Keine Sozialversicherungspflicht eines Musikschullehrers in einem freien Dienstverhältnis zu einer kommunalen Musikschule
Keine persönliche Abhängigkeit und Weisungsunterworfenheit im Wege einer "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess"
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der zu 1. beigeladene Musikschullehrer in seiner Tätigkeit für die Klägerin aufgrund
Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.
Die klagende Stadt ist Trägerin einer als öffentliche Bildungseinrichtung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene betriebenen
Musikschule. Deren Aufgabe ist die musikalische Grundausbildung, die Heranbildung des Nachwuchses für das Laien- und Liebhabermusizieren,
die Begabtenfindung und -förderung sowie die eventuelle Vorbereitung auf ein Berufsstudium. Die Musikschule arbeitet nach
Ziff 2 ihrer Schulordnung (SchulO) auf der Grundlage der Richtlinien des Verbandes deutscher Musikschulen eV (VdM). Die Klägerin
beschäftigte (Stand Juni 2012) 18 angestellte Musiklehrer einschließlich der Schulleitung (10,3 Vollzeitstellen) sowie zwei
angestellte Verwaltungskräfte im Schulsekretariat. Daneben beauftragte sie auf honorarvertraglicher Grundlage zehn Musikschullehrer
(70,28 Unterrichtsstunden/Woche [Stand Juli 2012]), darunter den Beigeladenen zu 1. Dieser ist ausgebildeter Diplom-Musikpädagoge
für Gitarre und Kontrabass. Seit 2008 war er auf der Basis von Honorarverträgen (HV) für die Klägerin tätig, stand daneben aber noch bei einer anderen Musikschule in einem abhängigen (Teilzeit-)Beschäftigungsverhältnis.
Für die Klägerin erteilte der Beigeladene zu 1. ab 10.1.2011 in Zeiträumen von jeweils zwischen rund drei und rund sechs Monaten
Gitarrenunterricht im Umfang von etwa 8 bis 12 Stunden pro Woche in Unterrichtsräumen der Musikschule. Als Honorar waren 23,50
Euro je Unterrichtsstunde (45 Minuten) vereinbart. Die zu unterrichtenden Schüler wurden ihm durch die Schulleitung zugewiesen,
wobei er ein Ablehnungsrecht hatte. Er griff auf eigene Instrumente mit entsprechendem Ausrüstungszubehör zurück. Der Beigeladene
zu 1. nahm auch wiederholt an Konferenzen teil, wofür er - im Gegensatz zu festangestellten Lehrkräften - eine gesonderte
Vergütung erhielt.
Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund stellte im Rahmen eines vom Beigeladenen zu 1. im April 2011 initiierten Statusfeststellungsverfahrens
gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. fest, dass letzterer in seinen Tätigkeiten für die Klägerin seit 10.1.2011
aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt (Bescheide vom 22.9.2011,
Widerspruchsbescheid vom 5.4.2012). Das SG hat die Klage der Klägerin hiergegen abgewiesen (Urteil vom 15.7.2014).
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte ihre angefochtenen Bescheide abgeändert und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1.
in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 10.1. bis zum 22.7.2011, vom 9.9. bis zum 19.12.2011, vom 9.1. bis zum
6.7.2012, vom 24.8. bis zum 20.12.2012, vom 7.1. bis zum 19.7.2013, vom 6.9. bis zum 20.12.2013, vom 8.1. bis zum 4.7.2014
und vom 20.8. bis zum 19.12.2014 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen
Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Der Beigeladene zu 1. habe Weisungen der Klägerin unterlegen: in inhaltlicher Hinsicht wegen der Pflicht zur Beachtung des
Lehrplanwerks des VdM, in örtlicher Hinsicht wegen der Nutzung der Unterrichtsräume und in zeitlicher Hinsicht, da er sich
in einem eng geschnürten Korsett befunden habe. Darüber hinaus sei der Beigeladene zu 1. auch in die für ihn fremde, einseitig
von der Klägerin vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Auf das Vertragsverhältnis zwischen Schüler und Musikschule
habe er keinen Einfluss nehmen können. In die schulische Gesamtorganisation sei er eingegliedert gewesen, weil er durch die
Mitwirkung an Konzerten zu einer positiven Außendarstellung der Musikschule beigetragen habe. Für eine selbstständige Tätigkeit
sprechende Merkmale seien nur in geringem Umfang gegeben. Auch dem Übereinkommen der Beteiligten, wonach ein Arbeitsverhältnis
auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht nicht habe begründet werden sollen, komme nur eine geringe Indizwirkung zu.
In der vorzunehmenden Gesamtabwägung würden daher die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale der Eingliederung
und Weisungsgebundenheit die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien, die lediglich in einem geringen Maß festzustellen
seien, deutlich überwiegen (Urteil vom 6.7.2016).
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung von §
7 Abs
1 SGB IV und trägt ua vor, konkrete Weisungen seien dem Beigeladenen zu 1. nie erteilt worden. Der Lehrplan begründe keine persönliche
Abhängigkeit, sondern formuliere lediglich Inhalte und Lernziele des Unterrichts. Gleiches gelte für das Lehrplanwerk des
VdM, welches nur der genauen Bestimmung der vertraglich geschuldeten Leistung diene.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Juli 2016 und des Sozialgerichts Münster vom 15. Juli 2014
sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2012, in der Fassung
vom 6. Juli 2016 aufzuheben.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Der Beigeladene zu 1. teilt die Rechtsauffassung des LSG.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Der Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG war stattzugeben. Der Bescheid der Beklagten vom 22.9.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.4.2012, in der Fassung
vom 6.7.2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht nach §
7a SGB IV festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in seinen Tätigkeiten für die Klägerin beschäftigt und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtig
war.
Zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Widerspruchsbescheids vom 5.4.2012 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt
beschäftigt waren, in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) und in der gesetzlichen
Rentenversicherung (GRV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung der Versicherungspflicht (vgl §
5 Abs
1 Nr
1 SGB V, §
20 Abs
1 S 2 Nr
1 SGB XI, §
1 S 1 Nr
1 SGB VI und §
25 Abs
1 S 1
SGB III in den jeweils geltenden Fassungen). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Beigeladene zu 1. war bei der Klägerin
nicht abhängig beschäftigt.
1. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist §
7 Abs
1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine
Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in
einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich
bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen
nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger
Tätigkeit vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw
der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände
festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar,
dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit insbesondere BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 24/10 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).
b) Fehlen zwingende gesetzliche Rahmenvorgaben und kann die im vorliegenden Fall zu prüfende Tätigkeit als Lehrer sowohl in
der Form einer Beschäftigung als auch in der einer selbstständigen Tätigkeit erbracht werden (vgl §
2 Abs
1 S 1
SGB VI; hierzu auch BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - USK 2004-25 mwN), kommt den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer/Auftragnehmer und Arbeitgeber/Auftraggeber
zwar keine allein ausschlaggebende, so doch eine gewichtige Rolle zu. Zwar haben es die Vertragsparteien nicht in der Hand,
die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärung auszuschließen.
Dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, kommt nach der Rechtsprechung
des BSG aber indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich
widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für
eine abhängige Beschäftigung sprechen (vgl BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 26 mwN).
2. Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. haben ein selbstständiges Dienstverhältnis vereinbart und dieses auch tatsächlich
praktiziert. Das "gelebte" Vertragsverhältnis entspricht dem formell vereinbarten Vertrag über ein selbstständiges Dienstverhältnis.
Tatsächliche Umstände, die bei einer Gesamtschau zwingend zu einer Beurteilung des Vertragsverhältnis als abhängige Beschäftigung,
insbesondere als Arbeitsverhältnis führen müssten, hat das LSG nicht festgestellt.
a) Gegenstand der Verträge zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1. ist "eine selbständige Tätigkeit als freier Mitarbeiter,
die sich nach den Bestimmungen des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) über den Dienst- und Werkvertrag (§§
611 f
BGB) richtet. Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der erfolgsorientierten Durchführung von Musikunterricht für
die Musikschule (...) im Unterrichtsfach Gitarre für den Zeitraum (...)".
Die Beteiligten hatten in den jeweiligen HV schriftlich festgehalten, kein Arbeitsverhältnis auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht begründen zu wollen. Anhaltspunkte
dafür, dass der Vertragsschluss und die darin übereinstimmend getroffenen Regelungen allein aufgrund eines erheblichen Ungleichgewichts
der Verhandlungspositionen oder unter Ausnutzung besonderer Umstände des Beigeladenen zu 1. (denkbar wären zB geschäftliche
Unerfahrenheit, Ausnutzung einer akuten Zwangslage bzw Notsituation) zustande gekommen sind (vgl BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 26 mwN), liegen nicht vor. Dass nach den Feststellungen des LSG maßgebliches Motiv der Klägerin
für den Einsatz von Honorarkräften Einsparmöglichkeiten auf der Ausgabenseite waren, ändert an dieser Beurteilung schon deshalb
nichts, weil sich der Einsatz von Honorarkräften nur auf künftig frei werdende Stellen bezog.
b) Zwingendes Recht steht einer Qualifizierung der Vertragsverhältnisse von Musikschullehrern als freier Dienstvertrag nicht
entgegen. Im Gegenteil nimmt die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung an, dass Lehrer an Musikschulen nur dann als Arbeitnehmer
anzusehen sind, wenn die Parteien dies vereinbart haben oder im Einzelfall festzustellende Umstände hinzutreten, aus denen
sich ergibt, dass der für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Grad der persönlichen Abhängigkeit gegeben
ist (vgl aktuell zu Musikschullehrern BAG Urteil vom 21.11.2017 - 9 AZR 117/17 - Juris; BAG Urteil vom 17.10.2017 - 9 AZR 792/16 - Juris; BAG Urteil vom 27.6.2017 - 9 AZR 851/16 - Juris; BAG Urteil vom 27.6.2017 - 9 AZR 852/16 - Juris mwN). Die im konkreten Fall zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. im Übrigen getroffenen Vereinbarungen
sowie deren tatsächliche Durchführung (vgl hierzu der zum 1.4.2017 in Kraft getretene §
611a Abs
1 S 6
BGB idF des Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 21.2.2017 [BGBl I 258]) stehen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung und -würdigung aller Umstände mit
dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien, ein freies Dienstverhältnis zu begründen, ebenfalls nicht im Widerspruch.
c) Gegenstand der Tätigkeit waren nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1. Unterrichtsleistungen
im Musikschulfach Gitarre. Nach den Feststellungen des LSG bestand zwischen den tatsächlichen Unterrichtsphasen keine Verpflichtung
des Beigeladenen zu 1. zu einer Rufbereitschaft. Auch für ein Abrufarbeitsverhältnis bestehen keine Anhaltspunkte. Ansprüche
auf bezahlten Erholungsurlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wie sie für ein Arbeitsverhältnis typisch sind, standen
dem Beigeladenen zu 1. nicht zu. Vielmehr war er verpflichtet, Rechnungen zu stellen und für seine soziale Absicherung selbst
Sorge zu tragen.
d) Konkrete arbeitskraftbezogene Weisungen wurden dem Beigeladenen zu 1. nach den Feststellungen des LSG nicht erteilt. Der
Beigeladene zu 1. war zwar verpflichtet, die Unterrichtszeiten genau einzuhalten und ausgefallene Stunden in Absprache mit
der Musikschule nachzuholen. Weitere Weisungen hinsichtlich Zeit und Ort der Durchführung der Tätigkeit gab es dagegen nur
als Rahmenvorgaben. So wurden den Lehrern bei der Festlegung der Unterrichtszeiten Rahmenzeiten und Unterrichtsräume zugewiesen.
Den Lehrkräften standen konkrete Räume innerhalb eines bestimmten Zeitfensters zur Verfügung. Innerhalb dieses Zeitfensters
konnten festangestellte Kräfte und Honorarkräfte die Verteilung der Schüler frei bestimmen bzw mit den Eltern vereinbaren.
Zwar unterrichtete der Beigeladene zu 1. für die Klägerin nur Schüler, mit denen die Klägerin zuvor ein privatrechtliches
Vertragsverhältnis begründet hatte, auf das der Beigeladene zu 1. selbst keinen Einfluss hatte. Die Schüler wurden ihm seitens
der Schulleitung "zugeteilt", jedoch hatte er das Recht, einzelne Schüler abzulehnen. Vor allem aber stand ihm - anders als
den angestellten Unterrichtskräften - die Teilnahme an Konferenzen frei. Zudem erhielt er, was im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses
ebenfalls untypisch wäre, für die 15 bis 20 Konferenzen, an denen er teilgenommen hatte, eine gesonderte Vergütung.
e) Eine Weisungsunterworfenheit des Beigeladenen zu 1. unter das Direktionsrecht der Klägerin ergibt sich auch nicht daraus,
dass die Vertragsparteien vereinbart hatten: "Grundlage für den Unterricht ist das Lehrplanwerk des Verbandes deutscher Musikschulen
(VdM). Im Übrigen ist jede Lehrkraft in der inhaltlichen und methodischen Gestaltung des Unterrichts frei." Dabei kann offenbleiben,
ob sich das fehlende Direktionsrecht bereits daraus ergibt, dass der Geltung des Lehrplanwerks in der praktischen Unterrichtsarbeit
auch aus Sicht der Schulleitung keinerlei (entscheidende) Bedeutung zukam. Jedenfalls macht der Begriff "Grundlage" den Charakter
dieser Klausel als bloße, abstrakte Beschreibung der vom Beigeladenen zu 1. zu erbringenden Leistung deutlich. Der Klausel
und dem Lehrplanwerk können keine detaillierten Unterrichtsvorgaben entnommen werden, welche die Schulleitung ggf im Wege
einer Weisung gegenüber dem Beigeladenen zu 1. hätte wirkmächtig durchsetzen können. Nach den Feststellungen des LSG formuliert
das Lehrplanwerk lediglich "strukturierte didaktische Empfehlungen", benennt "Lernfelder" und enthält "Literaturempfehlungen".
Auf dieser Basis ist nicht ersichtlich, wie die Musikschule etwa im Fall eines - wie auch immer - festgestellten Verstoßes
eines Musiklehrers - in welcher Form auch immer - gegen die Rahmenvorgaben im Lehrplanwerk des VdM konkrete Weisungen hätte
erteilen können.
Die Vorgabe gewisser "Eckpunkte" des jeweiligen "Einsatzauftrags" wie Beginn und Ende des Einsatzes und "grober" Inhalt der
Tätigkeit können weder die Annahme von Weisungsunterworfenheit noch die Eingliederung in eine fremde Betriebsordnung im Sinn
"funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess" begründen, vor allem, wenn noch Handlungsspielräume verbleiben, die
arbeitnehmeruntypisch sind (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 19; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Dies deckt sich mit aktueller arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung gerade in Bezug auf Musikschullehrer.
Danach führt eine Vertragsformulierung, in der die Vertragsparteien vereinbart haben, dass die Musikschullehrer bei der Gestaltung
und Durchführung ihres Unterrichtes frei und an Weisungen der Musikschule nicht gebunden sind und die Vertragspartner über
die dem Unterricht zugrunde zu legenden Lehrpläne (Lehrpläne des Verbandes deutscher Musikschulen oder andere Lehrpläne) Einvernehmen
herstellen, nicht zur Annahme von Weisungsrechten (vgl BAG Urteil vom 17.10.2017 - 9 AZR 792/16 - Juris RdNr 20).
f) Dass der Beigeladene zu 1. über keine eigene Betriebsstätte verfügte, ist angesichts der Natur der Tätigkeit (Musikschulunterricht)
ebenso wenig von ausschlaggebender Bedeutung wie der Umstand, dass er seine eigenen Instrumente eingesetzt hat.
3. Nach allem musste der Beigeladene zu 1. seine Dienstleistung zwar in den Räumen der Klägerin erbringen und sich zeitlich
an deren Unterrichtsplanung und -konzept orientieren; dies sind Gesichtspunkte, die isoliert betrachtet für abhängige Beschäftigung
sprechen könnten. Darüber hinaus hatte er sich in den mit der Klägerin jeweils für bestimmte Zeiträume geschlossenen Verträgen
jedoch keinem strikten einseitigen Weisungsrecht der Klägerin hinsichtlich Art, Zeit und Ort der Tätigkeit unterworfen und
hatte sich die Klägerin ein solches nicht ausbedingen wollen. Insbesondere stand ihm die Teilnahme an Konferenzen frei und
ihm wurde die Teilnahme hieran gesondert vergütet, was für selbstständige Tätigkeit spricht. Zwingende Gesichtspunkte für
oder gegen abhängige Beschäftigung sind nicht festgestellt, sodass im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände dem gemeinsam
geäußerten und auch "gelebten" Vertragswillen beachtliches Gewicht zukommt und der Beigeladene zu 1. nach allem in seinen
für die Klägerin vom 10.1.2011 bis 19.12.2014 wiederholt ausgeübten Tätigkeiten als Musikschullehrer nicht iS von §
7 Abs
1 SGB IV beschäftigt, sondern selbstständig tätig war.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG. In allen Rechtszügen war der Auffangstreitwert festzusetzen (vgl zB BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 R 11/07 R - BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2 RdNr 30; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - USK 2009-72; BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Die Beiträge Beilage 2014, 387, 400), weil Gegenstand des Rechtsstreits nicht (auch) eine Beitrags(nach)forderung war.