Kostenentscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren
Verfahren über die Feststellung von Versicherungspflicht
Getrennte Klageerhebung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach gesonderten Bescheiden im Verwaltungsverfahren
Gründe
I.
Über die zulässige Beschwerde entscheidet der Senat, da der Berichterstatter das Verfahren aufgrund der besonderen Schwierigkeiten
in tatsächlicher und rechtlicher Art dem Senat übertragen hat (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 2 Gerichtskostengesetz - GKG -).
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, ob die Festsetzung des Streitwerts durch das Sozialgericht Speyer (SG) in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren (§
113 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-) S 11 R 386/08 und S 11 R 387/08 zutreffend erfolgt ist. Durch die Verbindung wurden die zuvor voneinander unabhängigen Verfahren zu einem einheitlichen Prozess
zusammengeführt (vgl. Beschluss des SG unter Verweis auf Wendtland in BeckOK,
ZPO, Stand 15.07.2013, §
147 RdNr. 11). Da eine Trennung der Verfahren nicht mehr erfolgt ist, konnte sich der Beschluss des SG vom 13.02.2012 nur auf das gesamte Verfahren erstrecken. Der Rechtsstreit S 11 R 387/08 war durch die Verbindung nicht erledigt, lediglich "das Aktenzeichen" fand seine statistische Erledigung. Der Senat hat demgemäß
das Rubrum geändert.
Der Beschluss des SG vom 13.02.2012 ist hinsichtlich der Kostenentscheidung nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Da nach einer Verbindung
der Rechtsstreitigkeiten eine einheitliche Kostenentscheidung zu ergehen hat (vgl. Hk-SGG/Roller, 4. Auflage, § 113 RdNr. 10) - die das SG im Urteil vom 17.11.2010 wohl auch getroffen hat -, war kein Raum mehr für eine gesonderte Kostenentscheidung durch Beschluss
nach §
197a Abs.
1 SGG i.V.m. §
161 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Das verbundene Verfahren ist nämlich hier durch Urteil beendet worden. Ob bei einer trotzdem durch Beschluss getroffenen
Kostenentscheidung eine Unanfechtbarkeit nach §
158 Abs.
2 VwGO besteht, kann offen bleiben. Auch braucht nicht entschieden werden, ob das SG hinsichtlich der Kostenentscheidung vielmehr eine Berichtigung des Urteils (§
138 SGG) oder eine Ergänzung des Urteils (§
140 Abs.
1 SGG) vorgenommen hat. Jedenfalls hat die Beklagte ihre Beschwerde in zulässiger Weise auf die Festsetzung des Streitwerts beschränkt.
II.
Die zulässige Beschwerde hinsichtlich des Streitwerts (Tenor des Beschlusses des SG vom 13.02.2012 Ziffer 2) ist teilweise begründet. Der Streitwert hinsichtlich des Verfahrens der Klägerin zu 2 ist auf 19.692,97
Euro festzusetzen. Eine Begrenzung der zeitlichen Festsetzung bis zur Verbindung der Rechtsstreitigkeiten ist nicht vorzunehmen.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 und 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.
Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass der Kläger zu 1 dem sozialgerichtlichen System für kostenrechtlich privilegierte
Beteiligte (§
183 Satz 1, §§
184 bis
195 SGG) und die Klägerin zu 2 dem System für die sonstigen Beteiligten (§
197 a SGG; GKG; §§
154 bis
162 VwGO) unterfiel. Diese beiden unterschiedlichen Konzepte des
SGG müssen innerhalb einer Instanz miteinander verbunden werden. Ist bei einem Streit mit einheitlichem Streitgegenstand in einer
Instanz ein kostenrechtlich privilegierter Hauptbeteiligter, greift - auch bei subjektiver Klagehäufung mit einem nicht Kostenprivilegierten
- die Regelung für Kostenprivilegierte ein. Sind dagegen in Fällen objektiver Klagehäufung (§
56 SGG) die Hauptbeteiligten hinsichtlich eines Streitgegenstandes nicht kostenprivilegiert, wohl aber zumindest einer der Hauptbeteiligten
hinsichtlich des anderen, besteht kein Grund, zu einer Kostenprivilegierung für beide Streitgegenstände zu gelangen. Vielmehr
ist bei der Kostenentscheidung dann zwischen den Streitgegenständen zu differenzieren (vgl. BSG, Beschluss vom 26.07.2006 - B 3 KR 6/06 B -, SozR 4 - 1500 § 197a Nr. 4; BSG, Urteil vom 26.09.2006 - B 1 KR 1/06 R -, SozR 4 - 2500 § 31 Nr. 5).
Zunächst ist daher festzulegen, ob ein einheitlicher Streitgegenstand oder eine objektive Klagehäufung verschiedener, voneinander
zu trennender Streitgegenstände vorliegt. Der Begriff des "Streitgegenstandes" im Sinne des
SGG (§
123) deckt sich mit dem Begriff des "erhobenen Anspruchs" im Sinne des §
322 ZPO (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1958 - 11 RV 1148/57 -, BSGE 9, 17). Der Streitgegenstand wird durch den geltend gemachten prozessualen Anspruch, d.h. durch den Klageantrag und den Klagegrund
im Sinne eines bestimmten Sachverhalts bestimmt. Dem Klageantrag liegt die Rechtsbehauptung zugrunde, das Gericht habe im
Sinne des Antrags zu entscheiden (vgl. BSG, Beschluss vom 22.04.2008 - B 1 SF 1/08 R -, SozR 4 - 1500 §
51 Nr. 4 RdNr. 26; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage, §
95 RdNr. 5 f). Auch die Sperrwirkung einer anderweitigen Rechtshängigkeit (§
94 SGG) setzt voraus, dass die Klagen denselben Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten betreffen (vgl. Leitherer aaO §
94 RdNr. 7c). Vorliegend sind verschiedene Streitgegenstände im Sinne einer objektiven Klagehäufung gegeben.
Der Streitgegenstand wird durch die Verbindung der Rechtsstreitigkeiten des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 2 nicht verändert.
Es entsteht damit kein "einheitlicher Streitgegenstand", vielmehr bleibt jedes Verfahren prozessrechtlich selbständig - insbesondere
hinsichtlich der gesonderten Prüfung der Prozessvoraussetzungen - und ggf. kann das Gericht ein Teilurteil über einzelne Ansprüche
erlassen (vgl. Keller aaO § 113 RdNr. 4). Ein solches Teilurteil hat das SG nicht erlassen, sondern eine gemeinsame Entscheidung mit Urteil vom 17.11.2010 getroffen. Auch wenn die Beklagte mit gleichlautenden
Bescheiden gegenüber dem Kläger zu 1 und der Klägerin zu 2 das Vorliegen von Sozialversicherungspflicht aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses
festgestellt hat, ergibt sich auch bei einheitlichen Verfügungssätzen in diesen Verwaltungsakten kein einheitlicher Streitgegenstand
im Prozess (so aber Bayerisches Landessozialgericht (LSG), Beschluss vom 02.03.2010 - L 5 R 109/10 B -, [...]; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.03.2011 - L 8 R 1107/10 B -, [...]). Insoweit ist nämlich entscheidend, dass die Streitgegenstände der Verfahren des Klägers zu 1 und der Klägerin
zu 2 bereits mangels Identität der Kläger nicht identisch sind. Zwar fechten Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der Sache den
gleichen Bescheid an, ihre Ansprüche auf Aufhebung dieser Bescheide sind aber nicht dieselben, zumal die prozessrechtlichen
Klagevoraussetzungen verschieden sein können (vgl. Breitkreuz, ASR 2012, 230, 231; so wohl auch Zieglmeier, NZS 2013, 854, 855 Fußnote 16). Da jeder der Kläger ein eigenständiges an das Gericht gerichtetes Begehren zum Ausdruck bringt, rechtfertigt
auch der in der Sache identische materielle Prüfungsmaßstab nicht die Annahme eines unteilbaren Streitgegenstandes. Vielmehr
ist eine objektive Klagehäufung gegeben (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.03.2012 - L 4 R 2043/10 -, [...] RdNr. 42). Demgemäß besteht kein Grund, zu einer Kostenprivilegierung für beide Streitgegenstände - nämlich hier
hinsichtlich der Klägerin zu 2 - zu gelangen. Über die Frage einer möglichen Sperrwirkung einer anderweitigen Rechtshängigkeit
(§
94 SGG) nach Beiladung des Arbeitnehmer/Arbeitgebers und der Sozialversicherungsträger (vgl. hierzu Zieglmeier, NZS 2013, 854) ist vorliegend nicht zu entscheiden.
In der Sache hat das SG die Berechnung des Streitwertes unter Bezugnahme auf einen Beschluss des Senats vom 08.12.2010 (L 6 R 235/10 B) in zutreffender Weise vorgenommen. Da vorliegend Anhaltspunkte zur Festsetzung des Streitwerts vorhanden sind, ist die
Annahme des Regelstreitwerts (zu § 7a
SGB VI: BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 12 R 11/07 R -, SozR 4 - 2400 § 7a Nr. 2) nicht gerechtfertigt. Dies entspricht auch dem Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit
(4. Auflage 2012, C. VI. 2.2).
Maßgebend im Beschwerdeverfahren ist nicht der in erster Instanz festgesetzte, sondern der objektiv angemessene Streitwert
(§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG; vgl. BSG, Beschluss vom 19.09.2006 - B 6 KA 30/06 B -, [...]); der Grundsatz der reformatio in peius gilt nicht.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten (§ 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss kann nach §
177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.