Rechtmäßigkeit der Nachforderung von Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeiträgen sowie Säumniszuschlägen nach einer Betriebsprüfung
Anforderungen an die Berücksichtigung von Tankgutscheinen und Werbeflächenentgelten als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt
im Zuge der Vereinbarung eines Lohnverzichts
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Klägerin den Beigeladenen zu 1. bis 7. (im Folgenden: Beigeladene) gewährten
Tankgutscheine und Werbeflächenentgelte zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehören.
Die nicht tarifgebundene Klägerin betreibt ein Einrichtungszentrum. Ende 2009 schloss sie mit den Beigeladenen eine "Ergänzende
Vereinbarung" zum jeweiligen Arbeitsvertrag. Bei unveränderter Arbeitszeit wurde der Bruttobarlohn ab 1.1.2010 - im Fall der
Beigeladenen zu 7. ab 1.2.2010 - durch einen "Entgeltverzicht" um einen individuell bestimmten Betrag zwischen 249 und 640
Euro im Monat reduziert. Die bisherige Bruttovergütung wurde in den Personalunterlagen weitergeführt, um auf ihrer Basis künftige
Gehaltsansprüche, "wie zum Beispiel Lohnerhöhungen, Prämienzahlungen, Urlaubsgeld, Ergebnisbeteiligung oder auch Abfindungsansprüche",
zu berechnen. Zugleich wurden bestimmte, nicht unter den Freiwilligkeitsvorbehalt fallende Leistungen der Klägerin vereinbart,
von denen im Revisionsverfahren nur noch die Gewährung von Tankgutscheinen und die Zahlung von Entgelten für die Bereitstellung
von Werbeflächen im Monat Dezember 2010 streitig sind. Die Arbeitnehmer erhielten einmal im Abrechnungsmonat einen Tankgutschein,
dessen jeweiliger Wert 40 Euro nicht überstieg. Sie stellten der Klägerin die Außenflächen ihrer privaten Kraftfahrzeuge auf
unbestimmte Zeit als Werbefläche zur Verfügung und bezogen hierfür 21 Euro monatlich.
Nach einer die Zeit vom 1.1.2007 bis 31.12.2010 betreffenden Betriebsprüfung bei der Klägerin forderte die beklagte Deutsche
Rentenversicherung Baden-Württemberg Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeiträge sowie Säumniszuschläge von insgesamt 13
088,93 Euro nach (Bescheid vom 10.2.2011; Widerspruchsbescheid vom 9.7.2012). Während des Klageverfahrens hat sie den Nachforderungsbetrag
auf 12 982,53 Euro reduziert (Bescheid vom 19.3.2013). Das SG München hat die angefochtenen Verwaltungsakte teilweise aufgehoben
und die Beklagte zur Neuberechnung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet (Gerichtsbescheid vom 3.6.2014).
Das Bayerische LSG hat auf die Berufung der Klägerin den Gerichtsbescheid geändert und die angefochtenen Verwaltungsakte aufgehoben,
soweit für die Beigeladenen Beiträge nebst Säumniszuschlägen in Höhe eines jeweils individuell ausgewiesenen, das bisher unberücksichtigte
Entgelt übersteigenden Betrags nachgefordert worden ist. Es hat die Berufung im Übrigen und die Anschlussberufung der Beklagten
zurückgewiesen. Die Tankgutscheine seien Sachbezüge, die nach § 3 Abs 1 Satz 4 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) in Verbindung mit (iVm) §
8 Abs
2 Satz 9
Einkommensteuergesetz (
EStG) außer Ansatz blieben, weil sie bei keinem der betroffenen Arbeitnehmer mehr als 40 Euro betragen hätten. Bei den Zahlungen
für die Werbeflächen handele es sich um Mietzins und nicht um Lohnzahlungen. Sie beruhten auf Verträgen über die Anmietung
von Werbeflächen im betrieblichen Interesse der Klägerin (Urteil vom 14.9.2017).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von §
14 Abs
1 Satz 1
SGB IV sowie §
17 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB IV iVm § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SvEV. Die beitragsrechtliche Behandlung der Tankgutscheine sei nicht in § 3 SvEV geregelt. Dass bei einem Wert von höchstens 44 Euro ein steuerfreier Sachbezug vorliege, schließe dessen Zurechnung zum Arbeitsentgelt
nicht aus, wenn sie - wie hier - nicht zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gezahlt würden. Die Zahlungsvereinbarungen hinsichtlich
der Werbeflächen seien als Nebenabrede zum Arbeitsvertrag getroffen worden. Sie seien aus den Arbeitsverhältnissen heraus
entstanden und durch diese veranlasst.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. September 2017 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München
vom 3. Juni 2014 insoweit aufzuheben, als der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 9. Juli 2012 und des Bescheids vom 19. März 2013 hinsichtlich der Forderung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen
für Dezember 2010 auf die den Beigeladenen zu 1. bis 7. gewährten Tankgutscheine und Werbeflächenentgelte aufgehoben worden
ist und insoweit die Berufung zurück- und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet (§
170 Abs
2 Satz 1
SGG). Die Festsetzung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen im Bescheid vom 10.2.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 9.7.2012 und des Bescheids vom 19.3.2013 für Dezember 2010 auf die den Beigeladenen gewährten Tankgutscheine und Werbeflächenentgelte
ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Nur noch hierüber hatte der Senat zu entscheiden, nachdem
die Beteiligten den Verfahrensgegenstand in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf beschränkt haben. Klägerin und
Beklagte haben sich durch Vergleich hinsichtlich der Nachforderung für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.11.2010 dem rechtskräftigen
Ausgang dieses Verfahrens unterworfen und insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Rechtsgrundlage der Beitragsfestsetzung ist § 28p Abs 1 Satz 1 und 5
SGB IV in der Fassung (idF) der Bekanntmachung vom 12.11.2009 (BGBl I 3710). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei
den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem
SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die
Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§
28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Sie erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe
in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide
gegenüber den Arbeitgebern. § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz stellt die Umlagen zum Ausgleichsverfahren insoweit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung gleich (BSG Urteil vom 10.12.2019 - B 12 R 9/18 R - BSGE 129, 247 = SozR 4-2500 § 223 Nr 3, RdNr 12).
In der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung
das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt (§
226 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB V, §
57 Abs
1 Satz 1
SGB XI idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG]
vom 26.3.2007 [BGBl I 378], §
162 Nr 1
SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002 [BGBl I 754], §
342 SGB III). Arbeitsentgelt sind nach §
14 Abs
1 Satz 1
SGB IV idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009 (BGBl I 3710) alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig,
ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob
sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Der gesetzlich nicht definierte Begriff
der Einnahmen umfasst jeden geldwerten Vorteil (vgl BSG Urteil vom 14.7.2004 - B 12 KR 10/02 R - SozR 4-5375 § 2 Nr 1 RdNr 19), der dem Versicherten in ursächlichem Zusammenhang mit einer Beschäftigung zufließt (BSG Urteil vom 26.4.2018 - B 5 R 26/16 R - BSGE 126, 14 = SozR 4-2600 § 96a Nr 18, RdNr 22 mwN). Hierzu gehören die Gegenleistungen des Arbeitgebers für die erbrachte Arbeitsleistung
des Beschäftigten (BSG Urteil vom 7.3.2007 - B 12 KR 4/06 R - SozR 4-2400 § 14 Nr 8 RdNr 15 mwN). Darunter fallen in erster Linie der tarif- oder einzelvertraglich vereinbarte Bruttoverdienst
(vgl BSG Urteil vom 14.7.2004 - B 12 KR 7/04 R - SozR 4-2400 § 22 Nr 1 RdNr 19), aber auch Sachbezüge (vgl BT-Drucks 7/4122 S 32), also Sachgüter in Geldeswert. Sowohl
die Tankgutscheine als auch die Werbeflächenentgelte sind danach beitragspflichtiges Arbeitsentgelt. Mit diesen Leistungen
wurden den Beigeladenen im Rahmen ihrer Arbeitsverhältnisse jeweils geldwerte Vorteile in betragsmäßig bestimmter Höhe eingeräumt.
Im Rahmen des vereinbarten Bruttolohnverzichts bildeten sie ein teilweises Surrogat für den ursprünglichen Bruttolohn. Sie
waren kausal mit den Beschäftigungen verknüpft (dazu 1.) und infolgedessen nicht als "zusätzliche" Einnahmen von der Zurechnung
zum Arbeitsentgelt ausgenommen (dazu 2.). Die Tankgutscheine sind auch nicht als nicht beitragspflichtiger Sachbezug anzusehen
(dazu 3.). Schließlich steht dem hier gefundenen Ergebnis Steuerrecht nicht entgegen (dazu 4.).
1. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen und daher den Senat bindenden Feststellungen
(§
163 SGG) des LSG war durch "Ergänzende Vereinbarung" zu den jeweiligen Arbeitsverträgen ein "Entgeltverzicht" im Wege der Reduzierung
des Bruttobarlohns um einen exakt bestimmten Bruttobetrag bei unveränderter Arbeitszeit vereinbart worden. Zugleich wurde
aber ausdrücklich festgelegt, dass künftige Gehaltsansprüche - wie zB Lohnerhöhungen, Prämienzahlungen, Urlaubsgeld, Ergebnisbeteiligung
oder Abfindungsansprüche - "auf Basis der derzeitigen Bruttovergütung" berechnet würden und zu diesem Zweck die "bisherige
Bruttovergütung" parallel zum "neuen Bruttobarlohn" weitergeführt werde. Darüber hinaus wurden in von der Klägerin und den
Beigeladenen unterzeichneten sogenannten Besprechungsdokumentationen als optionale "Neue Gehaltsanteile" sowohl der "Tankgutschein"
als auch die "Werbefläche" bezeichnet und darunter die Summe des vertraglichen Entgeltverzichts genannt. Das LSG hat diesen
Entgeltverzicht nebst Gewährung weiterer Leistungen nicht als Abrede über die Verwendung laufenden Lohns gewertet. Vielmehr
ist es von einer arbeitsvertraglichen Ergänzung ausgegangen, mit der die Leistungspflicht der Klägerin für die Zukunft teilweise
abgeändert und insoweit durch ein neues Entgeltmodell ersetzt wurde. An dieses Auslegungsergebnis ist der Senat gebunden.
Zu den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen im Sinne (iS) des §
163 SGG gehört auch die Würdigung tatsächlicher Gegebenheiten, bei Willenserklärungen und Verträgen der Wortlaut und der zu Grunde
liegende Erklärungswille. Die Auslegung eines Vertrags durch ein Tatsachengericht darf das Revisionsgericht nur daraufhin
überprüfen, ob die Vorinstanz die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§
133,
157 BGB) beachtet und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat. Nur den Tatsachengerichten obliegt es, den Willen
der Vertragsparteien festzustellen. Insoweit ist dem Revisionskläger daher nur im Rahmen des §
163 SGG die Möglichkeit gegeben, in Bezug auf getroffene Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorzubringen. Das
Revisionsgericht prüft darüber hinaus, ob die zur Auslegung erforderlichen Umstände von der Vorinstanz umfassend ermittelt
worden sind; ist das der Fall, hat das Revisionsgericht die festgestellten Umstände in die Rechtsanwendung einzubeziehen.
Die Anwendung von gesetzlichen Auslegungsregeln, anerkannten Auslegungsgrundsätzen, Denkgesetzen, Erfahrungssätzen oder Verfahrensvorschriften
ist demgegenüber Teil der Rechtsanwendung des Tatsachengerichts und vom Revisionsgericht vollinhaltlich zu überprüfen (vgl
BSG Urteil vom 25.6.2020 - B 10 EG 1/19 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 9 RdNr 34 mwN; BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 17 RdNr 25 mwN).
Nach diesen Maßstäben hat der Senat die Auslegung der zwischen der Klägerin und den Beigeladenen getroffenen Abreden durch
das LSG zugrunde zu legen. Es ist ohne Verfahrens- und Rechtsanwendungsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Arbeitsvertragsparteien
ein neues Entgeltmodell vereinbart haben, bei dem Tankgutscheine und Werbeflächenentgelte zur teilweisen Kompensation eines
Entgeltverzichts gewährt worden sind. Eine zulässige und begründete Verfahrensrüge hat die Klägerin insoweit nicht erhoben.
Dem steht hinsichtlich der Werbeflächenentgelte nicht die weitere Feststellung des LSG entgegen, dass insoweit "Mietverträge
geschlossen" worden wären. Zwar gehört die Bereitstellung von Werbeflächen grundsätzlich nicht zu den arbeitsvertraglich geschuldeten
Arbeitsleistungen. Diese Einnahmen stehen aber gleichwohl wegen des zwischen der Klägerin und den Arbeitnehmern vereinbarten
neuen Entgeltmodells in ursächlichem Zusammenhang mit der jeweils ausgeübten Beschäftigung. Die rechtliche Wertung des LSG,
die Werbeflächenentgelte stellten Mietzinszahlungen dar, widerspricht nicht seiner Auslegung, dass auch diese Arbeitgeberleistungen
zum Teil den Entgeltverzicht kompensierten. Die Werbeflächenentgelte wurden - ebenso wie die Tankgutscheine - als "Neue Gehaltsanteile"
angeboten und im Falle ihrer Inanspruchnahme sogar in den Lohnabrechnungen ausgewiesen. Auch sie wurden als (weiteres) teilweises
Surrogat für den Entgeltverzicht geleistet und damit unabhängig von der Rechtsnatur ihrer vertraglichen Grundlage "im Zusammenhang"
mit den Beschäftigungen iS des §
14 Abs
1 Satz 1
SGB IV erzielt.
2. Weder die Tankgutscheine noch die Werbeflächenentgelte sind nach § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 1 SvEV von der Zurechnung zum Arbeitsentgelt ausgenommen.
Gemäß §
17 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB IV (idF des Dritten Gesetzes zur Änderung des
SGB IV und anderer Gesetze vom 5.8.2010 [BGBl I 1127]) ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung
mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung, zur Förderung der
betrieblichen Altersversorgung oder zur Vereinfachung des Beitragseinzugs zu bestimmen, dass einmalige Einnahmen oder laufende
Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, und steuerfreie
Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten. Nach §
17 Abs
1 Satz 2
SGB IV (idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009 [BGBl I 3710]) ist dabei eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen
des Steuerrechts sicherzustellen. Von dieser Ermächtigung ist durch Erlass der SvEV Gebrauch gemacht worden. Danach sind einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen,
die "zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern" gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei
sind (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 1 SvEV). Die Tankgutscheine und Werbeflächenentgelte wurden allerdings nicht "zusätzlich" gewährt.
Der erkennende Senat hat das "Zusätzlichkeitserfordernis" der SvEV zwar dann angenommen, wenn im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft
auf Versorgungsleistungen umgewandelt und vom Arbeitgeber Direktversicherungsbeiträge gezahlt wurden (BSG Urteil vom 14.7.2004 - B 12 KR 10/02 R - BSGE 93, 109 = SozR 4-5375 § 2 Nr 1, RdNr 27). Eine Entgeltumwandlung in diesem Sinne liegt hier aber nicht vor.
Zusätzlich zu Löhnen und Gehältern werden jedenfalls nicht Einnahmen gewährt, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung
Bestandteil des Vergütungsanspruchs sind. Tankgutscheine und Werbeflächenentgelte waren jedoch integrale Bausteine in der
mit der Vertragsergänzung herbeigeführten neuen Zusammensetzung des Entgelts. In der neu gestalteten Vergütungsstruktur wurden
diese Arbeitgeberleistungen nicht zusätzlich zu der zuvor vereinbarten Entlohnung gewährt. Sie stellten vielmehr - wie bereits
ausgeführt wurde - teilweise Surrogate für den Bruttolohnverzicht und damit nicht abtrennbare, integrale Bestandteile der
insgesamt vereinbarten neuen Vergütung dar. Vor- und Nachteilseinräumung durch Entgeltverzicht auf der einen und ergänztes
Leistungsspektrum auf der anderen Seite sind konnex und bilden eine einheitliche Vereinbarung, die insgesamt im Rahmen des
gegenseitigen Austausches zustande gekommen und nicht trennbar ist. Mithin ist aus objektiver Sicht der Vertragsparteien (§§
133,
157 BGB) die neue Vergütung nur dann vollständig erfasst, wenn sämtliche Gehaltsanteile zusammengenommen betrachtet werden. Die Gehaltsabrechnung
umfasste diese Anteile daher auch gleichermaßen und wies das frühere Gehalt, den Gehaltsverzicht und die jeweils ausgewählten
- von den Vertragsparteien folgerichtig selbst so bezeichneten - "neuen Gehaltsanteile" aus. Damit scheidet auch begrifflich
eine "zusätzlich" gewährte Einnahme aus.
3. Die Tankgutscheine sind nicht als sonstiger Sachbezug von der Zurechnung zum Arbeitsentgelt ausgenommen, weil der geldwerte
Vorteil insgesamt 44 Euro im Kalendermonat nicht überstiegen hätte. Gemäß § 3 Abs 1 Satz 4 SvEV (idF der Verordnung zur Neuordnung der Regelungen über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des
Arbeitgebers als Arbeitsentgelt vom 21.12.2006 [BGBl I 3385]) gilt §
8 Abs
2 Satz 9
EStG (idF des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 [HBeglG 2004] vom 29.12.2003 [BGBl I 3076]) entsprechend. Danach bleiben Sachbezüge
außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 44
Euro im Kalendermonat nicht übersteigen. Diese Vorschriften regeln ausschließlich die Bewertung von Sachbezügen. Ein solcher
Sachbezug wurde mit den überlassenen Tankgutscheinen nicht gewährt. Damit kommt es nicht darauf an, in welchem systematischen
Verhältnis §§ 1 und 3 SvEV zueinander stehen.
Ein Sachbezug ist grundsätzlich jede nicht in Geld bestehende Einnahme. Dazu gehört auch ein Anspruch auf eine Sach- oder
Dienstleistung. Ein Sachbezug setzt deshalb nicht voraus, dass konkrete Sachen oder Dienstleistungen überlassen werden. Er
liegt auch dann vor, wenn Gutscheine überlassen werden, die zum Bezug einer vom Arbeitnehmer selbst auszuwählenden Sach- oder
Dienstleistung berechtigen und die bei einem Dritten einzulösen oder auf den Kaufpreis anzurechnen sind (vgl BFH Urteil vom
11.11.2010 - VI R 41/10 - BFHE 232, 62 zu Benzingutscheinen). Maßgebend ist aber stets der Rechtsgrund der Zuwendung. Eine Sachzuwendung liegt nur vor, wenn der
Arbeitgeber nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung eine Sachleistung schuldet und den Geldbetrag lediglich an erfüllungsstatt
leistet. Schuldet der Arbeitgeber hingegen von vornherein nur einen Geldbetrag, vermag auch eine mit der Zahlung verknüpfte
Bedingung die Geldleistung nicht in eine Sachleistung umzuqualifizieren. Wenn danach das arbeitsvertragliche Versprechen auf
die Gewährung eines Sachbezugs gerichtet ist, kommt es auf die Art und Weise der Durchführung nicht (mehr) an (BFH Urteil
vom 4.7.2018 - VI R 16/17 - BFHE 261, 543, 548 RdNr 26 ff).
Nach dem hier vereinbarten neuen Entgeltmodell wurde mit den Tankgutscheinen nicht eine arbeitsvertragliche Sachleistungsschuld
erfüllt. Die nach den Feststellungen des LSG mit einem bestimmten Geldbetrag - konkret jeweils 40 Euro - verknüpften Tankgutscheine
sind - wie bereits dargelegt wurde - als teilweises Surrogat in Euro für die ursprüngliche Vergütung in Euro anteilig an die
Stelle des früheren Bruttolohns getreten. Gewährt wurde mithin gerade nicht Kraftstoff oder ein Bezugsrecht für eine bestimmte
Menge an Kraftstoff (vgl hierzu BFH Urteil vom 11.11.2010 - VI R 41/10 - BFHE 232, 62: "Gutschein über PKW-Treibstoff SUPER bleifrei - 29 Liter"). Mit den auf einen konkreten Geldbetrag ausgestellten Gutscheinen
zwecks anteiliger Kompensation des vereinbarten Entgeltverzichts schuldete die Klägerin nach wie vor eine Geldleistung, die
lediglich mit dem Kraftstofferwerb verknüpft war.
4. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus einer steuerrechtlichen Betrachtung. Die steuerrechtliche Beurteilung als Arbeitslohn
(Arbeitsentgelt iS von §
14 Abs
1 Satz 1
SGB IV) oder als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit (Arbeitseinkommen iS von §
15 Abs
1 SGB IV) ist für das Beitragsrecht nicht maßgebend oder vorgreiflich (vgl BSG Urteil vom 26.3.1998 - B 12 KR 17/97 R - SozR 3-2400 § 14 Nr 15 S 31). Fehlt es im Beitragsrecht an einer Geltungsanordnung hinsichtlich des Steuerrechts, tragen
unterschiedliche Beurteilungen in der Regel den Besonderheiten der jeweiligen Rechtsmaterie Rechnung.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
155 Abs
1 Satz 1 und
3, §
162 Abs
3 VwGO.
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3 Satz 1 und § 47 Abs 1 GKG.