Tatbestand
Die Klägerin ist 1948 in N, Hessen, geboren. Dort lebte sie zusammen mit den Eltern und den jüngeren Geschwistern. Zeitweilig
lebte die Familie von der Sozialhilfe. Die häusliche Situation war aufgrund der finanziellen Verhältnisse beengt. Der Vater
war gewohnheitsmäßiger Alkoholiker. Nach der Scheidung im Mai 1962 war der Mutter am 21.09.1962 durch das AG N das Sorgerecht
übertragen worden.
Der weitere Lebensweg der Klägerin stellt sich nach den im Verfahren von der Beklagten und dem Gericht beigezogenen Unterlagen
des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen - Fürsorgeakten mit dem Az 000 und Vorgang Nr 000 über die Fürsorgeerziehung im Jugendheim
G - sowie den Schilderungen der Klägerin im Wesentlichen wie folgt dar:
Nach Beendigung der Schule hatte die Klägerin am 01.04.1963 eine Lehre als Fotolaborantin begonnen, die sie am 01.05.1964
aufgab. Sodann war sie vom 14.05. bis 11.06.1964 und erneut vom 15.06. bis 23.07.1964 als Arbeiterin beschäftigt.
Am 13.04.1964 hatte ihre Mutter freiwillige Erziehungshilfe nach den §§ 62 ff Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) beantragt und zur
Begründung zu Protokoll des Kreisjugendamtes erklärt:
"Seit dem 13. Lebensjahr macht mir S erhebliche Erziehungsschwierigkeiten. Das Mädchen entweicht des öftern abends aus meiner
Wohnung und kommt spät nachts oder erst am nächsten Morgen wieder nach Hause. Wo sich S herumtreibt, ist mir nicht bekannt.
Wenn ich sie ermahne wird sie frech und es kommt auch vor, daß sie die Hand gegen mich erhebt. Neben einem Freund von 17 Jahren
hat S nicht kontrollierenbaren Umgang mit Männern von denen sie sich freihalten läßt.
Wenn sie nach einer durchfeierten Nacht nach Hause kommt, hat sie nicht selten die ganze Halspartie voller blauer Flecken,
die offensichtlich vom intimen Umgang mit Männern zeugen. Ebenfalls raucht S stark und trinkt starke alkoholische Getränke.
Ich werde mit dem Mädchen nicht mehr fertig und bitte um ihre Unterbringung in einem geeigneten Heim. Außerdem sehe ich meine
beiden jüngeren Kinder J (13) und P (9) durch S Verhalten gefährdet.
In Verantwortung für meine Kinder muß ich diesen Schritt wagen und um S Heimunterbringung bitten, obwohl mit der Weg zum Jugendamt
nicht leicht fällt."
In der Folge stand die Klägerin unter Beobachtung des Jugendamtes. Nachdem die Mutter ihren Antrag auf freiwillige Erziehungshilfe
zurückgenommen hatte, beantragte das Jugendamt beim zuständigen Vormundschaftsgericht die vorläufige Fürsorgeerziehung. Mit
Beschluss vom 30.07.1964, Az XXX, ordnete das Amtsgericht (AG) N, die vorläufige Fürsorgeerziehung (§§ 64, 67 JWG) an. Zur
Begründung stellte es ua darauf ab, die Klägerin habe mehrfach die Berufsschule geschwänzt, eine Lehre als Fotolaborantin
abgebrochen und sich bereits kurzzeitig in einem Heim aufgehalten; sie sei von der Bahnhofspolizei aufgegriffen worden. Die
Beschwerden der Klägerin gegen diese Entscheidungen hatten keinen Erfolg (Landgericht Kassel, Beschluss vom 04.09.1964, Az
XXX, Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 15.09.1964, 1 XXX). Am 19.01.1965 ordnete das AG N die endgültige
Fürsorgeerziehung an. Als Folge des Beschlusses des AG N vom 30.07.1964 hatte sich die Klägerin bereits seit dem 04.08.1964
gegen ihren Willen im Mädchenerziehungsheim, Jungendheim G, aufgehalten. Dieses befand sich in den Räumlichkeiten des ehemaligen
Klosters C in Hessen. Es war 1952 mit der Bezeichnung "Landesjugendheim G" eingerichtet worden; Träger der Einrichtung war
der Landeswohlfahrtsverband Hessen.
Die eingewiesenen Mädchen im Alter zwischen 14 und 21 Jahren wurden zunächst für ein paar Tage in die Krankenstation, eine
Isolierstation verbracht. Bei der Aufnahme sowie nach Entweichen aus dem Heim war es die Regel, dass eine gynäkologische Untersuchung
auf Geschlechtskrankheiten, auch gegen den Willen der Mädchen, durchgeführt wurde. Im Jugendheim gab es ein sogenanntes Besinnungsstübchen;
es handelte sich hierbei um eine Einzelkammer, eingerichtet mit einem Holzbretterbett. Die Kammer diente der zeitweiligen
Isolation der Mädchen aus disziplinarischen Gründen.
Auch die Klägerin hielt sich mehrfach, so bei der Einweisung in das Heim bis zum 12.08.1964 und später nach mehrfachem Entweichen
in der Kranken- und Isolierstation, aber auch zweimal für einen Tag in der Besinnungsstube auf. Dem Antrag der Mutter, die
Tochter wieder zu entlassen, kam das AG N nicht nach. Weitere formlose, zum Teil flehentlich gefasste Schreiben an das Jugendamt
sowie unmittelbar an die Direktorin der Einrichtung, ihre Tochter aus der Fürsorgeerziehung zu entlassen, blieben erfolglos.
Die Klägerin besuchte während des Heimaufenthaltes mit Erfolg eine Berufsschule, in welcher sie ausweislich der vorliegenden
Zeugnisse vom 31.03. und 30.09.1965, anders als zuvor im Schulabschlusszeugnis vom 16.03.1963, gute Noten erhielt.
Am 24.02.1966 wurde die Klägerin versuchsweise aus der Heimunterbringung entlassen. Nach jeweils kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen
wurde sie am 05.12.1966 erneut in das Jugendheim G verbracht und am 31.03.1967 in ein Mädchenwohnheim in L verlegt. Ab dem
03.04.1967 setzte sie die Lehre als Fotolaborantin fort und schloss diese am 13.02.1968 erfolgreich ab. Das AG N hob daraufhin
mit Beschluss vom 13.03.1968 die Fürsorgeerziehung auf. Die damals schwangere Klägerin verließ am 15.03.1968 das Wohnheim.
Sie heiratete. Aus dieser Ehe ging ihr am 00.00.1968 geborener Sohn hervor, den sie nach ihren Angaben die ersten sieben Jahre
selbst großgezogen hatte. Nach der Trennung und Scheidung von ihrem Ehemann war das Sorgerecht auf den Vater bzw die Großeltern
übertragen worden. Die Klägerin war zeitweise obdachlos. Nach ihren Angaben fanden 1976 pychotherapeutische bzw psychiatrische
Behandlungen statt. Unterlagen hierzu und weitere Erkenntnisse aus der Zeit von 1968 bis 1993 sind nicht aktenkundig.
Die Klägerin lebt seit 20 Jahren in einer Wohnung in L und bezieht Leistungen der Grundsicherung. Sie befand sich 1991/1994
bei Dr. I, L, aufgrund von Angstzuständen in psychotherapeutischer Behandlung. Dieser diagnostizierte als Hauptleiden eine
"neurotische Persönlichkeitsentwicklung mit frühgestörten Anteilen". Seit September 2001 erfolgte für längere Zeit eine Behandlung
bei der psychologischen Psychotherapeutin Dipl-Psych G (vormals Richter). Im Schwerbehindertenverfahren beschrieb die Therapeutin
im Januar 2013 eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung bei vorangegangener Posttraumatischer Belastungsstörung
(PTBS) aufgrund von Gewalterfahrungen während des Aufenthalts im Jugendheim G. Die Klägerin ist wegen einer schweren psychischen
Störung mit Ängsten und Zwängen schwerbehindert mit einem GdB 60; ihr sind die Nachteilsausgleiche G und B zuerkannt.
Am 22.05.2002 beantragte die Klägerin Leistungen nach dem
OEG. Sie nahm Bezug auf die in der beigefügten Stellungnahme der Dipl-Psych G genannten Störungen. Diese seien die Folge von
Vorfällen in den Jahren 1963 bis 1967 in der Anstalt für schwererziehbare Mädchen in D, Hessen. Hinsichtlich der Vorfälle
wies die Klägerin auf einen von ihr unter dem Titel "Heimatroman" verfassten autobiografischen Text. Hierin schildert sie
ua die für sie beängstigende Verbringung in die Fürsorgeeinrichtung, die Einzelheiten der ersten gynäkologischen Untersuchung
sowie den Aufenthalt in der Besinnungsstube. Für die gynäkologische Untersuchung sei sie seinerzeit in einen Raum geführt
worden, in welchem ein Mann an einem Tisch gesessen und in Papieren geblättert habe. Hier habe ein alter, rostiger gynäkologischer
Stuhl gestanden. Der Mann habe sie aufgefordert, ihre Unterhose auszuziehen und sich mit gespreizten Beinen auf den Stuhl
zu legen. Sie habe sich unter Schluchzen geweigert. Zwei Frauen hätten sie dann zu dem Gynäkologenstuhl gedrängt, ihren Oberkörper
nach hinten gedrückt, die Unterhose nach unten, das Hemd nach oben gezogen, ihre strampelnden Beine gespreizt und in den eisernen
Schlaufen des Stuhls gezwängt. Man habe die Schultern nach unten gedrückt, so dass sie sich nicht mehr habe wehren können.
Dann sei sie von dem Mann mit einem metallenen Instrument untersucht worden, wobei sie die Untersuchung nicht habe verstehen
und einschätzen können. Sie sei in die Besinnungsstube geschleift und dort eingeschlossen worden. Es habe dort eine fest angeschraubte
Pritsche mit einer zusammengefalteten Pferdedecke und eine Toilette ohne Brille gegeben. Das Fenster sei zugemauert gewesen.
Sie habe dort zwei Tage und zwei Nächte gesessen, bis sie angefangen habe zu schreien und die Decke in winzig kleine Stücke
zu zerreißen.
Der Beklagte nahm Einsicht in die beigezogenen Schwerbehindertenakten und lehnte mit Bescheid vom 18.09.2002 den Antrag der
Klägerin auf Zahlung von Versorgungsleistungen ab. Zur Begründung führte er aus, es stünden keine amtlichen Beweisunterlagen
zur Verfügung. Augenzeugen hätten nicht ermittelt werden können. Auch die geltend gemachten psychischen Gesundheitsstörungen
seien nicht geeignet, ihre Ursache zweifelsfrei einem Angriff zuzuschreiben.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Gewalttätigkeiten und Misshandlungen hätten in
den sechziger Jahren stattgefunden. Damals sei sie noch sehr jung gewesen sei. Die Gewalttaten hätten sie schwer traumatisiert.
Sie habe den gesamten Tatkomplex zunächst verdrängt, so dass es diesbezüglich zu einer Amnesie gekommen sei. Erst im September
2001 habe sich durch den Verlauf einer ärztlichen und psychologischen Behandlung herauskristallisiert, dass Ursache für die
zahlreichen Beschwerden die in der Jugend erlittenen Gewalttätigkeiten gewesen seien. Aus diesem Grund habe sie auch keine
Strafanzeige erstattet.
Der Beklagte wertete die beim Landeswohlfahrtsverband über die Klägerin geführten Fürsorgeakten aus und wies den Widerspruch
mit Bescheid vom 18.02.2003 zurück: Aus den beigezogenen Akten über die Fürsorgeerziehung im Jugendheim G und den dort sorgfältig
geführten Tagebüchern des Pflegepersonals bzw der Heimleitung ergebe sich, das Verfehlungen und Übergriffe der Erzieherinnen
und des medizinischen Personals gegen die Klägerin nicht erkennbar seien. Es habe seitens der Heimleitung eine gewisse Strenge
vorgeherrscht; dies sei bei dem zu betreuenden Personenkreis verständlich. Die medizinische Überprüfung auf evtl vorliegende
Krankheitserreger sei gesetzesmäßig und könne nicht als vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff angesehen werden. So
sei die Klägerin wiederholt aus der Anstalt geflohen.
Die Klägerin hat am 18.03.2003 Klage beim Sozialgericht (SG) Köln erhoben, zu deren Begründung sie zunächst im Wesentlichen auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen hat.
Sie hat zudem eine Stellungnahme der behandelnden Allgemeinmedizinerin Dr. T vom 23.01.2003 vorgelegt, wonach sie unter schweren
Ängsten, Depressionen und somatoformen Störungen leide. Auf Betreiben des SG hat die Klägerin ihr Vorbringen dahingehend konkretisiert, dass jedenfalls die im "Heimatroman" geschilderten gynäkologischen
Untersuchungen gegen ihren Willen mit Gewalt stattgefunden hätten. Diese seien maßgeblich nach dem
OEG zu beurteilen. Bezüglich des Einsperrens in die Besinnungsstube sei davon auszugehen, dass es sich um nicht gerechtfertigte
Freiheitsberaubung handele.
Das SG hat die angeführten Jugendamts- und Fürsorgeakten beigezogen und über die Vorfälle im Landesjugendheim G Beweis erhoben durch
Vernehmung der ehemaligen Beschäftigten, L, als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die
Anlage 1 der Sitzungsniederschrift des SG vom 07.07.2005.
Sodann hat das SG ein psychiatrisches Gutachten der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. C vom 27.06.2006 sowie ein
psychologisches Zusatzgutachten der Dipl-Psych. L vom 19.10.2006 eingeholt. Dr. C hat "eine PTBS, eine andauernde Persönlichkeitsänderung
nach Extrembelastung, einen Benzodiazepin- und Alkohol-Abusus sowie eine Migräne" diagnostiziert. Sie hat ausgeführt, dass
es sich um ein komplexes Beschwerdebild handele, so dass eine Differenzierung unterschiedlicher Gruppen von Vorfällen, die
zu der PTBS mit andauernder Persönlichkeitsstörung geführt haben, nicht möglich sei. Infolge der Verkettung von Vorfällen
sei es letztendlich zu den vorliegenden Störungen gekommen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die PTBS mit Persönlichkeitsänderung
betrage 80, für die Alkoholabhängigkeit 30, für die Benzodiazepinabhängigkeit 30 und für die Migräne 20. Die Gesamt-MdE sei
mit 100 zu bemessen. Die Dipl-Psych. L ist zu dem Ergebnis gekommen, die Angaben der Klägerin zu den gynäkologischen Untersuchungen
seien in mehr als einem Fall mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als glaubhaft einzustufen Gleiches gelte für die Angaben der
Klägerin zu dem Einsperren in dem Isolierraum. Es lägen aber auch frühkindliche Traumatisierungen vor; es sei von massiven
Störungen in den zentralen Bindungsbeziehungen zu den Eltern auszugehen.
Das SG hat mit Urteil vom 12.03.2007 die Klage abgewiesen: Es bestünden begründete Zweifel an der Intensität der an der Klägerin
verübten Zwangshandlungen. Selbst dann, wenn man von deren Rechtswidrigkeit ausgehe, bestehe keine hinreichende Wahrscheinlichkeit
des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den heute bestehenden gesundheitlichen Störungen und den zwangsweisen gynäkologischen
Untersuchungen sowie der Verbringung in die Besinnungsstube.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 23.03.2007 zugestellte Urteil am 18.04.2007 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie
auf das Ergebnis der Gutachten von Dr. C sowie der Dipl-Psych. L und des vom Senat nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachtens des Sachverständigen T1 Bezug nimmt. Die Sachverständigen hätten hinreichend
nachvollziehbar dargelegt, dass wesentliche Bedingung für die heute vorliegenden Beeinträchtigungen die 1964 bis 1967 erlittenen
Schädigungen seien. Die gegen die Klägerin gerichteten Maßnahmen könnten auch unter Beweis gestellt werden durch die Zeuginnen
S und T.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.03.2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 18.09.2002
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2003 zu verurteilen, die bei der Klägerin vorliegenden psychischen Gesundheitsstörungen
als Schädigungsfolge der Vorfälle in C/G nach dem
Opferentschädigungsgesetz anzuerkennen und ihr Versorgung nach einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 50 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend führt er aus, dass nicht mehr bezweifelt werde, dass es die gynäkologischen
Untersuchungen der Klägerin gegeben habe und dass diese zeitweise in der Besinnungsstube eingesperrt bzw in der Krankenstation
zwangsisoliert gewesen sei. Diese Vorfälle seien jedoch nicht als rechtswidrige tätliche Angriffe zu werten, sondern im Rahmen
der angeordneten Fürsorgeerziehung durch das den zuständigen Stellen übertragene Sorgerecht gedeckt. Zudem seien die bei der
Klägerin vorliegenden psychischen Störungen nicht kausal auf die behaupteten Vorfälle zurückzuführen.
Der Senat hat zunächst Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin T. Die Zeugin S war aus gesundheitlichen Gründen nicht vernehmungsfähig.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 07.01.2008.
Der Senat hat von der Sachverständigen Dr. C eine ergänzende Stellungnahme nach Aktenlage vom 01.07.2008 eingeholt. Diese
hat ausgeführt, bei einer Verkettung verschiedener traumatischer Erlebnisse sei eine Differenzierung unterschiedlicher Gruppen
von Vorfällen, die zu posttraumatischen Belastungsstörungen geführt hätten, nicht möglich. Infolge der Verkettung der Vorfälle,
darunter ein sexueller Missbrauch durch den eigenen Vater im Alter von zwei Jahren, Gewalterfahrungen in der Ehe sowie ein
sexueller Missbrauch durch einen behandelnden Gynäkologen, sei es zu den genannten Störungen gekommen. Die Sachverständige
ist bei ihrer bisherigen Einschätzung der Höhe der MdE verblieben.
Der Senat hat im Weiteren Beweis erhoben darüber, welche Schädigungsfolgen und welcher schädigungsbedingte Grad der Schädigungsfolgen
(GdS) vorliegt, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie C1 vom
14.04.2009. Die Sachverständige hat eine Borderline-Persönlichkeitsstörung gemäß ICD 10 F 60.3 und eine Disorder of Extrem
Stress, not otherwise specified, sogenannte DESNOS, nach ICD 10 nicht klassifizierbar, diagnostiziert. Hauptleiden sei die
schwere Persönlichkeits- und Reifungsentwicklungsstörung, die man diagnostisch als Borderline-Störung beschreiben würde. Diese
habe bereits vor dem Aufenthalt in C vorgelegen. Neben der Borderline-Störung und der DESNOS liege eine PTBS nicht vor, bzw
lasse sich nicht objektivieren. Die Historie der Entwicklung der Gesundheitsstörungen der Klägerin sei nicht rekonstruierbar.
Zwischen 1968 und 1993 lägen keine psychiatrischen Befunde und Behandlungsdokumentationen vor, ebenso nicht zwischen 1994
und 2001. Zudem unterlägen die anamnestischen Angaben der Klägerin selbst Einflüssen verzerrter Wahrnehmung. Ihr Aussageverhalten
habe sich im laufenden Verfahren hinsichtlich konkurrierender Teilursachen gravierend verändert. Das eklatanteste Beispiel
sei insoweit der zunächst behauptete sexuelle Missbrauch durch den Vater im Alter von zwei Jahren, was bereits mit der Tatsache,
dass ein autobiografisches Gedächtnis bei Menschen erst ab dem dritten Lebensjahr angenommen werde, nicht in Übereinstimmung
zu bringen sei. Zudem habe die Klägerin diese Vorfälle auch ihr gegenüber widerrufen. Bei einer solch schweren Aufklärbarkeit
einerseits und der Verkettung vieler Teilfaktoren andererseits, sei eine Aussage, welche Situation und welche Tat welchen
Anteil an der heute festzustellenden psychischen Störung der Klägerin habe, nicht möglich. Es bestünden viele ineinander verwobene
Kausalreihen; eine Abgrenzung der einen von der anderen sei nicht möglich. Damit ließen sich auch keine Schädigungsfolgen
abgrenzen und es könne kein GdS vorgeschlagen werden. Der im Sinne des Schwerbehindertenrechts vorliegende GdB für die psychische
Erkrankung betrage 80. Bereits die Vorgutachterin Dr. C habe zu Recht ausgeführt, aufgrund einer Verkettung verschiedener
Gruppen von Vorfällen sei nicht mehr zu ermitteln, welche Ereignisse in welchem Umfang schädigendes Ausmaß hatten. Möglicherweise
habe sich bei ihr ein Verständnisfehler eingeschlichen, der darin bestehe, dass die MdE mit dem GdB verwechselt worden sei,
denn eine MdE impliziere immer eine kausale Zuordnung, die die Vorgutachterin aber ausdrücklich verneint habe.
Die Klägerin hat Einwände gegen die Art der Anamneseerhebung erhoben. Die Borderline-Symptomatik sei noch von keinem Arzt
oder Therapeuten gestellt worden. Sie verstehe nicht, warum die unwahren Klatsch- und Tratschgeschichten, die zur Heimeinweisung
geführt hätten, immer wieder erwähnt würden.
Der Senat hat daraufhin einen Befundbericht der Dipl-Psych. G eingeholt. Diese hat mit Schreiben vom 12.10.2009 mitgeteilt,
mit der Klägerin zwischen 2001 und 2004 in 80 Sitzungen traumabezogene Verhaltenstherapien und 2005 und 2006 weitere 9 Sitzungen
durchgeführt zu haben. Die Klägerin leide an einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach vorangegangener PTBS.
Die Sachverständige C1 hat der ergänzenden Stellungnahme vom 08.06.12 an ihren Feststellungen festgehalten und angeregt, die
Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens in Erwägung zu ziehen.
Auf Antrag der Klägerin ist nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ein Gutachten des Facharztes für Neurologie, für Psychiatrie und Psychotherapie mit der Zusatzbezeichnung spezielle Psychotraumatologie
T1, Leitender Oberarzt der Klinik T in E vom 08.08.2011 eingeholt worden. Es liege ein sehr gemischtes komplexes Krankheitsbild
mit der Vermischung unterschiedlicher Symtomkomplexe vor, was das Erkennen und die Beurteilung nicht erleichtere. Die Klägerin
sei keine einfache Jugendliche gewesen, die ihre massiv überforderte Mutter weit über deren Grenzen getrieben habe. Es sei
dann für die Klägerin zur subjektiv lebensbestimmenden Krise durch die Interventionen des Jugendamtes gekommen. Es fänden
sich aktenkundige Hinweise dafür, die eine posttraumatische Symtomatik beschreiben. Nach Aktenlage ergebe sich, dass die Ereignisse
in C durch die Vorerfahrungen eine besonders traumatische Durchschlagskraft erhalten hätten. Die gynäkologischen Zwangsuntersuchungen
und die Zwangsisolationen seien - so ausdrücklich der Sachverständige - hypothetischerweise bei einem verängstigten und unerfahrenen
Mädchen erfolgt, das allein durch die Verbringung nach C und die Entpersönlichung in der Aufnahmeprozedur in den tiefsten
Grundfesten erschüttert worden sei. Bei der Klägerin liege eine komplexe PTBS (iSd Entstehung), sowie eine emotional instabile
Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ vor. Letztere habe schon vor der Verbringung nach C bestanden; es sei allerdings
im späteren Lebensverlauf eine Richtung gebende Verschlimmerung eingetreten, wobei er insoweit eine direkte Bezogenheit auf
die gynäkologischen Zwangsuntersuchungen oder die Zwangsisolationen nicht habe feststellen können. Die PTBS sei ursächlich
im Sinne der Entstehung auf die schädigenden Ereignisse in C in der Zeit zwischen 1964 und 1967 zurückzuführen. Die Klägerin
sei besonders betroffen durch die gynäkologischen Zwangsuntersuchungen, die Zwangsisolationen und den Moment der Verbringung
nach C. Im Vergleich dieser Gruppen überwögen die gynäkologischen Zwangsuntersuchungen und die Zwangsisolationen die Betroffenheit
durch die Verbringung an sich. Hinsichtlich des Vorliegens der PTBS stimme er mit der Vorgutachterin Dr. C überein, hinsichtlich
der Vorliegens einer Persönlichkeitsstörung mit der Vorgutachterin C1. Es sei davon auszugehen, dass der Gesamtkomplex C einen
mindestens gleichwertigen, wenn nicht gar einen überwiegenden Anteil an dem aktuellen Störungsbild besitze. Als Einzel-GdS
für die PTBS sei mindestens 50 anzunehmen. Insgesamt sei von einem GdB im Sinne des Schwerbehindertenrechts von mindestens
80 auszugehen.
Zu diesem Gutachten hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen C1 nach Aktenlage eingeholt. Diese ist
bei ihrer bisherigen Auffassung verblieben und hat insbesondere ausgeführt, dem Sachverständigen T1 hätte das unterschiedliche
Aussageverhalten der Klägerin im Zeitverlauf auffallen müssen und er hätte die Klägerin bei der Begutachtung damit konfrontieren
müssen.
Dies sei aber nicht geschehen. So habe die Klägerin beispielsweise bislang immer ihre Eltern als gewalttätig dargestellt.
Beim Sachverständigen T1 habe sie demgegenüber von einer erfüllten Kindheit gesprochen, von der sie glaube, dass diese sie
später geschützt habe. Auch habe die Klägerin bei den Sachverständigen Dr. C und Dipl-Psych. L angegeben, sie sei durch ihren
Ehemann gezwungen worden, Alkohol zu trinken und dieser habe sie unter Alkoholeinfluss missbraucht. Der Sachverständigen C1
gegenüber habe sie hingegen angegeben, in der Ehe keine Gewalt erlebt zu haben. Es sei auch nicht schlüssig, warum der Sachverständige
T1 bei einem Gesamt-GdB von mindestens 80 für die Psyche der Borderline-Persönlichkeitsstörung nur ein Gewicht von etwa 30
gebe, weil es sich hierbei definitionsgemäß um eine schwere Störung handele.
Schließlich hat der Senat ein aussagepsychologisches Gutachten von Prof. Dr. T2 vom 23.01.2013 nebst ergänzender schriftlicher
Stellungnahme vom 31.08.2013 nach Aktenlage eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, die sog Lügenhypothese könne mit
aussagepsychologischer Analysemethodik nicht zurückgewiesen werden, weil die methodischen Möglichkeiten hierzu entwertet worden
seien. Es gebe zudem positive Hinweise auf bewusste Dramatisierung von autobiographischen Detailangaben. Die Suggestionshypothese
könne nicht wiederlegt werden; es seien starke potentiell suggestive Faktoren identifizierbar. Sowohl für die Gültigkeit der
Lügenhypothese als auch für die Suggestionshypothese gelte jeweils eine höhere Wahrscheinlichkeit als für die Erlebnishypothese.
Für die Erlebnishypothese gebe es keine positiven aussagepsychologischen Indikatoren. Auch sei von einer zukünftigen personenbezogenen
Begutachtung der Klägerin aus methodischen Gründen kein aussagepsychologischer Erkenntnisfortschritt zu erwarten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, der Jugendamts-
und Fürsorgeakten sowie auf die Publikation von Peter Wensierski, "Schläge im Namen des Herrn: Die verdrängte Geschichte der
Heimkinder in der Bundesrepublik", Deutsche Verlags-Anstalt, 3. Aufl. 2006, Bezug genommen. Diese Akten und Unterlagen waren
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung der geltend gemachten Schädigungsfolgen
und Gewährung von Versorgung. Ihr ist eine Beschädigtenrente wegen der Vorfälle in C/G nicht zu zahlen.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist §
1 Abs
1 S 1
OEG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der
Vorschriften des BVG, ua Beschädigtenrente nach § 31 Abs 1 BVG, wer im Geltungsbereich des
OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. In Altfällen wie
dem Vorliegenden, also bei Schädigungen zwischen dem Inkrafttreten des
Grundgesetzes am 23.05.1949 und dem Inkrafttreten des
OEG am 16.05.1976 müssen daneben noch die besonderen Voraussetzungen des §
10 S 2 i.V.m. §
10a Abs
1 S 1
OEG erfüllt sein. Nach dieser Härteregelung erhalten Personen, die im genannten Zeitraum geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung,
solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und zudem bedürftig sind und im Geltungsbereich des
OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale - schädigende Ereignisse,
Primärschaden und gesundheitliche Folgeschäden - müssen nachgewiesen sein, für die sog haftungsausfüllende Kausalität (Kausalzusammenhang
zwischen schädigendem Ereignis und Primärschaden) und die haftungsbegründende Kausalität (Kausalzusammenhang zwischen Primärschaden
und gesundheitlichen Folgeschäden) genügt der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit (vgl Urteil des LSG Berlin-Brandenburg
vom 22.11.2012, L 11 VU 15/09 mwN, [...]).
Nach Ansicht des Senats hat es während des Aufenthalts der Klägerin im Landesjugendheim G, ehemals L C, keine vorsätzlichen
rechtswidrigen tätlichen Angriffe iS des §
1 Abs
1 S 1
OEG gegen diese gegeben. Zudem ist nicht nach nachgewiesen, dass die Klägerin durch den Aufenthalt im Landesjugendheim G einen
Primärschaden und von dem heutigen Krankheitsbild abgrenzbare Schädigungsfolgen mit einem GdS von mindestens 50 erlitten hat.
Der Begriff des vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des §
1 Abs
1 S 1
OEG hat durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Entwicklung erfahren, die zuletzt in der sogenannten "Stalking"-Entscheidung vom 07.04.2011, B 9 VG 2/10 R (veröffentlicht in [...], Das Rechtsportal, - [...] -) sowie nochmals in den Entscheidungen vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R und B 9 V 3/12 R ([...]) dargelegt ist. Dem schließt sich der Senat an. Es ist danach maßgeblich auf die Rechtsfeindlichkeit des Täters, vor
allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen. Von subjektiven Merkmalen auf Seiten des vermeintlichen
Opfers hat sich die Auslegung weitestgehend gelöst (vgl Urteile des BSG vom 07.04.2011, [...] Rn 32 und vom 17.04.2013, [...] Rn 28, jeweils mwN).
Allgemein setzt ein tätlicher Angriff eine unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung voraus,
wobei idR die Angriffshandlung den Tatbestand einer vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit
erfüllt (Urteile vom 17.04.2013, [...] Rn 28 mwN und vom 29.04.2010 [...], mwN). Die Gewaltanwendung muss sich körperlich
(physisch) auf das Opfer auswirken (Urteil vom 07.04.2011, [...] Rn 36 mwN und für das Folgende Rn 37 ff), ihrer äußeren Gestalt
nach aber nicht unbedingt ein aggressives Verhalten des Täters darstellen. Je geringer jedoch die Kraftanwendung durch den
Täter, desto genauer muss geprüft werden, inwiefern durch die Handlung eine Gefahr für Leib oder Leben des Opfers bestand.
So hat das BSG in der Entscheidung B 9 V 3/12 R vom 17.04.2013 ([...]) dargelegt, dass nicht jede Vernachlässigung von Kindern und jede missbräuchliche Ausübung der elterlichen
Sorge, die das Wohl des Kindes gefährdet, als Gewalttat angesehen werden kann.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat es das BSG für das Phänomen des sogenannten "Stalking" abgelehnt, dieses als einen einheitlichen schädigenden Vorgang zu sehen und als
tätlichen Angriff im Sinne des
OEG zu bewerten (Urteil vom 07.04.2011, [...] Rn 57). Hierbei hat es unter "Stalking" Verhaltensweisen verstanden, die sich dadurch
auszeichnen, dass einer anderen Person fortwährend nachgestellt, aufgelauert oder auf andere Weise mit hoher Intensität Kontakt
zu ihr gesucht bzw in ihren individuellen Lebensbereich eingegriffen wird. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben des
OEG müsse jede einzelne Stalking-Handlung daraufhin geprüft werden, ob jeweils nach den maßgeblichen Kriterien ein vorsätzlicher,
rechtswidriger tätlicher Angriff vorliegt (Urteil vom 07.04.2011, [...] Rn 61). Auch der Senat geht davon aus, dass die Grenze
der Wortlautinterpretation des §
1 Abs
1 S 1
OEG, wie bei den Fallgruppen des Stalking jedenfalls dann erreicht ist, wenn sich die auf das Opfer gerichtete Einwirkung ohne
Einsatz körperlicher Mittel allein als intellektuelle oder psychisch vermittelte Beeinträchtigung darstellt und nicht unmittelbar
auf die körperliche Integrität abzielt. Damit kann auch die Fürsorgeerziehung der Klägerin bzw ihr Aufenthalt im Landesjugendheim
G in der Zeit von 1964 bis Anfang 1967 insgesamt unter Einbeziehung sämtlicher dortigen Vorkommnisse, insbesondere der von
der Klägerin im "Heimatroman" geschilderten alltäglichen Demütigungen, dem Zwang zur Arbeit, dem von ihr als eklig empfundenen
Essen, der von ihr als unwürdig empfundenen Kleidung, nicht als einheitlicher schädigender Vorgang gewertet werden. Weder
mit dem Zur-Verfügungstellen bestimmter Kleidung oder bestimmten Essens noch der Durchsetzung einer bestehenden Arbeitsplicht
ist ein unmittelbares körperliches Einwirken verbunden. Insbesondere bestand hierdurch keine Gefahr für Leib oder Leben der
Klägerin. Dies gilt umso mehr für das geschilderte Klima der Gewalt und der alltäglichen Demütigungen als lediglich intellektuell
bzw psychisch vermittelte Beeinträchtigungen.
Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Sachverständigen T1 schon das Verbringen nach C als Angriff
empfunden hat, so wurden damit gerichtliche Entscheidungen umgesetzt. Es handelte sich daher nicht um eine rechtswidrige Maßnahme.
Dieser Gesichtspunkt bedarf keiner weiteren Erörterung.
Auch bei den gynäkologischen Zwangsuntersuchungen sowie dem Einsperren in die Besinnungsstube und den Aufenthalten in der
Kranken / Isolierstation handelt es sich nicht um rechtswidrige tätliche Angriffe iSd §1 Abs 1 S 1
OEG.
Die gynäkologischen Untersuchungen haben zwar stattgefunden, was durch die in der Fürsorgeakte enthaltenen Laborergebnisse
belegt wird. Dass es grundsätzlich in C solche Untersuchungen gegeben hat, wird auch durch die vorliegenden historischen Unterlagen
und die Schilderungen in der Publikation von Wensierski, aaO, bestätigt, der beschreibt, es sei in C üblich gewesen, dass
sich die Jugendlichen bei Aufnahme in die Einrichtung auch gegen ihren Widerstand einer gynäkologischen Untersuchung unterziehen
mussten.
Für die Bewertung eines ärztlichen Eingriffs als vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des
OEG ist Voraussetzung, dass dieser als vorsätzliche Körperverletzung strafbar ist (vgl hierzu sowie dem folgenden Urteil des
BSG vom 29.04.2010, B 9 VG 1/09 R in [...], Rn 42 ff). Selbst wenn dies der Fall ist, müssen bestimmte weitere Voraussetzungen hinzutreten, um die Grenze zu
einem Angriff zu überschreiten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ärztliche Eingriffe, wie die gesamte Tätigkeit von Ärzten,
von einem Heilauftrag bestimmt und damit grundsätzlich in der Absicht durchgeführt werden, zu heilen. Ein Patient wird unter
Berücksichtigung des Schutzzwecks des
OEG nur dann zum Gewaltopfer, wenn ein als vorsätzliche Körperverletzung strafbarer ärztlicher Eingriff objektiv in keiner Weise
seinem Wohl dient.
Bei einer gynäkologischen Untersuchung wird in die körperliche Unversehrtheit der Patientin insoweit eingegriffen, als ein
Spekulum in die Vagina eingeführt wird. Im Weitesten könnte dies bereits eine Tätlichkeit gegen die Untersuchte darstellen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob damit bereits die Erheblichkeitsschwelle zur körperlichen Misshandlung im Sinne des §
223 Abs
1 des
Strafgesetzbuches (
StGB) überschritten ist. Ebenso, ob eine etwa hierin zu sehende Tätlichkeit nicht wegen der Einwilligung der Heimleitung, welcher
die tatsächliche Personensorge für die Klägerin oblag, jedenfalls gerechtfertigt gewesen wäre. Die Personensorge, die seit
2002 in §
1626 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB) geregelt ist und bis 1980 als elterliche Gewalt bezeichnet wurde, umfasst ua die Einwilligung in ärztliche Eingriffe, jedenfalls
dann, wenn das Kind/der Jugendliche nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und die Tragseite des Eingriffs
nicht zu ermessen vermag (vgl hierzu Urteil des Landgerichts G vom 14.09.2004, XXX, [...], Rn 21 mwN). Die Klägerin war zum
Zeitpunkt der Untersuchungen bereits 16 Jahre alt bzw älter. Ihrem Willen kam daher grundsätzlich durchaus Bedeutung zu, da
sie nach ihrem Lebensalter in der Lage gewesen sein müsste, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs zu ermessen. Andererseits
wird man der Heimleitung zubilligen müssen, dass sie die Möglichkeit gehabt haben muss, zum Schutz vor Infektions- und Geschlechtskrankheiten
der anderen Mädchen/jungen Frauen Untersuchungen auch gegen den Willen der Betroffenen zu Präventionszwecken durchzusetzen.
Jedenfalls liegt ein Angriff des untersuchenden Arzt gegen die Klägerin unter Zugrundelegung der Vorgaben der Rechtsprechung
zur Bewertung ärztlicher Eingriffe (aaO) nicht vor. Für den Arzt stellte sich die Situation damals so dar, dass er, entsprechend
dem üblichen Protokoll bei Neuaufnahme in das Fürsorgeheim bzw Wiederaufnahme nach Entweichungsversuchen zum Schutze sowohl
der anderen Fürsorgezöglinge als auch der Klägerin selbst eine Untersuchung auf vorliegende Geschlechtskrankheiten durchführen
musste. Die von ihm durchgeführten Untersuchungen dienten damit (jedenfalls auch) objektiv dem Wohl der Klägerin. Dass dies
von ihr selbst nicht so empfunden wurde, sondern sie die Untersuchungen als sehr belastend und sie in ihrer Intimsphäre beeinträchtigend
wahrnahm, ist Folge der näheren Umstände, unter welchen sie durchgeführt wurden, nicht eines rechtsfeindlichen Verhaltens
des Arztes. So ist davon auszugehen, dass auf die Empfindlichkeiten der Mädchen während der Untersuchungen wenig Rücksicht
genommen wurde, diesen nicht erklärt wurde, dass und warum die Untersuchungen durchgeführt wurden und was genau mit ihnen
passierte. Das Verhalten des untersuchenden Arztes, wie iü auch das der anwesenden Erzieherinnen bzw Krankenschwestern, ist
aus heutiger Sicht sicher als unangebracht und pädagogisch schädlich zu betrachten, worauf bereits der Sachverständige Dr.
T1 hingewiesen hat. Objektiv in keiner Weise dem Wohl der Klägerin und der anderen Mädchen dienend und damit rechtsfeindlich
war es jedoch nicht.
Auch das Verhalten der bei den Untersuchungen anwesenden Erzieherinnen bzw Krankenschwestern kann nicht als Angriff iS des
OEG gewertet werden. Auch für diese gilt in besonderem Maß, dass sie sich unangebracht und mit pädagogischen Grundsätzen nicht
in Übereinstimmung zu bringend verhalten haben. Wie in den Fällen der Vernachlässigung von Kindern durch ihre Eltern kann
jedoch nicht jede Ausübung der Personensorge, die das seelische Wohl des Kindes gefährdet, als Gewalttat angesehen werden.
Nur dann, wenn die Untersuchung an sich und/oder das Verhalten der Erzieherinnen bzw Krankenschwestern, die die Durchführung
der Untersuchung erzwangen, in übergriffige Tätlichkeiten gegen die Klägerin ausgeartet wären, läge eine gewaltsame Einwirkung
vor. Wenn die Durchführung der Untersuchungen unter keinem Gesichtspunkt notwendig gewesen und von zB Absichten zu sexuellem
Missbrauch oder körperlicher Misshandlung geprägt gewesen wären, wäre die Erheblichkeitsschwelle zur körperlichen Gewalt und
damit zum tätlichen Angriff überschritten gewesen.
Dies kann jedoch nicht festgestellt werden. Für eine solche Übergriffigkeit der Erzieherinnen bzw des medizinischen Personals
oder gar des Arztes gibt es keine beweiskräftigen Anhaltspunkte. Vielmehr hielten die Erzieherinnen/Krankenschwestern die
Klägerin zur Überzeugung des Senats höchstens fest, damit der Arzt seine Untersuchungen durchführen konnte. Damit war zwar
eine gewisse physische Einwirkung auf den Körper der Klägerin verbunden. Diese hielt sich jedoch im Rahmen der dem Heim obliegenden
Gesundheitsfürsorge. Zu bedenken ist auch, dass der Umgang mit der Klägerin schwierig war und sich diese nach ihren Schilderungen
mit körperlichem Einsatz der Untersuchung bei der Aufnahme widersetzt hatte. Soweit die Klägerin mit Kraft und Gewalt auf
den Behandlungsstuhl gehoben und bei der Untersuchung festgehalten wurde und man ihr durch Wegschieben der Unterhose und des
Unterhemds den Intimbereich für die Untersuchung zugänglich gemacht hat, stellt dies ein physisches Einwirken auf den Körper
der Klägerin dar, das sie durch ihren Widerstand aber auch provoziert hatte. Unter diesem Gesichtspunkt vermag der Senat das
angeschuldigte Verhalten der bei der Untersuchung anwesenden Erzieherinnen/Krankenschwester für sich gesehen nicht als rechtsfeindlichen
Angriff iSd §
1 OEG zu bewerten. Übergriffige Tätlichkeiten wie gewaltsame Züchtigungen durch Schläge oder sexuellen Missbrauch bei den Untersuchungen
werden von der Klägerin nicht beschrieben.
Auch die Zwangsisolation in der sogenannten Besinnungsstube und die Aufenthalte in der Kranken- und Isolierstation bewertet
der Senat nicht als rechtsfeindliche, rechtswidrige tätliche Angriffe iS des §
1 Abs
1 S 1
OEG.
Diese Besinnungstube hat es in C gegeben. Das ist in den beigezogenen Akten des Fürsorge- und Jugendamtes dokumentiert. So
wird in einem sogenannten diagnostischen Erstbericht des Jugendheims G an die Hauptverwaltung Erziehungshilfe in L von Januar
1965 berichtet, die Klägerin sei nach einem Entweichungsversuch vom 06.09.1964 in die Besinnungsstube gebracht worden sei.
Gleiches für den 05.10.1964, diesmal aufgrund eines Vergehens gegenüber einer Erzieherin. Auch die Aufenthalte in der Kranken-
und Isolierstation sind dokumentiert und gehörten zum üblichen Aufnahmeprotokoll der Einrichtung. In dem genannten Bericht
der Direktorin des Jugendheims Jungermann ist vermerkt, dass sich die Klägerin nach ihrer Aufnahme am 04.08.1964 bis zum 12.09.1964
in der Kranken- und Isolierstation aufgehalten habe. Auch den wiederholten Fluchtversuchen folgte jeweils ein erneuter Aufenthalt
in der Kranken- und Isolierstation.
Zur Überzeugung des Senats waren sowohl das Einsperren in der Kranken- und Isolierstation als auch in der Besinnungsstube
gerechtfertigt. Da sich die Klägerin aufgrund rechtskräftiger vormundschaftsgerichtlicher Entscheidungen in Fürsorgeerziehung
befand, war die Heimleitung berechtigt, disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen. Dass dies beispielsweise zum Verhindern weiterer
Fluchtversuche erforderlich war, ist nach Aktenlage nachvollziehbar. Die Klägerin hat mehrfach, so am 16.08.1964, am 06.09.1964,
im Oktober 1964, am 16.08.1965 und am 06.01.1967 versucht, aus der Einrichtung zu entweichen. Dass die Intensität dieser Disziplinarmaßnahmen
ihre Rechtswidrigkeit begründen könnte, kann nicht festgestellt werden. Eine mehrtägige Isolation in dem Besinnungsstübchen
ist in den beigezogenen Akten nicht dokumentiert. Die entsprechenden Angaben der Klägerin sind nach dem Gutachten von Prof.
Dr. T2 nicht glaubhaft. Die Isolation auf der Krankenstation dauerte zwar mehrere Tage an, diente aber dem Schutz (auch) der
anderen Mädchen/jungen Frauen vor Infektionen und Geschlechtskrankheiten und war damit gerechtfertigt (s.o.).
Es kann ebenfalls nicht festgestellt werden, dass es bei der Durchsetzung der Fürsorgeerziehung zu hierfür nicht notwendigen
Übergriffen der Erzieherinnen gegen die Klägerin gekommen ist, die als rechtsfeindlich und damit als rechtswidriger tätlicher
Angriff zu werten sind. Auch insoweit war das Verhalten der Erzieherinnen gegenüber den in der Einrichtung untergebrachten
Mädchen und jungen Frauen sicher unangemessen und entsprach nicht den Zielen der Fürsorgeerziehung und dem Wohl der Betroffenen
(§§ 1 und 3 JWG). Bereits das Marburger Institut für Sonderschulpädagogik stellte 1969 fest, dass in dem Jugendheim G keine
wirkliche Erziehung stattfände und das dortige Personal nicht ausreichend erzieherisch und therapeutisch geschult war. Dies
impliziert jedoch nicht, dass das unpädagogische Verhalten des Personals als Angriffshandlungen im Sinne des Opferentschädigungsrechts
gewertet werden kann. Vielmehr liegt lediglich eine intellektuelle und psychische Beeinträchtigung der dem Schutz der Erzieherinnen
anvertrauten Fürsorgezöglinge vor, die nicht unmittelbar auf die körperliche Integrität abzielte. Im Hinblick auf die Grenze
der Wortlautinterpretation des §
1 Abs
1 S 1
OEG stellt dies keinen Angriff dar.
Soweit sich aus den Schilderungen der Klägerin, insbesondere über ihre Verbringung in die Besinnungsstube, zumindest ansatzweise
Übergriffigkeiten der Erzieherinnen gegen sie ergeben, die die Schwelle zum tätlichen Angriff überschritten haben könnten,
wird auch dies vom Senat seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt, da nicht mehr festgestellt werden kann, dass diese Erinnerungen
der Klägerin in allen Einzelheiten richtig sind. Möglicherweise sind sie, wie der Sachverständige Prof. Dr. T2 dargelegt hat,
durch Suggestion entstanden bzw haben zumindest eine erhebliche Dramatisierung erfahren.
Selbst wenn die angeschuldigten Vorfälle als rechtsfeindliche Übergriffe bewertet und als Angriffe iSd
OEG einstuft werden, sind ausgehend von dem heutigen Krankheitsbild ein dadurch entstandener Primärschaden und heutige Schädigungsfolgen
mit einem GdS von mindestens 50 nicht abgrenzbar. Die bei der Klägerin vorliegenden "psychische Gesundheitsstörungen" können
nicht als Schädigungsfolge anerkannt werden. Ein GdS ist deshalb nicht festzustellen.
Nach den Feststellungen der Sachverständigen C1 und T1 leidet die Klägerin an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Deren
Feststellungen hält der Senat für überzeugend. Sie haben das Krankheitsbild unter Berücksichtigung der Jugendzeit und der
aktenkundigen Vorgeschichte entsprechend nachvollziehbar klassifiziert. Die Sachverständige Dr. C hat diesen Befund hingegen
nicht erhoben, sondern eine PTBS und hieran anschließend eine "andauernde Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung" beschrieben.
Letzterem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Die Sachverständige C1 hat überzeugend begründet, dass bei der Klägerin keine PTBS vorliegt. Sie bezeichnet das Krankheitsbild
insoweit als DESNOS und hat insbesondere in ihrer Stellungnahme vom 22.04.2013 deutlich gemacht, dass kein Primärschaden in
Gestalt etwa eines psychischen Traumas und hieraus folgend einer PTBS nach Entlassung der Klägerin aus der Fürsorgeerziehung
aktenkundig und erkennbar ist. Weder aus der Dokumentation während des Heimaufenthaltes aber auch nicht aus der Zeit nach
der Entlassung gebe es Hinweise auf eine Schädigung, die sich von dem belegbaren Vorschaden unterscheide und irgendwelche
Rückschlüsse auf die Wechselwirkung zwischen den angeschuldigten Ereignissen und dem Gesundheitszustand der Klägerin iS eines
Primärschadens zulasse. Es lasse sich auch keine Symptomhistorie konstruieren. Die Sachverständige C1 ist zu der Schlussfolgerung
gekommen, dass die angeschuldigten und ihr zur Beurteilung vorgegebenen Vorfälle nicht abgrenzbar seien.
Im Kern kommt auch die im Klageverfahren gehörte Sachverständige Dr. C zu diesem Ergebnis, denn auch sie hält aufgrund der
Verkettung verschiedener traumatischer Erlebnisse eine Differenzierung unterschiedlicher Gruppen von Vorfällen, die zur Annahme
von PTBS geführt haben, nicht für möglich. In diese Gruppen bezieht sie den sexuellen Missbrauch durch den Vater, Gewalterfahrungen
in der Ehe sowie einen sexuellen Missbrauch durch einen Gynäkologen ein. Es handelt sich um Vorfälle, an denen die Klägerin
letztlich nicht mehr festhält. Soweit die Sachverständige eine PTBS als Krankheitsbild diagnostiziert, begründet sie dies
nicht. Sie beschreibt auf Seite 35 bis 38 die Merkmale einer PTBS, sie subsumiert das Krankheitsbild der Klägerin allerdings
nicht unter diese Merkmale. Das Gutachten enthält keine Diskussion der Kriterien und begründet nicht, warum bei der Klägerin
eine PTBS vorliege. Es ist nicht geeignet, die sorgfältige Subsumtion der Sachverständigen C1 in Zweifel zu ziehen. Die Sachverständige
Dr. C misst der Vorgeschichte überhaupt keine Bedeutung bei, dies weder bei der Frage für die Kausalität der PTBS, die sie
unausgesprochen als wesentlich unterstellt, aber auch nicht bei der Beurteilung des GdS, den sie wie einen GdB beurteilt,
aber als MdE bezeichnet.
Der Argumentation des nach §
109 SGG gehörten Sachverständigen T1 bezüglich des Vorliegens einer PTBS schließt sich der Senat gleichfalls nicht an. Ebenso nicht
der Schlussfolgerung, die Zwangsuntersuchungen und Zwangsisolierungen in C seien mindestens gleichwertig kausal für die von
ihm angenommene PTBS im Vergleich zu den späteren oder früheren Erlebnissen. Die Ausführungen des Sachverständigen sind nicht
schlüssig, weil dieser trotz gegenteiliger Hinweise in den Akten und in den Vorgutachten nur die Angaben der Klägerin berücksichtigt
und diese wie er ausdrückt - hypothetischerweise - seiner Beurteilung zugrunde legt. Er setzt sich nicht mit der Vorgeschichte
auseinander, wie sie in den zeitnahen immerhin drei gerichtlichen Entscheidungen und auch in den Fürsorgeakten niedergelegt
ist und legt Angaben der Klägerin zugrunde, die nachweislich unzutreffend sind. Die Sachverständige C1 hat in ihrer ergänzenden
Stellungnahme vom 08.06.2012 dementsprechend auch zu Recht angemerkt, dass der Sachverständige T1 das offensichtlich widersprüchliche
Aussageverhalten der Klägerin im Zeitverlauf nicht berücksichtigt und er die Klägerin hiermit auch nicht konfrontiert hat.
Der Sachverständige T1 konzentriert sich in seiner Beurteilung nicht auf die streitigen Vorfälle. Er nimmt insoweit eine Gesamtbetrachtung
der Lebensbedingungen von "C" vor und bezieht Ereignisse aus der Kindheit als Ursache für das Entstehen der PTBS ein. Ausdrücklich
erwähnt er, dass die Ereignisse in C aufgrund der Vorerfahrungen eine besondere "traumatische Durchschlagskraft" erhalten
hätten. Er stützt seine Beurteilung im Weiteren auf die Verbringung nach C und die Entpersönlichung in der Aufnahmeprozedur,
die die Klägerin in ihren tiefsten Grundfesten erschüttert habe, wobei die unerklärte Verbringung den Boden für die intensive
"traumatische Durchschlagskraft" der Abstrichnahme bereitet habe. Das Hauptgewicht seiner Argumentation liegt ersichtlich
in den Vorerfahrungen und die Verbringung nach C, wobei er beiden Kausalketten jeweils eine traumatische Durchschlagskraft
beimisst. Fehlerhaft bezieht er diese beiden Kausalketten in die Gewichtung der Belastungen durch die Zwangsuntersuchungen
und Zwangsisolierungen ein. Hierin sieht der Senat keine weitere Extrembelastung. Dass diese Vorfälle für sich gesehen kausal
für eine nachhaltige bzw. erst nach etwa 30 Jahren manifestierte PTBS gewesen sein können, begründet er nicht. Er lässt bei
seiner Befunderhebung außer Betracht, dass in den Fürsorgeakten C keine Krankheiten und gesundheitlichen Schäden dokumentiert
sind. Er diskutiert nicht einmal das Fehlen von Brückensymptomen. Seine Ausführungen sind nicht geeignet den Nachweis zu erbringen,
dass die Zwangsuntersuchungen und Zwangsisolierungen für sich gesehen als mindestens gleichwertig kausal für die von ihm angenommene
PTBS im Vergleich zu den späteren oder früheren Erlebnissen zu bewerten. Der Senat schließt sich in vollem Umfang dem Ergebnis
der Sachverständige C1 an: Unerheblich ist, ob man von der Diagnose PTBS oder DESNOS ausgeht. Es lassen sich daraus keine
Rückschlüsse auf das schädigende Ereignis ziehen und es besteht auch keine Brücke zu einem Primärschaden. Dies überzeugt.
Auch die bei der Klägerin vorliegende Borderline-Persönlichkeitsstörung ist nicht kausal auf Vorfälle in C zurückzuführen.
Davon gehen die Sachverständigen C1 und T1 aus.
Es kann nach alledem nicht festgestellt werden, dass das heutige Krankheitsbild mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die
angeschuldigten Vorfälle in C zurückzuführen ist. Dies gilt für vorliegende Borderline-Persönlichkeitsstörung, gleichermaßen
aber auch für den von der Sachverständigen C1 erhobenen Befund der DESNOS.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 SGG) sind nicht gegeben.