Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende
Keine Berücksichtigung der Auszahlung einer Kapitallebensversicherung als Einkommen
Gründe:
I
Im Streit sind die Aufhebung des den Klägern für April und Mai 2008 bewilligten Alg II und Erstattungsforderungen seitens
des beklagten Jobcenters wegen der Berücksichtigung einer kapitalbildenden Lebensversicherung als Einkommen.
Die 1958 geborene Klägerin und der 1948 geborene Kläger sind miteinander verheiratet und bezogen ab Oktober 2006 Alg II. Auf
ihren Fortzahlungsantrag vom 28.3.2008 bewilligte ihnen der Beklagte für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.9.2008 Alg II iHv insgesamt
449,40 Euro monatlich unter Berücksichtigung von Erwerbseinkommen der Klägerin (Klägerin: 216,65 Euro, Kläger: 232,75 Euro;
Bescheid vom 16.4.2008). Ab Juni 2008 bezog der Kläger eine Altersrente, weshalb der Beklagte die Alg II-Bewilligung gegenüber
der Klägerin ab Juni 2008 ganz aufhob (bestandskräftiger Bescheid vom 26.11.2008) und für den Kläger gegenüber dem Rentenversicherungsträger
einen Erstattungsanspruch geltend machte.
Nach einem Datenabgleich reichten die Kläger im Juni 2009 beim Beklagten Unterlagen zu einer Versicherung des Klägers ein.
Danach hatte der Kläger über eine Kapitallebensversicherung mit einer Versicherungssumme iHv 3267 Euro bei der Volksfürsorge
Deutsche Lebensversicherung AG (im Folgenden: Volksfürsorge) mit Versicherungsbeginn am 1.4.1991 und Ablauf zum 1.4.2008 verfügt,
die seit 1.1.1998 beitragsfrei gestellt war. Die Versicherung war zum 1.4.2008 ausgezahlt und dem Konto der Kläger am 4.4.2008
gutgeschrieben worden. Der Auszahlungsbetrag iHv 4652,80 Euro hatte sich zusammengesetzt aus der Versicherungssumme (3267
Euro), einer Überschussbeteiligung (1341 Euro) und einem Anteil an den Bewertungsreserven (44,80 Euro). Am 1.10.2006 hatte
der Rückkaufswert der Versicherung einschließlich Überschussbeteiligung 4332,30 Euro betragen: Rückkaufswert Versicherungssumme
3114,40 Euro, Überschussbeteiligung 1217,90 Euro.
Der Beklagte hörte die Kläger zu einem unrechtmäßigen Leistungsbezug im April und Mai 2008 wegen der Auszahlung dieser Versicherung
an, hob - gestützt auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X - gegenüber den Klägern die Alg II-Bewilligung für April und Mai 2008 auf und forderte von der Klägerin die Erstattung von
433,30 Euro und vom Kläger von 465,50 Euro (zwei gesonderte Bescheide vom 24.11.2009 und Widerspruchsbescheide vom 8.6.2010):
Nach Antragstellung sei Einkommen aus der Lebensversicherung einschließlich Überschussbeteiligung und Anteils an den Bewertungsreserven
erzielt worden, das zum Wegfall des Anspruchs führe. Das von den Klägern angerufene SG verpflichtete den Beklagten, seine beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide in Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide
zurückzunehmen (Urteil vom 23.10.2013). Die Berufung des Beklagten wies das LSG zurück (Urteil vom 22.7.2015): Die Lebensversicherung
einschließlich der Überschussbeteiligung und des Anteils an den Bewertungsreserven sei vor ihrer Auszahlung Vermögen gewesen
und werde nicht durch die Auszahlung zu Einkommen. Eine positive Entwicklung der Überschussbeteiligung und des Anteils an
den Bewertungsreserven stelle lediglich eine Werterhöhung des bei Erstantragstellung bereits vorhandenen Vermögens dar. Das
Vermögen der Kläger insgesamt habe unter deren Vermögensfreibetrag gelegen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, dass es sich bei während des Leistungsbezugs zugeflossenen
Überschussanteilen und Bewertungsreserven um Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II, nicht um Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB II handele. Zwar stellten die eingezahlten Beiträge zu einer Kapitallebensversicherung Vermögen dar, entgegen der Auffassung
des LSG handele es sich bei Erträgen hieraus in Form von Überschussanteilen und Bewertungsreserven aber - ebenso wie bei Zinsen
auf Kapitalvermögen - um erzielte Einnahmen und deshalb um Einkommen.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 22. Juli 2015 und des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 23.
Oktober 2013 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet (§
170 Abs
1 Satz 1
SGG). Zutreffend hat das LSG entschieden, dass die angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen rechtswidrig sind.
Die Lebensversicherung des Klägers war auch nicht nur teilweise als Einkommen zu berücksichtigen; vielmehr handelte es sich
bei ihr insgesamt um Vermögen, das die Vermögensfreibeträge unterschritt. Der Tenor des Urteils des SG, durch den der Beklagte "verpflichtet" worden ist, "seine beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 24. November 2009
in Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide vom 8. Juni 2010 zurückzunehmen", ist durch den Senat zur Klarstellung neu gefasst
worden.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind das die Berufung des Beklagten zurückweisende Urteil des LSG und das Urteil
des SG, durch das der Beklagte verpflichtet worden ist, die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 24.11.2009 in der Gestalt der
Widerspruchsbescheide vom 8.6.2010 zurückzunehmen, und damit letztlich das Begehren des Beklagten, die Klagen gegen diese
Bescheide abzuweisen.
2. Die Revision ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil die Berufung unzulässig war. Zwar überstiegen die gesonderten
Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen gegenüber den Klägern nicht jeweils den Wert von 750 Euro nach §
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG. Doch hat der Beklagte Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt, das den im Wege subjektiver Klagehäufung erhobenen Klagen stattgegeben hatte; insgesamt betrugen die Erstattungsforderungen
gegenüber den Klägern 898,80 Euro.
3. Statthafte Klageart ist vorliegend die von beiden Klägern gegen den sie betreffenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheid
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids jeweils erhobene reine Anfechtungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1
SGG).
4. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufhebungen misst sich an § 40 Abs 1 Satz 1 und 2 Nr 1 SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) iVm - anders, als vom
Beklagten zugrunde gelegt - § 45 SGB X und §
330 Abs
2 SGB III. Diese Rechtsgrundlage ist einschlägig unabhängig von der Einordnung der am 4.4.2008 ausgezahlten Lebensversicherung als
Einkommen oder Vermögen. Soweit es sich bei dieser um zu berücksichtigendes Einkommen handelt, war dieses vor Erlass des Alg
II-Bewilligungsbescheids am 16.4.2008 zugeflossen und die Bewilligung insoweit von Anfang an rechtswidrig. Soweit es sich
um zu berücksichtigendes Vermögen handelt, war dieses vor Erlass des Bewilligungsbescheids vorhanden, weshalb die Bewilligung
insoweit von Anfang an rechtswidrig war. Anderes folgt bei einer Einordnung als Einkommen auch nicht daraus, dass der Auszahlungsbetrag
dem Konto am 4.4.2008 und damit zwischen Antragstellung am 28.3.2008 und Erlass des Bewilligungsbescheids am 16.4.2008 gutgeschrieben
wurde. Denn § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X ist nur auf nach Erlass des aufzuhebenden Bescheids erzieltes Einkommen anwendbar; ist es dagegen nach Antragstellung, aber
vor Erlass des aufzuhebenden Bescheids zugeflossen, richtet sich die Aufhebung nach § 45 SGB X (vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 36 RdNr 15; BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 17; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 48 RdNr 24). Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Erstattungsforderungen misst sich an § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X.
5. In formeller Hinsicht sind die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide nicht zu beanstanden. Insbesondere sind die Kläger
jeweils vor Erlass des sie betreffenden Bescheids vom 24.11.2009 angehört worden (§ 24 Abs 1 SGB X). Auch sind diese Bescheide in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheids vom 8.6.2010 inhaltlich hinreichend bestimmt
(§ 33 Abs 1 SGB X): Soweit nach dem Verfügungssatz der Ausgangsbescheide das Alg II für April und Mai 2008 jeweils "teilweise" aufgehoben wurde,
ergibt sich aus der jeweils anschließenden Berechnung der Erstattungsforderung, dass die bewilligten Leistungen vollständig
aufgehoben wurden. Diese Differenz stellen die Widerspruchsbescheide jeweils dahin klar, dass die Erzielung von Einkommen
aus der Lebensversicherung zum "Wegfall des Anspruchs" führe.
6. Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide sind jedoch materiell rechtswidrig. Die Alg II-Bewilligung durch Bescheid vom
16.4.2008 begünstigte die Kläger im Aufhebungszeitraum nicht rechtswidrig und war deshalb nicht nach § 45 SGB X zurückzunehmen, weshalb die bereits erbrachten Leistungen nicht nach § 50 SGB X zu erstatten sind. Bei der am 4.4.2008 ausgezahlten Lebensversicherung des Klägers handelt es sich insgesamt um Vermögen,
nicht um Einkommen.
a) Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) ist nach der ständigen
Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) das, was jemand vor der
Antragstellung bereits hatte, wobei auszugehen ist vom Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses, es sei denn, rechtlich wird
ein anderer Zeitpunkt als maßgeblich bestimmt (modifizierte Zuflusstheorie; vgl letztens etwa BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 14 AS 43/14 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 11 Nr 74 RdNr 13 mwN), und abzustellen ist auf die erste Antragstellung des laufenden Leistungsfalls
(vgl BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R - juris RdNr 22; BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 10/14 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 11 Nr 70 RdNr 29; BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 14 AS 43/14 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 11 Nr 74 RdNr 14; zum Leistungsfall als ununterbrochene Dauer eines Leistungsbezugs ab einer Leistungsbewilligung vgl BSG Urteil vom 9.4.2014 - B 14 AS 23/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 75 RdNr 18 ff).
Ausgehend hiervon handelt es sich bei der kapitalbildenden Lebensversicherung des Klägers insgesamt im Aufhebungszeitraum
um Vermögen. Denn bereits vor der ersten Antragstellung für den Leistungsfall ab Oktober 2006 verfügte der Kläger über die
am 1.4.1991 begonnene, seit 1.1.1998 beitragsfreie und zum 1.4.2008 ablaufende Lebensversicherung bei der Volksfürsorge mit
einer Versicherungssumme von 3267 Euro im Ablaufzeitpunkt. Nichts anderes gilt für die Überschussbeteiligung und den Anteil
an den Bewertungsreserven (im Folgenden: Überschussbeteiligung; § 153 Abs 1 Versicherungsvertragsgesetz [VVG] legaldefiniert "Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven" als "Überschussbeteiligung"). Denn die
Überschussbeteiligung ist Bestandteil des einheitlichen Kapitallebensversicherungsvertrags (zur gesetzlichen Konzeption des
einheitlichen Lebensversicherungsvertrags vgl BGH Urteil vom 12.10.2005 - IV ZR 162/03 - BGHZ 164, 297 RdNr 22). Sie floss dem Kläger nicht gesondert als Einkommen zu, sondern stand ihm als Versicherungsnehmer vor der ersten
Alg II-Antragstellung aufgrund seines Versicherungsverhältnisses mit der Volksfürsorge im Rahmen eines einheitlichen Anspruchs
und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben in § 153 VVG bereits dem Grunde nach zu, ohne ihrer Höhe nach für den Ablaufzeitpunkt der Lebensversicherung garantiert zu sein.
§ 153 VVG iVm dem Lebensversicherungsvertrag und dessen Bedingungen beinhaltet weder einen individuellen und gesonderten Zahlungsanspruch
auf einen Überschuss noch einen Anspruch auf eine individuell bestimmte Überschussbeteiligung, sondern grundsätzlich nur einen
gesetzlichen Anspruch auf eine Überschussbeteiligung dem Grunde nach. Durch diese sollen die Versicherungsnehmer an den durch
ihre Prämienzahlungen mit geschaffenen Vermögenswerten angemessen beteiligt werden. Grundlage für die Beteiligung ist der
Überschuss, der sich aus der handelsrechtlichen Bilanzierung durch den Versicherer unter Beachtung der erforderlichen Eigenkapitalausstattung
ergibt. Nur soweit auf dieser, einer aufsichtsrechtlichen Prüfung unterliegenden Grundlage verteilungsfähige Beträge verfügbar
sind, findet eine Überschussbeteiligung der Versicherungsnehmer statt. Sie ist bezogen auf den Erfolg des Versicherers und
damit variabel. Die Versicherungsnehmer werden durch die Überschussbeteiligung über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg an
einem unternehmerischen Erfolg des Versicherers insbesondere bei der Kapitalanlage in gesellschaftsähnlicher Weise beteiligt
(zum Anspruch des Versicherungsnehmers einer Lebensversicherung auf Überschussbeteiligung im Rahmen eines partiarischen Rechtsverhältnisses
vgl näher Brambach in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 3. Aufl 2015, § 153 RdNr 5, 18, 44; Heiss in MüKo-VVG, 2011, § 153 RdNr 1, 16 ff; Winter in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl 2013, § 153 RdNr 5 ff, 131 ff, 152 ff).
Diese gesetzliche Konzeption der Überschussbeteiligung als Bestandteil des einheitlichen Lebensversicherungsvertrags fand
ihre Ausprägung zuletzt durch die Reform des Versicherungsvertragsrechts (Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts
vom 23.11.2007, BGBl I 2631). Mit dieser hat sich der Gesetzgeber erneut gegen eine Trennung von Versicherungsschutz und Sparvorgang
bei der kapitalbildenden Lebensversicherung entschieden (BT-Drucks 17/3945, S 51). Zudem hat er die Überschussbeteiligung
eingehender geregelt. Danach gründet diese auf der Vorgabe des Versicherungsaufsichtsrechts, dass der Versicherer bei Lebensversicherungen
wegen ihrer langen Vertragsdauer die versprochene Versicherungssumme und die vereinbarte Prämie vorsichtig zu kalkulieren
hat; er verlangt eine deutlich höhere Prämie, als er bei einer Nachkalkulation am Ende der Vertragslaufzeit verlangen würde.
Um verfassungsrechtlich unakzeptable Nachteile der Versicherungsnehmer hieraus zu vermeiden (zu den verfassungsrechtlichen
Vorgaben für den Gesetzgeber vgl BVerfG Urteil vom 26.7.2005 - 1 BvR 80/95 - BVerfGE 114, 73; BVerfG Beschluss vom 15.2.2006 - 1 BvR 1317/96 - BVerfGK 7, 283), sind sie an den durch die vorsichtige Prämienkalkulation mit geschaffenen Vermögenswerten der Versicherer
angemessen zu beteiligen. Dies erfolgt nicht individuell, sondern für die Gesamtheit der Versicherten unter Beachtung des
für das Versicherungsrecht typischen Grundgedankens der Risikogemeinschaft. Der Gesamtbetrag der Überschussbeteiligung soll
auf die einzelnen Versicherungsnehmer nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik in einem verursachungsorientierten
Verfahren verteilt werden (BT-Drucks 16/3945, S 51 ff, 95 ff). Die Überschussbeteiligung wird nicht jährlich während der Vertragslaufzeit
gesondert ausgezahlt. Sie wird während dieser Zeit den Versicherungsnehmern wiederkehrend zugeteilt, angesammelt und zusammen
mit der Versicherungssumme ausgezahlt, entweder bei Vertragsablauf oder zusammen mit dem Rückkaufswert bei vorzeitiger Kündigung
der Versicherung (BT-Drucks 16/3945, S 104 f).
Nach diesen Vorgaben des Versicherungsvertragsrechts ist die Überschussbeteiligung zwar auch ein Ertragsprodukt, sie ist indes
so ausgestaltet, dass sie weder individuell noch zeitabschnittweise dem Versicherungsnehmer zu leisten ist, sondern auf die
Gesamtheit der Versicherungsnehmer und die Laufzeit der Versicherung bezogen ist. Diese Vorgaben schließen es aus, die Bestandteile
des einheitlichen Lebensversicherungsvertrags voneinander zu lösen und einer gesonderten grundsicherungsrechtlichen Einordnung
als Einkommen oder Vermögen zu unterziehen (ebenso - ausgezahlte Überschussbeteiligung einer vor Antragstellung vorhandenen
Kapitallebensversicherung ist Vermögen, nicht Einkommen - neben dem angefochtenen Urteil auch: Thüringer LSG Urteil vom 13.11.2014
- L 9 AS 678/12 - juris; Sächsisches LSG Urteil vom 18.2.2015 - L 8 AS 1229/12 - juris).
b) Die qualitative Einordnung der im maßgeblichen Zeitpunkt vor seiner ersten Antragstellung vom Kläger bereits erworbenen
Lebensversicherung insgesamt als Vermögen ist zu unterscheiden von der quantitativen Bewertung der Höhe dieses Vermögens.
Nach § 12 Abs 4 SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) ist das Vermögen mit
seinem Verkehrswert zu berücksichtigen (Satz 1); für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung
oder erneute Bewilligung von SGB II-Leistungen gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs (Satz 2); wesentliche Änderungen des
Verkehrswertes sind zu berücksichtigen (Satz 3). Diese Bestimmung des Verkehrswertes von zu berücksichtigendem Vermögen schließt
an die zuvor getroffene Abgrenzung von Einkommen und Vermögen an, ohne diese zu ändern oder zu ersetzen.
Bei Lebensversicherungen ist ihr jeweils gegenwärtiger Verkehrswert im Verlauf der Zeit nach der Antragstellung der jeweilige
Rückkaufswert der Versicherung zuzüglich der Überschussbeteiligung und ggf abzüglich von Verwertungskosten (vgl BSG Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 10/13 R - BSGE 115, 148 = SozR 4-4200 § 12 Nr 23, RdNr 36 ff, 49 mwN). Insoweit kann der Verkehrswert von Lebensversicherungen Veränderungen unterliegen
und es unterlag auch der Verkehrswert der streitigen Lebensversicherung des Klägers Veränderungen. Dieser hing sowohl hinsichtlich
der Versicherungssumme als auch der Überschussbeteiligung davon ab, ob und ggf wann die Versicherung bereits vor ihrem Ablaufzeitpunkt
aufgrund einer möglichen vorzeitigen Kündigung nur mit ihrem aktuellen Rückkaufswert (§ 169 VVG) zuzüglich Überschussbeteiligung (§ 153 VVG) berücksichtigt wird oder ob es zur Auszahlung der Versicherung erst mit ihrem Ablauf kommt und der Auszahlungsbetrag den
Verkehrswert bestimmt. In diesem grundsicherungsrechtlichen Zusammenhang fließt die Überschussbeteiligung in die Bestimmung
ein, in welcher Höhe eine vor der Alg II-Antragstellung erworbene Lebensversicherung mit ihrem Verkehrswert als Vermögen zu
berücksichtigen ist.
Dass der Verkehrswert der seit 1.1.1998 beitragsfreien Lebensversicherung des Klägers insgesamt nach der hier maßgeblichen
Alg II-Antragstellung Veränderungen im Verlauf der Zeit unterlag und im Auszahlungszeitpunkt am 4.4.2008 mangels vorzeitiger
Kündigung sowohl hinsichtlich der Versicherungssumme als auch der Überschussbeteiligung höher war, als wenn bei Antragstellung
oder zu einem anderen Zeitpunkt vor Vertragsablauf die Lebensversicherung gekündigt und ausgezahlt worden wäre, begründet
indes kein wertmäßiges Dazuerhalten nach Antragstellung iS der obigen Definition der modifizierten Zuflusstheorie, sondern
kennzeichnet die versicherungskalkulatorischen Wertveränderungen aller Bestandteile der einheitlichen Lebensversicherung im
Verlauf der Zeit (zu den Grundlagen der Ermittlung des Rückkaufswertes vgl Winter in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl 2013, § 169 RdNr 5, 68 ff; zu den Grundlagen der Ermittlung der Überschussbeteiligung vgl Winter aaO, § 153 RdNr 8 f, 59 ff). Diese Wertveränderungen
ändern nichts daran, dass bei der grundsicherungsrechtlichen Abgrenzung von Einkommen und Vermögen eine vor der Antragstellung
bereits vorhandene Lebensversicherung mit ihrem jeweiligen Verkehrswert Vermögen ist.
c) Dem steht die Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung von Zinsen auf Kapitalvermögen nach Antragstellung als wertmäßigen Zuwachs des Kapitals und deshalb
als Einkommen nicht entgegen (grundlegend BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 16 RdNr 17 ff; vgl auch BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 103/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 56 RdNr 19 ff - Zinseinkünfte aus Schmerzensgeld; BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 14 AS 43/14 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 11 Nr 74 RdNr 14 - Zinsgutschrift auf Bausparkonto). Denn die Kapitalverzinsung ist grundsicherungsrechtlich
von der Überschussbeteiligung einer Kapitallebensversicherung zu unterscheiden. Während das Kapitalvermögen nur in seiner
betragsmäßigen Höhe im Zeitpunkt der Antragstellung Vermögen ist und spätere Zinsen auf das Vermögen einen realen wertmäßigen
Zuwachs in Geld nach Antragstellung bewirken, sind Kapitallebensversicherungen in Höhe ihres versicherungskalkulatorischen
Rückkaufswerts (§ 169 VVG) zuzüglich Überschussbeteiligung (§ 153 VVG) im Antragszeitpunkt Vermögen und bewirken Steigerungen dieser Werte aufgrund versicherungs- und handelsrechtlicher Vorgaben
keinen realen wertmäßigen Zuwachs in Geld nach Antragstellung, sondern drücken den variablen Wert der gesamten einheitlichen
Lebensversicherung im Verlauf der Zeit aus.
Auch außerhalb des Grundsicherungsrechts weisen die Überschussbeteiligung einer Lebensversicherung und die Zinsen auf Kapitalvermögen
Unterschiede auf, an die das SGB II anknüpfen kann (zur Unterscheidung von Lebensversicherungsprodukten und Bankprodukten vgl Brambach in Rüffer/Halbach/Schimikowski,
VVG, 3. Aufl 2015, § 153 RdNr 6). Anders als typischerweise Zinsen, die als gewinn- und umsatzunabhängige, laufzeitabhängige Vergütung für die Einräumung
der Möglichkeit einer Kapitalnutzung gesondert zu zahlen sind und sich entsprechend vom Kapitalvermögen gesondert auszahlen
lassen (vgl § 246, § 367 Abs 1, §
396 Abs
2, §
488 Abs
1 Satz 2 und Abs
2, §
1194 BGB; zum gesetzlich nicht einheitlich definierten Zinsbegriff vgl Grundmann in MüKo-
BGB, 7. Aufl 2016, §
246 RdNr 3 ff; S. Schaub in Erman,
BGB, 14. Aufl 2014, §
246 RdNr 3; Toussaint in jurisPK-
BGB, 7. Aufl 2014, §
246 RdNr 11), lässt sich die erfolgsabhängige Überschussbeteiligung einer rechtlich einheitlichen Kapitallebensversicherung typischerweise
nicht gesondert zur Auszahlung bringen. Entsprechend kann der Zinsanspruch typischerweise trotz seiner materiellen Akzessorietät
zur Hauptschuld formell selbständig abgetreten, gepfändet oder verpfändet sowie eingeklagt werden (Grothe in BeckOK-
BGB, §
246 RdNr 5, Stand 1.5.2016; S. Schaub in Erman,
BGB, 14. Aufl 2014, §
246 RdNr 9; Toussaint in jurisPK-
BGB, 7. Aufl 2014, §
246 RdNr 26, 28), während eine Aufspaltung des kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrags in mehrere Verträge, etwa einen Lebensversicherungs-
und einen Überschussbeteiligungsvertrag, grundsätzlich nicht möglich ist (Winter in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl 2013, § 153 RdNr 7, 158). Bei einem Darlehen bestehen dagegen zwei verschiedene Hauptpflichten des Darlehensnehmers, nämlich auf Rückzahlung des
Darlehensbetrags und auf Zahlung der geschuldeten Zinsen (§
488 Abs
1 Satz 2
BGB), denen auch verschiedene Gläubiger gegenüberstehen können. Einem solchen Regelungsmodell folgt der einheitliche Lebensversicherungsvertrag
mit seinem einheitlichen Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer nicht.
Eine andere, hier beachtliche Wertung lässt sich nicht dem Einkommensteuerrecht entnehmen. Nach §
20 Abs
1 Nr
6 EStG unterliegen seit 1.1.2005 aufgrund des Alterseinkünftegesetzes vom 5.7.2004 (BGBl I 1427) im Interesse der Steuergerechtigkeit
und Vereinfachung grundsätzlich auch Einkünfte aus kapitalbildenden Lebensversicherungen der Steuerpflicht und zwar grundsätzlich
mit dem Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Versicherungsbeiträge
im Erlebensfall oder bei Rückkauf des Vertrags (vgl näher von Beckerath in Kirchhof,
EStG, 15. Aufl 2016, §
20 RdNr 98, 100, 102). Dieser eine Vielzahl weiterer Differenzierungen aufweisende steuerliche Zugriff auf Erträge unterscheidet
sich nach seiner Zweckrichtung und Ausgestaltung schon im Ansatz von der grundsicherungsrechtlichen Abgrenzung von zur Bedarfsdeckung
zu berücksichtigendem Einkommen und Vermögen sowie der grundsicherungsrechtlichen Bewertung des Verkehrswertes von Vermögen.
Er zeigt aber auch, dass es im Einkommensteuerrecht einer spezifischen und ausdifferenzierten gesetzlichen Regelung zur Bestimmung
des Ertrags bedurfte, um Einkünfte aus Kapitallebensversicherungen besteuern zu können; was deren Ertrag ist, liegt bei der
einheitlichen Lebensversicherung nicht auf der Hand. Eine vergleichbare Regelung kennt das SGB II nicht.
d) Die insgesamt als Vermögen einzuordnende Lebensversicherung ist schließlich auch nicht durch ihre Auszahlung nach Vertragsablauf
und Gutschrift auf dem Konto am 4.4.2008 zu Einkommen des Klägers geworden. Denn dieser tatsächliche Zufluss brachte mit der
einheitlichen Lebensversicherung nur zur Auszahlung, was rechtlich einheitlich zum Vermögen des Klägers bereits vor Antragstellung
gehört hatte und als Vermögen mit seinem jeweiligen Verkehrswert nach Antragstellung zu berücksichtigen war (vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 16 RdNr 17; BSG Urteil vom 21.6.2011 - B 4 AS 22/10 R - juris RdNr 23; Mecke in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 12 RdNr 22).
7. Die als verwertbares Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB II im Aufhebungszeitraum April und Mai 2008 in Höhe des Auszahlungsbetrags grundsätzlich zu berücksichtigende Lebensversicherung
des Klägers ist vorliegend nicht als leistungsschädlich zu berücksichtigen, weil sie die Vermögensfreibetragsgrenze unterschritt.
Nach § 12 Abs 2 SGB II (idF des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.4.2007, BGBl I 554) sind vom Vermögen Freibeträge abzusetzen. Der Grundfreibetrag
nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 1, Satz 2 Nr 1 SGB II betrug im April 2008 allein für den Kläger 8850 Euro (59 Jahre x 150 Euro) und zuzüglich seines Freibetrags für notwendige
Anschaffungen iHv 750 Euro nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II 9600 Euro und lag damit weit oberhalb der am 4.4.2008 iHv 4652,80 Euro ausgezahlten Lebensversicherung, die zu diesem Zeitpunkt
ihren höchsten Wert hatte. Hinzu kamen, weil bei Partnern in der Bedarfsgemeinschaft diese Freibeträge addiert werden (vgl
BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 22; Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 12 RdNr 20, 35; Mecke in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 12 RdNr 57, 74), der Grundfreibetrag für die Klägerin nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 1, Satz 2 Nr 2 SGB II iHv 7500 Euro (50 x 150) und ihr Anschaffungsfreibetrag nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II iHv 750 Euro, insgesamt 8250 Euro; zusammen lag die Vermögensfreibetragsgrenze der Kläger im April 2008 bei 17 850 Euro.
Tatsächliche Feststellungen zu anderem zu berücksichtigenden Vermögen der Kläger, das allein oder zusammen mit der streitigen
Lebensversicherung die angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen tragen könnte, hat das LSG nicht getroffen.
Im Übrigen ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen, dass die Alg II-Bewilligung durch Bescheid vom 16.4.2008 in
den Monaten April und Mai 2008 aus anderen Gründen rechtswidrig gewesen sein könnte und deshalb nach § 45 SGB X zurückzunehmen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 SGG.