Die gemäß §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht (SG) hat zu Recht die aufschiebende Wirkung der Klage (S 12 P 39/16) gegen den Bescheid der Antragsgegner zu 1. bis 6. vom 9. September 2016, mit dem diese den Versorgungsvertrag mit der Antragstellerin
fristlos kündigten, nicht angeordnet. Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass das einstweilige Rechtschutzbegehren der Antragstellerin als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung nach §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 1. Alt.
SGG statthaft ist. Nach dieser Regelung kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage
keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ein solcher Fall liegt hier vor.
Statthafte Klageart gegen eine Kündigung des Versorgungsvertrages ist die Anfechtungsklage gem. §
54 SGG (Prehn in: Berchthold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, §
115 SGB XI, Rn. 52). Es findet kein Vorverfahren statt und die Klage hat keine aufschiebende Wirkung (§
86a Abs.
2 Nr.
4 SGG i. V. m. §§
74 Abs.
3 S. 2, 115 Abs. 2 S. 3, 73 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI]). Der Antrag ist unbegründet. Voraussetzung für die
Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG ist, dass die Interessen des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse am Vollzug des Bescheides
ausnahmsweise überwiegen. Die Entscheidung nach §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG erfolgt damit auf Grundlage einer Interessenabwägung. Abzuwiegen sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug
des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben, und das öffentliche Interesse
an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung. Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs
in der Hauptsache eine wesentliche Bedeutung zu. Dabei ist die Wertung der §§
74, Abs.
3 S. 2, 73 Abs.
2 S. 2
SGB XI zu berücksichtigen, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung der Individual- und öffentlichen Interessen
dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt.
Eine Abweichung von diesem Regel-/Ausnahmeverhältnis kommt nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
der angefochtenen Kündigung bestehen oder wenn ausnahmsweise besondere Interessen überwiegen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
86b, Rn. 12c). Hinsichtlich des Antragsgegners zu 7. ist der Antrag bereits deshalb ohne Erfolg, da dieser nicht zu den Landesverbänden
der Pflegekassen gehört, die nach den Vorgaben des §
74 SGB XI zur Kündigung von Versorgungsverträgen befugt sind. Zwar ist vor der Kündigung durch die Landesverbände der Pflegekassen
gemäß §
74 Abs.
1 S. 2
SGB XI das Einvernehmen mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe (vgl. §
72 Abs.
2 S. 1
SGB XI) herzustellen, wobei Einvernehmen im Sinne einer Zustimmung zu verstehen ist. Diese Regelung gilt nach §
74 Abs.
2 S. 4
SGB XI entsprechend auch für die außerordentliche Kündigung. Ein Verstoß gegen die gesetzliche Pflicht, das Einvernehmen mit dem
Sozialhilfeträger herzustellen, begründet den Anspruch auf Aufhebung der Kündigung auch zu Gunsten der Pflegeeinrichtung (BSG, Urteil vom 12. Juni 2008 - B 3 P 2/07 R). Die Herstellung des Einvernehmens zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen einerseits und den zuständigen Sozialhilfeträger
andererseits ist jedoch ein verwaltungsinterner Vorgang (vgl. BSG, Urteil vom 24. September 2002 - B 3 P 14/01 R; Kingreen in: Berchthold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, §
72 SGB XI, Rn. 7). Der Sozialhilfeträger wird nicht Vertragspartei und ist daher auch nicht selbstständig zur Kündigung berechtigt.
Dementsprechend ist der Antragsgegner zu 7. im vorliegenden Verfahren nicht passivlegitimiert, sodass bereits aus diesem Grunde
der Antrag ihm gegenüber ohne Erfolg bleibt. Der Antrag ist auch hinsichtlich der Antragsgegner zu 1. bis 6. unbegründet.
Es bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigung vom 9. September 2016.
Die Kündigung ist zunächst formell rechtmäßig erfolgt; vor der Kündigung ist die Antragstellerin ordnungsgemäß angehört worden.
Das Einvernehmen mit dem Sozialhilfeträger (Antragsgegner zu 7.) wurde hergestellt. Die Kündigung genügt auch der Schriftform
(§
74 Abs.
3 S. 1
SGB XI). Auch die materiell-rechtlichen Anforderungen des §
74 Abs.
2 S. 1 und 2
SGB XI sind erfüllt. Nach §
74 Abs.
1 S. 1
SGB XI kann der Versorgungsvertrag von jeder Vertragspartei mit einer Frist von einem Jahr gekündigt werden; von den Landesverbänden
der Pflegekassen jedoch nur, wenn die zugelassene Pflegeeinrichtung nicht nur vorübergehend eine der Voraussetzungen des §
72 Abs.
3, S. 1
SGB XI nicht oder nicht mehr erfüllt. Nach §
74 Abs.
2 SGB XI kann der Versorgungsvertrag von den Landesverbänden der Pflegekassen auch ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt
werden, wenn die Einrichtung ihre gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Pflegebedürftigen oder deren
Kostenträgern derart gröblich verletzt, dass ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar ist. Dies gilt gem. §
74 Abs.
2 S. 2
SGB XI insbesondere dann, wenn Pflegebedürftige in Folge der Pflichtverletzung zu Schaden kommen oder die Einrichtung nicht erbrachte
Leistungen gegenüber den Kostenträgern abrechnet. Hier liegt ein derart gröbliches Fehlverhalten gegenüber den Kostenträgern
vor, dass ein Festhalten an dem Versorgungsvertrag nicht zumutbar ist. Vorliegend liegt der als Regelbeispiel in §
74 Abs.
2 S. 3
SGB XI genannte einrichtungsbezogene Kündigungsgrund einer Falschabrechnung vor. Die gegen gesetzliche und vertragliche Regelung
verstoßende und damit fehlerhafte Abrechnung von Leistungen der Tagespflege steht aufgrund des Geständnisses der ehemaligen
Geschäftsführerin Frau N. und des sich darauf stützenden Urteils des Landgerichts Bremen (Urteil vom 18. November 2016 - Verurteilung
wegen schweren gewerbsmäßigen Betruges in 918 Fällen zu einer Haftstrafe von fünf Jahren sowie einer Geldstrafe von 300.000
EUR) fest. Die Feststellung des strafgerichtlichen Verfahrens kann der Senat im Rahmen dieses Verfahrens berücksichtigen (vgl.
BSG, Beschlüsse vom 2. April 2014 - B 6 KA 58/13 B und vom 17. März 2015 - B 3 P 1/15 S, B 3 P 1/15 B). Die Gröblichkeit der Pflichtverletzung und die Verhältnismäßigkeit der fristlosen Kündigung bei dem vorliegenden vorsätzlichen
Abrechnungsbetrug in 918 Fällen und eines Schadens von mindestens 600.000 EUR steht außer Frage. Das Vertrauen auf die Richtigkeit
der Angaben eines Leistungserbringers ist ein wesentliches Fundament des Abrechnungssystems für die Pflegeleistungen. Unkorrekte
Abrechnungen über einen längeren Zeitraum erschüttern dieses Vertrauen grundlegend und rechtfertigen schon deshalb die fristlose
Kündigung des Versorgungsvertrages. Die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ist den Antragsgegnern zu 1. bis 6. auch unzumutbar.
Die Entziehung der Zulassung durch Kündigung des Versorgungsvertrages (zumal als fristlose) ist ultima ratio. Sie kommt nur
in Betracht, wenn nicht andere, mildere Mittel vorhanden sind, auf Vertragsverletzungen zu reagieren. Einer Pflegeeinrichtung
zurechenbare vorsätzliche Straftaten sollen grundsätzlich die fristlose Kündigung auslösen (BSG, Urteil vom 12. Juni 2008 - B 3 P 2/07 R). Die Pflegekassen haben für ihre Versicherten erhebliche Zahlungen an die Antragstellerin geleistet, ohne dass die Voraussetzungen
hierfür erfüllt waren. Das von der Antragstellerin praktizierte Abrechnungsverhalten, das gesetzlicher oder vertraglicher
Regelung widerspricht, muss das Vertrauensverhältnis erschüttern. Die fristlose Kündigung ist auch ein geeignetes Mittel,
denn nur hierdurch wird verhindert, dass die Antragstellerin weitere Pflegesachleistungen erbringen kann, und die Gefahr beseitigt,
dass diese fehlerhaft abrechnet mit der Folge eines finanziellen Schadens der Pflegekassen. Nach Auffassung des Senats ist
es auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegner zu 1. bis 6. sich bei der Ermessensentscheidung ausschließlich daran
orientiert haben, dass angesichts der bis zu diesem Zeitpunkt in der Vergangenheit liegenden Vorkommnisse das Vertrauensverhältnis
so sehr zerstört war, dass ein Festhalten am Versorgungsvertrag nicht möglich war. Zutreffend hat das SG insoweit auch ausgeführt, dass Abwägungsfehler nicht vorhanden sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf
die Begründung des SG Bezug, macht sich diese zu Eigen und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die Kostenentscheidung
beruht auf §
197a SGG, §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs.
1 S. 1
SGG i. V. m. §§ 63, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert ist im Falle der Kündigung eines Versorgungsvertrages anhand des dreifachen erwarteten Jahresumsatzes festzusetzen
(BSG, Urteil vom 12. Juni 2008 - B 3 P 2/07 R; Bayerisches LSG, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - L 2 P 41/10 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. Juli 2012 - L 27 P 29/12 B ER), begrenzt auf den Höchststreitwert nach § 52 Abs. 4 Nr. 2 GKG. Vorliegend hat die Antragstellerin einen Jahresumsatz von 1.742.951,70 EUR angegeben. Damit ergibt sich unter Berücksichtigung
des Höchststreitwertes ein Streitwert von 2.500.000 EUR. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt zwar eine Reduzierung
des Streitwertes mit Blick auf eine zunächst einstweilen angestrebte Fortgeltungsdauer in Betracht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 20. Mai 2010 - L 27 P 36/09 B). Indes kommt eine derartige Begrenzung vorliegend nicht in Betracht. Vielmehr ist der Antrag der Antragstellerin auf Außervollzugsetzung
der Kündigung des Versorgungsvertrages für die Zeit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Klage gegen diese und
damit auf einen aller Voraussicht nach mehr als drei Jahre umfassenden Zeitraum und während dieser Zeit auf eine Vorwegnahme
der Hauptsache gerichtet. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).