden. Nach
der Abrechnungsregelung des § 1 Abs 1 S 2 der Fallpauschalenvereinbarung 2016 (FPV 2016) rechne im Falle der Verlegung in
ein anderes Krankenhaus jedes beteiligte Krankenhaus eine Fallpauschale ab. Die Regelungen des FPV 2016 seien auch im Hinblick
auf das Wirtschaftlichkeitsgebot und die dort geregelten Minderungs- und Abschlagstatbestände abschließend. Welche Abschläge
ein Krankenhaus bei Verlegung eines Patienten in ein anderes Krankenhaus hinzunehmen habe, sei damit abschließend in § 3 FPV
2016 geregelt. Der Wortlaut der Norm sei eindeutig und keiner Auslegung zugänglich. Dies ergebe sich auch aus der amtlichen
Begründung, wonach eine Verlegung keines medizinischen Grundes bedürfe. Der Rechtsprechung des BSG zum Institut des "fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens" habe der Gesetzgeber durch Klarstellung in § 8 Abs 5 S 2 und 3 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) eine klare Absage erteilt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die FPV abschließende Tatbestände in Alleinzuständigkeit
der Selbstverwaltungspartner regele und die von diesen getroffenen Regelungen wortlautgetreu umzusetzen und nicht einer konterkarierenden
sozialgerichtlichen Rechtsprechung zugänglich seien. Insofern sei das Gebot der Wirtschaftlichkeit bei einer Verlegung durch
einen Abschlag von der Fallpauschale gemäß § 1 Abs 1 S 3 FPV 2016 konkretisiert worden. Hieran sei die Klägerin gebunden.
Mit Urteil vom 14.02.2020 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 3.553,65 € verurteilt. Die Voraussetzungen des §
69 S 3
SGB V für die entsprechende Anwendung des §
280 Abs
1 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) auf das Verhältnis zwischen Krankenkasse und zugelassenem Krankenhaus bei Behandlung Versicherter seien erfüllt. Die stationäre
Behandlung Versicherter in einem zugelassenen Krankenhaus begründe zwischen dessen Träger und der Krankenkasse ein gesetzliches
öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis, auf das §
280 Abs
1 BGB anzuwenden sei. Danach könne der Gläubiger, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis vertretbar verletze,
Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Ein Rückgriff auf §
280 BGB sei nicht durch etwaig abschließende Regelungen der FPV 2016 verwehrt. §
280 BGB habe die Voraussetzungen und Rechtsfolgen für einen Schadensersatzanspruch in einem bestehenden Schuldverhältnis zum Gegenstand.
Hierzu verhalte sich die FPV 2016 nicht. Es bestehe insofern auch keine Ermächtigungsgrundlage in dem insofern maßgebenden
§ 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Aus den Regelungen der Ermächtigungsgrundlage des § 17b KHG ergebe sich vielmehr für die FPV eindeutig der Regelungsauftrag für "Vergütung". Vergütung sei ein aliud zu einem Schadensersatzanspruch,
dessen Gegenstand der Ausgleich von sich aus/in einem Schuldverhältnis ergebenden materiellen Einbußen sei. Die Regelungen
im
BGB über den Schadensersatz seien auch mit der Stellung der Krankenhäuser im Versorgungssystem des
SGB V vereinbar. Die Beklagte habe durch die Verlegung des Versicherten in das aufnehmende Krankenhaus eine ihr gegenüber der Klägerin
bestehende Pflicht verletzt. Die Beklagte sei im Zeitpunkt der Verlegung zur Erbringung der unstreitig medizinisch erforderlichen
geriatrischen Komplexbehandlung des Versicherten verpflichtet gewesen. Dies ergebe sich aus dem Versorgungsauftrag der Beklagten.
Diese Pflicht habe die Beklagte mit der Verlegung vor der Entlassungsfähigkeit des Versicherten verletzt. Die Beklagte sei
ein zugelassenes Plankrankenhaus. Gemäß §
109 Abs
4 S 2
SGB V sei das zugelassene Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung (§
39 SGB V) der Versicherten verpflichtet. Gemäß §
39 Abs
1 S 3
SGB V umfasse die Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrages alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere
der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind. Die akutstationäre Behandlung
umfasse auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation.
Gemäß §
109 Abs
1 S 2
SGB V gelte für die Beklagte als Plankrankenhaus die Aufnahme in den Krankenhausbedarfsplan als Abschluss des Versorgungsvertrages.
Nach § 8 Abs 1 S 4 Nr 1 KHEntgG i.V.m. § 6 KHG ergebe sich der Versorgungsauftrag eines Plankrankenhauses aus den Festlegungen des vom jeweiligen Bundesland aufzustellenden
Krankenhausplans i.V.m. dem jeweiligen Feststellungsbescheid zur Durchführung des Krankenhausplanes. Nach § 12 des Krankenhausgestaltungsgesetzes
NRW (KHGG NRW) würden die Feststellungen über die (Nicht-)Aufnahme des Krankenhauses in den Krankenhausplan durch Bescheid
der zuständigen Behörde getroffen, wobei dieser ua die Art der Abteilungen und die Gesamtzahl der im Ist und Soll anerkannten
Planbetten enthalte. Der Feststellungsbescheid für die Beklagte vom 24.11.2014 enthalte die Aufnahme der Beklagten in den
Krankenhausplan des Landes NRW mit ua 100 Betten (Soll und Ist) im Gebiet Geriatrie. Der Annahme einer Pflichtverletzung stehe
auch nicht die FPV 2016 entgegen. Diese verhalte sich ebenso wenig zu den Pflichten im bestehenden Schuldverhältnis wie zu
einem Schadensersatz. Die Ermächtigung zum Erlass der FPV 2016 beschränke sich auf die "Vergütung". Die dort getroffenen Vergütungsregelungen
würden sich nach Auffassung der Kammer auf Abrechnungsmodalitäten (das "Wie" der Vergütung) beschränken. Gegenstand der FPV
2016 sei dagegen nicht, ob die Beteiligten die darin angesetzten Vergütungen zum Ansatz bringen dürfen oder nicht. Die Beantwortung
dieser Frage ergebe sich allein aus dem zugrunde liegenden materiellen Recht. Dass in der FPV 2016 in § 1 Abs 1 S 2 und §
3 Regelungen zur Verlegung und dem "Wie" der Abrechnung im Falle einer Verlegung enthalten seien, beinhalte keine Aussagen
zur materiellen Rechtmäßigkeit der Verlegung. Die Beklagte habe die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Nach dem eindeutigen
Wortlaut des §
280 Abs
1 S 2
BGB trage der Schuldner - hier die Beklagte - die Darlegungs- und Beweislast für das "Nichtvertretenmüssen". Da kein sachlicher
Grund für die Verlegung vorgetragen worden sei, sei der Beklagten der Entlastungsbeweis nicht gelungen. Medizinische Gründe
für die Verlegung seien nicht geltend gemacht worden. Ob bei der Beklagten Kapazitäten für die geriatrische Komplexbehandlung
des Versicherten bestanden, sei zwischen den Beteiligten streitig. Die Beklagte habe zum Fehlen von Kapazitäten jedoch weder
substantiiert vorgetragen noch ergäben sich hierfür sonst Anhaltspunkte. Die Höhe des Schadensersatzanspruches ergebe sich
aus entsprechender Anwendung des §
249 S 1
BGB. Hiernach habe der Schadensersatzpflichtige den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende
Umstand nicht eingetreten wäre. Die Differenz zwischen tatsächlich entstandenen Kosten und den Kosten, die ohne die Verlegung
entstanden wären (9.097,01 €) betrage die mit dieser Klage geltend gemachten 3.553,65 €. Auf die (Nicht-)Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots
sowie das (Nicht-)Vorliegen und die (Nicht-)Vorhersehbarkeit wirtschaftlicher Auswirkungen oder das Verletzen etwaiger Mitteilungspflichten
komme es nach Auffassung der Kammer damit nicht an. Offenbleiben könne auch, ob daneben ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
gegeben sei.
Gegen das am 26.02.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.03.2020 Berufung eingelegt. Der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch
zu. Ein solcher scheide bereits aus, weil die Beklagte den Patienten entsprechend der gesetzlichen und vertraglichen Regelungen
verlegen durfte und damit keine Pflicht verletzt habe. Der Versicherte sei im Rahmen des bestehenden Versorgungsauftrags für
Innere Medizin/Kardiologie, der sich aus dem von der Beklagten erstellten Feststellungsbescheid ergebe, aufgenommen und stationär
behandelt worden. Ein Verbot der Verlegung bestehe nicht. Zur Begründung wiederholt sie insofern ihr bisheriges Vorbringen
und trägt ergänzend vor, der Versorgungsauftrag stehe der gemäß § 3 FPV 2016 ausdrücklich erlaubten Verlegung nicht entgegen,
sondern sei vielmehr Grundvoraussetzung der Zulassung zur stationären Behandlung. Der Klägerin stehe es jederzeit frei, sich
an ihren Bundesverband zu wenden, um Änderungen zur Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser anzuregen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 14.02.2020 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beklagte verfüge auch über einen Versorgungsauftrag für Geriatrie. Sie
sei daher verpflichtet, ihre Patienten im Rahmen dieses Versorgungsauftrags zu behandeln. Dabei hätten die Leistungen zur
Frührehabilitation zum frühestmöglichen Zeitpunkt einzusetzen. Zum Zeitpunkt der Verlegung des Versicherten habe festgestanden,
dass dieser einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung bedurfte und weiterhin akutstationärer Behandlungsbedarf
bestand. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet gewesen, den Versicherten im Rahmen ihres Versorgungsvertrages hausintern einer
entsprechenden Behandlung zu unterziehen. Ihre Pflichtverletzung liege in der grundlosen Verlegung des Versicherten in ein
anderes Krankenhaus. Zwar seien Verlegungen grundsätzlich erlaubt. Hierfür bedürfte es jedoch einer Begründung. Bei der streitgegenständlichen
Verlegung handele sich auch nicht um eine Verlegung in eine Spezialklinik, denn beide Häuser würden den "spezialisierten"
Bereich selbst betreiben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten sowie der
Patientenakte des Versicherten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Soweit das SG die Beklagte zur Zahlung eines höheren Betrages als 3.253,65 € und von Zinsen für den 03.04.2017 verurteilt hat, ist die
Klage unbegründet und die Berufung mithin begründet. Die weitergehende Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 3.253,65 € nebst Zinsen iHv 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2017
verurteilt. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Zur Begründung nimmt der Senat im Wesentlichen auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug (§
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Berufungsbegründung.
Maßgebliche, den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch als vorrangige Sondernorm verdrängende Rechtsgrundlage des Zahlungsanspruchs
ist §
69 Abs
1 S 3
SGB V i.V.m. §
280 Abs
1 BGB in entsprechender Anwendung (vgl BSG, Urteil vom 12.11.2013 - B 1 KR 22/12 R - in juris Rn 9 f, LSG NRW, Urteil vom 22.09.2016 - L 5 KR 118/14 ZVW - in juris Rn 25). Danach kommt ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse aufgrund Verletzung einer Pflicht bei der
Behandlung eines Versicherten aus öffentlich-rechtlichem Schuldverhältnis gegen ein zugelassenes Krankenhaus in Betracht,
wenn zum einen die grundsätzlich abschließenden Vorschriften des Vierten Kapitels des
SGB V, die §§
63,
64 SGB V, die Regelungen des KHG und des KHEntG sowie die hiernach erlassenen Rechtsverordnungen für den Schadensersatz wegen Pflichtverletzung keine vorrangige Regelung
treffen (§
69 Abs
1 S 2
SGB V) und zum anderen die heranzuziehenden Vorschriften des
BGB mit den Vorgaben des §
70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten zwischen Krankenkasse und Krankenhaus nach dem Vierten Kapitel des
SGB V vereinbar sind (§
69 Abs
1 S 3
SGB V - vgl BSG aaO, LSG NRW aaO).
Der Anwendungsbereich für die entsprechende Heranziehung der bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzvorschrift ist eröffnet.
Eine erforderliche stationäre Behandlung Versicherter in einem zugelassenen Krankenhaus begründet zwischen seinem Träger und
der Krankenkasse ein gesetzliches öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis, für das §
280 Abs
1 BGB gilt. Die Folgen von Pflichtverletzungen aus diesem Schuldverhältnis sind weder landesvertraglich noch landes- oder bundesrechtlich
abschließend geregelt (vgl BSG, Urteil vom 12.11.2013 - B 1 KR 22/12 R - in juris Rn 12). Der bürgerlich-rechtliche Schadensersatzanspruch bei Pflichtverletzungen ist - ebenso wie die bürgerlich-rechtlichen
Verzugsvorschriften es sind - mit der Stellung der Krankenhäuser im Versorgungssystem des
SGB V vereinbar (vgl BSG aaO und LSG NRW aaO Rn 26 mwN).
Die in § 1 Abs 1 S 2 und 3 FPV 2016 getroffenen Regelungen stehen der Anwendbarkeit von §
69 Abs
1 S 3
SGB V i.V.m. §
280 Abs
1 BGB nicht entgegen. Diese Vorschriften beinhalten - worauf das SG zutreffend hingewiesen hat - Abrechnungsbestimmungen für DRG-Fallpauschalen und damit zur ordnungsgemäßen Abrechnung erbrachter
Leistungen. Sie treffen indes keine Regelungen zu etwaigen Schadensersatzansprüchen bei Pflichtverletzungen iRd öffentlich-rechtlichen
Schuldverhältnisses. Entsprechend dürfte das Vertragsrecht Schadensersatzansprüche der Krankenkassen bei schuldhafter Schädigung
durch Krankenhäuser auch nicht ausschließen (vgl BSG aaO).
Die Beklagte hat die ihr gemäß §
109 Abs
4 S 2 i.V.m. §
39 Abs
1 S 3
SGB V obliegenden Verpflichtungen auch verletzt. §
109 Abs
4 S 2
SGB V stellt klar, dass die Zulassung des Krankenhauses zur Krankenhausbehandlung der Versicherten nicht nur berechtigt, sondern
auch verpflichtet (vgl Wahl in jurisPK, 3. Aufl. 2016, § 109 Rn 120, Hauck, KrV 2017, S 178, 185). Die Krankenhausbehandlung,
zu der nach §
109 Abs
4 S 2
SGB V zugelassene Krankenhäuser verpflichtet sind, ist im Sinne des §
39 SGB V zu verstehen (Wahl aaO Rn 121). Gemäß §
39 Abs
1 S 3 HS 2
SGB V umfasst die Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall
nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere
ua die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Allerdings
ist es Sinn und Zweck der Regelung zur Frührehabilitation gemäß §
39 Abs
1 S 3 HS 2
SGB V nicht, den Krankenhäusern die eigenständige Erbringung von medizinischen Rehabilitationsleistungen zu ermöglichen. Die Regelung
dient vielmehr allein dazu, klarzustellen, dass im Rahmen der akut stationären Krankenhausbehandlung die Chancen der medizinischen
Rehabilitation konsequent genutzt werden sollen, ohne dass dadurch Rehabilitationsmaßnahmen in Rehabilitationseinrichtungen
- insbesondere Anschlussheilbehandlungen - ersetzt werden sollen (vgl Wahl aaO 4. Aufl 2020, §
39 SGB V Rn 97). Hieraus ergibt sich, dass die Frührehabilitation nicht vollständig den Krankenhäusern zugeordnet ist. Für die Frührehabilitation
sind die Krankenhäuser nur so lange zuständig, wie ein akutstationärer Interventionsbedarf besteht (vgl Wahl aaO Rn 99).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war die Beklagte verpflichtet, Leistungen der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung
zu erbringen. Bei dem Versicherten bestand ausweislich der im Rahmen des Urkundsbeweises verwertbaren und unwidersprochenen
Feststellungen des MDK vom 18.11.2016 zum Zeitpunkt der Verlegung weiterhin akutstationärer und außerdem frührehabilitativer
Behandlungsbedarf, sodass die Voraussetzungen des §
39 Abs
1 S 3 HS 2
SGB V insofern vorlagen, was auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht. Die Erbringung von Leistungen zur Frührehabilitation war
vom Versorgungsauftrag der Beklagten umfasst. Zum einen sind im Feststellungsbescheid vom 24.11.2014 100 Betten der Fachabteilung
Geriatrie ausgewiesen, die die Beklagte nach den zutreffenden Feststellungen des SG in ihrer Betriebsstelle "Haus T" auch bereithält, sodass sich nach den auch insofern zutreffenden Ausführungen des SG bereits hieraus der entsprechende Versorgungsauftrag der Beklagten ergibt. Zum anderen gehört gemäß § 2 Abs 2 S 2 Nr 5 KHEntgG zu den allgemeinen Krankenhausleistungen auch die Frührehabilitation im Sinne von §
39 Abs
1 S 3
SGB V. Zu den Leistungen der Frührehabilitation gehört auch die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (vgl SG Duisburg,
in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.07.2020 - S 60 KR 1905/19 - Seite 9 ff unter Verweis auf OVG Münster, Urteil vom 22.12.2012 - 13 A 2379/11 - in juris Rn 42).
Da die geriatrische Frührehabilitation vom Versorgungsauftrag der Beklagten umfasst ist, steht es - anders als die Bevollmächtigten
der Beklagten meinen - dieser nicht frei, Leistungen der geriatrischen Frührehabilitation zu erbringen. Dies ergibt sich ausdrücklich
aus §
109 Abs
4 S 2
SGB V. Danach ist das zugelassene Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung der Versicherten nicht
lediglich berechtigt, sondern verpflichtet. Da der der Beklagten erteilte Versorgungsauftrag auch die geriatrische Frührehabilitation
umfasst, hat die Beklagte diese Leistung so lange zu erbringen, bis der Versicherte nicht mehr krankenhausbehandlungsbedürftig
ist. Eine Verlegung zur weiteren Krankenhausbehandlung in ein anderes Krankenhaus ohne medizinische oder organisatorische
Gründe verstößt gegen diesen Versorgungsauftrag. Dies stellt eine Verletzung der Pflicht gegenüber der Krankenkasse des Versicherten
dar, den Versicherten bis zum Ende seiner Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit zu behandeln und seine Frührehabilitation zum
frühestmöglichen Zeitpunkt auch bereits während der Behandlung einzuleiten. Dies ergibt sich zum einen aus der Verpflichtung
der Krankenhausträger nach § 17c Abs 1 S 1 Nr 2 KHG, vorzeitige Verlegungen oder Entlassungen aus wirtschaftlichen Gründen zu verhindern. Zum anderen bezweckt die Zuordnung
der Frührehabilitation zu den allgemeinen Krankenhausleistungen nach § 2 Abs 2 Nr 5 KHEntgG, das Rehabilitationspotenzial
im Rahmen der Krankenhausbehandlung konsequenter zu nutzen und die Qualität der Versorgung der Versicherten zu verbessern
(vgl SG Duisburg, Urteil vom 24.07.2020 aaO).
Da die Beklagte weder konkrete medizinische oder organisatorische Gründe für die Verlegung vorgetragen bzw nachgewiesen hat,
liegt eine Pflichtverletzung im Sinne des §
280 BGB vor. Es bestehen auch keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen entsprechender Gründe, die eine Amtsermittlungspflicht
des Gerichts nach §
103 SGG auslösen konnten. Der Amtsermittlungsgrundsatz gebietet bei der Feststellung von Tatsachen keine Aufklärung ins Blaue hinein
ohne konkrete Anknüpfungspunkte (vgl SG Duisburg, aaO, Seite 15 mwN).
Etwas anderes ergibt sich auch insofern nicht aus § 1 Abs 1 S 2 und § 3 FPV 2016. Soweit sich hieraus ein Vergütungsanspruch
sowohl des abgebenden als auch des aufnehmenden Krankenhauses ergibt, wird hierdurch keine Aussage zur Frage einer etwaigen
Pflichtverletzung des abgebenden Krankenhauses durch die Verlegung des Versicherten und etwaig hieraus resultierender Schadensersatzansprüche
getroffen. Nach og kann das Vertragsrecht Schadensersatzansprüche der Krankenkassen bei schuldhafter Schädigung durch Krankenhäuser
auch nicht ausschließen (vgl BSG, Urteil vom 12.11.2013 aaO). Entsprechend führt auch das Urteil des BSG vom 16.12.2008 (B 1 KR 10/08 R - in juris), wonach das aufnehmende Krankenhaus die Fallpauschalenvergütung unabhängig von der Notwendigkeit der Verlegung
beanspruchen kann, zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen betrifft diese Entscheidung den Vergütungsanspruch des aufnehmenden
Krankenhauses, welches nach den Ausführungen des BSG lediglich zu prüfen hat, ob weiterhin stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich ist und es selbst im Rahmen seiner Zulassung
die erforderliche Behandlung erbringen kann (aaO Rn 22). Zum anderen ist auch in dieser Entscheidung lediglich die Frage nach
der Vergütung erbrachter Leistungen und gerade nicht nach etwaigen Schadensersatzansprüchen aufgrund von Pflichtverstößen
maßgeblich gewesen.
Gründe dafür, dass die Beklagte diese Pflichtverletzung gemäß §
280 Abs
1 S 2
BGB nicht vertreten muss, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Hinsichtlich der Höhe des Schadensersatzanspruches der Senat ebenfalls im Wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Urteils
Bezug. Ohne die pflichtwidrige Verlegung hätte die Klägerin, wovon die Beteiligten auch übereinstimmend ausgehen, einen Betrag
von 9.097,01 € unter Zugrundelegung der Fallpauschale (DRG) F48Z an die Beklagte zahlen müssen. Aufgrund der pflichtwidrigen
Verlegung hat die Klägerin für beide stationären Behandlungen insgesamt einschließlich der Transportkosten (107,80 €) einen
Betrag von 12.350,66 € gezahlt. Der zu ersetzende Schaden beläuft sich mithin auf die Differenz iHv 3.253,65 €.
Schadensersatz in Höhe der Zahlung der Auslagenpauschale für die Prüfung der Rechnung des aufnehmenden Krankenhauses iHv 300,00
€ kann die Klägerin nicht verlangen. Die Einleitung eines entsprechenden Prüfverfahrens stellt eine Entscheidung der Klägerin
dar, sodass bereits insofern die Kausalität durch die eigene Entscheidung bezüglich des Einleitens eines Prüfverfahrens unterbrochen
ist. Das Offenhalten von Schadensersatzklagen gegen das aufnehmende Krankenhaus löst jedenfalls keine schadensrechtliche Haftung
der Beklagten aus (vgl SG Duisburg, Urteil vom 24.07.2020, S 17). Zum anderen war die Prüfung einer primären Fehlbelegung
bei dem aufnehmenden Krankenhaus im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 16.12.2008 (aaO), wonach unabhängig von der Notwendigkeit der Verlegung ein Vergütungsanspruch des aufnehmenden Krankenhauses
besteht, überflüssig.
Der Zinsanspruch folgt dem Grunde nach aus §
69 Abs
1 S 3
SGB V, §§
291,
187 Abs
1 BGB. Hinsichtlich der Höhe folgt der Anspruch dem Begehren der Klägerin sowie einer entsprechenden Anwendung von §
15 Abs
1 S 4 des Landesvertrages nach §
112 Abs
2 S 1 Nr
1 SGB V. Der Zinsanspruch beginnt mit dem Tag nach Rechtshängigkeit der Klage (vgl BSG, Urteil vom 09.04.2019 - B 1 KR 5/19 R - in juris Rn 39).
Es besteht kein Anlass, die Revision nach §
160 Abs
2 SGG zuzulassen. Insbesondere ergibt sich ein solcher nicht aufgrund des Urteils des Thüringer Landessozialgerichts vom 07.10.2021
(Az: L 6 KR 1278/18). Gegenstand des Verfahrens vor dem Thüringer Landessozialgericht war ein Aufrechnungsfall, bei dem das Krankenhaus als Leistungserbringer
geklagt hat. Im vorliegend zu entscheidenden Fall macht die Krankenkasse als Klägerin einen Schadensersatzanspruch aus §
280 BGB geltend. Bereits hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Fallkonstellationen. Darüber hinaus hat das Thüringer
Landessozialgericht die Frage eines Schadensersatzanspruchs ausdrücklich offen gelassen und dies damit begründet, dass die
erfolgte Abrechnung des Krankenhauses im Einklang mit den Bestimmungen der FPV stehe und daher auch nicht rechtswidrig iS
eines Schadensersatzanspruchs sein könne. Im vorliegenden Falle ist aber nicht streitentscheidend, ob § 1 FPV 2016, der das
"Wie" der Abrechnung betrifft, richtig und ordnungsgemäß angewandt worden ist. Hieran bestehen nach übereinstimmender Auffassung
der Beteiligten und des Senats keine Zweifel. Vielmehr setzt die Begründung des Schadensersatzanspruchs im vorliegenden Fall
nicht an einem Verstoß gegen die Abrechnungvorschriften, sondern an die durch die Beklagte erfolgte Verlegung des Versicherten
als Verstoß gegen ihren Versorgungsauftrag an. Diese Pflichtverletzung entfällt auch nicht aufgrund der in § 1 FPV 2016 getroffenen
Regelung, aus der sich zwar ein Vergütungsanspruch sowohl des abgebenden als auch des aufnehmenden Krankenhauses ergibt, in
der jedoch keine Aussage zur Frage einer etwaigen Pflichtverletzung des abgebenden Krankenhauses durch die Verlegung des Versicherten
und etwaig hieraus resultierende Schadensersatzansprüche getroffen wird. Das Vertragsrecht kann Schadensersatzansprüche der
Krankenkassen bei schuldhafter Schädigung durch Krankenhäuser nach der og Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht ausschließen
(vgl BSG, Urteil vom 12.11.2013 - B 1 KR 22/12 R - in juris Rn 12).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teilsatz 1
SGG i.V.m. §§ 63 Abs 2, 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz.