GdB-Feststellung im Schwerbehindertenrecht; Feststellung des Behinderungsgrads nach Ablauf der Heilungsbewährung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Herabsetzung des Behinderungsgrads nach Ablauf der Heilungsbewährung.
Auf Antrag der 1951 geborenen Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 15. März 2002 für den Verlust der linken Brust
(Erkrankung in Heilungsbewährung) einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 mit Wirkung vom 11. September 2001 fest. Die stationäre
Behandlung der Brustkrebserkrankung erfolgte im Städtischen Klinikum M. vom 5. bis 21. September 2001.
Im Jahr 2006 veranlasste der Beklagte ein Überprüfungsverfahren (Nachuntersuchung von Amts wegen), in dem er Befundscheine
der behandelnden Ärzte der Klägerin einholte. Die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. W. gab an, die Klägerin
habe sich für eine intensive immunbiologische Therapie mit aktiver Fiebertherapie in der H.-klinik (Bad M.) entschieden und
sei dort vom 4. September bis 2. Oktober 2002 therapiert worden. Es bestehe kein Anhalt für ein Rezidiv. Die Fachärztin für
Innere Medizin Dipl.-Med. B. bestätigte einen relativ guten Zustand der Klägerin. Der beteiligte ärztliche Dienst des Beklagten
schlug nach dem Ablauf der Heilungsbewährung ohne Rezidivnachweis für den Verlust der linken Brust mit Muskelverspannungen
auf der linken Halsseite durch Narbenzug einen GdB von 30 vor. Mit Schreiben vom 15. März 2007 hörte der Beklagte die Klägerin
zu einer beabsichtigten Herabsetzung des Behinderungsgrades auf 30 für die Zukunft an. In ihrer Stellungnahme vom 3. April
2007 teilte die Klägerin mit: Die Erkrankung habe Auswirkungen auf die Muskulatur der Halswirbelsäule (HWS). Sie habe ständige
Verspannungen und Verhärtungen im Hals-, Schulter-, und Nackenbereich, die schmerzhaft ausstrahlten. Derzeit könne sie nur
noch leichte manuelle Tätigkeiten ausführen und bekomme regelmäßig physiotherapeutische Behandlungen (drei Mal wöchentlich).
Auch bestehe eine dauerhafte Müdigkeit. Die Erkrankung belaste sie zudem auch psychisch (Angstgefühle; Schweißausbrüche).
Mit Bescheid vom 15. August 2007 hob der Beklagte den Bescheid vom 15. März 2002 auf und stellte ab 1. September 2007 einen
GdB von 30 fest. Dagegen erhob die Klägerin am 31. August 2007 Widerspruch und gab zur Begründung an: Neben der von dem Beklagten
genannten Erkrankung bestünden Funktionseinschränkungen im Schultergürtel, dem Arm sowie der Wirbelsäule und außergewöhnliche
psychoreaktive Störungen. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, dass sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung
beziehe und weitere Befunde aus diesem Verfahren beigezogen werden könnten. Der Beklagte zog vom Rentenversicherungsträger
ein Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie Dr. S. vom 3. September 2007 bei, die ausgeführt
hatte: Die Klägerin habe eine starke Leistungsminderung und eine fehlende körperliche Belastbarkeit angegeben. Sie habe öfters
Schmerzen im linken Arm sowie im Halswirbelsäulenbereich. In letzter Zeit hätten sich die Schmerzen im Bereich der HWS sowie
der Lendenwirbelsäule (LWS) verstärkt. Oft fühle sie sich matt, depressiv und weinerlich. Klinisch bestehe ein etwas reduzierter
Allgemeinzustand bei einem guten Ernährungszustand. Kopf und Gelenke seien aktiv und passiv frei beweglich. Neben den bekannten
Diagnosen sei von degenerativen Wirbelsäulenveränderungen auszugehen und ein orthopädisches Gutachten zu empfehlen. Daraufhin
schlug die ärztliche Gutachterin des Beklagten Dr. W. für den Verlust der linken Brust einen GdB von 30 vor. Mit Widerspruchsbescheid
vom 11. Juli 2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 1. August 2008 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und ergänzend auf eine behandlungsbedürftige, chronische Lymphabflussstörung hingewiesen. Auch die schmerzhafte
Funktionsstörung im Schulter-Nackenbereich sowie die erheblichen psychischen und physischen Einschränkungen seien nicht hinreichend
gewürdigt worden und rechtfertigten einen GdB von mindestens 50. Zur Glaubhaftmachung hat die Klägerin eine Heilmittelverordnung
von der Frauenärztin Dr. W. vom 12. August 2008 vorgelegt.
Das SG hat weitere Befundberichte eingeholt. Dr. W. hat über einen gleichbleibenden Zustand der Klägerin berichtet. Diese sei in
der Bewegung des linken Arms und der Schulter eingeschränkt und körperlich nur bedingt belastbar. Dipl.-Med. B. hat einen
unveränderten Gesundheitszustand angegeben. Es bestünden ein physischer und psychischer Erschöpfungszustand sowie eine schmerzhafte
Muskelspannungsstörung im Schulter- und Nackenbereich. In einem beigefügten Bericht der Rehabilitationsklinik Bad S. Praxis
für Physiotherapie über einen stationären Aufenthalt vom 10. Februar bis 18. März 2009 finden sich als Rehabilitationsdiagnosen:
Deutliche Bewegungseinschränkungen im Bereich des linken Armes nach Neck-Dissektion,
Emotionale Anspannung mit Angst und Antriebslosigkeit bei bestehender maligner Erkrankung,
Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich.
Nach dem Reha-Abschlussbericht sei die schmerzfreie aktive Beweglichkeit der linken Schulter auf eine Abduktion von 80° und
eine Anteversion von 140° gesteigert worden.
Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf die prüfärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 23. Dezember 2009 seine bisherige Auffassung
korrigiert und ab dem 1. September 2007 einen GdB von 40 vorgeschlagen. Wegen der Folgen des ausgedehnten operativen Eingriffs,
der zu Beeinträchtigungen der Beweglichkeit im Halsbereich geführt habe und wegen einer körperlichen und seelischen Belastungsminderung
sei nach Ablauf der Heilungsbewährung ein GdB von 40 vertretbar. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen, jedoch
an ihrem weitergehenden Begehren festgehalten.
Auf Nachfrage in der öffentlichen Sitzung vom 2. März 2011 hat die Klägerin angegeben, psychisch beeinträchtigt zu sein. Mit
einer Psychologin arbeitete sie aber nicht mehr zusammen, da ihr dies nichts gebracht habe. Sie führe eine Synergetik-Therapie
durch, die ihr mehr helfe. Sie habe weiterhin Beschwerden im Schulter- und Nackenbereich sowie bei der Bewegung des Kopfes,
weil die Muskulatur bei der Operation teilweise ausgeräumt worden sei. Dies mache auch eine ständige Beübung der noch vorhandenen
Muskulatur erforderlich.
Mit Urteil vom 2. März 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe nach Ablauf der Heilungsbewährung
zutreffend einen GdB von 40 festgestellt. Der Verlust der Brust bedinge nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen einen
GdB von 30. Die Beschwerden im Schulter- und Nackenbereich seien mit einem Einzel-GdB von höchstens 20 zu bewerten. Eine Parallele
zu den Muskelerkrankungen könne nicht gezogen werden, da eine derartige Erkrankung nicht vorliege. Die psychische Minderbelastung
der Klägerin sei ebenfalls mit einem Einzel- GdB von höchstens 20 zu bewerten. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sich die
Klägerin in keiner psychotherapeutischen oder psychiatrischen Behandlung befinde.
Gegen das ihr am 16. März 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. März 2011 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
eingelegt. Ergänzend hat sie vorgetragen: Aus dem OP Bericht ergebe sich eine ausgeprägte Schädigung der Muskulatur. Die Gebrauchsfähigkeit
des linken Armes sei deutlich reduziert. Selbst das Tragen leichter Lasten sei ihr nicht möglich. Hinzu komme ein Spannungsaufbau
im Rücken mit schmerzhaften Auswirkungen auf den gesamten Stütz- und Bewegungsapparat. Die Muskelschwäche rechtfertige einen
Einzel-GdB von nicht unter 40. Zudem leide sie an einem Fatique-Syndrom (Müdigkeitssyndrom). Dies sei mit einer Antriebslosigkeit
sowie einem sozialen Rückzug verbunden.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 2. März 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. August 2007 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2008 aufzuheben, soweit darin ein GdB von weniger als 50 zuerkannt ist.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG.
Der Senat hat weitere Befundberichte von Dr. W. und Dipl.-Med. B. eingeholt. Darüber hinaus hat der Senat Auszüge aus dem
rentenversicherungsrechtlichen Verfahren der Klägerin beigezogen. Darin gab Dr. N. in einem orthopädischen Gutachten vom 25.
Juli 2005 (Untersuchung vom 22. Juli 2005) an: Die Untersuchung der Schultergelenke habe auf der linken Seite Bewegungseinschränkungen
gezeigt (Ante-/Retroflexion: 145°/0°/30°; Abduktion/Adduktion: 140°/0°/30°; Innen-/Außenrotation bei 90 ° abduziertem Arm:
80°/0°/80°). Der Schürzengriff sei beidseits gut demonstriert worden. Der Nackengriff sei rechts uneingeschränkt und links
zu 4/5 möglich gewesen. Aus orthopädischer Sicht seien nur noch leichte Arbeiten möglich. Eine Arbeit von 6 Stunden täglich
sei vorstellbar. Diagnostisch bestehe ein chronisches Cervicobrachialsyndrom mit Funktionseinschränkung im Bereich des linken
Schultergürtels. Eine psychiatrische Bewertung sei geboten. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. gab in einem
weiteren Gutachten vom 21. September 2005 an: Die Klägerin habe aus persönlichen Gründen keine Chemotherapie oder Bestrahlung
durchführen lassen, sondern sich in die H.-klinik begeben (aktive Fiebertherapie). Diese Behandlung habe sie in den Jahren
2001/2002 wiederholt. Zudem mache sie eine Synergetik-Therapie, die mit suggestiven Entspannungsmethoden arbeite. Eine Halbtagstätigkeit
könne sie sich vorstellen, wenn keine schweren Arbeiten anfielen. Diagnostisch bestehe eine leichte depressive Verstimmung
im Sinne einer reaktiven depressiven Reaktion.
Der Facharzt für Orthopädie Dr. P. gab in einem weiteren Gutachten für den Rentenversicherungsträger vom 9. März 2006 an:
Die Klägerin befinde sich in einem ausreichenden Allgemein- und Kräftezustand (Größe: 164 cm; Gewicht: 57 kg). Am linken Schultergelenk
habe sie endgradig Bewegungsschmerzen in allen Ebenen angegeben (Anteversion/Retroversion: 145°/0°/30°; Abd./Add.: 130°/0°/30°;
AR/IR: 80°/0°/80°). Der Schürzengriff sei uneingeschränkt und der Nackengriff endgradig erschwert. Im Bereich der HWS sei
eine deutliche Funktionseinschränkung festzustellen (Vorneigung/Rückneigung: 20°/0°/25° (Normal: 34°- 45°/0°/34°- 45°); Seitneigung:
20°/0°/20° (Normal: 45°/0°/45°); Drehen: 40°/0°/40° (Normal: 60° - 80°/0°/60° - 80°)). In allen Ebenen habe die Klägerin Bewegungsschmerzen
angegeben. Zudem bestehe ein ausgeprägter Hartspann der Trapeziusmuskulatur (links). Hinzu komme eine endgradige Funktionseinschränkung
der Brust- und Lendenwirbelsäule. Die Zeichen nach Ott hätten 30/31 cm und nach Schober 10/14 cm ergeben. Die Klägerin sei
reaktiv depressiv verstimmt.
Die Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. W. gab in einem weiteren rentenversicherungsrechtlichen Gutachten vom 17. Oktober
2008 an: Die Klägerin habe angegeben, sie fühle sich schwach, sei ständig müde und nicht belastbar. Auch habe sie morgendliche
Anlaufprobleme. Im Bereich der linken Halsseite/Schulter sowie der Armregion bestünden Schmerzen. Wegen des fehlenden Halsmuskels
müsse sie oft den Kopf fixieren. Aufgrund der ständigen Verspannungen im Schulter-/Nackenbereich gehe sie regelmäßig (zwei
Mal die Woche) zur Physiotherapie sowie zur Lymphdrainage. Sie betreibe Chigong und sei weiterhin beim Heilpraktiker in Behandlung.
Das Körpergewicht habe zugenommen. Wegen der Krebserkrankung habe sie ihre Ernährung auf eine lacto-vegetative Kost umgestellt.
Klinisch ergebe sich folgender Befund: Die Klägerin sei in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand (Gewicht: 60 kg).
Am linken Hals befänden sich eine Narbe mit Narbenzug sowie eine Muskelathropie und eine Jugulusgrube. Aufgrund der Neck-Dissektion
sei der Kopf geneigt und eine Schiefhalsstellung festzustellen. Die linke Schulter hänge herunter und sei in allen Bewegungen
wegen fehlender Muskelanteile im Bereich des Halses und des Rückens eingeschränkt. Die rechte Schulter sei frei beweglich.
Beide Arme seien im Umfang gleich. Zudem bestehe eine BWS-Skoliose. Beim Bücken und Aufstehen müsse sich die Klägerin abstützen.
Psychomotorisch wirke sie insgesamt verlangsamt. Die Gelenke seien frei beweglich. Psychisch wirkte die Klägerin aufgeregt
und im Übrigen adäquat. Kardiologisch bestünden eine Hypotonie und eine kardial nicht ausreichende Belastbarkeit (Ergometertest
bis zum Abschluss 50 Watt (3 Minuten)). Seit 2005 sei die Gesamtsituation gleichbleibend. Ein Kreislauftraining sei zu empfehlen,
um den Konditionsmangel zu reduzieren.
Der ärztliche Dienst der Beklagten (Dr. W.) hat diese Befunde ausgewertet: Die Beweglichkeit der HWS und des linken Schultergelenks
sei durchweg nur leicht eingeschränkt. Sensomotorische Defizite seien nicht berichtet worden. Eine Schmerztherapie habe offenbar
nicht stattgefunden. Im Gutachten Dipl.-Med. W. seien lediglich die Angaben der Klägerin wiedergegeben und allgemein beschreibende
Befunde genannt worden. Die internistischen Befunde seien bis auf die Ergometrie unauffällig. Das Ergebnis der Ergometrie
sei jedoch insbesondere mit einem Konditionsmangel und der lacto-vegetativen Ernährung der Klägerin zu erklären. Wesentliche
Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bestünden nicht. Zusammenfassend sei weiterhin von einem GdB von 40
auszugehen.
Die Klägerin hat einen Arztbrief der Osteeklinik P. (stationärer Aufenthalt vom 9. November bis 30. November 2011) vorgelegt.
Weiter hat sie geltend gemacht, ihre Orthopädin könne weitere Angaben machen. Der Senat hat daraufhin einen Befundbericht
von Dr. H. eingeholt, die angegeben hat, die Klägerin ab 4. März 2011 wegen Kniegelenksbeschwerden sowie HWS-Beschwerden behandelt
zu haben. Die Klägerin hat einen Befundbericht der Rehabilitationsklinik Bad S. sowie eine weitere Stellungnahme von Dr. H.
vom 4. November 2012 vorgelegt. Unter dem 23. Januar 2013 hat die Klägerin mitgeteilt, dass im Zeitraum 2007 bis 2008 lediglich
hausärztliche Konsultationen stattgefunden hätten, jedoch auch physiotherapeutische Behandlungen verordnet worden seien. Ggf.
seien von der Rehabilitationsklinik Bad S. weitere Unterlagen abzufordern.
Die Beteiligten haben sich am 20. Dezember 2012 bzw. am 18. Februar 2013 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten sowie Auszüge aus dem rentenversicherungsrechtlichen Verfahren der
Klägerin haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats. Wegen der weiteren Einzelheiten
des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte vorliegend ohne mündliche Verhandlung (§
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) entscheiden, da sich beide Beteiligte hiermit einverstanden erklärt haben.
Die Berufung der Klägerin ist nach §
143 SGG statthaft und nach §
141 Abs.
2 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist aber nicht begründet, denn der Beklagte hat nach dem Teilanerkenntnis vom 23. Dezember
2009 zu Recht den GdB von 40 mit Wirkung ab dem 1. September 2007 herabgesetzt. Die angefochtenen Bescheide sowie das Urteil
des SG vom 2. März 2011 2007 verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§
54 Abs.
2 SGG).
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist eine isolierte Anfechtungsklage gemäß §
54 Abs.
1 SGG gegen einen belastenden Verwaltungsakt. Bei der hier erhobenen Anfechtungsklage bezieht sich die Prüfung der Rechtmäßigkeit
der angefochtenen Bescheide auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids am 11. Juli 2008 (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003, B 9 SB 6/02 R, zitiert nach juris). Damit ist unerheblich, ob sich der Gesundheitszustand der Klägerin nach dem Erlass des Widerspruchbescheids
vom 11. Juli 2008 verschlechtert hat. Dies ist nicht Streitgegenstand und bedarf daher auch keiner weiteren Sachaufklärung.
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Insbesondere ist die nach § 24 des Zehntes Buch des Sozialgesetzbuchs - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erforderliche Anhörung zu einer beabsichtigten Herabsetzung des Grads der Behinderung mit Schreiben vom 15. März 2007 erfolgt.
Seine materielle Ermächtigungsgrundlage finden die von der Klägerin angefochtenen Bescheide in § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen,
die bei seinem Anlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Als wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes
gilt, wobei dies sowohl hinsichtlich der Besserung als auch Verschlechterung anzunehmen ist, jedenfalls eine Veränderung,
die es erforderlich macht, den Gesamtgrad der Behinderung um mindestens 10 anzuheben oder abzusenken.
Auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Beklagte wirksam den Bescheid vom 15. März 2002 teilweise aufgehoben. In der Zeit zwischen Erlass dieses Bescheids
und dem Widerspruchbescheid am 11. Juli 2008 ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen durch den Ablauf
einer Heilungsbewährung eingetreten, die nicht mehr den mit Bescheid vom 15. März 2002 festgestellten GdB von 80, sondern
ab 1. September 2007 entsprechend des Teilanerkenntnisses eine GdB-Bewertung von nur noch 40 rechtfertigt. Der Ablauf der
Heilungsbewährung im September 2006 stellt eine tatsächliche Veränderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X dar. Die Zeitdauer der Heilungsbewährung bei malignen Erkrankungen basiert auf Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft
über die Gefahr des Auftretens einer Rezidiverkrankung in den ersten fünf Jahren nach der Erstbehandlung sowie der regelmäßig
vorhandenen subjektiven Befürchtung vor einem Rezidiv. Die Heilungsbewährung erfasst darüber hinaus auch die vielfältigen
Auswirkungen, die mit der Feststellung, der Beseitigung und der Nachbehandlung eines Tumors in allen Lebensbereichen verbunden
sind. Dies rechtfertigt es nach der sozialmedizinischen Erfahrung, bei Krebserkrankungen zunächst nicht nur den Organverlust
zu bewerten. Vielmehr ist hier zunächst für einen gewissen Zeitraum unterschiedslos der Schwerbehindertenstatus zu gewähren.
Die pauschale, umfassende Berücksichtigung körperlicher und seelischer Auswirkungen der Erkrankung kann jedoch nicht auf Dauer
Bestand haben. Da nach der medizinischen Erfahrung nach rückfallfreiem Ablauf von fünf Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit
die Krebserkrankung überwunden ist und außerdem neben der unmittelbaren Lebensbedrohung auch die vielfältigen Auswirkungen
der Krankheit auf die gesamte Lebensführung entfallen sind, ist der GdB dann nur noch anhand der noch verbliebenen Funktionseinschränkungen
zu bewerten (BSG, Urteil vom 9. August 1995, 9 RVs 14/94, zitiert nach juris).
Die bei der Klägerin nach Ablauf der Heilungsbewährung zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vorliegenden Funktionseinschränkungen
rechtfertigen nach diesem Maßstab allenfalls einen GdB von 40.
Für die Feststellung des GdB zum Zeitpunkt der letzen Behördenentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2008) ist das
Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (
SGB IX) maßgebend, das als Artikel 1 des gleichnamigen Gesetzes vom 19. Juli 2001 (BGBl. I S. 1046) nach dessen Artikel 68 am 1. Juli des Jahres in Kraft getreten ist. Nach §
69 Abs.
1 Satz 1
SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest.
Diese Regelung knüpft materiellrechtlich an den in §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit
oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand
abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach §
69 Abs.
1 Satz 4
SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Nach
§
69 Abs.
1 Satz 5
SGB IX (in der Satzzählung der alten Fassung) gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft (bzw. Funktionsbeeinträchtigungen)
vorliegen, wird nach §
69 Abs.
3 Satz 1
SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung
festgestellt.
Als Grundlage für die Beurteilung der nach diesen Bestimmungen erheblichen medizinischen Sachverhalte dienten der Praxis zum
Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 11. Juli 2008 die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im
sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2
SGB IX) in der Ausgabe des Jahres 2008. Die Anhaltspunkte hatten zwar keine Normqualität, waren aber nach ständiger Rechtsprechung
des für das Versorgungs- und Schwerbehindertenrecht zuständigen Senats des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten
anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirkten, deshalb normähnliche Auswirkungen
hatten und im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung in ihrer jeweiligen Fassung wie untergesetzliche Normen von den
Gerichten anzuwenden waren (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003, aaO. m.w.N.).
Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdB/MdE-Tabelle der Anhaltspunkte (Nr. 26) zugrunde. Nach den allgemeinen Hinweisen
zu der Tabelle in Nr. 26.1 (Ausgabe 2008, S. 37) sind die dort genannten GdB/MdE-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind
alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb
der in Nr. 18 Abs. 4 genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung;
Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend
zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Nr. 26 Abschnitt 1).
Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen der Klägerin kein höherer GdB als 40 festgestellt werden. Dabei
stützt sich der Senat auf die Gutachten aus den rentenversicherungsrechtlichen Verfahren, die versorgungsärztlichen Stellungnahmen
sowie die eingeholten Befundberichte nebst Anlagen.
a) Die Gesundheitsstörungen infolge der Brustoperation der linken Brust sind dem Funktionssystem Geschlechtsapparat zuzuordnen
und rechtfertigen einen GdB von 30. Für den einseitigen Verlust der Brust ist nach den Anhaltspunkten Nr. 26.14 (S. 94) ein
Behinderungsgrad von 30 festzustellen. Funktionseinschränkungen im Schultergürtel, des Arms oder der Wirbelsäule als Operations-
oder Bestrahlungsfolgen (z.B. Lymphödem, Muskeldefekte, Nervenläsionen, Fehlhaltungen) sowie außergewöhnliche psychoreaktive
Störungen im Sinne vom Nr. 18 Abs. 8 sind dabei ggf. zusätzlich zu berücksichtigen. Diese Zusatz durchbricht aber nicht den
Grundsatz, dass alle dauerhaften Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrem Entstehungsgrund zu erfassen und in ihren Auswirkungen
auf die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu berücksichtigen sind (dazu BSG, Urteil vom 11. Dezember 2008, B 9/9a SB 4/07 R, zitiert nach juris). Das heißt, diese Operations- oder Bestrahlungsfolgen
sind im jeweiligen Funktionssystem zu bewerten. Denn eine Erhöhung des Behinderungsgrads wegen eines durch ein Primärleiden
hervorgerufenen Leidens an einem anderen Organ oder Organsystem, ohne dass dieses nennenswerte Auswirkungen auf die Teilhabe
am Leben in der Gesellschaft hat, war und ist dem Behinderungsbegriff in §
2 Abs.
1 SGB IX sowie dem Begriff des Behinderungsgrads nach §
69 Abs.
1 SGB IX fremd (BSG, aaO.). Hat das Sekundärleiden indes entsprechende Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit des betroffenen Menschen, so ist
kein Grund ersichtlich, es bei der Bewertung des Behinderungsgrads anders zu behandeln als eine von dem Primärleiden unabhängig
entstandene weitere Gesundheitsstörung (BSG, aaO.). Eine andere Bewertung würde dem im Schwerbehindertenrecht geltenden Finalitätsprinzip (BSG, aaO.) widersprechen.
b) Aufgrund der operationsbedingten Bewegungseinschränkungen im Bereich des linken Schultergelenks, der teilweise entfernten
Halsmuskulatur auf der linken Seite und der damit verbundenen Schiefstellung des Halses sind die Funktionssysteme Arme sowie
Rumpf betroffen. Hierfür setzt der Senat einen Einzel-GdB von höchstens 20 an. Für das Funktionssystem Arme sind die Auswirkungen
der Operation auf das Schultergelenk nach Nr. 26.18 (S. 119) der Anhaltspunkte eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenks
(einschließlich Schultergürtel) wie folgt zu bewerten:
Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel)
Arm nur um 120° zu erheben, mit entsprechender Einschränkung
der Dreh- und Spreizfähigkeit ... 10
Arm nur um 90° zu erheben, mit entsprechender Einschränkung
der Dreh- und Spreizfähigkeit ... 20
Betrachtet man die festgestellten Bewegungsmessungen des linken Schultergelenks in den beiden orthopädischen Gutachten des
rentenversicherungsrechtlichen Verfahrens, erreicht die funktionale Beeinträchtigung der Klägerin höchstens einen Einzel-GdB
von 10. Zusätzlich zu bewerten sind jedoch die unmittelbar an die Schulter angrenzenden Funktionseinschränkungen der Halsmuskulatur,
die sich auf den Gebrauch des linken Armes auswirken und dazu führen, dass die Klägerin z.B. keine schweren Gegenstände mehr
tragen kann und unter starken Verspannungen leidet, die regelmäßig physiotherapeutisch behandelt werden müssen. Dies rechtfertigt
es, den Einzel-GdB auf 20 zu erhöhen. Zu diesem Ergebnis käme man auch, wenn von dem Funktionssystem Rumpf ausgegangen werden
würde. Hiernach wird bei einer Muskelkrankheit und einer damit verbundenen Muskelschwäche mit geringen Auswirkungen bzw. bei
einem Wirbelsäulenschaden mit mittelgradigen funktionalen Auswirkungen (vgl. Anhaltspunkte 2008, Nr. 26.18 S. 114, 116) ebenfalls
von einem GdB von 20 ausgegangen. Eine weitere Erhöhung dieses GdB auf 30 ist nicht vorzunehmen. Hierfür wären für einen Wirbelsäulenschaden
schwere funktionale Auswirkungen bzw. für den Bereich der Schulter im Funktionssystem Arm sogar eine Versteifung des Schultergelenks
in günstiger Stellung bei gut beweglichem Schultergürtel vorauszusetzen (vgl. Anhaltspunkte 2008, Nr. 26.18 S.119). Derart
schwerwiegende funktionale Einschränkungen sind nach den festgestellten Bewegungsmaßen in den vorliegenden Gutachten noch
nicht erreicht worden, so dass es bei einem Einzel-GdB von 20 verbleiben muss.
c) Die von der Klägerin angegebenen Lymphödeme und die damit verbundene Lymphdrainagentherapie ist dem Funktionssystem Herz-Kreislauf
zuzuordnen. Dafür ist ein GdB von 10 festzustellen. Nach den Anhaltspunkten (Nr. 26.9, S. 75) ist bei einem Lymphödem an einer
Gliedmaße ohne wesentliche Funktionsbehinderung mit dem Erfordernis eine Kompressionsbandage eine Bewertung mit 0 bis 10,
bei einer stärkeren Umfangsvermehrung von mehr als 3 cm je nach Funktionseinschränkungen von 20 bis 40 vorgesehen. Danach
bedingt das Lymphödem allenfalls einen Einzelbehinderungsgrad von 10, weil es mehrmals jährlich unter Belastung auftritt und
Lymphdrainagen erforderlich macht. Eine stärkere Umfangsvermehrung von mehr als 3 cm ist den vorliegenden ärztlichen Unterlagen
jedoch nicht zu entnehmen. Mögliche damit verbundene Bewegungseinschränkungen der Schulter können dabei nicht zusätzlich bewertet
werden. Denn diese Funktionsstörungen lagen dem Behinderungsgrad von 20 für das Funktionssystem Arm bereits zugrunde. Eine
erneute Berücksichtigung würde zu einer unzulässigen Doppelbewertung führen.
Auch die im Gutachten von Dipl.-Med. W. festgestellte Hypotonie ist dem Funktionssystem Herz-Kreislauf zuzuordnen. Zum Zeitpunkt
der Entscheidung der Widerspruchsbehörde hat der zu niedrige Blutdruck jedoch zu keinem messbaren Behinderungsgrad geführt.
Eine Leistungsbeeinträchtigung ist nicht festgestellt worden, da das schwache Ergebnis der Ergometrie in erster Linie auf
mangelndes Training und die laktosefreie Ernährung der Klägerin zurückzuführen ist (vgl. prüfärztliche Stellungnahme). Eine
kardiologisch bedingte Leistungsminderung ist dem Gutachten von Dipl.-Med. W. nicht zu entnehmen.
d) Als weitere Behinderung liegt bei der Klägerin im Funktionssystem "Psyche und Gehirn" eine leichte depressive Verstimmung
vor, die mit einem Einzel-GdB von höchstens 20 bewertet werden kann. Nach Nr. 26.3 (S. 48) der Anhaltspunkte 2008 ist dabei
von folgendem Bewertungsrahmen auszugehen:
Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen
Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen ...0 - 20
Stärker behindernde Störungen
mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit
(z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische,
asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit
Krankheitswert, somatoforme Störungen) ... 30 - 40
Hinweise für eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit finden sich nicht. In keinem der vorliegenden
Gutachten aus dem rentenversicherungsrechtlichen Verfahren finden sich Befunde, die auf eine stärker behindernde psychische
Beeinträchtigung schließen lassen. Dagegen spricht auch, dass sich die Klägerin zum Prüfungszeitpunkt nicht in psychotherapeutische
Behandlung gegeben und auch keine entsprechenden Medikamente eingenommen hatte. Vielmehr konnte sie sich durch eine eigenständig
praktizierte Entspannungstechnik, eine konsequente Ernährungsumstellung und weitere alternativmedizinische Maßnahmen deutliche
Linderung verschaffen. Das von der Klägerin geltend gemachte Fatique-Syndrom wurde in keinem der beigezogenen medizinischen
Unterlagen bestätigt.
e) Weitere Gesundheitsstörungen, die einem anderen Funktionssystem zuzuordnen sind und zumindest einen Einzelbehinderungsgrad
von 10 zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids gerechtfertigt haben, sind nicht erkennbar.
f) Da bei der Klägerin Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren GdB vorliegen, ist nach
§
69 Abs.
3 Satz 1
SGB IX der Gesamtbehinderungsgrad zu ermitteln. Dafür sind die bereits dargelegten Grundsätze anzuwenden. Danach ist von dem Behinderungsgrad
von 30 für das Funktionssystem Geschlechtsapparat auszugehen. Außerdem liegen Funktionseinschränkungen der Funktionssysteme
Arme und Gehirn sowie Psyche vor, die jeweils mit einem Behinderungsgrad von nicht mehr als 20 zu bewerten sind. Der Beklagte
hat aufgrund dieser Funktionsstörungen zu Recht einen Gesamtgrad von 40 gebildet. Da leichte Funktionsstörungen, die einen
Behinderungsgrad von 20 bedingen, es vielfach nicht rechtfertigen, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes zu schließen
(vgl. Anhaltspunkte Nr. 19 Abs. 4, S. 26) kann allenfalls für die Funktionsstörung im Schultersowie im Halsmuskelbereich eine
Erhöhung des Gesamt-GdB auf 40 gerechtfertigt werden, da sich der Verlust der linken Brust sowie die Funktionseinschränkung
im Schulter- und Halsbereich erhöhend auf das Gesamtausmaß der Behinderung auswirken. Dies kann jedoch für den Bereich der
Psyche nicht ebenfalls angenommen werden. Die Einschränkung in diesem Funktionsbereich führt nicht im Sinne einer Wechselwirkung
zu einer Verstärkung der Behinderungen in anderen betroffenen Funktionssystemen und rechtfertigt daher keine Anhebung des
GdB. Das Lymphödem sowie die darauf bezogene Lymphdrainagentherapie kann mit einem Einzel-GdB von 10 ebenfalls zu keiner Erhöhung
des Gesamt-GdB führen (vgl. Anhaltspunkte 2008, Nr. 19 Abs. 4).
Ein höherer Behinderungsgrad als 40 lässt sich auch im Wertungsvergleich anderer Erkrankungen nach den Anhaltspunkten nicht
feststellen. Letztlich widerspräche hier die von der Klägerin begehrte Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft dem nach
Nr. 19 Abs. 1 (S. 24) der Anhaltspunkte zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. Im Vergleich mit Gesundheitsschäden, zu denen
in der GdB-Tabelle feste Werte angegeben sind, ist bei der Klägerin die Schwerbehinderteneigenschaft nicht zu begründen. Die
Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen beeinträchtigt die Teilhabe der Klägerin am Leben in der Gesellschaft
insbesondere nicht so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins
im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nach §
160 SGG nicht vor.