Tatbestand:
Der Antragsteller wendet sich gegen die Aufforderung des Beklagten, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen.
Der am 1952 geborene Kläger war erwerbslos. Er bezog eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung
Knappschaft Bahn See (im Folgenden: Rentenversicherungsträger) ab 1. Juli 2015 in Höhe von 828,03 EUR brutto (= 736,54 EUR
netto) und ab 1. Juli 2016 in Höhe von 877,25 EUR brutto (= 780,31 EUR netto). Ergänzend bezog er zusammen mit seiner 1956
geborenen Ehefrau vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweiten Buch - Grundsicherung
für Arbeitsuchende - (SGB II). Ihnen wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 8. Oktober 2015 für November 2015 bis April 2016 in der Fassung der Änderungsbescheide
vom 30. Oktober 2015 für Januar 2016 bis April 2016 und vom 12. November 2015 für November 2015 bis Dezember 2015 zunächst
vorläufig und sodann mit Änderungsbescheid vom 11. Mai 2016 für Februar 2016 bis April 2016 endgültig Leistungen bewilligt.
Auf den Kläger entfielen 78,79 EUR für Februar 2016, 0,00 EUR für März 2016 und 102,67 EUR für April 2016.
Der Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 10. Dezember 2015, dass Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld
II ab dem 1. Januar 2008 entstanden sei und für die kein Bestandsschutz bestehe, grundsätzlich ab Vollendung des 63. Lebensjahres
verpflichtet seien, eine Rente wegen Alters vorzeitig, das heiße auch mit Abschlägen, in Anspruch zu nehmen, soweit keine
der in der Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (Unbilligkeitsverordnung
- UnbilligkeitsV) geregelten Ausnahmetatbestände zuträfen. Der Kläger wurde aufgefordert, seine Rentenauskunft vorzulegen.
Am 25. Januar 2016 reichte der Kläger das Schreiben des Rentenversicherungsträgers vom 19. Januar 2016 ein. Nach der Proberechnung
habe er seit 1. Juni 2015 Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente für langjährig Versicherte mit Abschlägen in Höhe von 9
%. Bei einem Rentenbeginn ab 1. Januar 2016 betrügen die Abschläge 6,9 %. Ab 1. Dezember 2017 bestehe Anspruch auf eine Altersrente
für langjährig Versicherte ohne Abschläge. Der Rentenbetrag (ohne Abzug von Beiträgen) belaufe sich voraussichtlich auf 1.308,87
EUR monatlich.
Der Beklagte forderte den Kläger mit Bescheid vom 24. Februar 2016 auf, umgehend eine Altersrente zu beantragen und dies bis
zum 23. März 2016 nachzuweisen. Unter demselben Tag wandte sich der Beklagte an den Rentenversicherungsträger und machte einen
Erstattungsanspruch für den Fall, dass dem Kläger eine Altersrente ab 1. April 2016 bewilligt werde, geltend.
In seinem gegen den Aufforderungsbescheid gerichteten Widerspruch trug der Kläger vor, dass er es ablehne, vorzeitig in Altersrente
zu gehen, weil ihn die Abschläge bis zum Lebensende begleiten würden. Er habe aus gesundheitlichen Gründen aus dem Arbeitsleben
ausscheiden müssen. Er sehe auch keinen Grund, finanziell in ein Loch fallen zu müssen, da er immerhin Erwerbsminderungsrente
beziehe. Im Juni 2016 stehe eine Rentenerhöhung an. "Die restliche Zeit bis zur Altersrente 2017, kann ich auch ohne der übrigen
Leistung der Grundsicherung (SGB II) überleben."
Am 5. April 2016 stellte der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag.
Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 25. April 2016 beim zuständigen Rentenversicherungsträger unter Hinweis auf § 5 Abs. 3 SGB II für den Kläger eine geminderte Altersrente ab 1. Mai 2016. Am Ende des Schreibens findet sich folgender Satz: "Dieses Schreiben
wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig." Mit weiterem Schreiben machte er einen Erstattungsanspruch geltend.
Der inzwischen mandatierte Klägerbevollmächtigte erklärte im Schriftsatz vom 4. Mai 2016, dass der Kläger im Widerspruchsschreiben
nur seinen Unmut über die Vorgehensweise des Beklagten habe zum Ausdruck bringen wollen, nicht aber einen Leistungsverzicht
habe aussprechen wollen.
Mit Bescheid vom 11. Mai 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau für Mai 2016 bis Oktober 2016 vorläufig
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in wechselnder Höhe. Auf den Kläger entfielen in der monatlichen Reihenfolge
Teilbeträge in Höhe von 122,38 EUR, 182,31 EUR, 82,67 EUR, 102,38 EUR, 162,31 EUR und 82,67 EUR. Mit Änderungsbescheid vom
12. Juli 2015 wurde für Juli 2016 der Bewilligungsbetrag endgültig auf 80,79 EUR festgesetzt.
Der Klägerbevollmächtigte rügte mit Schriftsatz vom 19. Juli 2016 unter anderem, dass die Aufforderung des Beklagten, eine
vorzeitige Altersrente mit Abschlägen zu beantragen, zu einem verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die
Rechte des Klägers aus Artikel 3 Abs. 1, Artikel
14 Abs.
1, Artikel
2 Abs.
1 sowie Artikel
6 Abs.
1 des
Grundgesetzes (
GG) führe. Es fehle eine Beratung des Klägers zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung und zu anderen Arten der
Altersrente. Der Aufforderungsbescheid sei im Übrigen formell rechtswidrig, weil der Kläger vor dessen Erlass nicht angehört
worden sei.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2016 zurück. Er erläuterte, weshalb der Kläger verpflichtet
sei, eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen zu beantragen, dass er keinen Bestandsschutz nach der "58er-Regelung" genieße,
und dass keine Ausnahmeregelung greife.
Der Kläger hat am 22. August 2016 Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 22. Juli 2016 erhoben.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 21. September 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau mit Bescheid
vom 6. Oktober 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. Dezember 2016 (für Januar 2017 bis April 2017) vorläufig
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für November 2016 bis April 2017. Auf den Kläger entfielen Teilbeträge in Höhe
von 180,13 EUR, 80,79 EUR, 84,88 EUR, 95,72 EUR, 77,66 EUR und 51,31 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2017 setzte
er die Leistungen für November 2016 bis April 2017 endgültig fest, wobei sich die dem Kläger zuerkannten Leistungen für Januar
bis April 2017 auf 85,75 EUR, 96,59 EUR, 104,67 EUR und 83m25 EUR erhöhten.
Der Klägerbevollmächtigte hat im Schriftsatz vom 8. März 2017 seine Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren vertiefend
wiederholt. Ergänzend hat er geltend gemacht, dass das Schreiben des Beklagten vom 25. April 2016, in dem der Antrag auf vorzeitige
Altersrente enthalten ist, nicht unterschrieben und damit unwirksam sei. Da dem Kläger zudem weiterhin Arbeitslosengeld II
bewilligt worden sei, werde der Einwand der Verwirkung erhoben. Im Schriftsatz vom 16. März 2017 hat er vorgetragen, dass
eine unbillige Härte im Sinne von § 1 UnbilligkeitsV vorliegen dürfe. Ferner sei der Kläger auf Grund der Aufforderung, eine
vorzeitige Altersrente zu beantragen, auch verpflichtet, auf die ihm bewilligte Erwerbsminderungsrente zu verzichten. Hierzu
sei er aber nach § 12a SGB II nicht befugt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. März 2017 abgewiesen. Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei das Rechtsschutzbedürfnis
gegeben, weil nach Aktenlage noch keine bestandskräftige Rentenbewilligung erfolgt sei. Die Klage sei jedoch unbegründet.
Die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, sei rechtmäßig. Die Kammer folge den zutreffenden Ausführungen
in dem Widerspruchsbescheid und nehme hierauf Bezug. Das Sozialgericht hat ergänzend ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichtes die Vorschriften des SGB II zur Sicherung des Nachrangs der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch Verweis auf vorrangige Leistungen
verfassungsgemäß seien. Ein etwaiger Anhörungsmangel sei jedenfalls im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Der Kläger sei
ohne Altersrente hilfebedürftig. Die Bewilligung einer vorzeitigen Altersrente beseitige wegen § 7 Abs. 4 SGB II die Hilfebedürftigkeit des Klägers nach dem SGB II. Soweit ersichtlich übersteige der monatliche Zahlbetrag der vorzeitigen Altersrente auch den monatlichen Bedarf der Bedarfsgemeinschaft.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes blieben die Auswirkungen für die Ehefrau des Klägers und eventuelle Ansprüche
nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) bei der Prüfung von § 12a SGB II jedenfalls außer Betracht. Die Aufforderung zur Rentenantragstellung verstoße nicht gegen die Unbilligkeitsverordnung. Insbesondere
könne § 2 UnbilligkeitsV nicht entsprechend angewandt werden. Für die (wohl vorliegende) Befürchtung des Klägers, dass er
durch die Bewilligung einer Altersrente, die Rentenerhöhungen auf Grund von Rentenanpassungen "rückwirkend" wieder verliere,
gebe es wegen §§
64,
68 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (
SGB VI) keinen Grund. Außerdem gelte §
77 Abs.
3 SGB VI. Im Ergebnis führten die vorgenannten Vorschriften dazu, dass ab Beginn der Altersrente die "Hälfte der Rente" weiterhin
in der Höhe geleistet wird, in der auch die ("halbe") Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu leisten wäre. Die "zweite
Hälfte der Rente" bekommt der Kläger hinzu - mit den Abschlägen entsprechend §
77 Abs.
2 Nr.
2, §
236 SGB VI. Auch ein Fall von §
6 UnbilligkeitsV in der seit 1. Januar 2017 geltenden Fassung liege nicht vor. Ermessensfehler seien für die Kammer nicht ersichtlich.
Ob die ersatzweise Rentenantragstellung durch den Beklagten wirksam sei, sei vom Rentenversicherungsträger zu prüfen und zu
entscheiden.
Der Kläger hat gegen das ihm am 27. April 2017 zugestellte Urteil am 9. Mai 2017 Berufung eingelegt.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 6. April 2017 hin bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau zunächst mit
Bescheid vom 26. April 2017 vorläufig und dann mit Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2017 für Mai 2017 bis Oktober 2017 endgültig
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Dem Kläger wurden 104,14 EUR, 160,40 EUR, 114,60 EUR, 90,18 EUR, 146,44 EUR
und 186,48 EUR in diesen Monaten zuerkannt.
Nach der Rentenanpassung zum 1. Juli 2017 erhöhte sich die Erwerbsminderungsrente des Klägers auf 908,70 EUR.
Auf Grund des Rentenbescheides vom 11. September 2017 bezieht der Kläger seit 1. Dezember 2017 eine Regelaltersrente in Höhe
1.464,95 EUR brutto (= 1.300,14 EUR netto).
Der Klägerbevollmächtigte hat zunächst seine Rechtsausführungen aus dem Klageverfahren wiederholt. Darüber hinaus wendet er
zur Heilung eines Anhörungsmangels im Widerspruchsverfahren ein, dass kein förmliches Anhörungsverfahren durchgeführt worden
sei. Nach Akteneinsicht in die beigezogene Verwaltungsakte des Rentenversicherungsträgers trägt er vor, dass der angefochtene
Bescheid spätestens jetzt nichtig sei, weil der Beklagte mit Schreiben vom 25. April 2016 keinen wirksamen Antrag auf vorzeitige
Altersrente und auch danach keinen ordnungsgemäßen Antrag gestellt habe. Hilfsweise bestehe der Anspruch auf Aufhebung des
angefochtenen Bescheides auf Grund eines Anspruches auf Widerruf dieses Bescheides. Ferner werde hilfsweise der Einwand der
Verwirkung erhoben, weil der Beklagte "sein vermeintlich ihm zustehendes Recht auf vorrangige Antragstellung einer Rente mit
Abschlägen" verwirkt habe. In der mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2019 hat der Klägerbevollmächtigte unter Verweis auf
das Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. August 2018 (Az. B 14 AS 1/18 R) zu bedenken gegeben, dass der Beklagte gegen die Bewilligung der regulären Altersrente keinen Widerspruch eingelegt habe.
Weiter hat er zu bedenken gegeben, ob die Regelung in § 3 UnbilligkeitsV, wonach eine vorzeitige Altersrente bei einer bevorstehenden
abschlagsfreien Altersrente nicht beantragt werden muss, nicht erweiternd dahingehend auszulegen sei, dass bei einem Leistungsanspruch
in geringem Umfange diese Regelung entsprechend gelte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Chemnitz vom 22. März 2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2016 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er sieht die entscheidungserheblichen Regelungen als mit dem
Grundgesetz vereinbar an. Eines gesonderten Verfahrens zur Heilung eines Anhörungsmangels im Widerspruchsverfahren bedürfe es nicht.
Auch ein Verstoß gegen die Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor. Nach Einsicht in die Verwaltungsakte des Rentenversicherungsträgers
vertritt er die Auffassung, dass sich das von ihm eingeleitete rentenrechtliche Verfahren nicht erledigt habe. Denn der Rentenversicherungsträger
habe inzwischen mitgeteilt, dass eine Entscheidung über den Antrag vom 25. April 2016 wegen des laufenden Berufungsverfahrens
zurückgestellt werde. Im Übrigen sei die tatsächliche Stellung eines Rentenantrages keine Tatbestandsvoraussetzung für eine
Aufforderung, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen.
Aus der beigezogenen Verwaltungsakte des Rentenversicherungsträgers, die aus Kopien besteht und weder blattiert noch paginiert
ist, ergibt sich, dass das Antragsschreiben des Beklagten vom 25. April 2016 dort am 26. April 2016 eingegangen ist. Mit Schreiben
vom 5. Januar 2018, eingegangen am 9. Januar 2018, hat sich der Beklagte nach dem Bearbeitungsstand erkundigt. Hierauf hat
der Rentenversicherungsträger mit Schreiben vom 15. Januar 2018 geantwortet, dass der Antrag "als solcher nicht anzuerkennen
ist." Der Kläger werde durch den Klägerbevollmächtigten vertreten. Das Jobcenter sei "keinesfalls als Bevollmächtigter oder
Betreuer zu werten". Daraufhin hat der Beklagte mit Schreiben vom 6. Februar 2018 unter anderem auf die Regelung in § 5 Abs. 3 SGB II hingewiesen. Auf seine neuerliche Sachstandsanfrage im Schreiben vom 12. Juni 2018 hat der Rentenversicherungsträger mit
Schreiben vom 20. Juni 2018 erwidert, dass der Antrag wegen des laufenden Berufungsverfahrens noch nicht habe bearbeitet werden
können.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene
Verwaltungsakte der Beklagten und des Rentenversicherungsträgers Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig. Es mangelt dem Kläger insbesondere nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine allgemeine Sachurteilsvoraussetzung, die bei jeder Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
gegeben sein muss. Der Begriff des Rechtsschutzbedürfnisses bedeutet, dass nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten
gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung
hat (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 19. April 2018 - L 3 AL 71/16 - juris Rdnr. 42, m. w. N.).
1. Dem Kläger fehlt nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil er in seinem Widerspruchsschreiben auf seinen Anspruch auf
Arbeitslosengeld II verzichtet hätte.
Zwar kann nach §
46 Abs.
1 Halbsatz 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (
SGB I) auf Ansprüche auf Sozialleistungen durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden. Eine Verzichtserklärung,
bei der es sich um eine einseitig gestaltende Willenserklärung handelt, muss aber von einem klaren und eindeutigen Verzichtswillen
getragen sein (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 1988 - 10 RKg 3/87 - BSGE 63, 167 ff. = SozR 1500 §
54 Nr. 85 = juris Rdnr. 28; Groth, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB I [3. Aufl. 2018], §
46 Rdnr. 22; Rolfs, in: Hauck/Noftz,
SGB I [Stand: 43. Erg.-Lfg, Juni 2016], §
46 Rdnr. 16). Eine solche hat der Kläger in seinem Widerspruchsschreiben nicht getätigt. In seiner Äußerung, dass er die restliche
Zeit bis zur Altersrente im Jahr 2017 auch ohne die Leistung nach dem SGB II überleben könne, ist vielmehr nur eine kritische Randbemerkung zum Aufforderungsbescheid des Beklagten zu sehen.
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist ferner unter anderem dann nicht gegeben, wenn es einen einfacheren, zum Beispiel einen umfassenderen,
leichteren und schnelleren Weg gibt, das Rechtsschutzziel zu erlangen (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 17. Dezember 2015 -
L 3 AS 710/15 B ER - juris Rdnr. 35, m. w. N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt,
Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], Vor §
51 Rdnr. 16a, m. w. N.).
Vorliegend begehrt der Kläger, den Bescheid, mit dem er zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufgefordert worden
ist (zu dessen Verwaltungsaktsqualität: BSG, Beschluss vom 16. Dezember 2011 - B 14 AS 138/11 B - juris Rdnr. 5), aufzuheben. Es könnte fraglich sein, ob für diese Anfechtungsklage (zur Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage
gegen einen solchen Bescheid: BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 1/15 R - BSGE 119, 271 ff. = SozR 4-4200 § 12a Nr. 1 = juris, jeweils Rdnr. 12) ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn der Kläger, wie ihm vom
Sozialgericht nahegelegt worden ist, ergänzend begehren könnte, den Beklagten zur Rücknahme seines Rentenantrages vom 25.
April 2016 zu verpflichten. Ein solches zusätzliches Rechtsschutzbegehren ist allerdings nicht erforderlich. Denn die Befugnis
eines Jobcenters, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente ersatzweise für einen Leistungsberechtigten stellen zu dürfen, setzt
unter anderem eine wirksame vorherige Aufforderung des Betroffenen zur Rentenantragstellung voraus. Wenn also auf eine Anfechtungsklage
des Leistungsberechtigten hin die von einem Jobcenter an ihn gerichtete Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen,
aufgehoben wird, ist eine der Voraussetzungen für die Befugnis des Jobcenters, ersatzweise einen solchen Antrag stellen zu
dürfen, entfallen. Auf Grund der Bindung eines jeden Jobcenters an Gesetz und Recht (vgl. Artikel
20 Abs.
3 GG) ist dieses in einem solchen Fall verpflichtet, von selbst und nicht erst auf gerichtliche Anordnung hin den Rentenantrag
zurückzunehmen.
3. Schließlich fehlt das Rechtsschutzbedürfnis unter anderem auch dann, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung weder
gegenwärtig noch zukünftig die Stellung des Klägers oder Antragstellers verbessern würde (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 8 SO 24/10 R - NZS 2012, 798 [799] = juris Rdnr. 10; Sächs. LSG, Beschluss vom 28. Januar 2015 - L 3 AS 6/15 B ER PKH - juris Rdnr. 5; Keller, a. a. O., Vor § 51 Rdnr. 16a). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sich der Rechtsstreit
in der Hauptsache erledigt hat (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 24. September 2015 - L 3 AS 1738/13 - ZFSH/SGB 2016, 99 ff. = juris Rdnr. 34; Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier,
Verwaltungsgerichtsordnung [35. Erg.-Lfg., September 2018], Vor §
40 Rdnr. 94).
Vorliegend könnte das Rechtschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage gegen die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu
beantragen, entfallen sein, nachdem dem Kläger bestandskräftig eine Regelaltersrente bewilligt worden ist. Dies wäre dann
der Fall, wenn sich der Aufforderungsbescheid vom 24. Februar 2016 in Folge des Erlasses des Rentenbescheides vom 11. September
2017 im Sinne von § 39 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) erledigt hätte.
Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 12. Juni 2013 entschieden, dass "nach bestandskräftiger Bewilligung einer Rente
[ ...] das mit der Klage und der Berufung verfolgte Ziel, der in § 12a Satz 1 SGB II normierten Verpflichtung zur Rentenantragstellung nicht nachkommen zu müssen, wegen des in § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II bestimmten Leistungsausschlusses bei Bezug einer Rente wegen Alters aber nicht mehr erreicht werden" kann (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 225/12 B - juris Rdnr. 5). Diese Feststellung bezieht sich allerdings auf die vom Jobcenter beantragte vorzeitige Altersrente. Demgegenüber
hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 19. August 2015 eine Erledigung des Aufforderungsbescheides verneint, wenn das Jobcenter
gegen die Ablehnung des Antrages aus vorzeitige Altersrente durch den Rentenversicherungsträger Widerspruch eingelegt hat
(vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 13).
Ebenfalls im Urteil vom 19. August 2015 hat das Bundessozialgericht allerdings auch entschieden, dass für eine Anfechtungsklage
auch dann noch ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, wenn der Kläger zwischenzeitlich eine vom Rentenversicherungsträger bewilligte
abschlagsfreie Regelaltersrente bezieht. Denn solange das auf dem Antrag des Beklagten beruhende Rentenverfahren nicht bestandskräftig
abgeschlossen sei, begründe und erhalte die angefochtene Aufforderung die Verfahrensführungsbefugnis des Beklagten für den
Kläger im Rentenverfahren, in dem eine rückwirkende Bewilligung einer vorzeitigen Altersrente in Betracht komme (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.). Hiervon abweichend hat derselbe Senat jedoch im Urteil vom 9. August 2018 ausgeführt
(vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018 - B 14 AS 1/18 R - juris Rdnr. 12), dass sich der Aufforderungsbescheid nicht erledigt habe, weil bislang keine bestandskräftige Entscheidung
über den Rentenanspruch des Klägers vorliege, und zwar weder in Bezug auf den Antrag des Jobcenters auf vorzeitige Altersrente
noch in Bezug auf den Antrag des Klägers auf abschlagsfreie Altersrente (vgl. zu diesem Sachverhalt: SG Neubrandenburg, Urteil
vom 20. Oktober 2017 - S 11 AS 658/17 - juris Rdnr. 4 und 12). Diese gewählte Formulierung lässt sich so verstehen, dass der 14. Senat nunmehr von einer Erledigung
des Aufforderungsbescheides ausgehen würde, wenn die Regelaltersrente während des laufenden diesen Bescheid betreffenden Verfahrens
bestandskräftig bewilligt wird. Allerdings wird im Urteil vom 9. August 2018 in diesem Zusammenhang nicht das frühere Urteil
vom 19. August 2015 zitiert und auch keine Begründung gegeben, weshalb - entgegen der früheren Rechtsauffassung - der Aufforderungsbescheid
in Folge der bestandskräftigen Bewilligung der Regelaltersrente erledigt sein soll. Der 14. Senat hat im Urteil vom 9. August
2018 nicht zu erkennen gegeben, ob er mit der zitierten Textpassage beabsichtigt, von der eigenen früheren Rechtsprechung
im Urteil vom 19. August 2015 abzuweichen oder sie gänzlich aufzugeben.
Auf der Grundlage des zitierten Rechtssatzes des Bundessozialgerichtes im Urteil vom 19. August 2015 besteht auch vorliegend
für das im Rahmen des Berufungsverfahrens verfolgte Anfechtungsbegehren des Klägers weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis. Dem
steht nicht §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI entgegen. Danach ist nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente der
Wechsel in eine andere Rente wegen Alters ausgeschlossen. Ein Wechsel in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn die andere Rentenart
vor oder gleichzeitig mit der Altersrente beginnt (vgl. BT-Drs. 16/3794 S. 33 [zu Nummer 7 Buchst. c]; ebenso: Sächs. LSG,
Urteil vom 25. Januar 2010 - L 7 R 582/08 - juris Rdnr. 35; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2016 - L 9 R 695/16 - info also 2016, 270 ff. = juris Rdnr. 22, m. w. N.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. November 2016 - L 2 R 176/16- juris Rdnr. 21; Sächs. LSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 - L 4 R 791/17 - juris Rdnr. 19; Freudenberg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VI [2. Aufl., 2013], §
34 Rdnr. 84). Die vom Beklagten für den Kläger beantragte vorzeitige Altersrente würde, wenn der Rentenversicherungsträger dem
Antrag stattgeben sollte, am 1. Mai 2016 beginnen und damit eineinhalb Jahre vor der Regelaltersrente.
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
1. Der angefochtene Bescheid vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2016 ist formell
rechtmäßig.
a) Zwar hat es der Beklagte unterlassen, den Kläger vor dem Erlass des Bescheides vom 24. Februar 2016 anzuhören. Er war nach
§ 24 Abs. 1 SGB X verpflichtet, eine Anhörung durchzuführen (ebenso: Bay. LSG, Beschluss vom 21. November 2016 - L 11 AS 721/16 B ER - juris Rdnr. 14; offen gelassen: BSG, Urteil vom 9. März 2016 - B 14 AS 3/15 R - FEVS 68, 126 ff. = juris Rdnr. 17; BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 46/15 R - NZS 2016, 831 ff. = juris Rdnr. 16). Nach dieser Regelung ist dem Beteiligten, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte
eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Ein Eingriff in die Rechte
des Klägers liegt in der Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen. Denn auch wenn der Kläger bereits auf Grund
von § 12a Satz 1 SGB II und vorbehaltlich der Ausnahmeregelungen in § 12a Satz 2 SGB II und in der Unbilligkeitsverordnung verpflichtet war, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür
erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit
erforderlich war, und der Bezug einer vorzeitigen Altersrente kraft Gesetzes zur Folge hat, dass nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II der betreffende Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB II mehr erhält, verschafft sich der Beklagte mit dem Aufforderungsbescheid die Möglichkeit, auf der Grundlage von § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II unter Beachtung weiterer Voraussetzungen ersatzweise für den Kläger einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen und
ihn damit im Falle einer positiven Entscheidung des Rentenversicherungsträgers gegen seinem Willen aus dem Bezug von SGB II-Leistungen auszuschließen. zu können.
Von einer Anhörung des Klägers konnte der Beklagte nicht absehen, weil keiner der Ausnahmetatbestände aus § 24 Abs. 2 SGB II erfüllt war.
Der Anhörungsmangel wurde aber im Widerspruchsverfahren geheilt.
Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 26. Juli 2016 offen gelassen, ob eine erneute oder nachzuholende Anhörung im Widerspruchsverfahren
im Einzelfall entbehrlich sein kann, wenn der Betroffene die von der Behörde (bewusst oder unbewusst) unterlassene Verfahrenshandlung
der Anhörung selbst vornimmt, die im Ergebnis das bewirkt, was herbeizuführen der Behörde oblag (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 - B 4 AS 47/15 R - juris 15, unter Verweis auf BSG, Urteil vom 29. September 1991 - 4 RK 4/91 - BSGE 69, 247 [253 f.] = SozR 3-1300 § 24 Nr. 4 S. 10 f. = juris Rdnr 32, 35). Denn eine Heilung des Anhörungsmangels allein durch die
Durchführung eines Widerspruchsverfahrens setze zumindest voraus, dass der Ausgangsbescheid alle wesentlichen (Haupt-)Tatsachen,
das heißt alle Tatsachen, die die Behörde ausgehend von ihrer materiell-rechtlichen Rechtsansicht berücksichtigen muss und
kann, nennt (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 2016, a. a. O.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 4. Mai 2017 - L 3 AL 39/14 - info also 2017, 217 ff. = juris Rdnr. 42).
Letzteres ist vorliegend der Fall. Der Beklagte stellte im Bescheid vom 24. Februar 2016 die Regelung des § 12a Satz 1 SGB II, die Bestandsschutzregelung des § 65 Abs. 4 SGB II und die Regelungen der Unbilligkeitsverordnung dar. Er erläuterte, aus welchen Gründen seiner Meinung nach der Kläger verpflichtet
sei, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen. Schließlich wies er darauf hin, dass er, der Beklagte, befugt sei,
den Antrag ersatzweise zu stellen, wenn der Kläger die Antragstellung nicht umgehend vornehme. Damit hat der Beklagte im angefochtenen
Bescheid alle entscheidungserheblichen Punkte angesprochen und dem Kläger damit die Möglichkeit eröffnet, substantiiert zum
Aufforderungsbescheid Stellung zu nehmen.
Soweit der Klägerbevollmächtigte rügt, dass kein förmliches Anhörungsverfahren durchgeführt worden sei mit der Folge, dass
keine Heilung des Anhörungsmangels habe erfolgen können, verkennt er, dass das Bundessozialgericht nach seiner gefestigten
Rechtsprechung ein "mehr oder minder förmlichen Verwaltungsverfahren" nur fordert, wenn die fehlende Anhörung erst während
des Gerichtsverfahrens nachgeholt werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2006 - B 7a AL 64/05 R - juris Rdnr. 15, m. w. N.; BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr. 2 = juris, jeweils Rdnr. 15 m. w. N.; BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 ff. = SozR 4-4200 § 38 Nr. 2 = juris, jeweils Rdnr. 26 m. w. N.; BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 - B 4 AS 47/15 R - juris Rdnr. 19, m. w. N.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 4. Mai 2017, a. a. O., Rdnr. 44 f.).
b) Der Bescheid vom 24. Februar 2016 begegnet auch im Übrigen keinen Bedenken.
Der Bescheid war inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X. Soweit der Kläger aufgefordert wurde, "Altersrente" zu beantragen, war für einen verständigen, objektiven Beobachter (vgl.
BSG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - B 14 AS 9/17 R - SozR 4-1300 § 45 Nr. 19 = juris Rdnr. 21; Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 33 Rdnr. 7) aus dem Gesamtzusammenhang der weiteren Ausführungen in dem Bescheid zu erkennen, dass damit die vorzeitige Altersente,
in Bezug auf die der Kläger eine Probeberechnung des Rentenversicherungsträgers vorgelegt hatte, gemeint war.
Die dem Kläger im Bescheid vom 24. Februar 2016 gesetzte Frist bis zum 23. März 2016 für den Nachweis einer Antragstellung
war angemessen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 34; zur in der Regel angemessenen Frist von einem Monat: BSG, Beschluss vom 12. Februar 2009 - B 5 R 386/07 B - SozR 4-1500 § 153 Nr. 7 = NZS 2009, 701 ff. = juris Rdnr. 20).
2. Der Bescheid vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2016 ist auch materiell rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage für die Ermächtigung des Beklagten, den Kläger zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufzufordern,
ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes § 12a SGB II i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 16. ff.).
Nach § 12a Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen
Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich
ist. Abweichend hiervon sind nach § 12a Satz 2 SGB II Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch
zu nehmen (Nummer 1) oder Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz oder Kinderzuschlag nach dem
Bundeskindergeldgesetz in Anspruch zu nehmen, wenn dadurch nicht die Hilfebedürftigkeit aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für einen zusammenhängenden
Zeitraum von mindestens drei Monaten beseitigt würde (Nummer 2). Nach § 65 Abs. 4 Satz 2 SGB II (sog. "58er-Regelung") hat ab 1. Januar 2008 abweichend von § 2 SGB II auch ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wenn der Anspruch
vor dem 1. Januar 2008 entstanden ist, der erwerbsfähige Leistungsberechtigte vor diesem Tag das 58. Lebensjahr vollendet
hat und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts allein deshalb nicht erfüllen,
weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme
einer Arbeit zu beenden.
Der Kläger, die die Voraussetzungen der "58er-Regelung" nicht erfüllt, konnte eine vorzeitige Altersrente mit Vollendung seines
63. Lebensjahres beanspruchen. Der am 17. Mai 1952 geborene Kläger vollendete sein 63. Lebensjahr am 17. Mai 2015. Bei rechtzeitiger
Antragstellung (vgl. §
99 Abs.
1 Satz 1
SGB VI) kam ein Anspruch auf vorzeitige Altersrente ab dem 1. Juni 2015 in Betracht, wie auch die Probeberechnung des Rentenversicherungsträgers
vom 19. Januar 2016 ausweist. Der Kläger war zur Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente ab diesem Zeitpunkt verpflichtet,
weil diese im Sinne von § 12a Satz 1 SGB II zur Beseitigung seiner Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II erforderlich war. Unabhängig von der Höhe der voraussichtlichen oder tatsächlichen vorzeitigen Altersrente hätte der Kläger
aber allein schon mit der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente seine Hilfebedürftigkeit beseitigt (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 32). Denn nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II erhält Leistungen nach dem SGB II unter anderem nicht, wer Rente wegen Alters bezieht.
Aber selbst wenn hiervon abweichend auf die finanziellen Verhältnisse abzustellen wäre, würde sich im Falle des Klägers nichts
anderes ergeben. Der Beklagte hatte beispielsweise für April 2016, als er ersatzweise für den Kläger den Antrag auf vorzeitige
Altersrente stellte, im Leistungsbescheid vom 11. Mai 2016 einen individuellen Bedarf in Höhe von 455,94 EUR ermittelt. Dem
hätte als zu berücksichtigendes Einkommen (vgl. § 9 Abs. 1 SGB II) eine Altersrente in Höhe von - später tatsächlich bewilligt - 1.300,14 EUR netto mit einem Abzug von 9 % gegenübergestanden.
Da das zu berücksichtigende Einkommen nahezu dem Dreifachen des ermittelten Bedarfes entspricht, ist auch ohne eine ins Detail
gehende Berechnung nach Maßgabe von § 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II i. V. m. §§ 11 bis 11b SGB II ersichtlich, dass der Kläger seine Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II bei einer Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente bereits der Höhe nach beseitigt hätte.
Bei der Prüfung, ob der Kläger seine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II hätte beseitigen können, ist nur auf ihn und nicht auch auf seine Ehefrau abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.).
b) Ein in der Unbilligkeitsverordnung geregelter Ausnahmetatbestand von der Verpflichtung des Klägers, eine vorzeitige Altersrente
in Anspruch nehmen zu müssen, ist nicht gegeben.
(1) In der Unbilligkeitsverordnung sind die Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen Leistungsberechtigte gleichwohl zur Inanspruchnahme
einer vorgezogenen Altersrente nicht verpflichtet sind, abschließend geregelt (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 23). § 1 UnbilligkeitsV, wonach Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres
nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre,
ist selbst kein Unbilligkeitstatbestand, sondern greift als "Grundsatz"-Regelung nur den Wortlaut aus der Verordnungsermächtigung
in § 13 Abs. 2 SGB II auf (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.). Die Voraussetzungen von § 2 UnbilligkeitsV (Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld),
§ 3 UnbilligkeitsV (Bevorstehende abschlagsfreie Altersrente), § 4 UnbilligkeitsV (Erwerbstätigkeit) und § 5 UnbilligkeitsV
(Bevorstehende Erwerbstätigkeit) sind ersichtlich nicht gegeben.
(2) In Bezug auf den zum 1. Januar 2017 in Kraft getretenen § 6 UnbilligkeitsV (vgl. Artikel 1 Nr. 1 i. V. m. 2 der Verordnung
vom 4. Oktober 2016 [BGBl. I S. 2210]) kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift vorliegend Anwendung finden kann (verneinend
für bis zum 31. Dezember 2016 ergangene Widerspruchsbescheide: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. April 2017 - L 5 AS 340/16 B ER - ZFSH/SGB 2017, 770 ff. = juris Rdnr. 34). Denn die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes würden, wie bereits
das Sozialgericht festgestellt hat, nicht vorliegen. Nach § 6 Satz 1 UnbilligkeitsV ist die Inanspruchnahme unbillig, wenn
Leistungsberechtigte dadurch hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten
Kapitel des SGB XII werden würden. Dies ist nach § 6 Satz 2 UnbilligkeitsV insbesondere anzunehmen, wenn der Betrag in Höhe von 70 % der bei Erreichen der Altersgrenze (§ 7a SGB II) zu erwartenden monatlichen Regelaltersrente niedriger ist als der zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Unbilligkeit maßgebende
Bedarf der leistungsberechtigten Person nach dem SGB II. Der im Mai 1952 geborene Kläger erreichte seine Altersgrenze im Sinne von § 7a SGB II mit dem Ablauf des Monats, in dem er sein Lebensalter von 65 Jahren und 6 Monaten vollendete, das heißt mit Ablauf des Novembers
2017. Die vom Rentenversicherungsträger in der Probeberechnung ermittelte, zu erwartende monatliche Regelaltersrente betrug
1.308,87 EUR. 70 % hiervon sind 916,20 EUR. Dieser Betrag überstieg nicht nur den maßgebenden individuellen Bedarf des Klägers
("Bedarf der leistungsberechtigten Person"), sondern auch den gemeinsamen mit seiner Ehefrau sowohl im Februar 2016, als der
Beklagte die Aufforderung an den Kläger sandte, in Höhe von 869,07 EUR als auch im Juli 2016, als der Beklagte den Widerspruchsbescheid
erließ, in Höhe von 911,88 EUR. Andere Umstände, die die Annahme einer Unbilligkeit im Sinne von § 6 Satz 1 UnbilligkeitsV
rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
(3) Die vom Klägerbevollmächtigten gewünschte analoge Anwendung von § 2 UnbilligkeitsV, wonach die Inanspruchnahme unbillig
ist, wenn und solange sie zum Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen würde, kommt nicht in Betracht. Denn eine
Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz voraus (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2018 - B 5 R 25/17 R - juris Rdnr. 57, m. w. N.). Hieran fehlt es vorliegend.
(4) Auch für die vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung ins Spiel gebrachte erweiternde Anwendung von §
3 UnbilligkeitsV auf Fälle, in denen ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nur in geringem Umfang besteht, gibt es keine Grundlage (4.1). Entsprechendes gilt für eine analoge Anwendung dieser Regelung
(4.2).
(4.1) Nach § 3 UnbilligkeitsV ist die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente (mit Abschlägen) unbillig, wenn Hilfebedürftige
in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes
ist mit dem Tatbestandsmerkmal "die Altersrente" jede Altersrente gemeint, wie zum Beispiel auch die Altersrente für besonders
langjährig Versicherte nach §
236b SGB VI (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018 - B 14 AS 1/18 R - juris Rdnr. 18). Unter dem Tatbestandsmerkmal "in nächster Zukunft" wird eine Zeitspanne von vier Monaten verstanden
(vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018, a. a. O., Rdnr. 20 ff.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist für die Auslegung einer Rechtsvorschrift der in ihr zum Ausdruck
kommende objektivierte Wille des Normgebers maßgebend, so wie er sich aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem Sinnzusammenhang
ergibt, in den dieser hineingestellt ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2. Mai 2016 - 2 BvR 1137/14 - NVwZ 2016, 1313 ff. = juris Rdnr. 30, m. w. N.). Hierbei helfen alle herkömmlichen Auslegungsmethoden in abgestimmter Berechtigung, unter
denen keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen hat (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2. Mai 2016, a. a. O.,
m. w. N.). Eine Auslegung ist allerdings nur "innerhalb der Wortlautgrenze" möglich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2011
- 1 BvR 1916/09 [Le Corbusier, Designermöbel Urheberrecht] - BVerfGE 129, 78 ff. = NJW 2011, 3428 ff. = juris Rdnr. 72; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2. Mai 2016, a. a. O., m. w. N.).
In § 3 UnbilligkeitsV wird auf ein Zeitmoment ("in nächster Zukunft") abgestellt. Eine erweiternde Auslegung, bei der an die
Stelle dieses Zeitaspekt der finanzielle Aspekt des geringen Umfanges des Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II treten würde, würde die Wortlautgrenze der Regelung in § 3 UnbilligkeitsV überschreiten.
(4.2) Für eine analoge Anwendung von § 3 UnbilligkeitsV auf Fälle, in denen ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nur in geringem Umfang besteht, fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.
Zur Begründung dieses Unbilligkeitstatbestandes heißt es im Referentenentwurf (vgl. http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Gesetze/unbilligkeitsverordnung-begruendung.pdf?
blob=publicationFile): "Unter Abwägung der Höhe der Abschläge für die gesamte Dauer des Rentenbezugs und des vergleichsweise
kurzen Bezugszeitraums von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist es gerechtfertigt, bei Personen, die kurz
vor der abschlagsfreien Altersrente stehen, von der Pflicht zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente abzusehen.
Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass den Hilfebedürftigen nur noch ein vergleichsweise kurzer Zeitraum zur Eingliederung
in Arbeit zur Verfügung steht." Danach hat der Verordnungsgeber bei dieser Regelung zwei Aspekte in den Blick genommen: zum
einen die finanziellen Auswirkungen auf den Leistungsberechtigten in der von § 3 UnbilligkeitsV erfassten Konstellation und
zum anderen die geringen Aussichten, den Leistungsberechtigten in der relativ kurzen Zeit bis zum Anspruch auf abschlagsfreie
Altersrente noch in den Arbeitsmarkt eingliedern zu können. Unausgesprochen mag auch die Überlegung eine Rolle gespielt haben,
dass der Verwaltungsaufwand, der in den Fällen des § 3 UnbilligkeitsV mit einer Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen
Altersrente und gegebenenfalls der Beantragung dieser Rente durch das Jobcenter zunächst dem Jobcenter und dann dem Rentenversicherungsträger
entsteht, außer Verhältnis zu den für das System der Grundsicherung für Arbeitsuchende gewünschten Effekten steht.
Der Verordnungsgeber hat den Gesichtspunkt der Eingliederung in den Arbeitsmarkt neben § 3 UnbilligkeitV auch in § 4 UnbilligkeitV
(Erwerbstätigkeit) und § 5 UnbilligkeitV (Bevorstehende Erwerbstätigkeit) und die finanzielle Belange des Leistungsberechtigten
zum Beispiel auch in § 2 UnbilligkeitV (Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld) und § 6 UnbilligkeitV (Hilfebedürftigkeit
im Alter) berücksichtigt. Es mag sachliche Gründe geben, die einen generalisierenden und typisierenden Unbilligkeitstatbestand
in dem vom Klägerbevollmächtigten gewünschten Sinne rechtfertigen würden. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist ein solcher
weiterer Unbilligkeitstatbestand aber nicht geboten.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen eines der Unbilligkeitstatbestände in dem Zeitpunkt vorliegen müssen,
in dem der Leistungsberechtigte vom Jobcenter aufgefordert wird, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen. Die Aufforderung
an den Kläger erging im Februar 2016, Anspruch auf abschlagsfreie Altersrente hatte er ab dem 1. Dezember 2017. Dazwischen
lagen etwas mehr als 21 Monate. Selbst zwischen dem vom Beklagten beantragten Rentenbeginn am 1. Mai 2016 und dem 1. Dezember
2017 lag noch ein Zeitraum von 19. Monaten. Weder im Februar 2016 noch im April 2016, als der Beklagte ersatzweise für den
Kläger den Antrag auf vorzeitige Altersrente stellte, war abzusehen, wie lange und in welcher Höhe der Kläger noch einen Anspruch
auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II haben würde. So hätte beispielsweise seine Anspruchsberechtigung auf Leistungen nach dem SGB II vorzeitig enden können, wenn sich sein krankheitsbedingter Gesundheitszustand mit der verminderten Erwerbsfähigkeit so verschlechtert
hätte, dass er nicht mehr im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 SGB II erwerbsfähig gewesen wäre. Andererseits hätte sich der Bedarf des Klägers und damit sein Anspruch erhöhen können, wenn neben
den regelmäßig anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung zusätzlich noch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung
und Reparatur seines selbst bewohnten Wohneigentums entstanden wären (vgl. § 22 Abs. 2 SGB II). Der Ansatz des Klägerbevollmächtigten würde somit entweder eine in die Zukunft gerichtete, auf einem hypothetischen Geschehensablauf
beruhende Prognose des hypothetischen Umfangs eines hypothetischen Leistungsanspruches oder eine beim Zeitpunkt des Endes
des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II ansetzende, retrospektive Betrachtung des tatsächlichen Leistungsumfanges erfordern. Beides würde sich nicht in das Konzept
einfügen, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, die Verpflichtung zu einer solchen
Antragstellung mit hinreichender Verlässlichkeit geprüft werden kann.
(4.3) Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass auch fraglich ist, ob der Kläger tatsächlich nur einen Anspruch auf Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes "in geringem Umfange" hatte. Maßgebend für die Bestimmung der Geringfügigkeit könnte zum
einen die Beurteilung der dem Kläger monatlich bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II im Zeitraum zwischen der Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, und dem Bezug der Regelaltersrente sowie
zum anderen die Beurteilung der ihm in diesem Zeitraum insgesamt bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II sein.
Abgesehen von März 2016, wo der Beklagte dem Kläger keinen Leistungsanspruch zuerkannte, erfolgte die niedrigste Leistungsbewilligung
im vorläufigen Bescheid vom 6. Oktober 2016 für April 2017 mit einem auf den Kläger entfallenden Anspruch in Höhe von 47,22
EUR. Der Beklagte ermittelte für diesen Monat einen auf den Kläger entfallenden Bedarfsanteil in Höhe von 422,37 EUR. Damit
entspricht die Höhe der dem Kläger bewilligten Leistung 11,18 % seines Bedarfes in diesem Monat. Den höchsten Leistungsbetrag
bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 17. Oktober 2017 für Oktober 2017 mit 186,48 EUR. Bezogen auf den für
diesen Monat ermittelten Bedarfsanteil des Klägers in Höhe von 574, 72 EUR entspricht dies einer Quote von 32,45 %.
Die dem Kläger bewilligten Leistungen summieren sich für die Monate April 2016 bis Oktober 2017 auf 2.268,93 EUR. Bezogen
auf 19 Monate errechnet sich ein durchschnittlicher Leistungsanspruch in Höhe von monatlich 119,42 EUR.
Unbeschadet der Frage, auf welchen Bezugspunkt beim Ansatz des Klägerbevollmächtigten für eine Geringfügigkeit des Leistungsbezuges
abzustellen sein sollte, kann bei der beschriebenen Bedürftigkeitssituation des Klägers in der Zeit, als er noch Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bezog, kaum gesprochen werden.
c) Die Rechtsmäßigkeit einer Aufforderung zur Beantragung einer vorrangigen Leistung erfordert, dass das Jobcenter das ihm
eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.
Die Aufforderung zur Beantragung einer vorrangigen Leistung steht im Ermessen des Beklagten (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 25 ff.). Das Bundessozialgericht hat hierzu im Urteil vom 19. August 2015 ausgeführt,
dass "relevante Ermessensgesichtspunkte [ ] nur solche sein [können], die einen atypischen Fall begründen, in dem vom gesetzlichen
Regelfall der Aufforderung zur Antragstellung zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen
abzusehen ist. Dafür dürften bei der Aufforderung zur Rentenantragstellung nur besondere Härten im Einzelfall in Betracht
kommen, die keinen Unbilligkeitstatbestand iS der UnbilligkeitsV begründen, aber die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente
aufgrund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen lassen. Soweit sich Umstände für solche Härten nicht aufdrängen,
ist es am Leistungsberechtigten, atypische Umstände seines Einzelfalles vorzubringen, die der Leistungsträger zu erwägen hat"
(vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 29). Gemessen hieran kann nicht festgestellt werden, dass dem Beklagten bei
seiner Entscheidung ein Ermessensfehler unterlaufen ist.
3. Der Senat vermag die vom Klägerbevollmächtigten vorgebrachten Einwände zur Verfassungswidrigkeit der oben zitierten, den
Beklagten zur Aufforderung des Klägers ermächtigenden Regelungen nicht zu teilen.
Der Senat schließt sich der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Bundessozialgerichtes (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 43 ff., bestätigend: BSG, Urteil vom 9. März 2016 - B 14 AS 3/15 R - FEVS 68, 126 ff. = juris Rdnr. 37; BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 46/15 R - NZS 2016, 831 ff. = juris Rdnr. 30) an.
Ergänzend ist zu den Einwänden des Klägerbevollmächtigten lediglich anzumerken:
a) Nach Artikel
3 Abs.
1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist eine Regelung
nur dann mit diesem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten
anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass
sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 1 BvR 293/05 - BVerfGE 116, 229 [238] = juris Rdnr. 41, m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/96, 2 BvR 288/07 - BVerfGE 133 377 ff. = juris, jeweils Rdnr. 76, m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2018 - 1 BvR 3042/14 - NJW 2018, 3299 ff. = juris Rdnr. 18, m. w. N.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 21. April 2016 - L 3 AS 723/14 = juris Rndr. 28).
Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 19. August 2015 der Gruppe von Beziehern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II, die Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres haben, die Vergleichsgruppe der Leistungsbezieher,
die keinen Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente haben, gegenübergestellt und einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz
des Artikel
3 Abs.
1 GG verneint. In Bezug auf die Gruppe der Nichtleistungsbezieher, die Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente haben, fehle es
an der notwenigen Vergleichbarkeit (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 48).
Demgegenüber will der Klägerbevollmächtigte der Gruppe von Beziehern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II, die Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres haben, die Gruppe der Bezieher von Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII, von Kinderzuschlag nach § 6a des
Bundeskindergeldgesetz (
BKGG) und von Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) gegenüberstellen. Er sieht eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen beiden Gruppen darin, dass letztere nicht
verpflichtet würden, vorrangig einen Antrag auf Altersrente zu stellen.
In Bezug auf das Sozialhilferecht übersieht er allerdings, dass es dort zwar keine Parallelvorschriften zu § 12a SGB II und § 5 Abs. 3 SGB II, jedoch vergleichbare Regelungen gibt, die in der Sache zum selben Ergebnis führen (vgl. Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB XII [Stand: Erg.-Lfg. 2/2018], § 2 Rdnr. 19). So erhält nach § 2 Abs. 1 SGB XII Sozialhilfe nicht, wer unter anderem die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Trägern anderer Sozialleistungen,
erhält. Diese Selbsthilfeobliegenheit (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 - B 1 KR 12/14 R - SozR 4-2500 § 264 Nr. 6 = juris Rdnr. 13, m. w. N.; Coseriu, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII [2. Aufl. 2014], § 2 Rdnr. 11) wird ergänzt durch § 95 Satz 1 SGB XII, wonach der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel
einlegen kann.
Die Bezieher von Kinderzuschlag nach § 6a
BKGG wiederum bilden keine geeignete Vergleichsgruppe. Denn der Anspruch auf Kindergeld setzt unter anderem voraus, dass durch
den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 4 Satz 1
BKGG). Weiter muss die anspruchsberechtigte Person über ein gesetzlich festgelegtes Mindesteinkommen oder -vermögen verfügen (vgl.
§ 6a Abs. 1 Nr. 2
BKGG) und darf ein gesetzlich festgelegtes Höchsteinkommen oder -vermögen nicht überschreiten (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 3
BKGG). Kinderzuschlag ist mithin eine ergänzende, steuerfinanzierte Sozialleistung, die gerade den Bezug einer Grundsicherungsleistung
und damit die Einbeziehung der betroffenen Person in das umfassende Grundsicherungssystem nach dem SGB II vermeiden soll. Ähnlich verhält es sich mit dem Wohngeld. Das Wohngeld dient der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen
und familiengerechten Wohnens (vgl. § 1 Abs. 1 WoGG). Es wird als Zuschuss zur Miete (Mietzuschuss) oder zur Belastung (Lastenzuschuss) für den selbst genutzten Wohnraum geleistet
(vgl. § 1 Abs. 2 WoGG). Vom Wohngeld ausgeschlossen sind Empfänger und Empfängerinnen von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach dem SGB II (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WoGG), von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WoGG), von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WoGG) sowie von weiteren in § 7 Abs. 1 Satz 1 WoGG aufgeführten Sozialleistungen, wenn bei deren Berechnung Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden sind. Mit dem Wohngeld
wird also nicht wie mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und SGB XII das Ziel verfolgt, umfassend zu ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht (vgl. § 1 Abs.1 SGB II, § 1 Abs. 1 SGB XII). Vielmehr sollen nur die Bedarfe, die mit dem Wohnen verbunden sind, gedeckt werden.
Unabhängig davon ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
sowie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips
aus Artikel
20 Abs.
1 GG und der Ausgestaltung von Sozialleistungen ein Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. die umfangreichen Nachweise bei Sächs.
LSG, Urteil vom 24. Mai 2012 - L 3 AS 208/11 - juris Rdnr. 40 und Sächs. LSG, Urteil vom 15. Januar 2015 - L 3 AL 30/13 - juris Rdnr. 35; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 21. September 2017 - L 3 AL 211/15 - juris Rdnr. 39, m. w. N.). Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten zu entscheiden, in welcher Weise er die Ausgestaltung von
Sozialleistungen regelt, und diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an denen er dieselbe Rechtsfolge knüpft. Willkürlich handelt
er nicht bereits dann, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung wählt.
Dem Gesetzgeber steht mithin ein Spielraum zu zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er bei welchen steuerfinanzierten Sozialleistungen
eine Selbsthilfeobliegenheit sowie eine sie ergänzende Handlungsbefugnis des Sozialleistungsträgers schaffen will.
b) In Bezug auf Artikel
14 Abs.
1 GG moniert der Klägerbevollmächtigte, dass das Bundessozialgericht bei seiner Entscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 45) nicht berücksichtigt habe, dass der Kläger bei einer vorzeitigen Altersrente
nicht nur Rentenabschläge hinzunehmen habe, sondern dass ein eigentumsrechtlicher Eingriff darin liege, dass der Kläger auf
Grund staatlicher Hoheitsgewalt dazu bestimmt werde, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente unter Verlust seiner Anwartschaft
zu stellen. Beim Kläger komme noch erschwerend hinzu, dass der Kläger auch seine Erwerbsminderungsrente bis zum Eintritt der
Regelaltersrente verzichten müsse. Diese Eingriffe würden sich als unverhältnismäßig erweisen. Fiskalische Interessen seien
nicht geeignet, die Eingriffe zu rechtfertigen.
Im Ergebnis macht der Klägerbevollmächtigte geltend, dass der Kläger einen Anspruch auf steuerfinanzierte Grundsicherungsleistungen
habe, bis er die ihm zustehende Altersrente ohne oder nur mit den geringstmöglichen Abschlägen in Anspruch nehmen könne. Eine
solche weitreichende Rechtsposition vermittelt aber das Grundrecht auf Sicherung des Existenzminimums aus Artikel
1 GG i. V. m. Artikel
20 GG nicht.
c) Weiter wendet der Klägerbevollmächtigte ein, dass § 12a Satz 1 SGB II nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei, weil das eingesetzte Mittel ungeeignet sei, das verfolgte
Ziel zu erreichen. Weshalb die Pflicht/Obliegenheit eines Leistungsberechtigten, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch
zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, grundsätzlich nicht geeignet sein soll, die Hilfebedürftigkeit
des Leistungsberechtigten zu vermeiden, beseitigen, verkürzen oder vermindern, erläutert der Klägerbevollmächtigte allerdings
nicht.
Soweit der Klägerbevollmächtigte die Auffassung vertritt, der gesetzgeberische Zweck liege darin, die steuerliche Gesamtbelastung
zu reduzieren, und das gewählte Mittel sei zur Erreichung dieses Zweckes ungeeignet, weil im Gegenzug die Ausgaben der Rentenkassen
steigen würden, übersieht er, dass die gesetzliche Rentenversicherung nicht steuer- sondern beitragsfinanziert ist. Im Übrigen
steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei zu entscheiden, aus welchem Finanztopf er welche Sozialleistung finanziert wissen
will. Es gibt keinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch darauf, eine bestimmte Sozialleistung aus einem bestimmten Sozialsystem
zu erhalten.
d) Der Einwand im Widerspruchsverfahren, im vorliegenden Fall werde durch die Aufforderung an den Kläger, eine vorzeitige
Altersrente zu beantragen, in das Grundrecht aus Artikel
6 Abs.
1 GG eingegriffen, erschließt sich nicht. Gemeint ist wohl der grundrechtliche Schutz der Ehe. Zu dessen Schutzbereich zählt unter
anderem der Schutz des ehelichen Zusammenlebens einschließlich des Schutzes der Entscheidungen zu den finanziellen Beziehungen
untereinander (eingehend zum sachlichen Schutzbereich u. a. Jarass, in: Jarass/Pieroth,
Grundgesetz [15. Aufl., 2018], Art.
6 Rdnr. 6 f., m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes verbietet Artikel
6 Abs.
1 GG dem Staat, die Ehe zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen. Das gilt auch für ihren materiell-wirtschaftlichen Bereich
(vgl. BVerfGE, Beschluss vom 10. Januar 1984 - 1 BvL 5/83 - BVerfGE 66, 84 ff. = NJW 1984, 1523 ff. = juris Rdnr. 38).
Durch die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, wird nicht mittelbar und schon gar nicht unmittelbar in
dieses Grundrecht eingegriffen. Der Kläger wird lediglich darauf verwiesen, an Stelle der bislang bezogenen, steuerfinanzierten
Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II eine andere, jetzt beitragsfinanzierte Sozialleistung in Anspruch zu nehmen. Sofern die Leistungen aus der vorzeitigen Altersrente
nicht ausreichen sollten, das Existenzminimum des Klägers und seiner Ehefrau zu decken, bestünde ergänzend ein Anspruch auf
Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Die Situation würde der bis zum Bezug der Regelaltersrente entsprechen, als der Kläger und seine Ehefrau ergänzend zu der
Erwerbsminderungsrente des Klägers Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bezogen.
4. Auch die weiteren Einwände des Klägerbevollmächtigten vermögen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht
zu begründen.
a) Soweit der Klägerbevollmächtigte rügt, dass der Kläger nicht zu anderen Rentenarten beraten worden sei, bleibt unklar,
inwiefern dies für die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, vorliegend von rechtlicher Bedeutung sein
soll.
b) Soweit der Antrag auf vorzeitige Altersrente vom Rentenversicherungsträger positiv beschieden werden sollte, hätte der
Kläger keinen Anspruch mehr auf die ihm bewilligte Erwerbsminderungsrente. Dies ist aber die im
SGB VI vorgesehen Folge einer Bewilligung einer Altersrente.
c) Die Auffassung, dass es mit § 12a Satz 1 SGB II nicht vereinbar sei, wenn der Kläger mit einem Antrag auf vorzeitige Altersrente zugleich auf seine Erwerbsminderungsrente
verzichte, ist nicht zutreffend. Zwar ist es zutreffend, dass mit dem Bezug einer Altersrente der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente
entfällt. Auch ist ein Leistungsberechtigter verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür
erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit
erforderlich ist (vgl. § 12a Satz 1 SGB II), und er darf weder vorsätzlich noch grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeiführen (vgl.
§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Allerdings hat der Kläger mit dem Bezug der Erwerbsminderungsrente bislang seine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II nur vermindert, weil er ergänzend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bezog. Erst mit dem Bezug einer vorzeitigen Altersrente würde er weitergehend seine Hilfebedürftigkeit beseitigen, weil er
dann kraft Gesetzes (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II) von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen wäre. Wenn im Rahmen von § 12a SGB II die Wahl zwischen zwei vorrangigen Sozialleistungen besteht, hat diejenige Sozialleistung Vorrang, mit der die Hilfebedürftigkeit
des Leistungsberechtigten weitergehend verkürzt oder vermindert oder sogar in Gänze beseitigt wird.
d) Schließlich greifen auch die Verwirkungseinreden des Klägerbevollmächtigten nicht.
(1) Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 8. Oktober 2014 ausgeführt, dass ein Recht verwirkt ist, "wenn der Berechtigte
es längere Zeit hindurch (aber noch innerhalb der Verjährungsfrist) nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich auf
die Nichtgeltendmachung eingerichtet hat und er sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten zudem darauf einrichten
durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Die Verwirkung ist damit ein Fall der unzulässigen
Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Der Verstoß gegen Treu und Glauben liegt in der illoyalen Verspätung der
Rechtsausübung [ ]. Demgemäß müssen für die Verwirkung eines Rechts stets drei Voraussetzungen erfüllt sein [ ], d.h. ein
Zeitmoment , ein Umstandsmoment und zusätzlich eine faktische und rechtliche Untätigkeit des Anspruchsinhabers." Das Zeitmoment
bedeutet, dass seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, eine längere Zeit verstrichen sein muss, wobei die Umstände
des Einzelfalls maßgebend sind. Das Umstandsmoment (Vertrauenstatbestand) ist gegeben, wenn sich der Schuldner darauf einstellt,
der Gläubiger werde aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes sein Recht nicht mehr geltend machen. Dies ist der Fall,
wenn der Berechtigte unter solchen Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken, dass er sein Recht gegenwärtig
und auch in Zukunft nicht mehr geltend machen wird. Eine Untätigkeit des Berechtigten ist gegeben, wenn er während des für
die Verwirkung erforderlichen Zeitraums nichts zur Durchsetzung seines Rechts getan hat. Danach ist die Verwirkung ausgeschlossen,
wenn er zum Beispiel durch Mahnung, Widerspruch oder in sonstiger Weise zu erkennen gegeben hat, dass er auf seinem Recht
beharrt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Oktober 2014 - B 3 KR 7/14 R - BSGE 117, 65 ff. = SozR 4-5560 § 17c Nr. 2 = juris, jeweils Rdnr. 44, m. w. N.)
(2) Hieran gemessen hat der Beklagte sein Recht, den Kläger zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente auffordern und gegebenenfalls
für ihn diesen Antrag stellen zu dürfen, nicht dadurch verwirkt, dass er dem Kläger (und dessen Ehefrau) auch noch nach der
Aufforderung weiterhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bewilligt hat. Denn nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II entfällt die Berechtigung des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II erst, wenn er eine "Rente wegen Alters [ ] bezieht", nicht aber bereits, wenn er eine solche Rente beziehen könnte oder nach
Maßgabe von § 12a SGB II beziehen sollte.
(3) Soweit der Klägerbevollmächtigte moniert, der vom Beklagten gestellte Rentenantrag sei nicht unterschrieben, ist dies
zutreffend. Allerdings enthält §
115 SGB VI, wo der Beginn des Rentenverfahrens auf Antrag und Ausnahmen hiervon geregelt sind, keine Formvorgaben. Es gelten deshalb
die Regelungen des
SGB I und SGB X. Nach dem SGB X kann ein Antrag auf eine Sozialleistung grundsätzlich formfrei gestellt werden (vgl. Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 9 Rdnr. 4; Palsherm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X [2. Aufl., 2017], § 9 Rdnr. 18). Aus diesem Grund gehen die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten zu Regelungen, in denen die Schriftform gefordert
wird (z. B. §
151 Abs.
1 SGG), ins Leere.
Ob ein von einer Behörde maschinell erstellter Antrag auf eine Sozialleistung dem Grunde nach überhaupt ein ordnungsgemäßer
Antrag ist und ob, die Zulässigkeit eines solchen Antrages dem Grunde nach unterstellt, gegebenenfalls bestimmte Voraussetzungen
erfüllt sein müssen, damit ein maschinell erstellter Antrag wirksam ist (z. B. um feststellen zu können, ob ein Erklärungswille
bestand, einen Antrag stellen zu wollen), muss im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden. Dies hat der Rentenversicherungsträger
im rentenrechtlichen Verfahren in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Eine Bindungswirkung einer etwaigen Entscheidung zu dieser
Frage im vorliegenden Verfahren wie überhaupt zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Aufforderungsbescheides würde sich für
den Rentenversicherungsträger nicht ergeben, weshalb er auch nicht nach §
75 Abs.
2 Alt. 1
SGG notwendig beizuladen war (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 14). Eine einfache Beiladung des Rentenversicherungsträgers nach §
75 Abs.
1 Satz 1
SGG ist zwar nach Auffassung des Bundessozialgerichtes nach Rentenantragstellung durch den SGB II-Leistungsträger zweckmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.). Der Senat hat hiervon jedoch abgesehen.
(4) Auch der Einwand, der Beklagte habe seine Rechte in Bezug auf die Aufforderung an den Kläger, eine vorzeitige Altersrente
zu beantragen, verwirkt, weil er gegen den Bescheid über die abschlagsfreie Altersrente keinen Widerspruch eingelegt habe,
vermag dem Rechtsschutzbegehren des Klägers nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der seit 1. April 2011 geltenden Fassung (vgl. Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 [BGBl. I S. 850]) können die Leistungsträger
nach dem SGB II, wenn Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht stellen,
den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Durch dieser Regelung erhält ein Jobcenter die Stellung
eines Prozessstandschafters (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. April 2016 - L 19 AS 423/16 B ER - info also 2017, 37 ff. = juris Rdnr. 24; Luik, in: Gagel, SGB II/SGB III [Stand: 71. Erg.-Lfg., September 2018], § 5 SGB II Rdnr. 119; Knickrehm/Hanhn, in: Eicher/Luik, SGB II [4. Aufl., 2017], § 5 Rdnr. 31). Mit der zum 1. August 2008 in Kraft getretenen Befugnis für SGB II-Leistungsträger, auch Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen zu können, sollte die ihnen bereits zuvor zustehende "Verfahrenserleichterung",
an Stelle des Leistungsberechtigten einen vorrangig bestehenden Sozialleistungsanspruch geltend machen zu können, erweitert
werden (vgl. BT-Drs. 16/1410 S. 18). Aus dem Regelungszusammenhang und der Intention des Gesetzgebers folgt, dass sich die
Befugnis, Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen zu können, nur auf den konkreten vorrangig bestehenden Sozialleistungsanspruch
bezieht, nicht aber umfassend auf alle Sozialrechtsverhältnisse, die mit dem vorrangig bestehenden Sozialleistungsanspruch
im Zusammenhang stehen. Für eine darüber hinausgehende Prozessstandschaft bietet § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II, gemessen am verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (vgl. hierzu: Jarass, a. a. O., Art. 20 Rdnr. 82 ff., m. w. N.), keine
hinreichende Rechtsgrundlage.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Beklagte nicht befugt war, Widerspruch gegen den Bescheid des Rentenversicherungsträgers
vom 11. September 2017, mit dem dem Kläger eine Regelaltersrente ab dem 1. Dezember 2017 bewilligt worden ist, einzulegen.
Wenn es der Beklagte aber unterlässt, einen ihm nicht zustehenden Rechtsbehelf einzulegen, kann ihm gegenüber hieraus keine
Verwirkung hergeleitet werden.
(5) Schließlich hat der Beklagte nicht seine Rechtsposition gegenüber dem Kläger dadurch verwirkt, dass er sich nicht um den
von ihm gestellten Antrag auf vorzeitige Altersrente gekümmert hat. Das Antragsschreiben des Beklagten vom 25. April 2016
ist beim Rentenversicherungsträger am 26. April 2016 eingegangen. Zwar hat der Beklagte erst mit Schreiben vom 5. Januar 2018
wegen des Bearbeitungsstandes nachgefragt, das heißt mehr als 1 ½ Jahre nach der Antragstellung. Er durfte jedoch davon ausgehen,
dass der Antrag vom Rentenversicherungsträger geprüft und beschieden werden würde. Ein Antrag auf Sozialleistung verjährt
bei einer Untätigkeit des zuständigen Sozialleistungsträgers nicht. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, auf Grund welcher Umstände
der Kläger hätte darauf vertrauen dürfen, der Beklagte werde die Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente
und den nachfolgend gestellten Rentenantrag nicht weiter verfolgen, wenn gerade über die Rechtsmäßigkeit der Aufforderung
ein Rechtsstreit vor der Sozialgerichtsbarkeit geführt wird.
IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.