Gewährung von Leistungen nach dem IfSG i.V.m. dem BVG wegen eines impfbedingten Chronic Fatigue Syndroms im Wege der Kannversorgung
Begehren der Klägerin auf Feststellung des CFS als Impfschaden und Gewährung einer Rentenleistung
Fehlende Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen der streitgegenständlichen Influenzaimpfung und dem CFS
Kausalitätsvoraussetzungen für die Kannversorgung
Tatbestand
Die Klägerin begehrt im Wege der Kannversorgung die Gewährung von Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen eines impfbedingten Chronic Fatigue Syndrom (CFS).
Die 1968 geborene Klägerin, die als Flugbegleiterin beschäftigt war, erhielt am 28.10.1997 eine Influenzaimpfung. Am 13.11.1997
suchte die Klägerin unter Angabe von Ohrenschmerzen den Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. C auf, der für die Zeit vom 13.11. bis 14.11.1997
Arbeitsunfähigkeit wegen eines Tubenkatarrhs attestierte. Nachdem die Klägerin am 16.11.1997 ihre Arbeit verrichtet hatte,
konsultierte sie am 17.11.1997 den Internisten Dr. S, der einen Nasen-Nebenhöhleninfekt mit Tubenkatarrh diagnostizierte und
für die Zeit vom 17.11. bis 25.11.1997 Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Weitere Gesundheitsstörungen wurden damals weder festgestellt
noch von der Klägerin angegeben (Befundbericht von Dr. S vom 20.10.1998). Am 19.01.1998 begab die Klägerin sich zunächst wieder
in Hals-Nasen-Ohren-ärztliche Behandlung und stand alsdann in der Folgezeit wegen einer ausgeprägten Schmerzsymptomatik im
Bereich des gesamten Rückens, der linken Schulter, Herzbeschwerden, Hitzewallungen, Schüttelfrost sowie Abgeschlagenheit in
laufender ärztlicher Behandlung.
Im Oktober 1998 stellte die Klägerin beim Versorgungsamt N einen Antrag auf Gewährung von Versorgungsleistungen wegen eines
Impfschadens. Sie gab an, vor der am 28.10.1997 erfolgten Influenzaimpfung sei sie gesund gewesen. 5 Tage nach der Impfung
sei es zu ersten Krankheitserscheinungen in Form von Kopf-, Hals-, Glieder- und Ohrenschmerzen sowie erhöhter Temperatur gekommen.
Das Versorgungsamt N zog daraufhin umfängliche medizinische Unterlagen der behandelnden Ärzte ein und ließ diese durch seinen
ärztlichen Dienst auswerten. Mit Bescheid vom 12.04.1999 lehnte das Versorgungsamt N den Antrag ab, da sich weder ein zeitlicher
noch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Grippeschutzimpfung und den von der Klägerin geschilderten Beschwerden begründen
lasse. Den hiergegen eingelegten Wiederspruch, ,mit dem die Klägerin ein chronisches Schmerzsyndrom geltend machte, wies der
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2000 als unbegründet zurück. Das bei der Klägerin bestehende diffuse Schmerzsyndrom
sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als abnormale Impfreaktion anzusehen.
Die hiergegen von der Klägerin vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhobene Klage (S 36 (36,18) VJ 196/00) wurde nach Einholung
eines Gutachtens von Prof. Dr. E, Leiter der Neurologischen Klinik der Medizinischen Hochschule I, eines Gutachtens auf Antrag
der Klägerin gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) von Prof. Dr. I, Internist/Nephrologie/Umweltmedizin und Vorlage eines Privatgutachtens von Dr. I1 seitens der Klägerin
durch Urteil vom 20.10.2006 abgewiesen, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines
Kausalzusammenhangs zwischen der Influenzaimpfung und dem bei der Klägerin bestehenden CFS fehle. Die Sachverständigen hätten
übereinstimmend ausgeführt, dass die Ursache des CFS in der wissenschaftlich-medizinischen Lehrmeinung nicht geklärt sei,
sondern kontrovers diskutiert werde. Über die in Betracht kommende Kannversorgung sei nicht zu entscheiden, da es insoweit
an einer überprüfbaren Verwaltungsentscheidung mangele.
Am 01.12.2006 hat die Klägerin die Gewährung von Leistungen im Wege der Kannversorgung beantragt.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.02.2007 ab, da die Voraussetzungen für eine Kannversorgung nicht vorlägen.
Es sei trotz allen Bemühens nicht gelungen, eine unübliche Impfreaktion zu objektivieren und zu beweisen. Den hiergegen eingelegten
Widerspruch wies der Beklagte nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. C1 durch Widerspruchsbescheid
vom 05.11.2007 als unbegründet zurück.
Am 16.11.2007 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat vorgetragen,
die Existenz der Erkrankung CFS sei international wissenschaftlich anerkannt und bei ihr gesichert; über die Ursache dieser
Erkrankung bestehe Ungewissheit.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. E1, Facharzt für Innere Medizin, Mikrobiologie/Epidemiologie.
Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.08.2012 nebst ergänzender Stellungnahme vom 16.11.2012 dargelegt, beim
Krankheitsbild der Klägerin sei es gerechtfertigt von einem CFS-Verdacht zu sprechen. Die Ursachen des CFS seien bislang nicht
geklärt. Es sei von einer multifaktoriellen Ätiologie auszugehen. Es sei mithin nicht wahrscheinlich, dass das CFS durch die
Influenzaimpfung hervorgerufen worden sei. Beim gegenwärtigen Stand des Wissens sei auch die gute Möglichkeit des Kausalzusammenhanges
zu verneinen.
Durch Urteil vom 21.01.2013, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Gegen das ihr am 25.03.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.04.2013 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches
Vorbringen und trägt ergänzend vor, der Zusammenhang zwischen dem bei ihr bestehenden CFS und der erfolgten Influenzaimpfung
sei nach aktueller wissenschaftlicher Auffassung weiterhin nicht wahrscheinlich aber möglich.
Die Klägerin beantragt,
dass Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.01.2013 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.02.2007
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2007 zu verurteilen, ihr im Wege der Kann-Versorgung wegen des als Folge der
Impfung vom 28.10.1997 anzuerkennenden CFS Leistungen nach dem IfSG in Verbindung mit dem BVG zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. E1 eingeholt sowie Prof. Dr. E1 und Dr. I1 in einem Erörterungstermin
als Sachverständige gehört; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die ergänzende Stellungnahme vom 26.06.2013
und die Sitzungsniederschrift vom 02.07.2013 verwiesen. Auf Antrag der Klägerin ist gemäß §
109 SGG ein Gutachten von PD Dr. H, Ärztin für Innere Medizin, Immundefektambulanz der D, C eingeholt worden. Die Sachverständige
hat in ihrem Gutachten vom 25.03.2015 nebst ergänzender Stellungnahme vom 19.11.2015 dargelegt, der Auffassung von Prof. Dr.
E1 könne man nichts entgegen setzen. Es bestehe kein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen dem CFS und einer Influenzaimpfung.
Es sei jedoch denkbar, dass eine Influenzaimpfung ein CFS auslösen könne. Allerdings müsse diese Beurteilung im Hinblick auf
eine neue Studie, die im Oktober 2015 veröffentlicht worden sei (P. Magnus et al, Vaccine. 2015), sicher relativiert werden.
Hier sei die gesamte norwegische Bevölkerung in einer großen epidemiologischen Studie von Oktober 2009 bis Dezember 2012 auf
das Auftreten eines CFS infolge einer Influenza oder infolge einer Impfung gegen Influenza untersucht worden. Nach der Impfung
sei das Risiko, an einem CFS zu erkranken, unverändert gewesen, während sich das Risiko für Menschen, die an einer Influenza
erkrankt gewesen seien, verdoppelt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten
des Beklagten und der Akten des Verfahrens S 36 (36,18) VJ 196/00 (Sozialgericht Düsseldorf) Bezug genommen, der Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die als Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässige Klage (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VG 2/10 R, [...] Rn 31: Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage; Urteil vom 29.04.2010 - B 9 VS 2/09 R, [...] Rn 32: Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, wenn (nur) die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen begehrt wird; anders
Urteil vom 17.07.2008 - B 9/9a VS 5/06 R, [...] Rn 15: Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage) zu Recht abgewiesen,
da diese zwar zulässig, aber unbegründet ist. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Feststellung einer Schädigungsfolge und Zahlung einer Rente
nach dem IfSG i.V.m. dem BVG.
Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Rentenleistungen wegen eines Impfschadens sind §§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 61 Satz 2 IfSG i.V.m. §§ 9 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 1 Satz 1 BVG.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG erhält, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen
Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach
der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 ... wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen
der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes ... Gemäß § 2 Nr. 11 IfSG ist Impfschaden die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden
gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung.
Der Anspruch setzt demnach eine unter den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfolgte Schutzimpfung, den Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also
eine Impfkomplikation, sowie eine - dauerhafte - gesundheitliche Schädigung, also einen Impfschaden, voraus. Zwischen den
jeweiligen Anspruchsmerkmalen muss ein Ursachenzusammenhang bestehen. Maßstab dafür ist die im sozialen Entschädigungsrecht
allgemein geltende Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung. Danach ist aus der Fülle aller Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen
Sinne diejenige Ursache rechtlich erheblich, die bei wertender Betrachtung wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg
bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die unter Abwägen ihres
verschiedenen Wertes zu dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist.
Die Impfung und sowohl die als Impfkomplikation in Betracht kommende als auch die dauerhafte Gesundheitsstörung müssen mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - im sogenannten Vollbeweis - feststehen. Allein für die zwischen diesen Merkmalen
erforderlichen Ursachenzusammenhänge reicht der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus, § 61 Satz 1 IfSG. Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn mehr Umstände für als gegen die Kausalität sprechen. Die bloße Möglichkeit reicht
nicht aus (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, [...] Rn 36 ff.).
Alle medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, sind auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt
neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu beantworten. Hierzu konnten die Anhaltspunkte für die ärztliche
Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) herangezogen werden, die als
antizipierte Sachverständigengutachten angesehen wurden. Seit den AHP 2008, die mittlerweile durch die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung
(Versorgungsmedizinische Grundsätze - VMG) ersetzt wurden, sind darin aber keine detaillierten Angaben zu Impfkomplikationen
mehr enthalten. Im Zusammenhang mit der Streichung der betreffenden Teile der AHP wurde darauf hingewiesen, dass die beim
Robert-Koch-Institut eingerichtete Ständige Impfkommission (STIKO) Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und
einer über das übliche Ausmaß der Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden) entwickelt. Die Arbeitsergebnisse
der STIKO werden im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Stand der Wissenschaft
dar (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, [...] Rn 39 ff.).
Bei der hier streitigen Impfung gegen Influenza handelte es sich für die als Flugbegleiterin beschäftigte Klägerin um eine
öffentlich empfohlene Impfung, was auch von dem Beklagten nicht in Abrede gestellt wird.
Unabhängig davon, dass die hier geltend gemachte Leistung im Wege der Kannversorgung grundsätzlich keinen eigenen Streitgegenstand
verkörpert (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1995 - 9 RV 17/94, [...] Rn 9) und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, wie sämtliche Sachverständige übereinstimmend dargelegt haben, eine
unübliche Impfreaktion nicht erwiesen ist, scheitert das Begehren der Klägerin auf Feststellung des CFS als Impfschaden und
Gewährung einer Rentenleistung jedenfalls daran, dass zwischen der streitgegenständlichen Impfung gegen Influenza und dem
CFS ein Kausalzusammenhang weder wahrscheinlich ist noch die Voraussetzungen für die so genannte Kannversorgung erfüllt sind.
Es ist, wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, im vorliegenden Fall weder nachgewiesen noch kann es wahrscheinlich
gemacht werden, dass das CFS durch die Impfung gegen Influenza verursacht wurde. Sämtliche im Verfahren gehörten Sachverständigen
haben hier, ebenso wie in dem vorangegangenen Klageverfahren (S 36 (36, 18) VJ 196/00) dargelegt, dass die Ätiologie des CFS
wissenschaftlich weitgehend ungeklärt ist und die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs deshalb nicht gegeben ist.
Das Begehren der Klägerin hat, entgegen ihrer Auffassung, auch auf der Basis von § 61 S. 2 IfSG keinen Erfolg. Danach kann, wenn die zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne von §
60 Abs. 1 IfSG erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen
Wissenschaft Ungewissheit besteht, mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der
Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 1 anerkannt werden (sog. Kannversorgung); die Zustimmung
kann allgemein erteilt werden.
Die Frage der Kausalitätsvoraussetzungen stellt sich für die Kannversorgung ebenso wie für einen Rechtsanspruch. Zwischen
beiden bestehen bezüglich der Kausalität lediglich graduelle Unterschiede (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.1981 - 9 RVi 5/80, [...] Rn 27). Die Möglichkeit des Kausalzusammenhangs reicht, was die Klägerin verkennt,
auch im Rahmen des § 61 S. 2 IfSG nicht aus. Es muss vielmehr wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, die die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs
vertritt. Die Verwaltung ist nicht ermächtigt, bei allen Krankheiten ungewisser Genese immer die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs
- die so gut wie nie widerlegt werden kann - ausreichen zu lassen (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1993, 9/9a RV 41/92, [...] Rn 19). Zur Gewährung der Kannversorgung muss nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang bestehen, sondern nach wenigstens
einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung müssen Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel
durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen besonderen Belastungen und der festgestellten Erkrankung
sprechen. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen, sondern vielmehr eine "gute Möglichkeit",
die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten
Erkenntnissen gesprochen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1995 - 9 RV 17/94, [...] Rn 19). Die einschlägigen Regelungen der AHP bzw. der VMG übernehmen und konkretisieren diese rechtlichen Anforderungen
(vgl. Nr. 39 AHP, Teil C Nr. 4 VMG).
Im Hinblick auf die streitgegenständliche Impfung der Klägerin gegen Influenza fehlt es an wenigstens einer fundierten, einen
generellen Ursachenzusammenhang bejahenden medizinischen Lehrmeinung. Dies haben sämtliche Sachverständigen bestätigt. Prof.
Dr. E1, Dr. I1 und auch PD Dr. H haben in ihren Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen übereinstimmend dargelegt, dass es
keine wissenschaftliche Lehrmeinung gibt, die die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs vertritt. Zwar wurde es in
der medizinischen Wissenschaft vereinzelt für theoretisch möglich gehalten, dass die Influenzaimpfung das CFS ebenso wie eine
Infektion auslösen könne. Die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs wurde jedoch, wie die Sachverständigen übereinstimmend
betont haben, nicht vertreten, denn es fehlte stets an Erkenntnissen, die für einen generellen durch wissenschaftliche Fakten
belegten Zusammenhang sprachen. In ihrer ergänzenden Stellungnahme hat PD Dr. H zudem deutlichgemacht, dass nach der aktuellsten
im Oktober 2015 veröffentlichten Studie (P. Magnus et al, Vaccine. 2015, 17; 33(46):6173-7.doi: 10.1016/j.vaccine.2015.10.018.
Epub 2015 Oct 17) selbst die theoretische Möglichkeit eines Zusammenhangs relativiert werden müsse, denn entsprechend dieser
epidemiologischen Studie, bei der von Oktober 2009 bis Dezember 2012 die gesamte norwegische Bevölkerung auf das Auftreten
eines CFS infolge einer Influenzainfektion oder infolge einer Impfung gegen Influenza untersucht wurde, ist das Risiko an
einem CFS zu erkranken nach einer Impfung unverändert, während bei einer Erkrankung an einer Influenza eine Verdopplung des
Risikos gegeben ist. Soweit die Klägerin meint, die Impfung müsse gleichwohl als Ursache angesehen werden, da der Zusammenhang
eines CFS mit der Impfung nach wie vor ungewiss sei, verkennt sie die oben aufgeführten rechtlichen Voraussetzungen der Kannversorgung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, §
160 Abs.
2 SGG.