Keine Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung für selbstbeschaffte Liposuktionen an Oberschenkeln und Oberarmen
Kein Eintritt der Genehmigungsfiktion
Keine Kostenerstattung wegen nicht rechtzeitiger Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung oder einer Leistungsablehnung
zu Unrecht
Keine Erfüllung der Anforderungen des Qualitätsgebots
Keine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses
Keine grundrechtsorientierte Leistungsauslegung
Tatbestand
Die Klägerin begehrt hauptsächlich die Erstattung von Kosten für selbstbeschaffte Liposuktionen der Oberschenkel sowie eine
Versorgung der Oberarme mit stationären Liposuktionen.
Die am 00.00.1968 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin sprach am 14. September 2015 bei der
Beklagten persönlich vor und beantragte eine Kostenübernahme für eine Liposuktion der Oberarme und Oberschenkel unter stationären
Bedingungen. In dem zur Begründung des Antrags überreichten Bericht des Herrn Dr. X., Oberarzt an der Klinik für Plastische
und Ästhetische Chirurgie am F-Krankenhaus, D., vom 10. September 2015 beschrieb dieser drittgradige Lipödeme der oberen und
unteren Extremitäten. Im Bereich dieser Körperareale seien deutliche Druckschmerzen mit vermehrter Hämatom- und Schwellneigung
sowie funktionelle Beeinträchtigungen im Alltag festzustellen. Durchgeführte Entstauungs- und Kompressionstherapien sowie
eine Ernährungsberatung seien ebenso wie sportliche Übungen erfolglos geblieben. Es bestehe die Indikation zu einer wasserstrahlassistierten
Liposuktion der Oberarme und Oberschenkel unter stationären Bedingungen, ggf. mit Straffungsnotwendigkeit.
Die Beklagte beauftragte unter dem 23. September 2015 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein mit
der sozialmedizinischen Beurteilung des Sachverhalts. Hierüber unterrichtete sie - ebenfalls unter dem 23. September 2015
- die Klägerin schriftlich. Auf den Inhalt des mit einfachem Brief übermittelten Schreibens wird verwiesen.
Nach dem Inhalt eines Aktenvermerks sprach die Klägerin am 2. Oktober 2015 erneut bei der Beklagten persönlich vor und reichte
"weitere Unterlagen für den MDK" ein. Diese Dokumente umfassten eine tabellarische Aufstellung der Beschwerden, diverse ärztliche
Befundberichte, unterschiedliche Leistungsanträge der Klägerin sowie an Letztere adressierte Leistungsbewilligungen verschiedener
Sozialleistungsträger. Die Beklagte reichte diese Unterlagen unter dem 7. Oktober 2015 an den MDK weiter.
In seinem nach Aktenlage erstatteten sozialmedizinischen Gutachten vom 6. Oktober 2015 verneinte Herr T., MDK Nordrhein, die
Notwendigkeit für ambulant bzw. stationär durchzuführende Liposuktionen. Diese Maßnahmen seien nicht hinreichend erprobt.
Außerdem sei die Klägerin nicht austherapiert, zumal sie seit etwa 2012 keine Heil- und Hilfsmittel zur Behandlung der geltend
gemachten Gesundheitsstörungen in Anspruch genommen habe. Es sei auch weder von einer lebensbedrohlichen Erkrankung noch von
einem Systemversagen auszugehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens Bezug genommen.
Gestützt auf diese medizinische Beurteilung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 2015 die Übernahme der Kosten
für die geplante "Liposuktion der Oberarme und Oberschenkel mit Straffungsoperationen" ab. Bei der beantragten Maßnahme handele
es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB), deren medizinische Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit nicht
nachgewiesen sei. Eine ambulante Durchführung der Liposuktion zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung sei ausgeschlossen,
da die Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nicht abschließend geprüft und positiv
bewertet worden sei. Die Notwendigkeit zur Durchführung der Liposuktion im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung
ergebe sich nicht allein daraus, dass die Maßnahme nicht ambulant abrechenbar sei. Das Lipödem sei als schmerzhafte Fettverteilungsstörung
eine chronische Erkrankung, die mit konservativen Methoden nicht heilbar sei, aber auf ein erträgliches Maß gelindert werden
könne. Insoweit stünden als Behandlungsoption eine manuelle Lymphdrainage sowie ein konsequentes Tragen von Kompressionsmitteln
zur Verfügung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides vom 13. Oktober 2015 Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 3. November 2015 Widerspruch. Ihre behandelnden Ärzte bejahten die medizinische
Indikation der beantragten Maßnahme. Auch in einem aktuellen Attest der Klinik für Plastische Chirurgie am St. J-Krankenhaus
vom 29. Oktober 2015 werde die Notwendigkeit der Maßnahme nicht bestritten. Mittlerweile seien zuverlässige und wissenschaftlich
nachprüfbare Belege für eine Behandlung mittels Liposuktion vorhanden. Es sei zwar zutreffend, dass die Behandlung mittels
Liposuktion noch nicht in den Heilmittelkatalog aufgenommen worden sei; allerdings habe der G-BA am 22. Mai 2014 die Einleitung
eines Beratungsverfahrens hinsichtlich der Bewertung der Liposuktion bei Lipödemen gemäß §
135 Abs.
1 und §
137c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) beschlossen.
Nach Auswertung einer ergänzenden Stellungnahme des Herrn T. und einer erneuten sozialmedizinischen Bewertung des Sachverhalts
durch den MDK (Gutachten Dr. N. vom 16. Februar 2016) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin unter Vertiefung der
Ausführungen des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück. Auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2016
wird verwiesen.
Mit der am 24. Oktober 2016 zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat ihr vorprozessuales Vorbringen wiederholt
und den Versorgungsanspruch ergänzend auf §
13 Abs.
3a Satz 6
SGB V gestützt. Der Leistungsantrag habe spätestens mit Ablauf des 5. Oktober 2015 als genehmigt gegolten, da nach Antragstellung
vom 14. September 2015 mehr als drei Wochen vergangen seien. Sie sei nicht ordnungsgemäß über die Beteiligung des MDK informiert
worden. Die Information müsse unter Darlegung hinreichender Gründe schriftlich erfolgen. Hierbei müsse auch die jeweils nicht
einzuhaltende Frist taggenau benannt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei der Leistungsberechtigte über die konkrete
Frist zu informieren, damit dieser wisse, ob die Drei-Wochen-Frist oder die Fünf-Wochen-Frist maßgeblich sei (Verweis auf
BT-Drucks. 17/10488, S. 32). Die Krankenkasse müsse demnach zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion die hinreichenden
Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose mitteilen (Verweis auf BSG, Urteil vom 8. März 2016 - B 1 KR 25/15 R -). Das Schreiben vom 23. September 2015 wahre diese Voraussetzungen nicht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 6. Oktober 2015 zu ihren Gunsten die Kosten der geplanten Liposuktion der Oberarme und Oberschenkel mit Straffungsoperation
im stationären Umfeld als Sachleistung zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides verwiesen. Auch die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion
seien aufgrund der am 23. September 2015 erteilten Mitteilung über die Beteiligung des MDK nicht gegeben. Angesichts der Information
über die Beteiligung des MDK sei die Fünf-Wochen-Frist maßgeblich, die die Beklagte auch gewahrt habe.
Mit Urteil vom 13. November 2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 23. November 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21. Dezember 2017 Berufung zum Landessozialgericht
(LSG) Nordrhein-Westfalen eingelegt. Der Auffassung des SG könne insbesondere hinsichtlich der zum 16. Juli 2015 geänderten Neufassung des §
137c Abs.
3 SGB V nicht gefolgt werden. Der Gesetzgeber habe mit der Neufassung dieser Vorschrift zum Ausdruck gebracht, dass bei einer stationären
Behandlung bereits das Potenzial der Heilbehandlungsalternative für eine Feststellung des Qualitätsgebotes ausreichend sei.
Demzufolge dürfe eine Behandlungsmethode, zu denen der G-BA noch keine Entscheidung nach §
137c Abs.
1 SGB V getroffen habe, im Rahmen einer Krankenbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative
biete und die Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt sei (Verweis auf SG Hamburg, Urteil vom 4. September
2015 - S 33 KR 822/13 -). Es sei also keine vollumfängliche allgemeine Nutzenprüfung am Maßstab des §
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V zu verlangen. Es handele sich insoweit um eine Konkretisierung des allgemeinen Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots (Verweis
auf BT-Drucks. 18/4095, S. 121). Ein Behandlungspotenzial liege nach der Vorstellung des Gesetzgebers vor, wenn die Methode
aufgrund ihres Wirkprinzips oder bisher gewonnener Erkenntnisse mit der Erwartung verbunden sei, dass andere aufwändigere,
für den Patienten invasivere oder bei bestimmten Patienten nicht erfolgreiche Methoden ersetzt werden könnten oder die Methode
in sonstiger Weise eine effektivere Behandlung ermöglichen könne. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall gegeben.
Bei der Liposuktion handele es sich ausweislich der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie sowie der Leitlinien
der Deutschen Gesellschaft für ästhetische Chirurgie zur Liposuktion um eine anerkannte Behandlungsmethode (Verweis auf Hessisches
LSG, Urteil vom 5. Februar 2013 - L 1 KR 391/12 -). Konservative Behandlungsformen stellten im Gegensatz zur Liposuktion keine wirksame Behandlungsoption dar. Des Weiteren
zielten diese Maßnahmen nicht auf den Rückgang des Ödems (Verweis auf SG Koblenz, Urteil vom 7. Dezember 2012 - S 5 KR 381/11 -).
Mit der Einführung des §
137c Abs.
3 SGB V habe der Gesetzgeber eine Korrektur der Rechtsprechung bezweckt, weil diese seiner Ansicht nach in einem Wertungswiderspruch
zu dem in §
137c SGB V zum Ausdruck kommenden Prinzip der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt gestanden habe (Verweis auf BT-Drucks. 18/4095, S. 121).
Diese Beurteilung werde auch dadurch unterstrichen, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich eine Änderung des §
137c Abs.
3 Satz 1
SGB V beabsichtige. Hierzu verweist die Klägerin auf die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages
zum Implantateregister-Errichtungsgesetz nebst Begründung (BT-Drucks. 19/13589).
Zudem folge ein Anspruch aus §
13 Abs.
3a SGB V. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG habe sie bekundet, sich nicht mehr daran erinnern zu können, zu welchem Zeitpunkt sie das Schreiben vom 23. September 2015
erhalten habe. Die Beklagte habe das Datum der Absendung bzw. das konkrete Zugangsdatum nicht benennen können. Soweit das
SG gleichwohl von einem rechtzeitigen Zugang ausgegangen sei und diese Annahme darauf gestützt habe, dass die Beklagte interne
Bearbeitungsfristen gesetzt habe, weshalb davon auszugehen sei, dass die schriftliche Information über die Beteiligung des
MDK zeitnah von der Beklagten auf den Postweg gebracht worden seien, überzeuge dies nicht. Die Beklagte habe den Tag der Aufgabe
von Schriftstücken nicht ordnungsgemäß in den Schriftstücken vermerkt. Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast treffe
denjenigen die Feststellungslast, der aus der Behauptung ein Recht ableite. Dieses gelte auch hinsichtlich des Zeitpunkts
des Zugangs von Schriftstücken.
Die Klägerin hat im Rahmen einer vom 26. bis zum 28. April 2018 im F-Krankenhaus D. durchgeführten stationären Behandlung
eine Liposuktion beider Oberschenkel (vorne, innen) durchführen lassen. Im Zuge einer weiteren, ebenfalls von der Klägerin
auf eigene Initiative veranlassten und am 10. Oktober 2018 stationär durchgeführten Liposuktion erfolgte eine Behandlung des
hinteren Bereichs der Oberschenkel. Für diese Maßnahmen habe sie insgesamt 9.281,00 EUR aufgewendet.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf Befragung durch den Senat die ihr entstandenen Kosten für die durchgeführten
Liposuktionen mit jeweils 4.265,30 EUR beziffert. Zudem habe sie Kosten für Anästhesieleistungen in Höhe von 378,41 EUR für
die erste Liposuktion sowie in Höhe von 371,99 EUR für die zweite Behandlung beglichen. Zum Nachweis hat die Klägerin Behandlungs-
und Honorarverträge zu den Gerichtsakten gereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Gesonderte Rechnungen für die erbrachten
Liposuktionen seien ihr nicht gestellt worden. Sie habe lediglich Rechnungen für die von der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin
und Schmerztherapie des F-Krankenhauses erbrachten Leistungen erhalten. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf den Inhalt
der Rechnungen der PVS vom 7. Mai 2018 sowie vom 23. Oktober 2018 verwiesen.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie eine Teilnahme an der Erprobung nach der Richtlinie
zur Erprobung der Liposuktion beim Lipödem (Beschluss des G-BA vom 18. Januar 2018) nicht begehrt.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13. November 2017 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
13. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2016 zu verurteilen, ihr die Kosten der selbstbeschafften
Liposuktionen der Oberschenkel in Höhe von 9.281,00 EUR zu erstatten und sie mit stationären Liposuktionen der Oberarme zu
versorgen,
hilfsweise,
nach §
109 SGG Frau Dr. med. K. M., zu laden über das F-Krankenhaus, K-Straße in D., zu der gerichtlichen Beweisanordnung vom 26. März 2018
gutachtlich zu hören.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Klägerin stehe aus Rechtsgründen weder eine Kostenerstattung noch eine Versorgung
mit Liposuktionen zu. Das BSG habe bestätigt, dass eine stationär durchzuführende Liposuktion zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht beansprucht
werden könne, da eine solche nicht den Anforderungen des Qualitätsgebots entspreche (Verweis auf Urteile vom 24. April 2018
- B 1 KR 22/17 R - u.a.). Nach Wortlaut und Regelungssystem senke §
137c Abs.
3 SGB V nicht die Qualitätsanforderungen für den Anspruch auf stationäre Versorgung auf Methoden mit dem bloßen Potenzial einer Behandlungsalternative.
Nach dem Gutachten "Liposuktion bei Lipödemen und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe (SEG) 7 vom 15. Januar
2015 sei auf Basis der aktuellen Datenlage - unabhängig von einer ggf. im Einzelfall zu führenden Diskussion, ob eine Krankheit
im Sinne des
SGB V vorliege - eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zu verneinen. Selbst wenn im Einzelfall ein Krankheitszustand
gegeben sei, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses (geschultes Pflegepersonal, apparative
Mindestausstattung, intensive Behandlung durch rufbereite Ärzte) erforderlich mache, scheide eine stationäre Liposuktion aus.
Im ambulanten Bereich sei die Liposuktion keine zugelassene Behandlungsmethode. Insoweit scheide ein Leistungsanspruch aus,
solange der G-BA in den Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Nr.
5 SGB V keine positive Empfehlung abgegeben habe (Verweis auf BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R -). Hieran ändere auch der Beschluss des G-BA vom 20. Juli 2017 nichts.
Der Senat hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Chirurgie
Dr. E. Wegen des weiteren Ergebnisses wird auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens Bezug genommen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten; die Sitzungsniederschrift
und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Duisburg vom 13. November 2017 ist zulässig, aber nicht begründet.
I. Die am 21. Dezember 2017 bei dem LSG Nordrhein-Westfalen schriftlich eingelegte Berufung der Klägerin gegen das ihr am
23. November 2017 zugestellte Urteil ist zulässig, insbesondere gemäß §§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne gerichtliche Zulassung statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden (§§
151 Abs.
1, Abs.
3,
64 Abs.
1, Abs.
2 Satz 1,
63 SGG).
II. Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Soweit die Klägerin die ursprünglich auf eine Versorgung mit Liposuktionen
gerichtete Klage teilweise zugunsten einer Kostenerstattung geändert hat, ist diese Umstellung prozessual wirksam (hierzu
1.). Die Klage ist zulässig (hierzu 2.), aber nicht begründet (hierzu 3.).
1. Die im Berufungsverfahren erfolgte Umstellung des ursprünglich auf eine Versorgung der Oberschenkel mit Liposuktionen als
Sachleistung gerichteten Klageantrags zugunsten einer Kostenerstattung ist aufgrund des insoweit gleichgebliebenem Klagegrundes
gemäß §§
153 Abs.
1,
99 Abs.
3 Nr.
3 SGG fiktiv nicht als Klageänderung anzusehen und nicht den Vorgaben des §
99 Abs.
1 SGG unterworfen (BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 - B 1 KR 24/18 R - juris).
2. Die auf die Aufhebung des Versagungsbescheides vom 13. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober
2016 und die Versorgung der Oberarme mit Liposuktionen als Regelversorgung gerichtete Klage ist als kombinierte Anfechtungs-
und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 Satz 1 Altern. 1, Abs.
4 SGG) statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht am 25. Oktober 2016 binnen eines Monats nach Bekanntgabe
des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2016 erhoben worden (§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; §
90; §
78 Abs.
1 Satz 1; §
85 Abs.
3 Satz 1
SGG).
Ebenso ist für das auf die Kostenerstattung für selbstbeschaffte Liposuktionen der Oberschenkel wegen rechtswidriger Ablehnung
des Versorgungsanspruchs gerichtete Begehren die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft (BSG, Urteil vom 24. April 2018 - B 1 KR 10/17 R -). Nur soweit der Erstattungsanspruch auf den Eintritt einer fingierten Genehmigung des Antrags nach §
13 Abs.
3a Satz 6
SGB V gestützt wird, ist die Leistungsklage hinreichend (BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 - B 1 KR 33/17 R - juris).
3. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten weder eine Erstattung der Kosten der selbstbeschafften
Liposuktionen der Oberschenkel (hierzu a)), noch von dieser eine Versorgung mit stationär durchzuführenden Liposuktionen der
Oberarme beanspruchen (hierzu b)). Dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag, Frau Dr. M., D., gemäß
§
109 SGG zu der gerichtlichen Beweisanordnung vom 26. März 2018 gutachterlich zu hören, musste der Senat nicht nachkommen (hierzu
c)).
a) Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für selbstbeschaffte Liposuktionen der Oberschenkel in Höhe von
9.281,00 EUR nicht zu.
aa) Ein Zahlungsanspruch folgt zunächst nicht aus §
13 Abs.
3a Satz 7
SGB V (in der seit dem 26. Februar 2013 geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 1 Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (PatRVerbG) vom 20. Februar 2013, BGBl. I 277). Nach
§
13 Abs.
3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang
oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen
nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme für erforderlich hält,
hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu informieren (Satz 2). Kann die Beklagte Fristen
u.a. nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich
mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt
(Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse
zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7). Die hiernach für eine Kostenerstattung erforderlichen
Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da die Beklagte den am 14. September 2015 gestellten Antrag jedenfalls fristgerecht beschieden
hat.
(1) Die Bescheidungsfrist begann am 15. September 2015, dem Tag nach wirksamer Antragstellung bei der Beklagten (§ 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. §
187 Abs.
1 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB)).
(2) Die demnach am 5. Oktober 2015 abgelaufene Drei-Wochen-Frist nach §
13 Abs.
3a Satz 1 Fall 1
SGB V (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. §
188 Abs.
2 BGB) war im Zeitpunkt der Bescheidung des Antrags - dem Tag der Bekanntgabe des Bescheides vom 13.Oktober 2015 - zwar verstrichen.
Dies ist indes unschädlich, weil die Beklagte berechtigt war, den Antrag vom 14. September 2015 innerhalb von fünf Wochen
zu bescheiden (§
13 Abs.
3a Satz 1 Fall 2
SGB V). Diese Bescheidungsfrist hat die Beklagte gewahrt.
(a) Wird - wie im vorliegenden Fall - zur Entscheidung über den Leistungsantrag eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere
des MDK, eingeholt, hat die Krankenkasse diese unverzüglich einzuholen und den Leistungsberechtigten innerhalb von drei Wochen
nach Antragseingang hierüber zu informieren (§
13 Abs.
3a Satz 2
SGB V). Maßgeblich ist - wie im Fall der Entscheidung durch einen bekanntzugebenden Verwaltungsakt - der Zeitpunkt der Bekanntgabe
gegenüber dem Antragsteller, nicht jener der behördlichen Entscheidung über die Information (vgl. §§ 39, 37 SGB X; ständige Rspr. des BSG; statt vieler BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 - B 1 KR 21/17 R - mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Ohne die Information über die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme können
Leistungsberechtigte nach drei Wochen annehmen, dass ihr Antrag nicht fristgerecht beschieden wurde und daher als genehmigt
gilt (BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 - B 1 KR 21/17 R - unter Hinweis auf BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 33, Rn. 28).
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die unter dem 23. September 2015 gefertigte Mitteilung der Beklagten nach §
13 Abs.
3a Satz 2
SGB V über die Beteiligung des MDK der Klägerin innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang bekanntgegeben wurde.
(aa) Dass ihr die Mitteilung nach §
13 Abs.
3a Satz 2
SGB V überhaupt zuging, bestreitet die Klägerin nicht (vgl. zu dem Fall des Bestreitens des Zugangs eines Schriftstücks an sich
vgl. etwa BSG, Urteil vom 26. Juli 2007 - B 13 R 4/06 R - SozR 4-2600 § 115 Nr. 2; Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim, Urteil vom 18. Oktober 2017 - 2 S 114/17 - juris; VGH Mannheim, Urteil vom 5. November 2018 - 12 S 509/18 - juris). Sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vielmehr ausdrücklich bekundet, das Schreiben erhalten zu haben. Zugleich hat sie erklärt, lediglich nicht mehr beantworten
zu können, zu welchem Zeitpunkt die Mitteilung sie erreicht habe.
(bb) Der Senat hat keine Zweifel (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X), dass die Information der Klägerin noch vor Ablauf der am 5.Oktober 2015 abgelaufenen dreiwöchigen Frist des §
13 Abs.
3a Satz 1 Fall 1
SGB V zuging. Hierfür spricht maßgeblich, dass die Klägerin vor Fristablauf, nämlich am 2. Oktober 2015, die Beklagte aufgesucht
und im Rahmen eines persönlichen Beratungsgesprächs verschiedene Unterlagen überreicht hat. Die Übergabe der aus dem persönlichen
Herrschaftsbereich der Klägerin herrührenden medizinischen Dokumente und Leistungsbewilligungen verschiedener Sozialleistungsträger
erfolgte bei lebensnaher Würdigung auf die der Klägerin zuvor erteilte Information über die Beteiligung des MDK. Sie diente
ersichtlich dem Ziel, die medizinischen Entscheidungsgrundlagen des MDK bei der Beurteilung des Sachverhalts zu ergänzen.
Dem entsprechend ist in der Kontaktnotiz der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten vermerkt, dass die Klägerin "weitere
Unterlagen für den MDK" überreicht habe. Ein anderes plausibles Motiv ist für den Senat weder ersichtlich noch von der Klägerin
aufgezeigt worden. Zu Letzterem hätte spätestens Anlass bestanden, nachdem der Senat im vorbereitenden Verfahren bereits darauf
hingewiesen hatte, von einem fristgerechten Zugang der Mitteilung nach §
13 Abs.
3a Satz 2
SGB V auszugehen (Hinweis vom 24. September 2018).
(b) Die damit maßgebliche Bescheidungsfrist von fünf Wochen (§
13 Abs.
3a Satz 1 Fall 2
SGB V) hat die Beklagte gewahrt. Diese Frist endete am 19. Oktober 2015 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. §
188 Abs.
2 BGB) und damit erst nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts vom 13. Oktober 2015.
b) Die Klägerin kann eine Erstattung ihrer Aufwendungen für die Liposuktionen der Oberschenkel auch nicht nach §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V beanspruchen.
Nach dieser Vorschrift hat eine Krankenkasse, die eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder eine
Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, dem Versicherten die dadurch entstanden Kosten für die selbstbeschaffte Leistung, soweit
die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden nach §
15 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) erstattet (§
13 Abs.
3 Satz 2
SGB V).
Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage sind nicht erfüllt, da die Beklagte die - nicht im Sinne des §
13 Abs.
3 Satz 1 Fall 1
SGB V "unaufschiebbare" (vgl. zur Unaufschiebbarkeit einer Leistung u.a. BSG, Urteil vom 25. September 2000 - B 1 KR 5/99 R - SozR 3-2500 § 13 Nr. 22) - Versorgung mit stationären Liposuktionen der Oberschenkel nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Die
Frage, ob eine begehrte Leistung im Sinne des §
13 Abs.
3 Satz 1 Fall 1
SGB V zu Unrecht abgelehnt wurde, richtet sich nach dem für den jeweiligen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften, für Leistungen
der gesetzlichen Krankenversicherung mithin nach dem
SGB V (BSG, Urteil vom 18. Mai 2011 - B 3 KR 12/10 R - juris).
Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Versorgung mit stationär durchzuführenden Liposuktionen der Oberschenkel gemäß § 27
Abs. 1 Satz 2 Nr.
5 i.V.m. §
39 Abs.
1 Satz 1
SGB V.
aa) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V).
(1) Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB V unterliegt den sich aus §
2 Abs.
1 und §
12 Abs.
1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit
dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V nur dann der Fall, wenn der G-BA in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien
nach § 92 Abs. 1 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 i.V.m. §
135 Abs.
1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer
(Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen.
Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen
verbindlich festgelegt (z.B. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R; Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 19, jeweils m.w.N.; Senat, Urteil vom 12. Juli 2017 - L 11 KR 28/16 -). Ärztliche "Behandlungsmethoden" im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung sind medizinische Vorgehensweisen, denen
ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und
das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. "Neu" ist eine Methode, wenn
sie - wie hier die Liposuktion - zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen
Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2005 - B 1 KR 28/03 R - juris; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - a.a.O.). Als nicht vom G-BA empfohlene neue Methode ist die ambulante Fettabsaugung bei Lipödemen mithin grundsätzlich
kein Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung.
(2) Hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Versorgung der Oberschenkel mit Liposuktionen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung
gilt nichts anderes. Der nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr.
5 i.V.m. §
39 Abs.
1 Satz 1
SGB V folgende Anspruch Versicherter auf stationäre Krankenhausbehandlung unterliegt nach Wortlaut, Regelungssystem und Regelungszweck
gleichermaßen den sich aus dem Qualitätsgebot ergebenden Einschränkungen (hierzu umfassend BSG, Urteil vom 24. April 2018 - B 1 KR 13/16 R - SozR 4-2500 § 137e Nr. 1; BSG, Urteil vom 28. Mai 2019 - B 1 KR 32/18 R -).
Eine Absenkung der Qualitätsanforderungen für die stationäre Versorgung auf Methoden mit dem bloßen Potential einer Behandlungsalternative
ergibt sich nicht aus §
137c Abs.
3 SGB V (i.d.F. durch Art. 1 Nr.
64 Buchst. b GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG); umfassend hierzu jüngst BSG, Urteil vom 24. April 2018 - B 1 KR 13/16 R -; BSG, Urteil vom 28. Mai 2019 - B 1 KR 32/18 R -).
(a) Nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V umfasst die Krankenbehandlung auch die Krankenhausbehandlung. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in
einem zugelassenen Krankenhaus (§
108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre,
vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V). Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall
nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind (§
39 Abs.
1 Satz 3
SGB V; BSG, Urteil vom 24. April 2018 - B 1 KR 13/16 R -).
Krankenhausbehandlung ist im Sinne von §
39 SGB V erforderlich, wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig
ist (st. Rspr, BSG, Urteil vom 24. April 2018 - B 1 KR 13/16 R - m.w.N.). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenhausbehandlung unterliegt nach dem Gesetzeswortlaut und dem Regelungssystem
wie jeder Anspruch auf Krankenbehandlung grundsätzlich den sich aus dem Qualitäts- und dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergebenden
Einschränkungen (vgl. §
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V und §
12 Abs.
1 SGB V). Er umfasst in diesem Rahmen nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit
dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (BSG, Urteil vom 24. April 2018 - B 1 KR 13/16 R - m.w.N.; Hauck, NZS 2007, 461, 466 ff.). Ausnahmen vom Qualitätsgebot bestehen im Rahmen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung - sei es verfassungsunmittelbar
oder nach §
2 Abs.
1a SGB V - und bei Seltenheitsfällen (st. Rspr., BSG, Urteil vom 24. April 2018 - B 1 KR 13/16 R - m.w.N.) mit Auswirkungen sowohl für den Leistungsanspruch der Versicherten als auch für die Rechte und Pflichten der Leistungserbringer
als auch der Krankenkassen.
Das
SGB V sichert auch im Recht der Leistungserbringung in seinem Vierten Kapitel "Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern"
die Beachtung des Qualitätsgebots. So haben die Krankenkassen und die Leistungserbringer eine bedarfsgerechte und gleichmäßige,
dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten.
Die Versorgung der Versicherten muss ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und
muss in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden (vgl. §
70 Abs.
1 Satz 1 und
2 SGB V). Die Pflicht des zugelassenen Krankenhauses im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung (§
39 SGB V) der Versicherten richtet sich hieran aus (vgl. §
109 Abs.
4 Satz 2
SGB V; BSG, Urteil vom 24. April 2018 - B 1 KR 13/16 R -).
Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des BSG auch für die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsverfahren im Krankenhaus (umfassend hierzu BSG, Urteil vom 24. April 2018 - B 1 KR 13/16 R -; BSG, Urteil vom 28. Mai 2019 - B 1 KR 32/18 R -).
Die Anforderungen des Qualitätsgebots werden gewahrt, wenn die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)"
die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit
der Therapie Konsens besteht (BSG, Urteil vom 24. April 2018 - B 1 KR 13/16 R -). Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht
nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist - zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können.
Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit
der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen
erfolgreich gewesen sein (st. Rspr., BSG, Urteil vom 24. April 2018 - B 1 KR 13/16 R - m.w.N.).
Die von der Klägerin begehrten Liposuktionen erfüllten auch unter stationären Bedingungen diese Voraussetzungen nicht. Nach
dem Gutachten "Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des MDK vom 6. Oktober 2011
nebst seiner Aktualisierung vom 15. Januar 2015 (abrufbar unter www.mds-ev.de/richtlinien-publikationen/gutachten-nutzenbewertungen.html
dort Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen) gewährleistet diese Versorgungsform die in §§
2 und
12 SGB V geforderten Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit nicht. Aus diesem Grund kann eine Liposuktion auch unter stationären
Bedingungen nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden (BSG, Urteil vom 24. April 2018 - B 1 KR 13/16 R -).
Dies entspricht auch der Beurteilung des G-BA in den "Tragenden Gründen zum Beschluss des G-BA über eine Änderung der Richtlinie
"Methoden Krankenhausbehandlung: Liposuktion bei Lipödem vom 20.07.2017" (BAnz AT 17. Oktober 2017 B3), wo die Voraussetzungen
für einen hinreichenden Nutzenbeleg der Liposuktion bei Lipödem nicht als nicht erfüllt angesehen werden (zur Möglichkeit,
Erkenntnisse auf Beschlüsse des GBA zu stützen: BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, Rn. 50).
(b) Auch die Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Leistungsauslegung im Sinne des §
2 Abs.
1a SGB V liegen nicht vor, weil ein Lipödem weder eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche noch eine hiermit wertungsmäßig
vergleichbare Erkrankung ist (BSG, Urteil vom 24. April 2018 - B 1 KR 10/17 R -; BSG, Urteil vom 28. Mai 2019 - B 1 KR 32/18 R -).
(c) Aufgrund des aus den vorstehenden Gründen aus Rechtsgründen bereits zu verneinenden Erstattungsanspruchs kann der Senat
offen lassen, inwieweit ein Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung auch deshalb ausscheidet, weil es an einer ordnungsgemäßen,
eine Fälligkeit der Vergütung begründenden Rechnung fehlt. Diesbezüglich bestehenden deshalb Bedenken, weil die Klägerin hinsichtlich
der durchgeführten Liposuktionen zwar Behandlungs- und Honorarverträge zu den Gerichtsakten reichen konnte; zugleich aber
auch bekundet hat, dass ihr insoweit gesonderte Rechnungen nicht gestellt worden seien.
b) Die Klägerin kann auch eine Versorgung mit stationär durchzuführenden Liposuktionen der Oberarme nicht beanspruchen. Ein
primärrechtlicher Anspruch gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr.
5 i.V.m. §
39 Abs.
1 Satz 1
SGB V gegenüber der Beklagten besteht aus den vorstehenden Ausführungen nicht.
Soweit die Klägerin auf die Beschlussempfehlung des Deutschen Bundestages zu einer beabsichtigten Änderung des §
137c Abs.
3 Satz 1
SGB V verweist, kraft derer nach den Wörtern "dürfen im Rahmen der Krankenbehandlung angewandt" die Wörter "und von den Versicherten
beansprucht" eingefügt werden soll, ergibt sich hieraus nichts anderes. In dem für die Entscheidung über den im vorliegenden
Verfahren verfolgten Anspruch auf Versorgung der Oberarme mit Liposuktionen maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung ist die Änderung des §
137c Abs.
3 Satz 1
SGB V noch nicht in Kraft getreten. So ist bisher weder eine Schlussabstimmung des Bundestages erfolgt, noch ist das Abschlussverfahren
der Gesetzgebung (Art.
82 Abs.
1 Satz 1
Grundgesetz) durchlaufen. Aus diesem Grund lässt der Senat ausdrücklich offen, welchen rechtlichen Aussagegehalt der beabsichtigen Änderung
des §
137c Abs.
3 Satz 1
SGB V überhaupt beizumessen ist.
Soweit die Klägerin meint, die Vorschrift des §
137c Abs.
3 Satz 1
SGB V sei aufgrund der Verlautbarungen in der BT-Drucks. 19/13589 auch in ihrer bisherigen Fassung bereits dahingehend auszulegen,
dass Versicherte im Rahmen einer Krankenhausbehandlung die Versorgung mit Methoden beanspruchen können, die das Potenzial
einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten, ist dem nicht zu folgen. Zwar lautet die Beschlussempfehlung dahingehend,
dass es sich bei der beabsichtigten Ergänzung des §
137c Abs.
3 SGB V um eine "Klarstellung" handele, "weil in der Rechtsprechung des 1. Senats des Bundessozialgerichts ein solcher Anspruch bisher
entgegen der Intention des Gesetzgebers negiert wird". Allerdings sind Gesetzgebungsmaterialien nur mit Vorsicht, nur unterstützend
und insgesamt nur insofern heranzuziehen, als sie auf einen objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen und im Gesetzeswortlaut
einen Niederschlag gefunden haben (BSG, Urteil vom 28. Mai 2019 - B 1 KR 32/18 R - mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Einen entsprechenden Niederschlag hat die in der o.g. BT-Drucksache angedeutete
Rechtsauffassung in dem im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgeblichen Fassung des §
137c Abs.
3 Satz 1
SGB V nicht gefunden.
c) Dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag, Frau Dr. med. K.M., Chefärztin der Klinik für Plastische
Chirurgie des F-Krankenhauses D., zu der gerichtlichen Beweisanordnung vom 26. März 2018 gutachtlich zu hören, musste der
Senat nicht nachkommen.
Nach §
109 Abs.
1 Satz 1
SGG muss auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachterlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht
werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt
(§
109 Abs.
1 Satz 2
SGG). Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde
und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit
nicht früher vorgebracht worden ist (§
109 Abs.
2 SGG).
Auf die in der Beweisanordnung vom 26. März 2018 gestellten Beweisfragen kommt es zur Entscheidung über die im vorliegenden
Rechtsstreit erheblichen Fragen aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen des BSG (Urteil vom 24. April 2018 - B 1 KR 13/16 R -; BSG, Urteil vom 28. Mai 2019 - B 1 KR 32/18 R -) nicht an.
Die Feststellungen der von Amts wegen gehörten Frau Dr. E. (Gutachten vom 7. Juni 2019) sind für den Senat aus diesem Grund
nicht entscheidungserheblich. Dieses gilt auch für die von dem Senat eingeholte ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen
vom 26. November 2019, nachdem die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt hat, dass sie wegen
des Vorliegens der Ausschlusskriterien eine Erprobung nach der Richtlinie zur Erprobung der Liposuktion beim Lipödem (Beschluss
des G-BA vom 18. Januar 2018) nicht begehrt.
Gründe im Sinne des §
160 Abs.
2 SGG zur Zulassung der Revision sind nicht gegeben.