Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage
Grundsicherungsleistungen bei Alter und Erwerbsminderung
Kick-Back-Zahlungen
Gewinne aus begangenen Straftaten kein Einkommen
Gründe:
Streitig ist die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine Entscheidung über (Teil-)Aufhebungen
von Leistungsgewährungen und Rückforderungen von Erstattungsbeträgen sowie Regelungen zur Aufrechnung mit laufenden Leistungen
nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII -; weiterhin ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzlich geführte Verfahren streitig.
Der 1935 geborenen Antragstellerin wurden von dem Antragsgegner jedenfalls seit 2011 Leistungen der Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII gewährt. Die Antragstellerin erhielt seit Juni 2011 Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII, wobei in der Zeit von März 2013 bis über den Monat Februar 2015 hinaus die ambulante Pflege durch den Pflegedienst "M H
S GmbH" geleistet wurde. Für den Zeitraum ab März 2013 erfolgten die Bewilligungen der Leistungen der Grundsicherung im Alter
nach dem SGB XII nach dem vorliegenden Akteninhalt durch folgende (Änderungs-)Bescheide des Antragsgegners: Bescheide vom 4. Dezember 2012,
vom 6. August 2013, vom 27. Mai 2014, vom 11. Juni 2014, vom 1. Dezember 2014 sowie vom 27. Januar 2015
Gegen die Geschäftsführer des Pflegedienstes führt die Staatsanwaltschaft (StA) Berlin ein Ermittlungsverfahren wegen des
Verdachts des Betruges; auch gegen die Antragstellerin läuft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betrugs (StA
Berlin). Unter dem 30. Oktober 2015 wurde ein Schlussbericht der ermittelnden Polizeidienststelle verfasst, mit dem unter
anderem ausgeführt wurde, dass sichergestellte Unterlagen den Schluss zuließen, dass die Antragstellerin im November 2013
an weniger Tagen als von den Pflegedienst abgerechnet gepflegt worden sei und die Antragstellerin so genannte Kick-Back-Zahlungen
in Höhe von monatlich 200,00 EUR des Pflegedienstes erhalten habe. Die Angaben bezogen sich auf die Monate November 2013 und
August 2014. Die Kick-Back-Zahlungen ergäben sich aus den bei dem Pflegedienst sichergestellten Kassenbüchern für die Zeit
vom 12. April 2011 bis zum 11. März 2015. Die in diesem Zeitraum an die Antragstellerin geleistete Summe belaufe sich auf
4.200,00 EUR.
Nach Bekanntwerden dieser Umstände bei dem Antragsgegner hörte dieser die Antragstellerin mit Schreiben vom 11. Februar 2016
zu einer Aufhebung der gewährten Leistungen der Grundsicherung für die Zeit "spätestens ab März 2013 bis einschließlich Februar
2015" auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - und Geltendmachung einer Erstattungsforderung in Höhe von 4.200,00 EUR an.
Mit Bescheid vom 15. August 2016 hob der Antragsgegner alle in einer Anlage zum Bescheid genannten Bescheide für einen Leistungsbezug
in der Zeit von März 2013 bis Februar 2015 insoweit auf, als mit diesen Einkünfte von monatlich durchschnittlich 200,00 EUR
nicht angerechnet worden seien. Die in Höhe von insgesamt 4.200,00 EUR zu viel gezahlten Leistungen forderte der Antragsgegner
zur Erstattung und rechnete mit dem monatlichen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen in Höhe von 73,00 EUR beginnend ab
1. September 2016 auf. Die Rücknahme der Bescheide beruhe auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Auf Vertrauensschutz könne die Antragstellerin sich nicht berufen, da sie grob fahrlässig gehandelt habe. Sie hätte schon
beim Erstantrag und bei den Folgeanträgen den Empfang der monatlichen Zahlungen des Pflegedienstes angegeben müssen. Mit dem
Bescheid wurde die sofortige Vollziehung gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
5 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - angeordnet.
Die Antragstellerin hat am 6. September 2016 Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid vom 26.
Oktober 2016 zurückgewiesen worden ist. Daraufhin hat die Antragstellerin Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben.
Am 23. September 2016 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Berlin beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs
gegen den Bescheid vom 15. August 2016 anzuordnen sowie die Aufhebung der erfolgten Vollziehung anzuordnen und die Bewilligung
von Prozesskostenhilfe für das Verfahren beantragt. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass sie die von dem Antragsgegner
angeführten Zahlungen nicht erhalten habe. Die Beweislast für den Erhalt der Zahlungen liege beim Antragsgegner. Die bei einem
Dritten geführten Kassenbücher stellten keinen Beleg für den angeblichen Geldempfang der Antragstellerin dar. Im Übrigen gelte
die Unschuldsvermutung. Daher seien auch die Anordnung des Sofortvollzugs und die Aufrechnung mit laufenden Leistungen rechtswidrig.
Der Antragsgegner hat erstinstanzlich geltend gemacht, die der Antragstellerin zugeflossenen Kick-Back-Zahlungen hätten bei
rechtzeitiger Bekanntgabe auf die gewährten Grundsicherungsleistungen angerechnet werden müssen. Durch das Verschweigen der
Zahlungen lägen die Voraussetzungen für die Rücknahme vor. Die Antragstellerin befinde sich in einem fortgeschrittenen Alter.
Ein in der Hauptsache geführter Rechtsstreit könne sich über einen längeren Zeitraum hinziehen. Die Allgemeinheit habe einen
zeitnahen Anspruch auf Ausgleich des entstandenen Schadens. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei daher rechtmäßig. Nach dem
Kassenbuch des Pflegedienstes sei die erste Zahlung an die Antragstellerin im März 2013 erfolgt, die letzte im Februar 2015.
Der Antragsgegner hat u.a. Ablichtungen einer Auswertung des Kassenbuches des Pflegedienstes sowie eine dienstliche Erklärung
einer Mitarbeiterin des Antragsgegners aus einem weiteren gerichtlichen Verfahren (SG Berlin, Az.: S 49 SO 2533/15) sowie
eine Ablichtung des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2016 zur Gerichtsakte gereicht.
Mit Beschluss vom 7. November 2016 hat das Sozialgericht die Anträge der Antragstellerin sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
abgelehnt.
Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung lägen nicht vor. Die Anordnung des Sofortvollzuges durch
den Antragsgegner sei formell rechtmäßig. Der Bescheid des Antragsgegners erweise sich als offensichtlich rechtmäßig. Es überwiege
daher das öffentliche Vollzugsinteresse.
Die Antragstellerin habe bereits seit März 2013 Kick-Back-Zahlungen erhalten, die als Einkommen im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auf die gewährten Sozialleistungen anzurechnen gewesen seien. Auch illegal erzielte Einnahmen seien grundsätzlich als Einkommen
zu berücksichtigen. Vorliegend habe die Antragstellerin die Zahlungen als Entlohnung für bestimmte Mitwirkungshandlungen an
einer Straftat erhalten. Die Zahlungen hätten daher weder unter dem Vorbehalt der Rückzahlung an einen Geschädigten gestanden
noch an den Leistenden. Die Antragstellerin hätte die Zahlungen bei dem Antragsgegner angeben müssen und könne sich daher
in der Zeit von Juli 2013 bis Februar 2015 nicht auf Vertrauensschutz berufen. Zudem lägen die Voraussetzungen für eine (Teil-)Rücknahme
der jeweiligen Bewilligungsbescheide nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor, da die Antragstellerin habe erkennen können, dass eine Anrechnung der Kick-Back-Zahlungen als Einkommen nicht erfolgt
sei.
Für die Zeit März 2013 bis einschließlich Juni 2013 könne die Aufhebung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 SGB X gestützt werden, da die Antragstellerin nach Erlass eines rechtmäßigen Bewilligungsbescheides Einkommen erzielt habe. Auch
sei die Antragstellerin ihrer Pflicht, wesentliche Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen mitzuteilen, nicht nachgekommen.
Dass der Antragsgegner für den Zeitraum ab März 2013 eine falsche Rechtsgrundlage genannt habe, sei im Hinblick auf einen
nach § 43 SGB X möglichen Austausch der Rechtsgrundlage unschädlich. Auch die Geltendmachung der Erstattungsforderung sei nicht zu beanstanden.
Der Antragsgegner sei auch zur Aufrechnung befugt und habe diese auch ordnungsgemäß verfügt. Mangels Erfolgsaussicht des Rechtsschutzantrages
sei Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen gewesen.
Gegen den am 14. November 2016 zugestellten Beschluss richtet sich die am 9. Dezember 2016 eingelegte Beschwerde, mit der
die Antragstellerin ihr Begehren weiterverfolgt. Die Überzeugungsbildung des Gerichts zur angenommenen Einkommenserzielung
stütze sich allein auf Schlussfolgerungen Dritter. Eine eigene Prüfung der Sachlage habe das Sozialgericht nicht vorgenommen.
Aus der von den Ermittlungsbehörden gefertigten Auswertung der Kassenbücher ergäben sich lediglich Vermutungen. Es sei nicht
auszuschließen, dass die Pflegedienstleitung in den Kassenbüchern die jeweils pro Patient ersparten Aufwendungen vermerkt
habe. Auch bestünde die Möglichkeit, dass die aufgeführten Beträge in die Betriebsausgaben des Pflegedienstes hätten eingestellt
werden sollen. Die Antragstellerin habe jedenfalls kein Geld erhalten. Belege für einen Erhalt von Zahlungen seien nicht vorgetragen
worden.
Wolle man betrügerisches Verhalten des Pflegedienstes unterstellen, so sei nicht nachvollziehbar, aus welcher Motivation Beträge
an pflegebedürftige Personen gezahlten worden sein sollten. Auch sei die Antragstellerin in dem streitigen Zeitraum pflegebedürftig
gewesen und habe die erforderliche Pflege auch erhalten. Die in dem polizeilichen Bericht angeführte Pflegekraft sei öfter
als nur einmal in der Woche erschienen.
Die Antragstellerin hat medizinische Befundunterlagen zur Gerichtsakte gereicht. Sie beantragt schriftsätzlich,
1. den Beschluss des Sozialgerichts vom 07.11.2016 zu ändern,
2. die aufschiebende Wirkung der Klage vom 02.11.2016 gegen den Rücknahme-, Erstattungs- und Aufrechnungsbescheid des Beklagten
vom 15.08.2016 - GeschZ. Soz 2441 - in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 26.10.2016 - GeschZ. 12.01.04 Soz 12-WL 125/16
- anzuordnen,
3. die Aufhebung hilfsweise die Aussetzung der sofortigen Vollziehung anzuordnen und dem Antragsgegner aufzugeben, die einbehaltenen
Beträge von 292,00 EUR auszuzahlen.
Hilfsweise hält die Antragstellerin die erstinstanzlich gestellten Anträge aufrecht. Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde vom 09.12.2016 abzuweisen.
Er wiederholt im Wesentlichen Vortrag aus dem sozialgerichtlichen Verfahren und hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts
für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der Verwaltungsakte
des Antragsgegners verwiesen, der vorgelegen hat und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen ist.
II. Die Antragstellerin greift im Beschwerdeverfahren die mit dem Beschluss des Sozialgerichts insgesamt getroffenen Entscheidungen
an. Die Beschwerde richtet sich daher gegen die Ablehnung der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und gegen die Ablehnung
der Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Die Beschwerden sind zulässig. Sie sind auch überwiegend begründet. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid
des Antragsgegners vom 15. August 2016 war anzuordnen (hierzu 1.). Der Antragstellerin war für das sozialgerichtliche Verfahren
Prozesskostenhilfe zu gewähren (hierzu 2.).
1. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts war vorliegend die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den
Bescheid des Antragsgegners vom 15. August 2016 anzuordnen.
Nach §
86b Abs.
1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben,
die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nachdem der Antragsgegner mit dem Bescheid vom 15. August 2016 die
sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet hat, ist die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage entfallen (§
86a Abs.
2 Nr.
5 SGG). Sie war auf Antrag der Antragstellerin nach §
86b Abs.
1 Nr.
2 SGG wiederherzustellen.
Bei der Prüfung, ob die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs nach §
86b Abs.
1 SGG anzuordnen bzw. wiederherzustellen ist, sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ist der Verwaltungsakt
offensichtlich rechtswidrig, tritt ein öffentliches Interesse an der Vollziehung stets hinter das Suspensivinteresse des Betroffenen
zurück (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014., §
86b, Rn. 12i, Wahrendorf in Roos/Wahrendorf, § 86b, Rn. 104). Bei einem Entfallen der aufschiebenden Wirkung durch Anordnung
der sofortigen Vollziehung wie im vorliegenden Fall ist bei der Prüfung zu beachten, dass nach §
86a Abs.
1 SGG Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung haben sollen und daher die Abkehr von diesem Grundsatz
zunächst formal rechtmäßig erfolgen muss. Ist das nicht der Fall, ist die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen.
Zutreffend ist das Sozialgericht vorliegend davon ausgegangen, dass die Vollziehungsanordnung mit dem Bescheid vom 15. August
2016 nicht bereits formell rechtswidrig ist.
Die Vollziehungsanordnung nach §
86a Abs.
2 Nr.
5 SGG bedarf einer besonderen Begründung. Eine lediglich formelhafte Begründung reicht nicht aus. Die Begründung hat den Zweck,
den Betroffenen in die Lage zu versetzen, durch Kenntnisnahme der Gründe, die Veranlassung zur Vollziehungsanordnung gegeben
haben, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und eine Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels abschätzen zu können (Keller, a.a.O.,
§ 86a, Rn. 21b). Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Darstellung des angenommenen öffentlichen Interesses
daran, dass als Ausnahme von der Regel des §
86a Abs.
1 Satz 1
SGG in dem konkreten Fall die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass das Interesse des Betroffenen deshalb hinter dem
erheblichen öffentlichen Interesse zurückstehen muss. Eine Wiederholung des Gesetzwortlautes des §
86 a Abs.
2 Ziffer 5
SGG reicht nicht aus, wenn nicht auf die Besonderheit des Einzelfalles eingegangen wird (Kopp/Schenke, a. a. O., Anm. 85). Anhand
dieser Vorgaben ist die vorliegende Anordnung nicht zu beanstanden, denn mit ihr hat der Antragsgegner unter Würdigung der
Umstände des Einzelfalls angeführt, aus welchen Gründen das Interesse der Antragstellerin am Erhalt der aufschiebenden Wirkung
des Rechtsbehelfs hinter dem vom Antragsgegner angenommenen öffentlichen Interesse an einer Vollziehung zurückstehen soll.
Die ausführliche Begründung erschöpft sich nicht in einer Wiederholung des Gesetzestextes oder von Begründungselementen der
Aufhebungs- bzw. Aufrechnungsentscheidung mit dem Bescheid vom 15. August 2016. Allerdings liegen die materiellen Voraussetzungen
für die erfolgten Anordnungen des Sofortvollzugs nicht vor, nämlich ein besonderes Vollzugsinteresse des Antragsgegners. Grundsätzlich
ist für ein öffentliches Interesse im Sinne des §
86a Abs.
2 Nr.
5 SGG ein über das Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes hinausgehendes besonderes Vollzugsinteresse erforderlich.
Es müssen besondere Gründe dafür sprechen, dass der Verwaltungsakt schon jetzt und nicht erst nach Eintritt der Bestandskraft
vollzogen wird (BVerfG in NVwZ 1996, 58, 59, m. w. N.). Die aufschiebende Wirkung des §
86 a SGG soll gemäß der Rechtsschutzgarantie des Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz GG verhindern, dass durch die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes Tatsachen geschaffen werden, die, wenn sich der Verwaltungsakt
bei gerichtlicher Überprüfung im Hauptsacheverfahren als rechtwidrig erweist, nur schwer rückgängig gemacht werden können.
Sie ist andererseits kein Selbstzweck und soll einen im öffentlichen Interesse liegenden Vollzug nicht hindern. Das Gericht
hat zu prüfen, ob nach Beurteilung aller Umstände die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage zur Gewährung
effektiven Rechtsschutzes in der Hauptsache oder aus anderen Gründen wiederherzustellen ist (Finkelnburg/Dombert/Külpmann,
Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, 5. Aufl., Rn. 963).
Folgt aus der gerichtlichen Abwägung, dass es zur Wahrung des effektiven Rechtsschutzes oder zur Wahrung sonstiger verfassungsrechtlich
geschützter Rechtspositionen der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfes nicht bedarf, ist es von Verfassungs wegen nicht
geboten, ein vorhandenes öffentliches Interesse an dem Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum Eintritt seiner Bestandskraft
zurücktreten zu lassen (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rn. 967). In die gerichtliche Abwägungsentscheidung, die nicht
einem starren Prüfungsschema zu erfolgen hat, haben die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs einzufließen, dessen aufschiebende
Wirkung begehrt wird, hier der Klage. Ist der Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens bei summarischer Prüfung offensichtlich
erfolgversprechend, überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffen jedes denkbare öffentliche Vollzugsinteresse, da es an
der sofortigen Vollziehung eines offensichtlichen rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse geben kann.
Andererseits wird angenommen, dass bei Annahme eines offensichtlich erfolglosen Rechtsbehelfs nach summarischer Einschätzung
ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit besteht. Dieses überwiegende öffentliche Interesse
kann jedoch dann verneint werden, wenn im Einzelfall ein öffentliches Interesse an der Vollziehung des offensichtlich rechtmäßigen
Verwaltungsaktes den Grundsatz der Gleichbehandlung oder der Verhältnismäßigkeit verletzen würde oder eine unbillige Härte
darstellte (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rn. 973).
Im vorliegenden Fall ist der Ausgang der Rechtsbehelfsverfahren nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren veranlassten
Prüfung für die Antragstellerin erfolgversprechend. Der mit der Klage angefochtene Bescheid dürfte entgegen der Auffassung
des Sozialgerichts rechtswidrig sein.
Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsgegner seine Aufhebungsentscheidung vom 15. August 2016 zu Recht auf die Rechtsgrundlage
des § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X stützt und damit davon ausgeht, dass die mit der Anlage zum Bescheid aufgeführten Bescheide bereits von Anfang an rechtswidrig
sind und die Aufhebungsentscheidung im Hinblick auf die Bewilligungsentscheidung vom 4. Dezember 2012 (Zeitraum Dezember 2012
bis Juni 2013) wohl bei Annahme einer Einkommenserzielung aus Kick-Back-Zahlungen erst ab März 2013 auf eine Änderung der
Sachlage nach Bescheiderteilung durch Einkommenserzielung zurückgehen dürfte und daher - wie auch vom Sozialgericht angenommen
- nur auf § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zu stützen wäre.
Das Sozialgericht weist mit dem angefochtenen Beschluss zwar zutreffend darauf hin, dass ggf. ein "Austausch der Rechtsgrundlage"
möglich ist. Zu beachten ist jedoch, dass es vorliegend bei einer Anhörung zu einer beabsichtigten Korrekturentscheidung nach
§ 48 SGB X und tatsächlicher (Teil-)Aufhebungen nach § 45 SGB X mit dem Bescheid und dem Widerspruchsbescheid an einer ordnungsgemäßen vorherigen Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X fehlen dürfte (vgl. zu Anhörungen bei Aufhebungsentscheidungen nach §§ 45, 48 SGB aktuell: BSG v. 26. Juli 2016 - B 4 AS 47/15 R - Terminbericht; vgl. zu "Umdeutungen" auch BSG v. 07.04.2016 - B 5 R 26/15 R - juris, Rn. 33f., dort Anhörungsmangel offengelassen, Rn. 39).
Die Rechtswidrigkeit des mit Widerspruch und Klage angefochtenen Bescheides folgt daraus, dass die Voraussetzungen für die
von dem Antragsgegner in Bezug genommene Regelung des § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3, Nr. 2, Nr. 3 SGB X zur Überzeugung des Senats nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden Prüfung nicht vorliegen. Der Antragsgegner
stützt die (Teil-)Aufhebungsentscheidungen darauf, dass die Antragstellerin auf Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten
Kapitel SGB XII anzurechnendes Einkommen aus Kick-Back-Zahlungen des Pflegedienstes erhalten hat und sie diese Einnahmen zumindest grob fahrlässig
nicht angegeben hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) oder die Rechtswidrigkeit der jeweiligen Bewilligungsentscheidungen jedenfalls grob fahrlässig nicht erkannt habe (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).
Der Antragsgegner führt mit seiner Verwaltungsentscheidung monatliches Einkommen der Antragstellerin aus sogenannten Kick-Back-Zahlungen
an. Dass die Antragstellerin daneben weiteres bisher nicht angerechnetes Einkommen oder Vermögen erzielt hat, macht der Antragsgegner
nicht geltend und dies ist auch nicht ersichtlich. Das von dem Antragsgegner angeführte Einkommen ist vorliegend nicht als
anzurechnendes Einkommen zu berücksichtigen, so dass aus der Nichtanrechnung auch nicht die Rechtswidrigkeit der jeweiligen
Leistungsgewährung ergeben kann.
Der Senat ist nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfung der Auffassung, dass es sich bei den von dem
Antragsgegner angenommenen Zahlungen von monatlich 50,00 EUR bis 200,00 EUR - unterstellt sie sind der Antragstellerin zugegangen
- um Einkünfte aus einer mit dem Pflegedienst gemeinschaftlich begangenen Straftat handeln würde, die nicht als Einkommen
im Sinne von § 82 SGB XII anzusehen wären.
Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehören zum Einkommen zwar alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der dort genannten Einnahmen. Auch nach §
1 der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch id.F. vom 22. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2557) sind bei der Berechnung der Einkünfte in Geld nach § 82 SGB XII alle Einnahmen ohne Rücksicht auf ihre Herkunft und Rechtsnatur sowie ohne Rücksicht darauf, ob sie zu nach dem Einkommenssteuerecht
anerkannten Einkunftsarten gehören, zugrunde zu legen.
Zutreffend geht jedoch das Sozialgericht Berlin mit der Entscheidung vom 21. Oktober 2016 (S 146 SO 1487/16 ER - juris; nachfolgend
Beschluss des Senats v. 20.12.2016 - L 23 SO 298/16 B ER) davon aus, dass bei gebotener normativer Betrachtungsweise Gewinne
aus begangenen Straftaten nicht als Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII Berücksichtigung finden können. Ein solches Einkommen, wenn es sich um einen Gewinn aus einem - wie hier von dem Antragsgegner
angenommenen - gemeinschaftlich begangenen Betrug handelt, ist mit einer Rückzahlungspflicht aus §
823 Abs.
2 BGB belastet und steht dem Betroffenen gerade nicht zur freien anderweitigen Verwendung zur Verfügung.
So hat das Bundessozialgericht - BSG - bereits im Recht der Arbeitslosenhilfe angenommen, dass durch eine Straftat erlangtes Einkommen dann nicht als Einkommen
angerechnet werden kann, wenn eine Rückzahlungspflicht des Leistungsberechtigten an den Geschädigten von vornherein feststeht
(BSG v. 06.04.2000 - B 11 AL 31/99 R - juris, Rn. 21, 25). Unterstellt der Antragsgegner bei Annahme von Kick-Back-Zahlungen aus einem Abrechnungsbetrug unter
Teilnahme der Antragstellerin einen monatlichen Zufluss von bis zu 200,00 EUR, so besteht eine Rückzahlungsverpflichtung gegenüber
der (auch) geschädigten Pflegekasse, so dass eine Anrechnung als Einkommen auf den Bedarf nach dem SGB XII den bereits eingetretenen Schaden vergrößern würde, da die Summe dann nicht mehr für Erstattungsleistungen zur Verfügung
stünde (vgl. BSG, a.a.O.). Im Übrigen ist der Senat der Auffassung, dass Einkünfte aus strafbaren Handlungen von der öffentlichen Hand insbesondere
dann nicht als Einsatz zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Minderung eines Anspruchs auf staatliche Sozialleistungen
verlangt werden kann, wenn Ersatzansprüche Geschädigter bestehen können (vgl. zum Nichteinsatz unrechtmäßig erworbener Mittel
zum Lebensunterhalt auch OVG Berlin v. 09.03.1967 - VI B 23.66 - FEVS 15, 20). Ob ein Anspruch auf bedarfsabhängige Leistungen aus anderen Gründen abgelehnt werden kann, konnte dabei dahinstehen.
Soweit das Sozialgericht mit dem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss annimmt, dass es sich bei den angenommenen Kick-Back-Zahlungen
um eine "Entlohnung für bestimmte Mitwirkungshandlungen an einer Straftat" gehandelt habe und nicht um "Teile einer Beute"
kann dies nicht nachvollzogen werden. Nach dem von dem Antragsgegner angenommenen Geschehensablauf soll der Pflegedienst weniger
als die von der Antragstellerin bescheinigten Pflegeeinsätze erbracht haben, jedoch die bescheinigten zur Abrechnung gelangt
seien. Dadurch soll der Pflegedienst einen nicht unerheblichen "Gewinn" erwirtschaftet haben. An diesem Gewinn ist dann die
Antragstellerin beteiligt worden. Ob der Pflegedienst "Kick-Back-Zahlungen" als Entlohnung für Mithilfe beim Betrug verstanden
haben will, dürfte nicht entscheidend sein.
Soweit das Sozialgericht meint, dies führe zu einer ungerechtfertigten Privilegierung von Straftätern, berücksichtigt diese
Betrachtung allein den Umstand der Einkommensanrechnung. Ein möglicher Ersatz der Kosten für unrechtmäßig erbrachte Leistungen
der Sozialhilfe durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln ist in § 104 SGB XII geregelt. Zudem hat der Antragsgegner auch im vorliegenden Fall, die der Antragstellerin in der Vergangenheit gewährten Hilfen
zur Pflege gegenüber der Antragstellerin teilweise aufgehoben und macht insofern Erstattungsbeträge geltend.
Der Senat lässt bei allem ausdrücklich offen, ob der Antragstellerin die von dem Antragsgegner angeführten Beträge überhaupt
zugeflossen sind. Es bestehen jedoch Zweifel, ob ein Zufluss allein mit den Eintragungen in Kassenbüchern des Pflegedienstes,
die dem Senat mit den Verwaltungsakten auch nicht auszugsweise vorlagen, angenommen werden kann, wenn gleichzeitig von einem
betrügerischen Verhalten der Geschäftsführung des Pflegedienstes ausgegangen wird. Hier dürften weitere Ermittlungen erforderlich
sein.
Ob ein Vertrauensschutz - wie vom Antragsgegner angenommen - auch deshalb zu verneinen ist, weil die die Leistungen ab März
2013 gewährenden Bescheide auf Angaben beruhten, die die Antragstellerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher
Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, begegnet Zweifeln, kann jedoch dahinstehen. Zutreffend weist der Antragsgegner
mit dem angefochtenen Bescheid zwar darauf hin, dass ein Leistungsbezieher nach §
60 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch -
SGB I - die Pflicht hat, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistungsgewährung - hier Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII - erheblich sind. Geht der Antragsgegner jedoch vom Zufluss von monatlich bis zu 200,00 EUR aus den Kick-Back-Zahlungen des
Pflegedienstes aus, die die Antragstellerin in einem Zusammenwirken mit dem Pflegedienst erwirkt haben soll, so bestehen Zweifel
an der von dem Antragsgegner angeführten Mitwirkungspflicht der Antragstellerin nach §
60 Abs.
1 Nr.
1 SGB I. Nach §
65 Abs.
3 SGB I können nämlich Angaben verweigert werden, wenn sich der Antragsteller in die Gefahr begeben würde, wegen einer Straftat verfolgt
zu werden. Während bei der Aufforderung zu Mitwirkungshandlungen durch eine Behörde vertreten wird, dass die "Mitwirkungsgrenze"
aus §
65 Abs.
3 SGB I geltend zu machen ist (Seewald in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht,
SGB I, §
65, Rn. 31), erscheint dies jedenfalls für die inhaltliche Bezugnahme des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auf nach §
60 Abs.
1 Nr.
1 SGB I anzugebende Tatsachen (Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 45, Rn. 49) nicht zwingend. Nach allem dürfte die Rücknahmeentscheidung mit dem Bescheid vom 15. August 2016 bereits rechtswidrig
und aufzuheben sein. Damit liegen auch die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Erstattungsforderung nicht vor. Auch
die Regelung zur Aufrechnung mit monatlichen Leistungen dürfte dann rechtswidrig sein. Die aufschiebende Wirkung war daher
anzuordnen. Im Übrigen war die Beschwerde jedoch zurückzuweisen. Das Sozialgericht hat es nämlich im Ergebnis zu Recht abgelehnt,
die Aufhebung der bereits erfolgten Vollziehung anzuordnen.
Nach §
86 b Abs.
1 Satz 2
SGG kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn - wie hier durch Vollzug der Aufrechnung - die Verwaltungsentscheidung
schon (teilweise) vollzogen worden ist. Die Entscheidung hierüber erfolgt durch eine gesonderte Entscheidung des Gerichts
aufgrund einer gesonderten Interessenabwägung. Die Aufhebung der Vollziehung bewirkt dabei, dass Leistungen für die Vergangenheit
wieder auszuzahlen sind. Deshalb muss hierfür ein besonderes Interesse des Betroffenen auch im Falle der Geltendmachung von
Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII dargelegt werden (LSG Berlin-Brandenburg v. 01.11.2012 - L 20 AS 2161/12 B ER - juris, Rn. 35; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
86 b, Rn. 10a; Hintz/Lowe,
SGG, §
86 b, Rn. 70). Solche besonderen Umstände hat die Antragstellerin für Zeiten vor Entscheidung des Senats nicht dargelegt. Es ist
nicht zu erwarten, dass der Antragsgegner die nunmehr angeordnete aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 15.
August 2016 nicht beachten wird, so dass ein weiterer Vollzug nicht zu erwarten ist. Für eine Aussetzung der Vollziehung des
Bescheides durch das Gericht war daher kein Raum. Antragsteller, die eine gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung
erwirkt haben, sind bei Nichtbefolgen der Behörde grundsätzlich gehalten, ihre Ansprüche in einem auf Vornahme gerichteten
einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach §
86 b Abs.
2 SGG geltend zu machen (LSG Berlin-Brandenburg v. 01.11.2012, a.a.O., Rn. 37), weshalb die Anordnung der Aufhebung der Vollziehung
durch das Gericht auf Ausnahmefälle beschränkt ist (Keller, a.a.O.), die hier nicht vorliegen. 2. Da die Rechtsverfolgung
auch schon im sozialgerichtlichen Verfahren Aussicht auf Erfolg hatte, war der Antragstellerin für das erstinstanzliche Verfahren
in Abänderung des angefochtenen Beschlusses Prozesskostenhilfe zu bewilligen, §
73a Abs.
1 SGG in Verbindung mit §
114 ZPO. Für das Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin Prozesskostenhilfe nicht beantragt.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG und aus §
127 Abs.
4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, §
177 SGG.