Festlegung des Grades der Behinderung im Schwerbehindertenrecht; Minderung der Herzleistung aufgrund einer Bluthochdruckerkrankung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) im Sinne des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (
SGB IX) umstritten.
Mit Bescheid vom 27. Dezember 1999 stellte der Beklagte bei dem am ... 1949 geborenen Kläger aufgrund einer Herzleistungsminderung
mit Bluthochdruck, einer Funktionsminderung der Halswirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und einer Funktionseinschränkung
der Schultern bei degenerativen Veränderungen (links mehr als rechts) einen Gesamt-GdB von 30 sowie eine dauernde Einbuße
der körperlichen Beweglichkeit fest. Er legte hierbei die Einschätzung seines ärztlichen Dienstes zugrunde, wonach für die
Herzleistungsminderung mit Bluthochdruck ein Einzel-GdB von 30 und für die weiteren Behinderungen jeweils ein Einzel-GdB von
10 gerechtfertigt sei.
Am 29. Dezember 2005 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB und gab an, sein Gesundheitszustand habe sich durch
eine Osteoporose mit mehreren Frakturen und Bewegungseinschränkungen erheblich verschlechtert. Der Beklagte holte einen Befundbericht
der Fachärztin für Orthopädie Dipl.-Med. H. vom 24. März 2006 ein, wonach bei dem Kläger eine Osteoporose mit pathologischer
Fraktur vorliege. Ferner diagnostizierte sie eine Hüftgelenksarthrose, Polyarthrosen sowie eine Lumboischialgie und ein zervikobrachiales
Syndrom. Die Schultergelenke seien ausreichend mobil gewesen. Die Hüftgelenke seien mit 0/0/100 Grad in Streckung bzw. Beugung
beweglich gewesen. Die Motorik beider Beine sei intakt, die Reflexe im Kniegelenk regelrecht und beide Kniegelenke ausreichend
mobil gewesen. Unter Beteiligung des Versorgungsärztlichen Dienstes lehnte der Beklagte den Neufeststellungsantrag mit Bescheid
vom 6. April 2006 ab: Die zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung durch die Osteoporose wirke sich auf den Gesamt-GdB nicht
erhöhend aus.
Hiergegen legte der Kläger am 18. April 2006 Widerspruch ein. Der Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht des Facharztes
für Innere Medizin Dr. B. vom 8. Juni 2006 ein, der mitteilte, dass eine kardiale Leistungsminderung NYHA II-III WHO vorliege.
Ferner diagnostizierte er eine Hypertonie Stadium II WHO mit persistierender absoluter Arrhythmie bei Vorhofflimmern, einen
bekannten Diabetes mellitus, eine Hyperlipidämie und eine bekannte Osteoporose. In der Echokardiographie vom 26. Mai 2005
sei eine Ejektionsfraktion von 50 bis 55 % und in der vom 10. Februar 2006 von 45 bis 50 % festgestellt worden. Septum und
Hinterwand der linken Herzkammer seien hypertrophiert. Die Orthopädin Dipl.-Med. H. teilte dem Beklagten in ihrem Befundbericht
vom 6. Juli 2006 mit, gegenüber ihrem früheren Bericht sei keine wesentliche Befundänderung eingetreten. Motorik und Sensibilität
beider Beine seien intakt. Für die Halswirbelsäule und die Hüftgelenke teilte sie gleichgebliebene Bewegungsmaße mit. Unter
erneuter Beteiligung des Versorgungsärztlichen Dienstes stellte der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 7. September 2006
bei dem Kläger nunmehr einen GdB von 40 ab dem 29. Dezember 2005 fest und wies den weitergehenden Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 5. Oktober 2006 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und geltend gemacht: Bereits die Herz-Kreislauf-Erkrankung bedinge einen höheren GdB als 30. Durch die Osteoporose
habe er einen Größenverlust von mehr als acht Zentimetern erlitten. Insofern seien auch die orthopädischen Leiden höher zu
bewerten. Die Belastbarkeit und die Beweglichkeit der Wirbelsäule seien dadurch stark herabgesetzt und ermöglichten ihm Aktivitäten
des täglichen Lebens nur mit Unterstützung seiner Ehefrau. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers eingeholt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. I. hat mit
Befundbericht vom 7. April 2008 mitgeteilt, es bestünden ein Bluthochdruck und eine Arrhythmie mit Vorhofflimmern. Die Blutdruckwerte
hätten in den Untersuchungen im Schnitt bei 125/70 mmHg gelegen. Durch die Bluthochdruckerkrankung sei das Herz in Mitleidenschaft
gezogen. Sie hat ihrem Bericht den Reha-Entlassungsbericht der Klink ... vom 21. Dezember 2005 beigefügt, in der sich der
Kläger vom 8. November bis zum 10. Dezember 2005 einer stationären Rehabilitationsmaßnahme unterzogen hatte. Die behandelnden
Ärzte haben ein Zervikobrachialsyndrom, ein lumbales Pseudoradikulärsyndrom, eine beidseitige Coxarthrose, eine Osteoporose
sowie Vorhofflimmern diagnostiziert. Bei der dortigen orthopädischen Untersuchung habe sich ein flüssiges Gangbild ergeben.
Zehenspitzen- und Fersengang seien ebenso sicher ausführbar gewesen wie der Einbeinstand. Die Bewegungsmaße wurden für die
Halswirbelsäule in der Rotation mit 70 Grad und in der Seitneige mit 30 Grad gemessen. Bezüglich der Brust- und Lendenwirbelsäule
habe der Kläger in der Rotation beidseitig 20 Grad und in der Seitneige beidseitig 30 Grad erreicht. Der Finger-Boden-Abstand
habe zwölf Zentimeter, nach Beendigung der Rehabilitation fünf Zentimeter betragen. An der Lendenwirbelsäule sei das Zeichen
nach Schober mit 10/12,5 cm feststellbar gewesen. Die Hüftgelenke seien mit 0/0/100 bzw. 0/0/115 Grad in Streckung und Beugung
beweglich gewesen. Die sonstigen Extremitäten seien frei beweglich bzw. unauffällig gewesen. Nach dem Befundbericht des Facharztes
für Inneres Dr. B. vom 14. April 2008 ist der Kläger aufgrund der Herz-/Kreislauferkrankung vermindert belastbar. Der Arzt
hat erneut die Ejektionsfraktion mit 50 bis 55 % bei hypertrophiertem linken Ventrikel mitgeteilt. Der Blutdruck habe im Schnitt
bei 115/70 bis 135/90 mmHg gelegen. Durch den Bluthochdruck sei das Herz in Mitleidenschaft gezogen worden (Kardiomyopathie,
absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern und Mitralklappeninsuffizienz). Die Fachärztin für Orthopädie Dipl.-Med. H. hat mit
Befundbericht vom 31. August 2008 unveränderte Befunde mitgeteilt. Die Seitneige der Lendenwirbelsäule habe am 24. Januar
2008 bei 20 Grad in beide Richtungen betragen. Das Zeichen nach Schober sei mit 10/14 cm feststellbar gewesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 4. März 2009 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der
Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40. Die Herzleistungsminderung mit Bluthochdruck bedinge
jedenfalls keinen höheren GdB als 30. Denn in den fachärztlichen Befunden sei eine gering eingeschränkte Pumpfunktion des
linken Ventrikels mitgeteilt worden. Das Herz sei durch den Bluthochdruck geschädigt, ohne dass dies zu einer wesentlichen
Leistungseinschränkung führe. Bei der Herzleistung selbst seien Arrhythmien festzustellen. Leistungseinschränkungen bei alltäglichen
Tätigkeiten würden jedoch nicht berichtet. Die Wirbelsäulenbeschwerden bedingten keinen höheren GdB als 30. Bezüglich der
Halswirbelsäule seien annähernd normale Bewegungsmaßnamen mitgeteilt worden. Die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule sei ohne
neurologische Ausfälle eingeschränkt. Dabei sei von allenfalls mittelgradigen Einschränkungen in diesem Wirbelsäulenabschnitt
auszugehen, die einen GdB von 20 bedingten. Der Diabetes mellitus begründe keinen GdB, weil er nicht medikamentös behandelt
werde. Die Schulter-, Hüft- und Kniegelenke seien nicht in einem solchen Maß in der Bewegungsfähigkeit eingeschränkt, dass
die Vergabe eines GdB gerechtfertigt sei. Insgesamt könne kein höherer Gesamt-GdB als 40 festgestellt werden.
Der Kläger hat gegen das ihm am 13. März 2009 zugestellte Urteil am 9. April 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
eingelegt und vorgetragen, schon bei alltäglicher leichter Belastung bestehe eine Leistungsbeeinträchtigung durch die Herzerkrankung.
Die Pumpfunktion des linken Ventrikels sei um mehr als die Hälfte eingeschränkt. Dies führe schon bei leichtesten Belastungen
zu erheblichen Beschwerden. Mittelschwere körperliche Arbeit könne er nicht mehr ausführen, was im Reha-Entlassungsbericht
der Klinik in ... bestätigt worden sei. Die Wirbelsäule sei in beiden Abschnitten mittelgradig funktionell geschädigt. Dies
folge aus den erheblichen Schmerzen, die gesondert zu berücksichtigen seien und die einen GdB von 40 rechtfertigten. Die Funktionseinschränkungen
der Schultergelenke bedingten einen GdB von 10, wie der Beklagte bereits festgestellt habe. Im Ergebnis sei ein Gesamt-GdB
von 50 angemessen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 4. März 2009 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 6. April 2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei dem Kläger ab dem 29. Dezember
2005 einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil und seine Bescheide für zutreffend. Ferner macht er geltend: Nach den Berichten der behandelnden
Ärzte sei die Pumpleistung des Herzens leicht vermindert und der Blutdruck gut eingestellt. Die Rhythmusstörungen seien in
dem GdB von 30 mitberücksichtigt. Eine relevante Funktionsminderung der Wirbelsäule sei nicht zu erkennen. Nervendehnungsschmerzen
seien nur hin und wieder aufgetreten. Die Beweglichkeit sei nicht wesentlich vermindert. Neurologische Ausfallerscheinungen
seien nicht nachweisbar gewesen (Befundbericht Dipl.-Med. H. sowie Reha-Entlassungsbericht). Der GdB von 10 für die Funktionsminderung
der Schultergelenke sei ausreichend, da wesentliche Funktionseinschränkungen nicht feststellbar seien. Der Diabetes mellitus
werde diätetisch geführt und bedinge einen GdB von 10.
Der Senat hat die für den Kläger geführte Akte der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland beigezogen und Auszüge aus
dieser Akte zur Gerichtsakte genommen. Hierin enthalten ist ein Gutachten der Fachärzte für Innere Medizin/Kardiologie Dr.
H. und Dr. W. nach Untersuchung des Klägers am 8. August 2008. Die Ärzte haben eine hyperintensive Herzkrankheit mit gering
eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion diagnostiziert. Der Kläger habe bei der Fahrradergometrie eine Belastung bis
100 Watt vollständig erreicht. Bei 125 Watt habe er aufgrund körperlicher Erschöpfung die Tretgeschwindigkeit nicht mehr halten
können. Es läge eine hypertensive Herzerkrankung mit diastolischer Herzinsuffizienz und geringer pulmonaler Hypertonie vor.
Die Ejektionsfraktion sei mit 53 % als geringgradig reduziert einzustufen. Die Blutdruckwerte lägen eher im hypotonen Bereich,
so dass die vorbestehende antihypertensive Einstellung als ausreichend anzusehen sei. Ferner hat in der beigezogenen Akte
das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. F. vom 14. März 2008 vorgelegen, das dieser nach ambulanter Untersuchung des
Klägers am 13. März 2008 erstellt hatte. Danach war die Belastbarkeit des Klägers durch die Osteoporose mit Kompressionen
am thoracolumbalen Übergang sowie durch die Funktionsstörung der gesamten Wirbelsäule, die mittelgradige Arthrose in beiden
Ellenbogengelenke und die leichte Abnutzung des rechten Kniegelenkes und beider Hüftgelenke deutlich eingeschränkt. Für die
Hüftgelenke gab er Bewegungsmaße von jeweils 0/0/80 Grad (Streckung/Beugung) an. Hinzu kämen Funktionsstörungen im Bereich
beider Schultergelenke bei Zustand nach Bizepssehnenruptur beiderseits und operativer Versorgung rechts. Die mitgeteilten
Maße für die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule/Brustwirbelsäule betrugen für die Seitneigung mit 20/0/20 Grad, für die Rotation
30/0/30 Grad. Das Schober'sche Zeichen wurde mit 10/13 cm, das Ott'sche Zeichen mit 30/32 cm festgestellt. Die Schulterbeweglichkeit
wurde mit rückwärts/vorwärts für rechts mit 10/0/120 und für links mit 10/0/110 Grad angegeben. Zum Zeitpunkt der Untersuchung
wurden keine motorischen oder sensiblen Ausfälle festgestellt.
Der Senat hat zudem Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers eingeholt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med.
I. hat in ihrem Befundbericht vom 23. Mai 2011 angegeben, der Kläger sei aufgrund seiner Herzerkrankung bei mittelschwerer
Belastung in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. In einem Belastungs-EKG im Sitzen sei er bis 100 Watt belastbar gewesen.
Es bestünden Arrhythmien bei Vorhofflimmern mit einer andauernden Leistungsbeeinträchtigung des Herzens. Der Bluthochdruck
bestehe in einer mittelschweren Form einer Linkshypertrophie des Herzens. Auswirkungen auf andere Organe bestünden nicht.
Der Facharzt für Innere Medizin Dr. B. hat mit Befundbericht vom 20. Mai 2011 mitgeteilt, se seien aktuell keine äußerlich
sichtbaren Zeichen der cardiopulmonalen Insuffizienz festzustellen. Es liege eine arrhythmische Herzaktion vor. Die Lungenfunktion
sei regelrecht. Der Kläger habe an 10. Mai 2010 eine Fahrradergometrie nach einem Blutdruckanstieg von 120/80 auf 155/80 mmHg
und einem Herzfrequenzanstieg von 68 auf 120 pro Minute bei 100 Watt wegen Beinermüdung abgebrochen. Bis zu diesem Abbruch
sei eine Belastungskoronarinsuffizienz nicht nachweisbar gewesen. Die objektiven Abbruchkriterien seien nicht erreicht worden,
so dass keine sichere Aussage möglich sei. Bei einem Langzeit-EKG am 6. Oktober 2010 sei eine durchgehende absolute Arrhythmie
bei Vorhofflimmern registriert worden. In der Echokardiographie am 28. Februar 2011 sei ein global großes Herz mit arrhythmischem
sowie kontraktionsgemindertem linken Ventrikel nachgewiesen worden. Ferner sei eine Mitral- und Tricuspidalklappeninsuffizienz
festgestellt worden, die ursächlich für das Vorhofflimmern sei. Die Fachärztin für Orthopädie Dipl.-Med. H. hat mit Befundbericht
von 16. September 2011 mitgeteilt, die Befunde hätten sich nicht verändert. Es liege ein Schulterleiden nach Abriss der Bizepssehne
(links Zustand nach Operation und rechts Zustand nach arthroskopischer Operation) vor. Für die Schultern bestünden keine Bewegungseinschränkungen.
Es bestehe ein endgradiger Bewegungsschmerz. Beide Schultergelenke seien altersentsprechend mobil. Es bestehe zudem ein Wirbelsäulenschaden,
der die gesamte Wirbelsäule erfasse. Die Seitneigung der Halswirbelsäule wird mit 30/0/30 Grad angegeben, die Rotation mit
70/0/70 Grad. Es bestünden Bewegungseinschränkungen der Brustwirbelsäule und der unteren Lendenwirbelsäule. Bei der Lendenwirbelsäule
sei das Schober'sche Zeichen mit 10/14 Zentimeter feststellbar gewesen. Die Seitneigung liege bei 20/0/20 Grad, die Streckung
bei 15 Grad. Die Zeichen nach Lasègue und Bragard seien nicht feststellbar. Lähmungen würden nicht vorliegen. Nach einem Befundbericht
der Fachärztin für Hals-, Nasen- Ohrenheilkunde Dipl.-Med. D. vom 6. Juni 2011 leidet der Kläger unter einer geringgradigen
Schallleitungsschwerhörigkeit links (10 dB) bei einem vorliegenden Tubenkatarrh links und einem Hörverlust im Tieftonbereich.
Es handele sich um eine linksseitige geringe tieftonale Innenohrschwerhörigkeit.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit mit Zustimmung der Beteiligten gemäß den §§
124 Abs.
2,
153 Abs.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §
143 SGG auch statthafte Berufung ist unbegründet. Die Klage gegen die Verwaltungsentscheidung des Beklagten ist als Anfechtungs-
und Verpflichtungsklage nach §
54 Abs.
1 SGG statthaft. Sie ist unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines GdB von mehr als 40. Bei der
hier erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr. 9 S. 22). Danach liegt bei dem Kläger seit dem 29. Dezember 2005 kein GdB von mehr als 40 vor.
Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene
SGB IX über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Der hier anzuwendende §
69 SGB IX ist durch die Gesetze vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) und vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) geändert worden. Rechtsgrundlage für den erhobenen Anspruch auf Feststellung eines GdB ist §
69 Abs.
1 und
3 SGB IX. Infolge der verfahrensrechtlichen Änderungen des §
69 SGB IX durch das Gesetz vom 23. April 2004 (aaO.) hat sich im Übrigen nur die Satzzählung geändert. Im Folgenden werden die Vorschriften
des §
69 SGB IX nach der neuen Satzzählung zitiert.
Nach §
69 Abs.
1 Satz 1
SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Vorschrift
knüpft materiellrechtlich an den in §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit
oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand
abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach §
69 Abs.
1 Satz 4
SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn
mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach §
69 Abs.
3 Satz 1
SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen
festgestellt.
§
69 Abs.
1 Satz 5
SGB IX ist durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (aaO.) geändert worden. Nach
der früheren Fassung der Vorschrift galten für den GdB die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäben entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember
2007 geänderten § 30 Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische
Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des §
69 Abs.
1 Satz 5
SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades - dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) - nach den allgemeinen Auswirkungen
der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009
in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Absatz 17 ermächtigt worden ist.
Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember
2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und sind damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte
mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage
die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen
Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene
Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - SozR 4-3800 § 1 Nr. 3 Rdnr. 12, m.w.N.). Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen,
nach denen sich die Bewertung des Grades der Behinderung bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind - inhaltlich nahezu
unverändert - in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). Die im vorliegenden Fall
heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in den Fassungen von 2005 und 2008 bzw. aus den Versorgungsmedizinischen
Grundsätzen sind nicht geändert worden. Im Folgenden werden die Vorschriften der Versorgungsmedizinische Grundsätze zitiert.
GdS und GdB werden dabei nach gleichen Grundsätzen bemessen.
Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A, S. 17 ff.) zugrunde
zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil B, S. 33) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In
jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen
und in der Regel innerhalb der in Nr. 2e (Teil A, S. 20) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen;
Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel;
Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung
(Teil B, Nr. 1 a, S. 33).
Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen des Klägers kein höherer GdB als 40 festgestellt werden. Dabei stützt
sich der Senat auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen, im Wege des Urkundenbeweises (§
202 SGG i.V.m. §
415 Zivilprozessordnung) auf die im Rentenverfahren eingeholten Gutachten der Fachärzte für Innere Medizin Dr. H. und Dr. W. vom 31. August 2008
und des Facharztes für Orthopädie Dr. F. vom 14. März 2008 sowie auf die im Berufungsverfahren eingeholten Befundberichte
der behandelnden Ärzte.
1.
Das zentrale Leiden des Klägers betrifft das Funktionssystem Herz-Kreislauf, wobei bei ihm - verursacht durch die Bluthochdruckerkrankung
- sowohl eine Einschränkung der Herzleistung als auch Rhythmusstörungen vorliegen. Bei einer Bluthochdruckerkrankung gelten
nach Ziffer 9.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (S. 67 f) folgende Maßstäbe:
Leichte Form, keine oder geringe Leistungsbeeinträchtigung: 0 bis 10
Mittelschwere Form, mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen - Fundus hypertonicus
I-II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie), diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz
Behandlung, je nach Leistungsbeeinträchtigung: 20 bis 40
Schwere Form, mit Beteiligung mehrerer Organe (schwere Augenhintergrundveränderungen und Beeinträchtigung der Herzfunktion,
der Nierenfunktion und/oder Hirndurchblutung) je nach Art und der Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigung: 50 bis 100.
Bei der Beeinträchtigung der Herzleistung gelten nach Ziffer 9.1.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (S. 63 ff.) folgende
Maßstäbe:
keine wesentliche Leistungsbeeinträchtigung (keine Insuffizienzerscheinungen wie Atemnot, anginöse Schmerzen) selbst bei gewohnter
stärkerer Belastung (z.B. sehr schnelles Gehen, schwere körperliche Arbeit), keine Einschränkung der Sollleistung bei Ergometerbelastung:
0 bis 10
Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (z.B. forsches Gehen, mittelschwere körperliche Arbeit), Beschwerden
und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastungen mit 75 Watt (wenigstens zwei Minuten): 20 bis 40
Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z.B. Spazierengehen, Treppensteigen bis zu einem Stockwerk,
leichte körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigsten
zwei Minuten): 50 bis 70.
Nach den durchgeführten medizinischen Ermittlungen ist von einer mittelschweren Form einer Bluthochdruckerkrankung auszugehen
(GdB 20 bis 40). Denn als Auswirkung ist eine Linkshypertrophie des Herzens festgestellt worden. Andere Organe sind nicht
beteiligt. Bei der zur Bewertung heranzuziehenden Herzleistung selbst kann von einer Beeinträchtigung ab mittelschwerer Belastung
ausgegangen werden. Die Ejektionsfraktion ist mit 53 % (Dr. W.) und 50 bis 55 % (Dr. B.) als geringgradig eingeschränkt einzustufen.
Auch Dr. H. und Dr. W. haben nach Untersuchung des Klägers am 8. August 2008 eine hyperintensive Herzkrankheit mit gering
eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion diagnostiziert. Dies folgt auch aus den Ergebnissen der Leistungsdiagnostik.
Bei der Fahrradergometrie am 10. Mai 2010 (Dr. B.) erfolgte ein Belastungsabbruch in der Belastungsstufe 100 Watt wegen Beinermüdung,
wobei eine Belastungskoronarinsuffizienz bis zum Abbruch nicht nachweisbar war. Auch in der Untersuchung bei Dr. W. konnte
eine Belastung bis 100 Watt vollständig erreicht werden und die Tretgeschwindigkeit erst bei 125 Watt aufgrund körperlicher
Erschöpfung nicht mehr gehalten werden. Folgerichtig geht die Ärztin in ihrer Bewertung des positiven Leistungsbildes deshalb
davon aus, dass der Kläger noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten verrichten könne. Auf der Grundlage einer Ergometerbelastung
von 100 bzw. 125 Watt ist vom unteren Wert eines GdB von 20 für die Herzleistungsminderung bei mittelschwerer Belastung. Dies
ist gerechtfertigt, da bei einer Ergometerbelastung mit 75 Watt ein Bewertungsrahmen von 20 bis 40 eröffnet ist. Der Kläger
erreicht aber ohne vollständige Ausschöpfung seiner gesamten Leistungsfähigkeit Werte von bis zu 125 Watt, was deutlich über
dem Mittelwert von 75 Watt liegt, sodass der Bewertungsrahmen nur mit dem unteren Wert herangezogen werden kann.
Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen Ziffer 9.1.6 (S. 65) richtet sich die Beurteilung des GdB bei Rhythmusstörungen
vor allem nach der Leistungsbeeinträchtigung des Herzens. Anfallsweise auftretende hämodynamisch relevante Rhythmusstörungen
sind je nach Häufigkeit, Dauer und subjektiver Beeinträchtigung bei fehlender andauernder Leistungsbeeinträchtigung des Herzens
mit einem GdB von 10 bis 30 zu bewerten. Da hier die Herzleistungsminderung mit einem GdB von 20 zu bewerten ist und die medikamentös
behandelten Arrhythmien nach den Berichten der behandelnden Ärzte bei alltäglichen Tätigkeiten nicht behindern, geht der Senat
für das Funktionssystem von einem GdB von nicht mehr als 30 aus.
2.
Der Kläger leidet ferner an Wirbelsäulenbeschwerden und Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke, die dem Funktionssystem
Rumpf zuzuordnen sind. Hierfür ist ein GdB von 20 begründet.
Für Wirbelsäulenfunktionseinschränkungen sind die maßgeblichen Bewertungskriterien in Teil B 18.9 (S. 106 f) der Versorgungsmedizinischen
Grundsätze vorgegeben. Danach folgt der GdB bei Wirbelsäulenschäden primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der
Wirbelsäulenverformung, der Wirbelsäuleninstabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Abschnitte der Wirbelsäule. Nach
B 18.9 (S. 107) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze rechtfertigen erst mittelgradige funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden
in einem Wirbelsäulenabschnitt, z.B. eine anhaltende Bewegungseinschränkung oder eine Instabilität mittleren Grades, einen
Einzel-GdB von 20. Funktionsstörungen geringeren Grades bedingen allenfalls einen Einzel-GdB von 10. Schwere funktionelle
Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder
Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) rechtfertigen
einen Einzel-GdB von 30, mittelgradige bis schwere in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40. Anhaltende Funktionsstörungen
infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch intermittierenden Störungen bei einer Spinalkanalstenose
- sind zusätzlich zu berücksichtigen.
Unter Anwendung dieses Bewertungsmaßstabes lassen sich seit der Antragstellung bis heute nur geringgradige Bewegungseinschränkungen
feststellen. Der Senat stützt sich insoweit auf die Untersuchungsbefunde des Gutachtens des Facharztes für Orthopädie Dr.
F. vom 14. März 2008 sowie den im Berufungsverfahren eingeholten Befundbericht der Fachärztin für Orthopädie Dipl.-Med. H.
vom 16. September 2011. Die im Bereich der Halswirbelsäule durch Dr. F. festgestellten Bewegungsmaße sind als leichtgradige
Einschränkungen und damit mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten (Halswirbelsäule: Seitneigung 30/0/30 Grad; Rotation 40/0/50
Grad). Frau Dipl.-Med. H. hat insofern ebenfalls eine Seitneigung von 30/0/30 Grad und eine Rotation von sogar 70/0/70 Grad
feststellen können. Normalwerte sind insoweit für die Seitneigung 40/0/40 Grad und für die Rotation 60/0/60 Grad. Die Beweglichkeit
der Lendenwirbelsäule/Brustwirbelsäule ist leicht eingeschränkt und damit ebenfalls nur mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten.
Dies wird bestätigt durch die Ergebnisse der Untersuchung des Dr. F., wonach Bewegungsmaße von 30/0/30 Grad für die Rotation
und für die Seitneigung von 20/0/20 Grad angegeben werden (Normalwerte: Rotation: 30-40/0/30-40 Grad; Seitneigung: 30-40/0/30-40
Grad). Das Zeichen nach Schober weicht nicht erheblich von den Normwerten ab (10/12,5 cm; normal: 10/15 cm). Motorische und
sensible Ausfälle sind nicht zu verzeichnen (Dr. F.). Auch im aktuellen Befundbericht von Dipl.-Med. H. werden motorische
Ausfallerscheinungen an der Wirbelsäule nicht mitgeteilt.
Die Einschränkung der Beweglichkeit der Hüftgelenke führt zu einem Einzel-GdB von höchstens 20. Für Bewegungseinschränkungen
der Hüftgelenke ergeben sich die maßgeblichen Bewertungskriterien aus Teil B 18.14 (S. 115) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze.
Hiernach rechtfertigen Einschränkungen geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis zu 0/10/90 Grad mit entsprechender Einschränkung
der Dreh- und Spreizfähigkeit) beidseitig einen Einzel-GdB von 20 bis 30. Bewegungsmaße für die Hüftgelenke sind im Reha-Entlassungsbericht
der Klink Bad K. vom 21. Dezember 2005 enthalten, wonach die Hüftgelenke mit 0/0/100 bzw. 0/0/115 Grad in Streckung und Beugung
beweglich waren. Die behandelnde Orthopädin hat die Bewegungsmaße mit Befundbericht vom 24. März 2006 ebenfalls mit 0/0/100
Grad festgestellt und in ihren nachfolgenden Befundberichten gleichbleibende Befunde mitgeteilt. Allerdings hat Dr. F. in
seinem Gutachten im Rentenverfahren vom 14. März 2008 die Hüftgelenkbeweglichkeit mit 0/0/80 Grad angegeben. Wenn der Senat
diese schlechteren Angaben zugrunde legt, lässt sich wegen der Einschränkung der Beugung eine geringgradige Bewegungseinschränkung
feststellen, die angesichts des fehlenden Streckdefizits allerdings nur den Einzel-GdB von 20 rechtfertigt.
Für das Funktionssystem Rumpf ergeben sich daher Einzel-GdB von 10 und 20. Der Senat hält im Ergebnis daher die Einschätzung
des Beklagten auch im Hinblick auf dieses Funktionssystem für zutreffend, wonach kein höherer Gesamt-GdB als 20 gerechtfertigt
ist. Auch aus den im Berufungsverfahren vom Kläger angeführten Schmerzen folgt keine Erhöhung des GdB. Der Wert berücksichtigt
bereits üblicherweise vorhandene Schmerzen und erfahrungsgemäß bestehende besondere Schmerzustände (Teil A, Ziff. 2 j der
Versorgungsmedizinischen Grundsätze, S. 21).
3.
Der beim Kläger vorliegende Diabetes mellitus bedingt keinen GdB. Eine Behandlung des Diabetes mit Medikamenten wird nicht
berichtet, so dass auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin - Verordnung vom 14. Juli
2010 - die Feststellung eines GdB nicht gerechtfertigt ist. Hiernach beträgt der GdB 0, wenn die an Diabetes erkrankten Menschen
auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung erleiden (Teil B, Ziff. 15.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze
in der Fassung der genannten Verordnung). Hier wird keine Therapie durchgeführt.
4.
Außerdem leidet der Kläger an einer Bewegungseinschränkung der Schultergelenke, die allerdings nur einen GdB von 10 rechtfertigt.
Nach den maßgeblichen Bewertungskriterien in Teil B 18.13 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (S. 110) ist bei einer Bewegungseinschränkung
des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) bei einer Armhebung nur bis 120 Grad mit entsprechender Einschränkung
der Dreh- und Spreizfähigkeit ein GdB von 10 gerechtfertigt. Erst bei einer Beschränkung der Armhebung bis 90 Grad mit entsprechender
Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit ist ein GdB von 20 vorgesehen. Vorliegend ergibt sich aus den Bewegungsmaßen des
Dr. F. und der Dipl.-Med. H. eine Beweglichkeit von 120 Grad bzw. 110 Grad, so dass ein GdB von 10 gerechtfertigt ist.
5.
Die mitgeteilte Hörschwäche rechtfertigt nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätze, Teil B 5.2.3 (S. 52) keinen GdB. Bei
der Audiometrie am 8. Juni 2009 ist eine linksseitige geringe tieftonale Innenohrschwerhörigkeit festgestellt worden. Für
die von der behandelnden Fachärztin für HNO Dipl.-Med. D. am 16. Juli 2009 Ohrgeräusche kann kein höherer GdB als 10 abgeleitet
werden, weil keine nennenswerten psychischen Begleiterscheinungen mit dem Tinnitus dokumentiert sind (Versorgungsmedizinische
Grundsätze, Teil B 5.2.4, S. 54).
6.
Weitere Funktionseinschränkungen, die einem GdB von mindestens 10 zu bewerten wären, sind nicht erkennbar.
7.
Da bei dem Kläger Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren GdB vorliegen, ist nach §
69 Abs.
3 Satz 1
SGB IX der Gesamtbehinderungsgrad zu ermitteln. Dabei sind die Grundsätze nach Teil A, Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze
(S. 22 f) anzuwenden. Nach Nr. 3 c ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad
bedingt und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren
Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehrere Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt
gerecht zu werden. Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, sind zwar Einzel-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des
Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Maßgebend sind die
Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen
zueinander. Einzel-GdB von 10 führen grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung (Nr. 3 d]
ee]). Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen
Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind.
Die beiden Einzel-GdB für das Funktionssystem Herz-Kreislauf (30) und das Funktionssystem Rumpf (20) sind nicht zu addieren,
da dies nicht im Einklang mit den Anhaltspunkten steht. Vielmehr ist der Einzel GdB für den Bereich Herz-Kreislauf von 30
nur um 10 zu erhöhen, so dass sich seit der Antragstellung am 29. Dezember 2005 ein Gesamt-GdB von 40 ergibt. Damit kommt
eine Verstärkung der Gesamtbeeinträchtigung bereits hinreichend zum Ausdruck. Auch im Vergleich mit anderen Gesundheitsschäden
wird vorliegend ein Gesamt-GdB von 50 nicht erreicht. Beispielsweise ist ein GdB von mindestens 50 bei einer Colitis ulcerosa
erst bei schweren Auswirkungen (anhaltende oder häufig rezidivierende erhebliche Beschwerden, erhebliche Beeinträchtigung
des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige, tägliche, auch nächtliche Durchfälle) festzustellen (vgl. Versorgungsmedizinische
Grundsätze, B 10.2.2, S. 71). Im Falle einer Lungenerkrankung (vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze, B 8.3, S. 61) ist
für einen GdB von 50 eine mittelgradige Einschränkung der Lungenfunktion zu fordern, die zu einer das gewöhnliche Maß übersteigenden
Atemnot bei alltäglicher leichter Belastung führen würde (z.B. Spaziergehen [3 bis 4 km/h], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk,
leichte körperliche Arbeit). Für den Bereich der Psyche sind hierfür schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen
(vgl. Versorgungsmedizinsche Grundsätze, B 3.7, S. 42) und im Falle einer Herzerkrankung eine Leistungsbeeinträchtigung bereits
bei alltäglicher leichter Belastung zu verlangen (vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze, B 9.12, S. 64). Die Gesamtauswirkung
der Funktionsbeeinträchtigungen beeinträchtigt hier die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft - wie oben ausgeführt
- nicht in vergleichbarer Weise.
8.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.