Antrag auf Versorgung mit Hörgeräten; Zuständigkeit des erstangegangenen Sozialleistungsträgers; Antragstellung durch Übergabe
einer vertragsärztlichen Hörgeräteversorgung seitens des Versicherten an den Hörgeräteakustiker; Kontrolle der Auslegung schlüssiger
Willenserklärungen
Gründe:
I
Streitig ist die Übernahme von Kosten für eine beidseitige Hörgeräteversorgung der Klägerin.
Die 1954 geborene Klägerin ist seit ihrer Kindheit schwerhörig und war ab den frühen 1980er Jahren als Arbeiterin am Fließband
und in einem Reparaturbetrieb bei der T. tätig. Aufgrund ihrer Qualifikation nahm die Klägerin einige Zeit später eine Tätigkeit
im Bereich der Finanzbuchhaltung für die T. auf, die sie auch noch im Jahre 2004 ausübte. Zu ihren Aufgaben zählte damals
das Anlegen und Pflegen von Stammdaten für ein Telekommunikationsunternehmen. Diese Aufgaben wurden zentral in der Niederlassung
in S. ausgeführt. Zum Tätigkeitsbereich der Klägerin gehörte die zentrale Stammdatenpflege in SAP R/3 mit Schwerpunkt Kreditorenstammdaten,
die Neuanlage von Stammdaten, das Pflegen vorhandener Stammdaten, das Überwachen von Dubletten, das Sperren und Löschen von
Stammdaten etc; die telefonische Beratung bezüglich der Kreditorenstammdaten konnte die Klägerin aufgrund ihrer eingeschränkten
Hörfähigkeit nicht wahrnehmen. Zusätzliche Aufgaben der Klägerin waren ua die Einarbeitung/Ausbildung von Auszubildenden im
Rahmen eines Praktikums bzw die Teilnahme und Umsetzung von Teambesprechungen (mit bis zu 30 Mitarbeitern), Arbeitsunterweisungen
(für bis zu 20 Mitarbeiter), Netz- und Telefonkonferenzen (vgl die Arbeitsplatzbeschreibung durch den Arbeitgeber vom 4.10.2005).
Die Versorgungsverwaltung erkannte der Klägerin erstmals 1985 einen Grad der Behinderung (GdB) zu. Seit Dezember 2000 sind
bei der Klägerin ein GdB von 100 und die Merkzeichen RF und Gl anerkannt. In den Jahren 1990/1991 fand die erste Hörgeräteversorgung
am linken Ohr der Klägerin statt. Ab 1996 befindet sich die Klägerin bei ihrem derzeitigen HNO-Arzt Dr. A. in S. in Behandlung.
Eine beidseitige Hörgeräteversorgung der Klägerin erfolgte 1998.
Dr. A. verordnete der Klägerin unter dem 8.11.2004 auf einem entsprechenden Vordruck neue Hörhilfen und nannte dazu als Diagnose
"Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits". Mit dieser Hörgeräteverordnung wandte sich die Klägerin an das Hörgeräteakustikunternehmen
R. Hörgeräte GmbH in S. Die Firma R. erstellte unter dem 9.11.2004 einen Kostenvoranschlag für eine beidseitige Hörgeräteversorgung
der Klägerin mit dem Gerät Senso Diva SD-19 in Höhe von 3445,84 € (Gesamtpreis in Höhe von 4438,25 € abzüglich Festbetrag
der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV] in Höhe von 992,41 €). Unter Verwendung des betreffenden Antragsformulars der beklagten
Deutschen Rentenversicherung Bund und unter Beifügung des Kostenvoranschlags sowie der Hörgeräteverordnung vom 8.11.2004 beantragte
die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten von behinderungsbedingten Zusatzausstattungen, dh die Übernahme der
Kosten des Hörgeräts. Die Klägerin gab ua an, dass sie für die behinderungsbedingten Zusatzausstattungen bislang bei keiner
anderen Stelle einen Antrag gestellt habe. Der Antrag ging bei der Beklagten am 11.11.2004 ein.
Mit Bescheid vom 29.11.2004 lehnte die Beklagte der Klägerin gegenüber den Antrag auf Hörhilfeversorgung ab. Zur Begründung
führte sie ua aus, dass kein berufsspezifischer Mehrbedarf, der über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu Lasten der
Beklagten abzudecken sei, bestehe. In ständiger Rechtsprechung habe das BSG entschieden, dass die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit zu den elementaren Grundbedürfnissen des Menschen gehöre und daher
die GKV die für die Berufsausübung erforderlichen Hilfsmittel als medizinischen Ausgleich einer Behinderung zur Verfügung
zu stellen habe. Entscheidend sei hierbei, dass der Hilfsmittelbedarf für jedwede Form der Berufsausübung bestehe. Eine Leistungspflicht
durch den Rentenversicherer bestehe nicht.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 13.12.2004 Widerspruch ein und führte zur Begründung ua aus, dass sie gerade bei
ihrer Tätigkeit eine schnelle Auffassungsgabe benötige und daher nicht mehrmals nachfragen könne, was sie zu erledigen habe.
Dazu gebe es viele unterschiedliche Geräusche in ihrem Büro (Telefone, Computer und Drucker), die zu erheblichen Belastungen
führten. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Kommunikation in der Lehrlingsausbildung an ihrem Arbeitsplatz. Diese Voraussetzungen
seien jedoch nicht bei jeder beruflichen Tätigkeit gegeben. Sie bedürfe der Hörhilfe speziell für ihren Arbeitsplatz, weil
die Anforderungen und der Druck immer stärker würden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1.3.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung ua aus,
dass Hilfsmittel, die auf den unmittelbaren Ausgleich einer körperlichen Behinderung selbst gerichtet seien, zum Leistungskatalog
der GKV gehörten (§
27 Abs
1 Nr
3 SGB V). Die Übernahme von Kosten für Hilfsmittel in Form eines Hörgeräts als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben komme nur dann
in Betracht, wenn das Hilfsmittel zum Ausgleich der Behinderung ausschließlich für einen bestimmten Arbeitsplatz bzw für eine
spezielle Form einer Berufsausbildung bzw Berufsausübung benötigt werde. Die medizinischen Feststellungen hätten ergeben,
dass die Klägerin auf speziell angepasste Hörgeräte angewiesen sei, jedoch seien diese zum Ausgleich der Behinderung nicht
ausschließlich bei der Ausübung eines bestimmten Berufs erforderlich. Ebenso bestehe der Hilfsmittelbedarf für jedwede Form
der Berufsausübung. Bei der speziell ausgeübten Tätigkeit als Angestellte bei einem Telekommunikationsunternehmen lägen keine
speziellen beruflichen Anforderungen an das Hörvermögen vor, die eine Hörgeräteversorgung über die durch die GKV zu leistende
medizinische Grundversorgung erforderten.
Die Firma R. stellte unter dem 16.3.2005 gegenüber der Klägerin eine Rechnung über zwei Hörgeräte nebst Zubehör vom Typ Senso
Diva SD-19 mit Poti aus; die Firma R. bezifferte darin den Gesamtpreis mit 4333,25 €, brachte hiervon unter Berücksichtigung
der gesetzlichen Zuzahlung in Höhe von 20,00 € einen Festbetrag der GKV in Höhe von 972,41 € in Abzug und machte der Klägerin
gegenüber noch einen Betrag in Höhe von 3360,84 € geltend. Laut Angabe der beigeladenen Krankenkasse wurde die Hörgeräteverordnung
nebst Kostenvoranschlag am 31.3.2005 bei ihr eingereicht; die Beigeladene entrichtete in der Folgezeit den Festbetrag in Höhe
von 972,41 € an die Firma R.
Das SG Mainz hat die für die Klägerin zuständige Krankenkasse zum Verfahren beigeladen, ein hals-nasen-ohrenärztliches Sachverständigengutachten
des Dr. S. sowie eine schriftliche Stellungnahme des Mitarbeiters A. D. der Firma R. eingeholt.
Mit Urteil vom 17.5.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Erstattung der Kosten bei einer selbstbeschafften Leistung nach §
15 Abs
1 SGB IX lägen nicht vor. Die Beklagte habe als erstangegangener Rehabilitationsträger den Anspruch der Klägerin unter allen rechtlich
in Betracht kommenden Möglichkeiten prüfen müssen. Die Klägerin habe jedoch keinen Anspruch auf Ausstattung mit den gewünschten
und schließlich auch angeschafften digitalen Hörgeräten, die über die Festbetragsversorgung hinausgingen. Es sei bei Beachtung
des Sachverständigengutachtens des Dr. S. vom 6.1.2006 davon auszugehen, dass die Klägerin zwar wegen der Art und Schwere
der Hörbehinderung in Bezug auf die konkreten Bedingungen und Anforderungen ihres Arbeitsplatzes auf eine Versorgung mit digitalen
Hörgeräten mit Spezialausstattung angewiesen sei. Vorliegend lasse sich jedoch nicht feststellen, dass ein zum Festbetrag
erhältliches Hörgerät die Anforderungen im Fall der Klägerin, auch unter Berücksichtigung des speziellen Arbeitsplatzes, nicht
erfüllt hätte. Zwar sei das Gerät, für das sich die Klägerin entschieden habe, subjektiv besser gewesen und habe auch objektiv
ein - wenn auch nur geringfügig - besseres Hörvermögen erbracht. Die Unterschiede zwischen den getesteten Geräten seien jedoch
so geringfügig, dass eine Versorgung mit dem Festbetragsgerät auch unter Berücksichtigung der Anforderungen am Arbeitsplatz
der Klägerin zumutbar und ausreichend gewesen wäre.
Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG Rheinland-Pfalz nach Einvernahme der Zeugen B. und L. (Firma R.) mit Urteil vom
23.10.2013 das Urteil des SG vom 17.5.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.3.2005 aufgehoben
und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3360,84 € zur Beschaffung der Hörgeräte vom Typ Senso
Diva SD-19 nebst Zubehör zu zahlen. Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus §
15 Abs
1 S 4
SGB IX, wonach eine Erstattungspflicht dann bestehe, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig
erbringen könne oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Der bei der Beklagten am 11.11.2004 eingegangene Leistungsantrag
der Klägerin sei mit Blick auf die Zuständigkeitsregelung des §
14 SGB IX als rehabilitationsrechtlicher Erstantrag zu werten. Es lägen keine Hinweise dafür vor, dass vor der Beklagten noch die beigeladene
Krankenkasse mit dem Begehren der Klägerin befasst worden wäre. Die Beigeladene sei erst nach dem 16.3.2005, als die Firma
R. den sich aus der Rechnung vom 16.3.2005 ergebenden Festbetrag habe einziehen wollen, mit der Angelegenheit befasst worden.
Die Übergabe der Hörgeräteverordnung durch die Klägerin an die Firma R. am 8.11.2004 sei nicht als Antrag gegenüber der Beigeladenen
zu werten. Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung am 25.1.2011 angegeben, dass sie auf Anraten des Mitarbeiters der
Firma R. den Rehabilitationsantrag gerade bei der Beklagten gestellt habe. Auch in Anbetracht der Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 20) sei - entgegen der Auffassung der Beklagten - aufgrund der konkreten Gegebenheiten nicht
schon in der Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung durch die Klägerin an die Firma R. ein Leistungsantrag bei
der beigeladenen Krankenkasse zu sehen. Vielmehr habe sich die Klägerin hier bewusst für eine Antragstellung bei der Beklagten
entschieden. Sowohl die zum Zeitpunkt der Übergabe der Hörgeräteverordnung an die Firma R. zwischen der Beigeladenen und den
Hörgeräteakustikunternehmen geltenden vertragsrechtlichen Bestimmungen des Rahmenvertrages vom 23.3.1993 (RV) als auch die
zum Abschluss der Versorgung ab dem 1.2.2005 geltenden Bestimmungen der Versorgungsvereinbarung (VersV) sprächen nicht für
eine quasi automatische Antragstellung bei der Krankenkasse im Moment der Übergabe der ärztlichen Hörgeräteverordnung an den
Hörgeräteakustiker. § 8 RV iVm Ziff 1 S 1 der Anlage 5 (Abrechnungsverfahren) zum RV sehe vor, dass Rechnungen über abgeschlossene
Versorgungen und sonstige Leistungen bis zum 15. des Folgemonats maschinenlesbar bei der zuständigen Krankenkasse in zweifacher
Ausfertigung einzureichen seien. Ziff 1 S 4 aaO bestimme, dass die "vollständig ausgefüllten kassenärztlichen Verordnungen
und ggf. die genehmigten Kostenvoranschläge ... beizufügen" seien. Das nach diesen Bestimmungen einzuhaltende Verfahren zeige,
dass erst dann eine Befassung der Krankenkasse mit der Angelegenheit stattfinde, wenn die Versorgung praktisch schon erfolgt
sei und nur noch die Abrechnung ausstehe. In gleicher Weise gestalteten sich auch die Rechtsbeziehungen der für die Zeit ab
dem 1.2.2005 geltenden VersV. Gemäß § 5 Abs 1 S 2 VersV sei bei einer Folgeversorgung - wie hier - die ohrenärztliche Verordnung
für die Krankenkasse ohne Bedeutung, denn die Krankenkasse verzichte auf die Vorlage einer neuen vertragsärztlichen Verordnung.
Insoweit werde die ohrenärztliche Verordnung bei einer Folgeversorgung nur im Verhältnis zwischen dem Patienten bzw Kunden
und dem Hörgeräteakustiker relevant. Deshalb könne in der Vorlage einer kassenärztlichen Verordnung zur Folgeversorgung auch
kein Antrag an die Krankenkasse gesehen werden. Der Hörgeräteakustiker trete sowohl bei einer Erst- als auch bei einer Folgeverordnung
erst vor Beginn der Versorgung mit der Krankenkasse in Kontakt (§ 5 Abs 2 VersV) und stelle eine Versorgungsanzeige; der Beginn
der Versorgung sei aber erst der Zeitpunkt, an dem die Anpassung gemäß § 5 Abs 3 VersV abgeschlossen sei (§ 3 Abs 8 S 1 VersV).
Folglich werde auch nach den Regeln der VersV die zuständige Krankenkasse erst gegen Ende des Anpassungsverfahrens erstmals
mit der Angelegenheit befasst. Schließlich ergäben sich aus den gemäß § 7 Abs 1 VersV für die Abrechnungen zwischen den beteiligten
Krankenkassen und den Hörgeräteakustikern maßgebenden Vorschriften des §
302 SGB V keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der hier unstreitig erfolgten Übergabe der ohrenärztlichen Hörgeräteverordnung durch
die Klägerin ein Antrag auf Versorgung bei der Beigeladenen gestellt worden sein könnte. Erst wenn die Krankenkasse konkret
um die Gewährung einer Leistung angegangen werde, zB hier durch eine Versorgungsanzeige, könne eine Antragstellung iS von
§
16 Abs
1 SGB I angenommen werden. Schließlich würde die Auffassung der Beklagten, dass mit der Übergabe des Hörgeräterezepts an den Hörgeräteakustiker
gleichzeitig ein Antrag iS von §
19 S 1
SGB IV an eine Krankenkasse gestellt worden wäre, jedenfalls vorliegend dazu führen, dass eine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers
von vornherein ausgeschlossen wäre, da die Übergabe der Hörgeräteverordnung zwangsläufig Grundlage für das Tätigwerden des
Hörgeräteakustikers sei. Dass aber ein genereller Ausschluss der Zuständigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung von der
Hörgeräteversorgung im Teilhabefall nicht gesetzlich gewollt sein kann, ergebe sich bereits aus den Vorschriften der §§
9 f
SGB VI, die die Teilhabe Versicherter am Arbeitsleben regeln.
Vorliegend sei auch die weitere Voraussetzung des §
15 Abs
1 S 4
SGB IX, dass durch den verpflichteten Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt worden sei, erfüllt. Die ablehnende
Entscheidung der Beklagten sei rechtswidrig gewesen, weil sie den Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
nach den §§
9,
15 SGB VI iVm §
26 Abs
2 Nr
6 und §
31 Abs
1 Nr
3 SGB IX unberücksichtigt gelassen habe. Dass die Klägerin auf eine gute Kommunikationsfähigkeit im Rahmen ihrer Tätigkeit bei einem
Telekommunikationsunternehmen angewiesen gewesen sei, ergebe sich nicht nur aus dem Vortrag der Klägerin, sondern auch aus
der Arbeitsplatzbeschreibung ihres Arbeitgebers vom 4.10.2005. Die Klägerin sei demnach überwiegend mit EDV-Tätigkeiten, daneben
auch mit der Einarbeitung und Ausbildung von Auszubildenden im Rahmen eines Praktikumseinsatzes bzw der Einarbeitung von Aushilfskräften
befasst gewesen und habe darüber hinaus an Teambesprechungen mit bis zu 30 Mitarbeitern teilgenommen und Arbeitsanweisungen
an bis zu 20 Mitarbeiter weitergeleitet. Dass die Klägerin an ihrem Arbeitsplatz auf eine möglichst hochwertige Hörgeräteversorgung
angewiesen sei, habe auch der Sachverständige Dr. S. in seinem Gerichtsgutachten vom 6.11.2006 zur Überzeugung des Senats
nachvollziehbar dargelegt. Demnach könne die Klägerin ausschließlich mit Hörgeräten in digitaler Mehrkanaltechnik und unter
Verwendung spezieller Spracherkennungsprogramme sowie einem Störgeräuschunterdrückungsprogramm versorgt werden. Nach dem Gutachten
sei die Klägerin auf die bestmögliche Kommunikation angewiesen, sodass auch eine geringe Abweichung gegenüber einem schlechteren
Festbetragsgerät nicht hinzunehmen sei. Daher sei die Versorgung der Klägerin mit dem tatsächlich beschafften Gerät zur Fortsetzung
ihrer Erwerbstätigkeit zwingend erforderlich, sodass auf Seiten der Beklagten eine "Ermessensreduktion auf Null" gegeben sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des §
14 SGB IX und des §
33 Abs
1 S 1
SGB V als auch §
33 Abs
8 S 1 Nr
4 SGB IX sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§
128 Abs
2 SGG), des Amtsermittlungsgrundsatzes (§
103 SGG) und eine Überschreitung der Grenzen freier Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 SGG).
Erstangegangener Rehabilitationsträger iS der §§
14 SGB IX, 16
SGB I sei nicht die Beklagte, sondern die Beigeladene, zumal der maßgebliche Antrag zuerst bei ihr gestellt worden sei. Da die
Beigeladene den Antrag nicht innerhalb von zwei Wochen an die Beklagte weitergeleitet habe, habe die Beigeladene und nicht
die Beklagte den Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen prüfen müssen, die in der konkreten Bedarfssituation vorgesehen gewesen
seien. Die Zuständigkeit der Beigeladenen sei demnach ausschließlicher Natur gewesen und habe die Zuständigkeit aller anderen
Träger und somit auch der Beklagten ausgeschlossen. Zwar habe der 3. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 24.1.2013 (B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 §
14 Nr 19) zunächst offengelassen, ob die maßgebliche Antragstellung iS des §
14 SGB IX in dem zu entscheidenden Fall durch Übergabe der kassenärztlichen Verordnung an den Hörgeräteakustiker oder durch dessen
Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse erfolgt sei. Indem das LSG ausführe, erst wenn die Krankenkasse konkret um die Gewährung
einer Leistung angegangen werde, zB hier durch eine Versorgungsanzeige, könne eine Antragstellung iS von §
16 Abs
1 SGB I angenommen werden, schließe das LSG von dem tatsächlichen Geschehen auf die rechtliche Befassungswirkung der Versorgungsanzeige
iS des
SGB IX. Ein Abstellen auf diesen späten Zeitpunkt widerspreche den Anforderungen, die der 3. Senat in seinem Urteil vom 24.1.2013
(B 3 KR 5/12 R) zum Umgang mit dem Leistungsrecht des
SGB V aufgestellt habe, wonach sich ein Rehabilitationsträger seiner leistungsrechtlichen Verantwortung nicht entziehen und dem
Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlassen dürfe, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung zuteil werde.
Nach Auffassung der Beklagten setze nach der vom LSG festgestellten ausschließlich bilateral zwischen den Krankenkassen und
den Hörgeräteakustikern vertraglich vereinbarten Verfahrensweise bereits die Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteversorgung
das Verwaltungsverfahren rechtswirksam zu Lasten der jeweiligen Krankenkasse in Gang. Auf das Vorliegen einer Versorgungsanzeige
beziehungsweise deren Eingang bei der Krankenkasse komme es daher nicht mehr an. Wenn die Entscheidung über das Ob und Wie
- jedenfalls bis zur Höhe des Festbetrages - nach den getroffenen Vereinbarungen ausschließlich bei dem Hörgeräteakustiker
als Leistungserbringer liege, setze dies nach Auffassung des Beklagten zwingend einen Antrag voraus, der nicht ex post in
der Versorgungsanzeige an die Krankenkasse gesehen werden könne, also zu einem Zeitpunkt, in welchem die eigentlich von der
Krankenkasse zu treffende, aber auf den Leistungserbringer übergegangene Verwaltungsentscheidung über die Leistungsbewilligung
de facto schon gefallen sei, wie das LSG zutreffend erkannt habe und vom BSG mit deutlichen Worten moniert werde. Mit der Übergabe der Hörgeräteverordnung an den Hörgeräteakustiker setze der Versicherte
ein Hilfsmittelversorgungsverfahren in Gang, wobei der Hörgeräteakustiker aufgrund seiner vertraglichen Beziehungen mit der
Krankenkasse legitimiert sei, eine Leistung - wenn auch nur zum Festbetrag - zu ihren Lasten zu erbringen (mit Verweis auf
BSG Urteil vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 20). Vertragliche Beziehungen zwischen den Leistungserbringern und den Versicherten bestünden
insoweit nicht. Der Leistungserbringer sei vollständig in die Versorgungsstruktur der Krankenkassen einbezogen und fungiere
faktisch als deren Außenstelle beziehungsweise als deren "verlängerter Arm". Der Antrag des Versicherten gelte daher mit der
Übergabe an den Hörgeräteakustiker als gestellt. Dieser sei nicht lediglich Erklärungsbote der Klägerin, sondern als "Prüfbeauftragter"
der Beigeladenen anzusehen, da er nach §
127 SGB V als Leistungserbringer ausschließlich in die Verwaltungsprozesse bei der Krankenkasse eingebunden und berechtigt sei, den
individuellen Bedarf verbindlich festzustellen. Soweit das LSG gegen diese Sichtweise anführe, eine Zuständigkeit der Rentenversicherung
sei so von vornherein ausgeschlossen, da die Übergabe der Hörgeräteversorgung zwangsläufig Grundlage für das Tätigwerden des
Hörgeräteakustikers sei, treffe dies tatsächlich nicht zu. Bei der Beklagten gingen regelmäßig ganz gezielt Anträge auf berufsbedingte
Hörgeräteversorgung ohne vorherige ärztliche Verordnung oder Einbeziehung eines Hörgeräteakustikers ein. Für die GKV habe
das BSG bereits deutlich gemacht, dass, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig erreicht sei im Sinne eines Gleichziehens
mit einem gesunden Menschen, die Versorgung mit einem fortschrittlichen Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden
könne, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend (BSG Urteil vom 16.9.2004 - B 3 KR 20/04 R - BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4). Die Beklagte halte demgegenüber den gesetzlichen Versorgungsauftrag der Rentenversicherung
insgesamt für nicht gegeben. Der Versorgungsauftrag der Rentenversicherungsträger beginne erst dann, wenn eine höherwertige
Ausstattung ausschließlich "nur wegen einer auf eine besonders gute Hörfähigkeit angewiesenen beruflichen Tätigkeit" (BSG Urteil vom 21.8.2008 - B 13 R 33/07 R - BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 48) bzw "aus rein beruflichen Gründen" (BSG Urteil vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 53) erforderlich werde. Werde die höherwertige Ausstattung bereits im Rahmen des Behinderungsausgleichs
erforderlich (also auch für den Alltagsgebrauch), wozu der Anspruch auf das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei
störenden Umgebungsgeräuschen gehöre, sei eine Leistungsbegrenzung in der GKV nicht gerechtfertigt. Indem das LSG ausschließlich
auf die Höranforderungen am konkreten Arbeitsplatz abstelle und sich nicht mit dem Grundbedürfnis des Hörens und Verstehens
in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen auseinandersetze, weiche es von den Grundsätzen des BSG ab.
Außerdem stelle sich das Urteil des LSG als Überraschungsentscheidung dar, mit der vor dem Hintergrund des Sachverständigengutachtens,
des Schreibens des Leistungserbringers vom 15.9.2005 und des Beklagtenvortrags nicht zu rechnen gewesen sei. Die Beklagte
sei mit einer Tatsachenwürdigung überrascht worden, für die bis dahin keine Hinweise vorgelegen hätten, weshalb eine Verletzung
des rechtlichen Gehörs (§
128 Abs
2 SGG) vorliege. Mit dem Unterlassen der notwendigen weiteren Sachverhaltsaufklärung habe das LSG außerdem den Amtsermittlungsgrundsatz
(§
103 SGG) verletzt, denn es hätte der Frage nachgehen müssen, ob die höherwertige Hörgeräteversorgung auch für den Alltagsgebrauch
erforderlich war. Schließlich habe das LSG auch die Grenzen freier Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 SGG) überschritten, indem es die wesentliche Angabe des Sachverständigen unberücksichtigt gelassen habe, dass eine kostengünstigere
Ausstattung nur dann denkbar sei, wenn das Umfeld weitgehend von Störgeräuschen befreit sei (mit Verweis auf BSG Urteil vom 4.6.2002 - B 2 U 16/01 R - Juris). Auch das Schreiben des Leistungserbringers vom 15.9.2005 und die Einlassung der Klägerin, wonach diese sich mit
anderen als den streitgegenständlichen Hörgeräten in ihrem Alltag nicht ausreichend verständigen könne, seien vom LSG gänzlich
unbeachtet gelassen worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das
Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 17. Mai 2011 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Anders als die Beklagte behaupte, habe die Klägerin nicht eingeräumt, sich weder
mit Geräten zum Kassenfestbetrag noch mit anderen Geräten im Alltag ausreichend verständigen zu können. Auch der gerichtlich
bestellte Sachverständige Dr. S. habe festgestellt, dass die Klägerin das private Leben weitgehend von Störgeräuschen befreit
gestalten könne und sich daher die technische Ausstattung der Hörhilfe im rein privaten Umfeld zweifelsfrei deutlich reduzieren
und somit kostengünstiger umsetzen lasse.
II
A. Die statthafte Revision ist zulässig, soweit sie sich gegen die Anwendung materiellen Rechts wendet. Dagegen berücksichtigt
das Rechtsmittel nicht ausreichend, dass Verfahrensverstöße grundsätzlich nur auf Rüge geprüft werden, die bis zum Ablauf
der Begründungsfrist - vorliegend am 24.4.2014 - ordnungsgemäß erhoben sein muss (§
202 SGG, §
557 Abs
3 S 2
ZPO).
Die Beklagte hat die von ihr geltend gemachten Verfahrensfehler nicht ausreichend begründet. Gemäß §
164 Abs
2 S 3
SGG müssen bei Verfahrensrügen die Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben. Die maßgeblichen Vorgänge müssen so genau
angegeben sein, dass das Revisionsgericht sie, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen
kann (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 §
2 Nr 18; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
164 RdNr 12 mwN).
1. Bei einer behaupteten Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§
103 SGG) ist darzulegen, dass und inwiefern sich das LSG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zu weiteren Ermittlungen hätte
gedrängt fühlen müssen (Leitherer, aaO, § 164 RdNr 12a). Das erfordert neben der exakten Benennung des nach Auffassung des
Revisionsführers zum Beleg einer bestimmten Tatsache ungenutzt gebliebenen Beweismittels regelmäßig die Angabe, zu welchem
Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme geführt hätte und die Darlegung, welche konkrete Bedeutung das behauptete Beweisergebnis
auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für dessen Entscheidung gehabt hätte.
Die bloße Behauptung der Beklagten, das eingeholte Sachverständigengutachten reiche nicht aus, um zu klären, ob die höherwertige
Hörgeräteversorgung auch für den Alltagsgebrauch erforderlich sei, das LSG hätte sich daher zu einer weiteren Aufklärung des
Sachverhalts gedrängt fühlen müssen, um ihre Leistungspflicht als Rentenversicherungsträger begründen zu können, genügt diesen
Anforderungen nicht. Weder benennt die Beklagte ein ungenutzt gebliebenes Beweismittel, noch nimmt sie den Rechtsstandpunkt
des LSG ein, um eine mögliche Entscheidungserheblichkeit aufzuzeigen.
2. Auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in der besonderen Erscheinungsform des §
128 Abs
2 SGG hat die Revision nicht hinreichend dargelegt. Nach dieser Vorschrift darf das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse
gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Beklagte missversteht den Anwendungsbereich der Norm, soweit
sie geltend macht, vor dem Hintergrund des Sachverständigengutachtens, des Schreibens des Leistungserbringers vom 15.9.2005
und des Beklagtenvortrags habe sie mit der getroffenen Entscheidung nicht rechnen können und sei mit einer Tatsachenwürdigung
überrascht worden, für die bis dahin keine Hinweise vorgelegen hätten. §
128 Abs
2 SGG konkretisiert den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG), beschränkt sich hierbei gegenüber dem inhaltlich weiteren §
62 SGG jedoch auf die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung. Die Beklagte benennt indessen keine derartigen Grundlagen, zu denen
sie sich nicht hätte äußern können; sie ist vielmehr offenbar der Auffassung, sie hätte zu den hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen
des Tatsachengerichts gehört werden müssen. §
128 Abs
2 SGG betrifft aber weder die (ohnehin nur eingeschränkte) Verpflichtung zum Rechtsgespräch noch das allgemeine Verbot von Überraschungsentscheidungen
(vgl Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl 2014, §
128 RdNr 10) und kommt damit auch nicht als Grundlage eines allgemeinen Verfahrensgrundsatzes in Betracht, der das Gericht verpflichten
würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die
richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit ihnen zu erörtern (vgl BSG Beschlüsse vom 17.10.2006 - B 1 KR 104/06 B - Juris und vom 2.11.2011 - B 12 KR 34/11 B - Juris). Etwas anderes könnte im engen Anwendungsbereich von §
128 Abs
2 SGG allenfalls dann gelten, wenn der vom Berufungsgericht eingenommene Standpunkt dem Verfahren eine überraschende Wende gibt
(BSG Beschluss vom 2.11.2011 - B 12 KR 34/11 B - Juris RdNr 8; vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
62 RdNr 8a f), dh die als solche bekannten Tatsachen und Beweisergebnisse (das "Rohmaterial" der richterlichen Überzeugungsbildung
und der auf ihrer Grundlage getroffenen tatsächlichen Feststellungen iS von §
163 SGG, die gemäß §
128 Abs
1 S 2
SGG erst im Urteil zu erläutern sind) in einen völlig neuen, von keinem Beteiligten vorhersehbaren rechtlichen Zusammenhang stellt.
Auch dass ein solcher Ausnahmetatbestand vorliegt, hat die Beklagte weder dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich. Vielmehr
befassen sich bereits die angegriffenen Bescheide (zu Unrecht) allein mit der Frage, ob die Beklagte als Träger der gesetzlichen
Rentenversicherung deshalb leistungsverpflichtet ist, weil der Arbeitsplatz der Klägerin besondere Anforderungen stellt und
gerade im Blick hierauf eine spezielle Hörgeräteausstattung der Klägerin erforderlich ist. Unter diesen Umständen erschließt
sich nicht, inwiefern die Beklagte dadurch in ihrer Rechtsverteidigung behindert worden sein könnte, dass das Berufungsgericht
tatsächliche Feststellungen ungeachtet der inhaltlichen Richtigkeit seiner Schlussfolgerungen in einem von ihr selbst von
Anfang an erörterten rechtlichen Kontext würdigt.
3. Schließlich hat die Beklagte auch den gedanklichen Weg des LSG zu seiner Überzeugung vom (Nicht-)Vorliegen des (aus seiner
Sicht) rechtlich maßgeblichen Sachverhalts, also der zusammenfassenden Würdigung der Tatsachen und Beweisergebnisse (§
128 Abs
1 S 1
SGG) nicht mit zulässigen Revisionsrügen angegriffen (§
163 SGG). Die entsprechende Überzeugungsbildung ist grundsätzlich dem Tatsachengericht vorbehalten. Das Revisionsgericht kann das
insofern eingeräumte Ermessen nur insofern überprüfen, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder
allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat, und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens ausreichend und umfassend berücksichtigt
hat (stRspr vgl BSG Urteile vom 6.4.1989 - 2 RU 69/87 - HV-Info 1989, 1368 und vom 27.1.1994 - 2 RU 3/93 - HVBG-Info 1994, 943; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr 16 und § 539 Nr 19; Keller, aaO, § 128 RdNr 10 bis 13 mwN). Soweit die Beklagte demgegenüber die Auffassung vertritt, die vom LSG formulierte
Sachverhaltsbeschreibung hätte als Untersatz nicht unter die vom Berufungsgericht für einschlägig erachteten normativen Obersätze
subsumiert werden dürfen bzw das LSG hätte den festgestellten Sachverhalt ausgehend von einer anderen Rechtsauffassung (rechtliche
Maßgeblichkeit der Alltagssituation anstelle der Verhältnisse am Arbeitsplatz) würdigen müssen, betrifft auch ein derartiges
Vorbringen schon seiner Art nach keinen Verfahrensfehler (error in procedendo), sondern den rechtlichen Ausgangspunkt des
Berufungsgerichts und dessen inhaltliche Richtigkeit (error in iudicando). Aus der von der Revision in Bezug genommenen Entscheidung
des 2. Senats des BSG (Urteil vom 4.6.2002 - B 2 U 16/01 R - Juris) ergibt sich schon deshalb nichts anderes. Das BSG befasst sich aaO mit dem - von der Beklagten vorliegend nicht ansatzweise behaupteten - Fall einer durch eigene Sachkunde
nicht gerechtfertigten Abweichung des Berufungsgerichts von einer nach dessen eigener Auffassung rechtlich relevanten Aussage
des medizinischen Sachverständigengutachtens, nicht aber mit der nach dem Vortrag der Revision allein in Betracht kommenden
Konstellation, dass das LSG das Gutachtensergebnis rechtlich (!) in einer von der Auffassung eines Beteiligten abweichenden
Weise würdigt und sich daher auf andere Aussagen stützt als der Beteiligte.
B. Die im Übrigen zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§
170 Abs
2 S 2
SGG). Die unabhängig von der Revisionsbegründung in vollem Umfang eröffnete Sachprüfung durch den erkennenden Senat ergibt, dass
eine abschließende Entscheidung beim derzeitigen Erkenntnisstand "untunlich" ist und weitere Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts
unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des BSG (§
170 Abs
5 SGG) erforderlich sind. Derzeit kann über die Frage, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung eines
Betrages in Höhe von 3360,84 € hat, insbesondere deshalb nicht entschieden werden, weil Feststellungen dazu fehlen, ob die
Beklagte oder die Beigeladene im Rechtssinn erstangegangener Träger iS des §
14 SGB IX sind und aus welchem Rechtsgebiet ein (Primär-)Anspruch gegen den zuständigen Träger in Betracht kommt.
1. §
15 Abs
1 SGB IX, der vorliegend als einzige Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, normiert trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche
für selbstbeschaffte Teilhabeleistungen und ist unmittelbar auch in der gesetzlichen Rentenversicherung anwendbar (Urteil
des Senats vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 12). Dies bestätigt insbesondere der mit Wirkung vom 1.7.2001 in §
13 Abs
3 SGB V eingefügte S 2; danach werden Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem
SGB IX gemäß §
15 SGB IX erstattet. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass sich die Kostenerstattung für selbstbeschaffte
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation abweichend von der Selbstbeschaffung anderer Leistungen nach dem
SGB IX richtet (BT-Drucks 14/5074 S 117 zu Nr 7 Buchst b). Ausweislich dieser gesetzgeberischen Absicht sollte mit §
15 SGB IX eine einheitliche Kostenerstattungsregelung für den Bereich der Teilhabeleistungen geschaffen werden. Hierfür spricht auch,
dass §
15 Abs
1 S 5
SGB IX ausdrücklich regelt, für welche Träger welche Kostenerstattungsansprüche der Norm nicht gelten sollen (vgl Urteil des Senats
vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 12).
Von den in §
15 Abs
1 S 1 bis 3 und S 4
SGB IX geregelten drei unterschiedlichen Tatbeständen, die zur Kostenerstattungspflicht führen können, kommt auf der Grundlage der
derzeit vorliegenden Feststellungen die in S 4 aufgeführte zweite Alternative als Grundlage des streitigen rehabilitationsrechtlichen
Anspruchs der Klägerin auf Erstattung der Kosten in Betracht, die ihr aus der Selbstbeschaffung von zwei Hörgeräten vom Typ
"Senso Diva SD-19 mit Poti" zuzüglich Zubehör nach Gewährung eines Festbetrages durch die Beigeladene in Höhe von 972,41 €
entstanden sind. Nach dieser Vorschrift besteht die Erstattungspflicht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung
zu Unrecht abgelehnt hat.
Rehabilitationsträger iS von §
15 Abs
1 S 4
SGB IX ist ausweislich des systematischen Zusammenhangs der Bestimmung mit S 3 der zuständige Rehabilitationsträger. Nach S 3 ist
der "zuständige" Rehabilitationsträger unter bestimmten Voraussetzungen zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, wenn
sich Leistungsberechtigte eine erforderliche Leistung selbst beschaffen. Die Erstattungspflicht des "zuständigen" Rehabilitationsträgers
erstreckt S 4 auf die darin geregelten Tatbestände, indem er bestimmt, dass die Erstattungspflicht "auch" in diesen Fällen
besteht. Zuständiger Rehabilitationsträger iS des §
15 Abs
1 SGB IX ist der nach §
14 SGB IX verantwortliche Rehabilitationsträger (so auch Löschau, GK-
SGB IX, §
15 RdNr
13, Stand VII/2008). Dies ergibt sich schon daraus, dass §
15 Abs
1 S 1, S 4
SGB IX an die in §
14 Abs
2 SGB IX normierten Fristen sowie an Verhaltenspflichten (rechtzeitige Erbringung bzw keine rechtswidrige Ablehnung der Leistung)
anknüpft, die für das (Verwaltungs-)Verfahren zwischen dem zur Entscheidung berufenen Rehabilitationsträger und dem behinderten
Menschen gelten. Welcher Rehabilitationsträger im Außenverhältnis zu diesem zuständig ist, richtet sich aber nach §
14 SGB IX (vgl bereits Urteil des Senats in SozR 4-3250 §
14 Nr 8 RdNr 14).
2. Wie der Senat ebenfalls bereits zusammenfassend ausgeführt hat (Urteil vom 11.5.2011 - B 5 R 54/10 R - BSGE 108, 158 = SozR 4-3250 §
17 Nr 1, jeweils RdNr 31), ist für §
14 SGB IX durch die bisherige Rechtsprechung geklärt, dass derjenige Träger, der den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht weitergeleitet
hat (erstangegangener Träger) und derjenige Träger, an den der Antrag weitergeleitet wurde (zweitangegangener Träger) und
der daher zu einer erneuten Weiterleitung grundsätzlich nicht ermächtigt ist, ungeachtet seiner "eigentlichen" Zuständigkeit
jeweils zur umfassenden Prüfung des Rehabilitationsbedarfs nach §
10 SGB IX verpflichtet ist (vgl Urteil des Senats in SozR 4-3250 §
14 Nr 8; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7). Entsprechend dem Primärzweck der Norm, bei fortdauernder interner Verpflichtung des eigentlich
zuständigen Leistungsträgers eine schnelle Klärung der Zuständigkeit im Außenverhältnis zu gewährleisten (BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1), hat dieser Träger auf den grundsätzlich in einem umfassenden Sinne zu verstehenden Antrag den Anspruch
des Leistungsberechtigten an Hand aller Rechtsgrundlagen für Teilhabeleistungen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation
für Rehabilitationsträger vorgesehen sind, und unter Beachtung der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
der jeweiligen Leistungsgesetze zu prüfen (vgl Urteil des Senats aaO mwN und BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4 sowie BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1). Insofern bleibt der erst- bzw zweitangegangene Träger im Verhältnis zum Versicherten aufgrund einer
gesetzlich besonders geregelten sachlichen Zuständigkeit endgültig, ausschließlich und umfassend leistungspflichtig, auch
wenn er nach den geltenden Normen außerhalb des
SGB IX nicht für die beanspruchte Rehabilitationsleistung zuständig ist (Urteil des Senats in BSGE 104, 294 = SozR 4-3250 §
14 Nr
9). Diese Zuständigkeit umfasst ggf auch Erstattungsansprüche aus §
15 Abs
1 S 4
SGB IX (vgl Urteil des Senats vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 16 mwN; BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 12; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 30). Soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilitationsträger erforderlich
sind, ist der nach §
14 SGB IX leistende Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, dass die beteiligten Rehabilitationsträger im Benehmen miteinander
und in Abstimmung mit dem Leistungsberechtigten die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen
funktionsbezogen feststellen und schriftlich so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinandergreifen (§
10 Abs
1 S 1
SGB IX). Prozessual ergibt sich hieraus, dass sich Widerspruch und Klage allein gegen den nach §
14 SGB IX zuständigen Träger richten, ohne dass sich der Kläger um die innerhalb des gegliederten Systems verteilten Zuständigkeiten
kümmern müsste. Der möglicherweise - im Innenverhältnis der Träger - endgültig zuständige ist notwendig beizuladen (BSGE 101,
79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1).
3. Nach den Feststellungen des LSG kommt vorliegend nur eine Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers iS von §
14 Abs
1 S 1, Abs
2 S 1
SGB IX in Betracht, da auch nach der übereinstimmenden Darstellung der Beteiligten im Revisionsverfahren eine Weiterleitung des
Antrags von einem Träger an einen anderen nicht stattgefunden hat. Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des hiernach verantwortlichen
Rehabilitationsträgers ist der Antrag des Leistungsberechtigten. Im Zweifel will der behinderte Mensch die ihm günstigste
Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen, sodass der gestellte Antrag umfassend, dh auf alle nach Lage des Falles in
Betracht kommenden Leistungen zu prüfen ist (BSG Urteile vom 29.11.2007 - B 13 R 44/07 R - SozR 4-2600 § 236a Nr 2 RdNr 21 und vom 21.8.2008 - B 13 R 33/07 R - BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7). Der erkennende Senat hat für den vorliegenden Zusammenhang bereits entschieden, dass ein beim Träger
der GKV gestellter Antrag auf Versorgung mit Hörgeräten immer auch auf Leistungen zur Teilhabe iS von §§
1,
4 und
5 SGB IX gerichtet ist (Urteil vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 18). Umgekehrt ist aus der Sicht des Rentenversicherungsträgers ggf unerheblich, wenn die
Versorgung mit Hörhilfen nach dem Recht der GKV keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist. Denn §
14 SGB IX muss seiner Intention nach auch in solchen Fällen gelten, in denen eine Leistung (hier: Hörhilfe/Hilfsmittel) beantragt wird,
die nach dem Recht des angegangenen Trägers eine solche der medizinischen Rehabilitation, nach dem der ("eigentlich" mit-
oder allein-) zuständigen Krankenkasse jedoch keine Leistung zur Teilhabe (iS der §§
4,
5 SGB IX) ist (BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 §
14 Nr 7, jeweils RdNr 38).
4. Der Senat vermag auf der Grundlage der derzeit getroffenen Feststellungen die Aussage des LSG nicht zu bestätigen, dass
die Beklagte im vorstehend erörterten Sinne erstangegangener Träger und daher Schuldner des streitigen Erstattungsanspruchs
ist. Er stellt die typischerweise von ausreichenden Feststellungen zum - aus seiner Sicht - rechtlich relevanten Sachverhalt
abhängige Spruchreife ungeachtet von (zulässigen) Verfahrensrügen der Beteiligten stets in eigener Zuständigkeit fest (§
170 Abs
2 S 2
SGG) und ist insbesondere vorliegend nicht gemäß §
163 SGG auf die Verwertung der positiv getroffenen "tatsächlichen Feststellungen" des Berufungsgerichts beschränkt. Hierzu gilt im
Einzelnen Folgendes:
a) Der erstangegangene Träger wird im Blick auf die Zuständigkeitsregelung des §
14 SGB IX durch den rehabilitationsrechtlichen Erstantrag bestimmt. Antrag in diesem Sinne ist jede an den Versicherungsträger gerichtete
Willenserklärung, aus der sich ein Leistungsverlangen ergibt (vgl Hampel in: jurisPK-
SGB IV, 2. Aufl 2011, §
19 SGB IV RdNr 23). Der Antrag ist formlos, daher entsprechend dem Grundsatz des § 9 SGB X insbesondere auch mündlich oder durch sonstiges (konkludentes) Handeln, möglich (Luik in: jurisPK-
SGB IX, §
14 SGB IX RdNr 51). An seinen Inhalt sind keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl Hessisches LSG Beschluss vom 6.9.2011 -
L 7 AS 334/11 B ER - Juris RdNr 51). Sofern das Sozialrecht keine speziellen Regelungen trifft, finden bei der Auslegung konkludenter Handlungen
die Vorschriften des
BGB, insbesondere dessen § 133, Anwendung (BSG Urteil vom 2.4.2014 - B 4 AS 29/13 R - BSGE [vorgesehen], SozR 4-4200 § 37 Nr 6, Juris RdNr 16; BSG Urteil vom 17.7.1990 - 12 RK 10/89 - SozR 3-1200 § 16 Nr 2 mwN, Juris RdNr 20). Der entsprechend anwendbare §
133 BGB erfordert die Feststellung des (normativ) in Wahrheit Gewollten nach Maßgabe des Empfängerhorizonts auf der Grundlage aller
im Einzelfall als einschlägig in Betracht kommenden Umstände. Maßgebend für die Auslegung eines Antrags ist daher - unter
Berücksichtigung aller Umstände - der erkennbare wirkliche Wille des Antragstellers (BSG Urteil vom 1.4.1981 - 9 RV 49/80 - SozR 3100 § 48 Nr 7, Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 23.2.1973 - 3 RK 44/71 - BSGE 35, 220, 221 = SozR Nr 2 zu § 173a
RVO, Juris RdNr 18). Die Auslegung hat nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu erfolgen (BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14). Danach ist, sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht
vorliegt, davon auszugehen, dass der Antragsteller die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen
begehrt, unabhängig davon, welchen Ausdruck er gewählt hat (BSG Urteil vom 11.9.2001 - B 2 U 41/00 R - SozR 3-2200 § 1150 Nr 5 Juris RdNr 24; BSG vom 1.4.1981 - 9 RV 49/80 - SozR 3100 § 48 Nr 7 Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 15.11.1979 - 7 RAr 75/78 - BSGE 49, 114 = SozR 4100 § 100 Nr 5, Juris RdNr 13).
b) Die hiernach im Rahmen der Rechtsanwendung von den Tatsachengerichten zu leistende Gesamtaufgabe der Auslegung von Erklärungen
ist dem BSG als Revisionsgericht dessen besonderem Aufgabenbereich entsprechend nur eingeschränkt zugewiesen. Das Revisionsgericht hat
insofern grundsätzlich von den in den Urteilen der Tatsacheninstanzen getroffenen tatsächlichen Feststellungen auszugehen
(§
163 SGG).
Allerdings darf das Revisionsgericht die Ermittlung des rechtlich maßgeblichen Sinns (Auslegung) von Willenserklärungen durch
ein Tatsachengericht unabhängig von einer Rüge vollinhaltlich daraufhin prüfen, ob dieses Gericht die revisiblen bundesrechtlichen
Auslegungsgrundsätze (§§
133,
157 BGB), anerkannte Auslegungsgrundsätze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtet und bei der Ermittlung des Bedeutungsgehalts
nicht gegen Denkgesetze verstoßen hat (exemplarisch BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, jeweils RdNr 67). Die vollständige Feststellung des Erklärungstatbestandes und die Ableitung des
Erklärungsinhalts hieraus beschränkt sich nämlich nicht auf einschlägige Tatsachenfeststellungen zum maßgeblichen Lebenssachverhalt,
sondern betrifft wesentlich die generell vorgeschriebene Methodik dieses Vorgangs, deren Kontrolle dem Revisionsgericht obliegt.
Dessen Prüfungskompetenz kann jedoch ebenso von der Art der jeweils in Frage stehenden Erklärung abhängig sein wie das jeweils
maßgebliche Auslegungsziel und ist damit bei empfangsbedürftigen öffentlich-rechtlichen Willenserklärungen der vorstehend
in Frage stehenden Art weiter als in den Fällen, in denen es im Rahmen der sog natürlichen Auslegung auf den "wahren" (inneren)
Willen des jeweils Erklärenden ankommt (vgl zur methodischen Unterscheidung von natürlicher und normativer Auslegung Palandt/Ellenberger,
BGB, 72. Aufl 2013, §
133 BGB RdNr 7). Rechtlich maßgebend für den Inhalt eines öffentlich-rechtlichen Antrags oder Rechtsbehelfs ist, wie die Behörde
einen Antrag unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände sowie nach Treu und Glauben zu verstehen hat. Dabei muss sich
die Auslegung auf die in Frage stehenden Äußerungen in ihrer Gesamtheit und das mit ihnen erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel
beziehen (vgl insgesamt BVerwG Urteil vom 12.12.2001 - 8 C 17/01 - BVerwGE 115, 302 ff). Ein in der Revisionsinstanz zu beachtender Verstoß liegt auch vor, wenn bei Würdigung der festgestellten Tatsachen Begriffsbestimmungen
des allgemeinen oder des rechtlichen Sprachgebrauchs nicht zutreffend verwendet wurden, denn auf diese Weise gewonnene Ergebnisse
stehen mit den allgemeinen Erfahrungssätzen in der Regel nicht in Einklang und beeinflussen insofern das Ergebnis der Tatsachenwürdigung
(vgl BFH Urteil vom 28.6.1977 - VIII R 115/73 - BFHE 122, 512 ff und BVerwG Urteil vom 27.5.1981 - 8 C 6/81 - NVwZ 1982, 196 f). Das BSG hat daher insbesondere zu prüfen, ob diese Anforderungen auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen überhaupt und ggf
zutreffend beachtet sind. Hat das LSG weitere einschlägige Umstände zwar festgestellt, aber nicht - zutreffend - in seine
Auslegung einbezogen, kann das BSG diese selbst vornehmen. Da der Anwendungsbereich des §
163 SGG auf positiv getroffene Feststellungen beschränkt ist, prüft das Revisionsgericht zudem in eigener Zuständigkeit auch, ob
die zur Auslegung erforderlichen Umstände von der Vorinstanz vollständig ermittelt worden sind (BSG in SozR 1300 § 31 Nr 3 Juris RdNr 15 und BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, jeweils RdNr 67). Fehlt es hieran, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung nach
weiterer Sachaufklärung zurückzuverweisen.
c) Zum rechtlichen Kontext von Erklärungen der in Frage stehenden Art hat der 3. Senat des BSG im Urteil vom 24.1.2013 (B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, jeweils RdNr 20) festgestellt:
"Der Senat kann offenlassen, ob die maßgebliche Antragstellung iS des §
14 SGB IX durch Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung vom 9.6.2006 seitens der Klägerin an den Hörgeräteakustiker oder
erst durch dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse erfolgt ist. In dem einen wie in dem anderen Fall läge ein Leistungsbegehren
der Klägerin und damit ein Leistungsantrag iS des §
19 S 1
SGB IV vor, der in der Zeit zwischen dem 9.6.2006 (Tag der vertragsärztlichen Verordnung) und dem 12.7.2006 (Tag der Verwaltungsentscheidung)
bei der Beigeladenen eingegangen ist. Deren Einwand, die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil
der Innenkommunikation zwischen Leistungsbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung (§
2 Abs
2 S 1
SGB V), durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten (vgl §
19 Abs
1 SGB V) geklärt werde, ist unzutreffend und wirklichkeitsfremd. Wenn sich ein Rehabilitationsträger - wie hier und bei der Hörgeräteversorgung
wohl allgemein üblich - seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch sog 'Verträge zur Komplettversorgung' nahezu vollständig
entzieht und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlässt, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung (wenn
auch nur zum Festbetrag) zuteil wird, dann erfüllt er weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach §
33 SGB V noch befolgt er die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§
12 Abs
1 und §
70 Abs
1 S 2
SGB V). Wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§
16 SGB I) verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden. Es mutet zudem abenteuerlich an,
dass die Rehabilitationsträger die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln - hier: Hörgeräte - praktisch nicht mehr selbst
vornehmen, sondern in die Hände der Leistungserbringer 'outgesourced' haben. Dass ein solches Vorgehen weder dem Grundgedanken
der Festbetragsregelung gerecht wird noch zur Kostendämpfung beiträgt, dürfte klar auf der Hand liegen. Hinzu kommt im vorliegenden
Fall, dass die Beigeladene hinsichtlich der erfolgten Versorgung keinerlei nachprüfbare Unterlagen vorlegen konnte, wie dies
in ihrem 'Vertrag zur Komplettversorgung' mit den Hörgeräteakustikern vorgeschrieben ist. Es existiert lediglich ein Datenauszug,
der mit Datum 12.7.2006 die Bewilligung eines Hörgeräts und des Festbetrages dokumentiert - ohne jede weitere Überprüfung
des Leistungsfalles. Der Senat hält eine derartige Praxis im Umgang mit dem Leistungsrecht des
SGB V für nicht mehr akzeptabel."
Der erkennende Senat schließt sich dem in vollem Umfang an. Hiervon ausgehend kann die maßgebliche Erstantragstellung rechtlich
gleichwertig ("In dem einen wie in dem anderen Fall ...") bereits in der Übergabe einer vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung
an den Hörgeräteakustiker oder erst in dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse bzw - wie vorliegend - in der Antragstellung
durch die Klägerin bei der Beklagten liegen. Sind die tatsächlichen Voraussetzungen aller drei Möglichkeiten erfüllt, sind
sie nach Maßgabe ihrer zeitlichen Priorität gegeneinander abzugrenzen. Sollte die Klägerin durch die Übergabe der Hörgeräteverordnung
an die Firma R. am 8.11.2004 gleichzeitig konkludent einen Leistungsantrag bei der Beigeladenen gestellt haben, könnte nur
diese und nicht die vom LSG verurteilte Beklagte anspruchsverpflichtet sein.
d) Das LSG hat hierzu im angegriffenen Urteil festgestellt:
"Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die beklagte Rentenversicherung als erstangegangener Rehabilitationsträger für die
begehrte Hörgeräteversorgung im Sinne des §
14 SGB IX anzusehen. Die Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich daraus, dass die Klägerin unmittelbar nach der Hörgeräteverordnung
durch ihren HNO-Arzt Dr. A vom 08.11.2004 den bei der Beklagten am 11.11.2004 eingegangenen Antrag auf Gewährung von Teilhabeleistungen
gestellt hat. Es liegen zur Überzeugung des Senats keine Hinweise dafür vor, dass vor der Beklagten noch die beigeladene Krankenkasse
mit dem Begehren der Klägerin auf Gewährung einer Hörgeräteversorgung befasst worden wäre. Aus in den Gerichtsakten enthaltenen
Aufzeichnungen der Beigeladenen ergibt sich, dass diese erst nach dem 16.03.2005, als die Firma R den sich aus der Rechnung
vom 16.3.2005 ergebenden Festbetrag einziehen wollte, mit der Angelegenheit befasst wurde. Diese Reihenfolge der Befassung
der unterschiedlichen Träger mit der Abrechnung der von der Klägerin in Anspruch genommenen Hörgeräte wird auch durch die
glaubhafte Aussage des Zeugen B bestätigt. Dieser hat u. a. angegeben, dass der Kontakt zur Krankenkasse üblicherweise erst
dann hergestellt worden sei, wenn der Patient sich endgültig für die betreffenden Geräte entschieden habe und die Abrechnung
habe beginnen können. Für einen im vorliegenden Fall abweichenden Ablauf der Versorgung liegen keine Anhaltspunkte vor.
Die Übergabe der Hörgeräteverordnung durch die Klägerin an die Firma R am 08.11.2004 ist nicht als Antrag gegenüber der Beigeladenen
zu werten. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 25.01.2011 angegeben, dass sie auf Anraten des Mitarbeiters der
Firma R den Rehabilitationsantrag gerade bei der Beklagten gestellt hat. Auch in Anbetracht der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R - a.a.O. Rdnr. 20) ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - auf Grund der konkreten Gegebenheiten nicht schon in der
Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung durch die Klägerin an die Firma R ein Leistungsantrag bei der Krankenkasse
zu sehen. Hier liegen die Dinge eindeutig so, dass sich die Klägerin bewusst für eine Antragstellung bei der Beklagten entschieden
hat. Sowohl die zum Zeitpunkt der Übergabe der Hörgeräteverordnung an die Firma R zwischen der Beigeladenen und den Hörgeräteakustikunternehmen
geltenden vertragsrechtlichen Bestimmungen des Rahmenvertrages vom 23.03.1993 als auch die zum Abschluss der Versorgung ab
dem 01.02.2005 geltenden Bestimmungen der Versorgungsvereinbarung sprechen nicht für eine quasi automatische bei der Krankenkasse
im Moment der Übergabe der ärztlichen Hörgeräteversorgung beim Hörgeräteakustikunternehmen. § 8 RV i.V.m. Ziff. 1 der Anlage
5 (Abrechnungsverfahren) zum RV sieht vor, dass Rechnungen über abgeschlossene Versorgungen und sonstige Leistungen bis zum
15. des Folgemonats maschinenlesbar bei der zuständigen Krankenkasse in zweifacher Ausfertigung einzureichen sind. Ziff. 1
Satz 4 a.a.O. bestimmt, dass die 'vollständig ausgefüllten kassenärztlichen Verordnungen und ggf. die genehmigten Kostenvoranschläge
... beizufügen' sind. Das nach diesen Bestimmungen einzuhaltende Verfahren zeigt, dass jedenfalls nach den Bestimmungen des
Rahmenvertrages vom 23.3.1993 erst dann eine Befassung der Krankenkasse mit der Angelegenheit stattfindet, wenn die Versorgung
praktisch schon erfolgt ist und nur noch die Abrechnung aussteht. In gleicher Weise gestalten sich auch die Rechtsbeziehungen
der für die Zeit ab dem 01.02.2005 geltenden Versorgungsvereinbarung. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 VersV ist bei einer Folgeversorgung
- wie hier - die ohrenärztliche Verordnung für die Krankenkasse ohne Bedeutung, denn die Krankenkasse verzichtet auf die Vorlage
einer neuen vertragsärztlichen Verordnung. Insoweit wird die ohrenärztliche Verordnung bei einer Folgeverordnung nur im Verhältnis
zwischen dem Patienten bzw. Kunden und dem Hörgeräteakustiker relevant. Deshalb kann in der Vorlage einer Verordnung zur Folgeversorgung
auch kein Antrag an die Krankenkasse zur Aufnahme einer Versorgung gesehen werden. Der Hörgeräteakustiker tritt sowohl bei
der Erstversorgung als auch bei einer Folgeversorgung erst vor Beginn der Versorgung mit der Krankenkasse in Kontakt (§ 5
Abs. 2 VersV) und stellt eine Versorgungsanzeige; der Beginn der Versorgung ist aber erst der Zeitpunkt, an dem die Anpassung
gemäß § 5 Abs. 3 VersV abgeschlossen ist (§ 3 Abs. 8 Satz 1 VersV). das heißt, dass auch nach den Regeln der Versorgungsvereinbarung
die zuständige Krankenkasse erst gegen Ende des Anpassungsverfahrens erstmals mit der Angelegenheit befasst wird. Schließlich
ergeben sich aus den gemäß § 7 Abs. 1 VersV für die Abrechnungen zwischen den beteiligten Krankenkassen und den Hörgeräteakustikern
maßgebenden Vorschriften des §
302 SGB V keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der hier unstreitig erfolgten Übergabe der ohrenärztlichen Hörgeräteverordnung durch
die Klägerin ein Antrag auf Versorgung durch die Beigeladene gestellt worden sein könnte. Erst aber wenn die Krankenkasse
konkret um die Gewährung einer Leistung angegangen wird, z.B. hier durch eine Versorgungsanzeige, kann eine Antragstellung
i.S. v. §
16 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) angenommen werden. ..."
e) Nach den Feststellungen des LSG galt zum rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt der Übergabe der Hörgeräteverordnung durch die
Klägerin an die Firma R. noch der Rahmenvertrag vom 23.3.1993 ua zwischen dem BKK Landesverband Rheinland-Pfalz und der Bundesinnung
der Hörgeräteakustiker. Das Berufungsgericht hat die Regelungen dieser Vereinbarung zu Unrecht nur insofern zur Begründung
seiner Entscheidung herangezogen, als es allein den Bestimmungen über das Abrechnungsverfahren (§ 8 RV iVm Ziff 1 S 1 der
Anlage 5) entnommen hat, dass der RV nicht für eine "quasi automatische Antragstellung" bei der Krankenkasse spreche und erst
dann eine Befassung der Krankenkasse mit der Angelegenheit stattfinde, wenn die Versorgung praktisch schon erfolgt ist und
nur noch die Abrechnung stattfindet. Das LSG hat dabei alle anderen Regelungen der RV unberücksichtigt gelassen und sich insbesondere
nicht mit deren § 5 auseinandergesetzt. Nach Abs 1 aaO dürfen Leistungen nach diesem Vertrag nur aufgrund einer ohrenärztlichen
Verordnung nach Maßgabe des Vordruckmusters 15 gemäß § 28 BMV-Ä (Anlage 3) erbracht werden. Die Verordnung verliert ihre Gültigkeit, wenn sie nicht innerhalb von sechs Wochen nach ihrer
Ausstellung vom Hörgeräte-Akustiker angenommen worden ist (Datum des Annahmestempels), es sei denn, dass die Krankenkasse
der Leistungserbringung zustimmt. Nach Abs 2 hält der Hörgeräte-Akustiker ein dort näher umschriebenes aktuelles, ausreichendes
Sortiment von qualitativ hochwertigen Hörgeräten ... vor. Gemäß Abs 3 aaO sind Leistungen entsprechend dem allgemeinen Stand
der hörakustischen Erkenntnisse zu erbringen. Die Hörgeräteversorgung ist auf der Grundlage des Vergleichs des Hörerfolgs
mit verschiedenen Hörgeräten durchzuführen. Abs 4 aaO sieht vor, dass dem Versicherten im Rahmen der Anpassung mindestens
zwei zuzahlungsfreie Versorgungsvorschläge mit Hörgeräten der Anlage 2, die dem aktuellen technischen Stand entsprechen, zu
unterbreiten sind. Wählt der Versicherte eine andere Hörhilfe, kann der Hörgeräte-Akustiker dieses Gerät einschließlich Zubehör
abgeben und dem Versicherten eine Zuzahlung in Rechnung stellen. In solchen Fällen hat der Versicherte auf der Rückseite der
ärztlichen Verordnung folgende Erklärung abzugeben und zu unterschreiben: "Ich bin über das Angebot einer zuzahlungsfreien
Versorgung informiert worden. Mit einer Zuzahlung für das (die) von mir ausgewählten Hörgeräte bin ich einverstanden." Die
Hörgeräte, mit denen der Versicherte versorgt wird, sind in der Verordnung mit der genauen Herstellerbezeichnung anzugeben.
Die Anpassung gilt als abgeschlossen, wenn der verordnende Vertragsarzt auf Vordruckmuster 15 bestätigt hat, dass durch die
vorgeschlagene Hörhilfe eine ausreichende Verbesserung der Hörfähigkeit erzielt wird und die Hörhilfe zweckmäßig ist. Der
Hörgeräte-Akustiker verpflichtet sich, bei der Versorgung, die jeweils gültigen Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien zu
beachten (Abs 5). Er stellt sicher, dass die Leistungen nach diesem Vertrag nur von Fachpersonal (Meister, Gesellen) im Hörgeräte-Akustiker-Handwerk
erbracht werden (Abs 6). Der Versicherte hat den Empfang der Leistung unter Abgabe des Datums durch Unterschrift auf der Rückseite
des Verordnungsvordrucks (Anlage 3) bzw der Empfangsbescheinigung zu bestätigen (Abs 7). Der Hörgeräte-Akustiker dokumentiert
die Anpassunterlagen prüffähig und bewahrt sie vier Jahre auf. Auf Verlangen der Krankenkasse stellt er die Anpassunterlagen
in den erforderlichen Einzelfällen, zB für den Medizinischen Dienst, kostenfrei zur Verfügung. Nachfolgend enthält § 6 Regelungen
zu Nachbetreuung und Garantie sowie § 7 Regelungen zu Vergütung der Leistungen.
In der Zusammenschau ergeben die Regelungen der RV damit kein anderes Rechtskonstrukt als dasjenige, das der Entscheidung
des 3. Senats vom 24.1.2013 zugrunde liegt. Der gesamte Vorgang der Leistungserbringung von der Vorlage der ärztlichen Verordnung
über die Anpassung und Auswahl der Hörgeräte bis zur Abrechnung mit dem Versicherten und seiner Kasse ist mit der Folge externalisiert,
dass grundsätzlich jeder Kontakt des Versicherten mit seiner Kasse und damit der Aufwand eines Verwaltungsverfahrens vermieden
wird. Dass eine Befassung der Kasse erst nach durchgeführter Versorgung erfolgt, ist notwendige tatsächliche Konsequenz einer
derartigen evident an Gesichtspunkten einer betriebsorganisatorischen Optimierung und Zielen des "lean management" orientierten
Handhabung nach dem Vorbild Privater, vermag allerdings rechtlich nicht das hieraus vom LSG abgeleitete Ergebnis zu begründen.
Als Träger öffentlicher Verwaltung (§
29 Abs
1 SGB IV, §
4 Abs
1 SGB IV) ist die Beigeladene nicht ermächtigt, sich ihrer verfassungsmäßigen Rechts- und Gesetzesbindung (Art
20 Abs
3 GG) zu entledigen und kann sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts insbesondere nicht durch eine faktische Privatisierung
selbst von der Erledigung der ihr übertragenen Verwaltungsaufgaben entbinden. Vielmehr müssen sich Träger wie die Beigeladene
in Abhängigkeit von der entsprechenden Willensbetätigung durch den Versicherten grundsätzlich bereits mit der Vorlage einer
vertragsärztlichen Verordnung bei ihrem Vertragspartner so behandeln lassen, als wäre unmittelbar bei ihnen ein Leistungsantrag
gestellt worden. Sie sähen sich andernfalls nicht nur zur Abbedingung zwingenden öffentlichen Rechts im eigenen Interesse
ermächtigt, sondern müssten obendrein als befugt betrachtet werden, ihre systemübergreifenden rehabilitationsrechtlichen Aufgaben
generell endgültig auf andere Träger abzuwälzen.
Aus den Nachfolgeregelungen in der ab 1.2.2005 geltenden Vereinbarung über die Versorgung von Versicherten ua der Betriebskrankenkassen
in Rheinland-Pfalz (Versorgungsvereinbarung - VersV) ergibt sich ungeachtet ihrer vorliegend ohnehin fehlenden zeitlichen
Anwendbarkeit strukturell nichts anderes. Versicherte, die gemäß §
19 S 1
SGB IV einen Antrag auf Versorgung mit Hörgeräten an ihre Kasse und damit zugleich einen Antrag auch auf Leistungen zur Teilhabe
iS von §§
1,
4 und
5 SGB IX stellen wollen, müssen damit ggf auch hiernach von Anfang an - ab dem Erstkontakt mit dem Leistungserbringer - so behandelt
werden, als hätten sie diesen Antrag bei dem für sie zuständigen Träger der GKV gestellt. Der Umstand, dass die Kassen in
Fällen der Folgeversorgung gegenüber den Hörgeräteakustikern "auf die Vorlage einer neuen vertragsärztlichen Verordnung" verzichten,
mag zwar für den Normalfall die Schlussfolgerung des LSG rechtfertigen, dass es dann regelmäßig auch nicht mehr zur Übergabe
einer Verordnung an den Hörgeräteakustiker kommt und insoweit auch die Möglichkeit entfällt, dass in der Übergabe gleichzeitig
ein schlüssig erklärter Antrag an die Kasse liegen könnte. Indessen ist auch dann der VersV ein Verbot der ärztlichen (Folge-)Verordnung
nicht zu entnehmen und bleibt vielmehr - wie sich aus §
73 Abs
2 Nr
7 SGB V ohne Weiteres ergibt - eine ärztliche Verordnung von Hörgeräten jederzeit möglich. Folglich kann der gerade formfrei mögliche
Antrag nach §
19 S 1
SGB IV auch unter Geltung der VersV - jedenfalls im Einzelfall - noch ohne Weiteres darin liegen, dass eine ärztliche Anordnung
- wie vorliegend - an den Hörgeräteakustiker übergeben wird. Soweit das BSG jedenfalls vor Inkrafttreten von §
33 Abs
5a SGB V die Auffassung vertreten hat, dass eine fehlende ärztliche Verordnung den Leistungsanspruch nicht ausschließt, weil sich
der Arztvorbehalt des §
15 Abs
1 S 2
SGB V nicht auf den Hilfsmittelbereich erstreckt (vgl exemplarisch BSG vom 10.3.2010 in SozR 4-2500 § 33 Nr 29), ergibt sich auch hieraus nichts anderes. Demgegenüber würde die Rechtsauffassung des LSG zu dem sinnwidrigen Ergebnis
führen, dass im Verhältnis des Hörgeräteakustikers zur Krankenkasse die Anwendbarkeit der VersV erst mit dessen Anzeige nach
§ 5 Abs 2 ebenda geklärt wäre und damit für notwendig vorher zu erbringende Leistungen wie die Ermittlung der (akustischen)
Kenndaten des Gehörs (§ 4 VersV und Anlage 4 hierzu) sowie die Durchführung der Anpassung (§ 3 Abs 8 S 1, § 5 Abs 3 VersV)
erst im Nachhinein rückwirkend feststünde, dass sie von Anfang an nach zwingenden Regelungen der VersV (§ 3 aaO) zu erbringen
sind. Für das Verhältnis des Versicherten zu seiner Kasse ergäbe sich hieraus zudem, dass die ggf zum Leistungsprogramm der
Kasse gehörenden Leistungen "Ermittlung der (akustischen) Kenndaten des Gehörs" und "Durchführung der Anpassung" zu deren
Lasten vor jeder möglichen Antragstellung zu erbringen sind und bis zur rückwirkenden Klärung durch die Versorgungsanzeige
des Hörgeräteakustikers ohne Bezug zu einem krankenversicherungsrechtlichen Anspruch/Verwaltungsverfahren bleiben, obwohl
gerade hierin ihre Funktion liegt.
Der Senat ist nicht deshalb gehindert, die genannten Bestimmungen in den Verträgen der Beigeladenen mit den Leistungserbringern
selbst auszulegen, weil das LSG deren Inhalt nicht - vollständig - ermittelt hat. Das würde selbst dann gelten, wenn es sich
insoweit um nicht revisibles Recht iS des §
162 SGG handelte. Die Vorschrift des §
162 Abs
2 SGG steht der Anwendung einer nicht revisiblen Rechtsnorm durch das Revisionsgericht dann nicht entgegen, wenn das Berufungsgericht
diese Rechtsnorm - wie hier - unberücksichtigt gelassen hat (BSG Urteil vom 10.4.2008 - B 3 KR 8/07 R - SozR 4-2500 § 127 Nr 2 mwN).
f) Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Versicherte, die mit einem Leistungserbringer gerade als Vertragspartner
ihrer Krankenkasse in Kontakt treten, damit grundsätzlich gleichzeitig den Antrag nach §
19 S 1
SGB IV stellen, den anders anzubringen ihnen durch das Verhalten ihrer Kasse faktisch gerade verwehrt ist. Aus der Sicht des Versicherten
besteht ein der Krankenkasse zurechenbarer Rechtsschein der Empfangszuständigkeit des Hörgeräteakustikers für Leistungsanträge
im Sinne einer geduldeten passiven Stellvertretung. Wer den Rechtsschein einer Vollmacht setzt, wird daran festgehalten, wenn
ein Dritter darauf berechtigterweise vertraut hat (vgl grundlegend BGHZ 5, 111, 116 und BGH NJW 1962, 1003). Für die aktive Stellvertretung ist dabei erforderlich, dass 1. ein zum Handeln in fremdem Namen nicht Befugter als Vertreter
aufgetreten ist, 2. der Geschäftsgegner davon ausgehen konnte und darauf vertraut hat, dass der als Vertreter Handelnde Vollmacht
habe, und 3. der Geschäftsherr das Verhalten des unbefugten Vertreters kannte und nicht dagegen eingeschritten ist, obwohl
ihm das möglich gewesen wäre. Im vorliegenden Zusammenhang beschränkt sich der Rechtsschein auf die Empfangszuständigkeit
des Hörgeräteakustikers für rehabilitationsrechtliche Leistungsanträge. Für die passive Stellvertretung ergibt sich der Vertretungswille
bereits aus den äußeren Umständen und bedarf daher nicht wie bei der aktiven Vertretung einer Kenntlichmachung des Vertreterwillens
(Schramm in Münchener Kommentar zum
BGB, 6. Aufl 2012, §
164 RdNr 133). Da die Krankenkasse im von ihr initiierten Versorgungsablauf praktisch das gesamte der ärztlichen Verordnung folgende
Antrags-, Bedarfsfeststellungs-, Versorgungs- und Abrechnungsverfahren den Hörgeräteakustikern überantwortet hat, begründet
sie bei ihren Versicherten ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass es sich beim Hörgeräteakustiker insoweit um eine zur
Antragsentgegennahme zuständige Stelle handelt. In der Folge des selbst gesetzten Rechtsscheins muss sich die Krankenkasse
behandeln lassen, als handele es sich bei dem von ihr mit den eigenen Verfahrenspflichten belasteten Leistungserbringer um
eine zur Antragsentgegennahme zuständige Stelle iS des §
16 Abs
2 SGB I (vgl BSG Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 - BSGE 52, 254 = SozR 2200 § 216 Nr 5 zum Vertrauen auf Unterrichtung der Krankenkasse nach einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Kassenarzt; BSG Urteil vom 8.10.1998 - B 8 KN 1/97 U R - BSGE 83, 30 = SozR 3-5670 § 5 Nr 1 zum Vertrauen auf die Pflichterfüllung des Arztes, dem Träger der Unfallversicherung den Verdacht
einer Berufskrankheit anzuzeigen; BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 VJ 1/08 R - SozR 4-3851 § 60 Nr 3 RdNr 19 mwN zum Entschädigungsanspruch im Impfschadensrecht kraft Rechtsscheins einer öffentlichen
Impfempfehlung).
Hierdurch ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allerdings nicht etwa ausgeschlossen, dass ausnahmsweise Hörgeräteakustiker
von Versicherten, denen ein freies Wahlrecht hinsichtlich des in Anspruch genommenen Rehabilitationsträgers zusteht, allein
in dieser Funktion - und nicht gleichzeitig als Repräsentant des Krankenversicherungsträgers - aufgesucht werden und damit
Raum für eine (Erst-)Antragstellung insbesondere bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt. Entscheidend
ist dann, welcher rechtlich objektivierte Wille sich aus der Gesamtheit der in diesem Sinne rechtlich relevanten Zeichen erschließen
lässt. Soweit das LSG auf der Grundlage von deren persönlicher Einvernahme einen subjektiven (inneren) Willen der Klägerin
festgestellt hat, durch die Übergabe der Hörgeräteverordnung an die Firma R. nicht "konkret" (S 20 des Berufungsurteils, Juris
RdNr 38) die Beigeladene in Anspruch zu nehmen, ist dies rechtlich unerheblich. Wie dargelegt, kommt es vorliegend auf den
nach außen positiv bekundeten Willen zur Antragstellung an, der auch schlüssig verlautbart werden kann. Soweit das Berufungsgericht
die Übergabe der Hörgeräteversorgung als (Einzel-)Tatsache festgestellt hat, hat es auch diesen Umstand allein im Licht seiner
unzutreffenden Rechtsauffassung gewürdigt und im Übrigen von einer Gesamtwürdigung im Kontext der rechtlich notwendig festzustellenden
Gesamtheit möglicher weiterer rechtlich einschlägiger Zeichenträger abgesehen. So hat es insbesondere nicht ermittelt, welchen
genauen Inhalt die vorliegend dem Hörgeräteakustiker vorgelegte ärztliche Hörhilfen-Verordnung "auf einem entsprechenden Vordruck"
hatte. Soweit sich aus der nachzuholenden Sachverhaltsaufklärung ergibt, dass der Arzt der Klägerin als Vertragsarzt gehandelt
und eine Verordnung zu Lasten der GKV vorgenommen hatte, könnte hierin ein Beweiszeichen für einen Willen zur Antragstellung
bei der Beigeladenen zu sehen sein. Unberücksichtigt ist bisher darüber hinaus geblieben, dass der von der Firma R. erstellte
Kostenvoranschlag nach den ausdrücklichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Seite 3) von Anfang an einen "Festbetrag
der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 992,41 €" vorsah. Hiermit ist die Annahme des LSG, die Klägerin habe einen
Antragswillen erstmals am 11.11.2004 gegenüber der Beklagten betätigt und von einer Antragstellung bei der Beigeladenen gerade
absehen wollen - jedenfalls nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse - nicht ohne Weiteres vereinbar. Erst unter Einbeziehung
dieser Umstände ist schließlich auch eine abschließende Beurteilung des objektiven Bedeutungsgehalts von Erklärungen der Klägerin
unter Berücksichtigung der für die Beigeladene verbindlichen Vereinbarungen mit Leistungserbringern möglich.
5. Kann im Anschluss an eine nunmehr ordnungsgemäße Erhebung und Würdigung aller für die Feststellung der Erstantragstellung
durch die Klägerin erheblichen Umstände abschließend beantwortet werden, welcher der beiden vorliegend in Betracht kommenden
Träger der erstangegangene ist, steht damit gleichzeitig fest, dass - bei Erfüllung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen
- allein dieser als Adressat des streitigen Erstattungsanspruchs in Betracht kommt. Hierzu muss ua die anspruchsauslösende
Selbstbeschaffung des notwendigen Hilfsmittels auf der vorangegangen Leistungsablehnung beruhen.
Dies kommt jedenfalls im Falle der Zuständigkeit der Beklagten bereits aufgrund des derzeit festgestellten Sachverhalts in
Betracht. Diese hatte mit dem angegriffenen Bescheid vom 29.11.2004 und dem Widerspruchsbescheid vom 1.3.2005 einen Naturalleistungsanspruch
der Klägerin abgelehnt und hierdurch Anlass zur Selbstbeschaffung gegeben. Der Senat ist diesbezüglich an die tatsächlichen
Feststellungen des LSG gebunden, wonach die Klägerin sich jedenfalls vor Erlass des Bescheides vom 29.11.2004 nicht auf ein
bestimmtes Gerät einer bestimmten Marke festgelegt hatte. Auch der eingereichte Kostenvoranschlag vom 9.11.2004 wurde demnach
im Laufe der Anpassungsphase erstellt, in welcher die Klägerin mehrere Vorschläge des Hörgeräteakustikers getestet und sich
dabei nicht bereits auf ein bestimmtes Gerät festgelegt hatte. Es gilt im Übrigen auch hier, dass ein Hilfsmittel nicht schon
mit seiner Auswahl "selbst beschafft" ist. Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und
scheidet deshalb als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Maßgeblich ist vielmehr erst ein unbedingtes
Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer (BSG Urteile vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, jeweils RdNr 44 und vom 3.8.2006 - B 3 KR 24/05 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 22). Hinsichtlich der Beigeladenen fehlt es bisher gleichermaßen an einer positiven oder negativen
Feststellung darüber, ob und ggf wann diese der Klägerin gegenüber einen - dann ggf von deren Klagebegehren (§
123 SGG) mitumfassten - Verwaltungsakt erlassen hat und in welchem zeitlichen Verhältnis hierzu der bisher nicht positiv festgestellte
endgültige rechtliche Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts steht. Die festgestellte Erstellung einer Rechnung durch die Firma
R. ermöglicht insofern allenfalls mittelbar Rückschlüsse, die das Berufungsgericht bisher indessen ebenfalls nicht gezogen
hat.
6. Der hiernach als allein leistungspflichtig in Betracht kommende Träger hatte den bei ihm gestellten und nicht fristgerecht
weitergeleiteten Antrag umfassend, dh an Hand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation
für Rehabilitationsträger vorgesehen sind, ohne dass insbesondere eine "künstliche" Aufspaltung in separate TeilLeistungsanträge
für die verschiedenen in Betracht kommenden Teilhabeleistungen in Betracht kommen könnte. Da sich die in §
14 Abs
1 und
2 SGB IX geregelte Zuständigkeit stets auf alle Rechtsgrundlagen erstreckt, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für behinderte
Menschen vorgesehen sind, und ihm nur ein einziger Anspruchsgegner gegenübersteht, kann es insofern auf ein Rangverhältnis
von Ansprüchen aus verschiedenen betroffenen Rechtsgebieten nicht ankommen.
Damit stellt sich jeweils zunächst die Frage, ob der krankenversicherungsrechtliche Primäranspruch der Klägerin auf den Festbetrag
begrenzt werden durfte (§
12 Abs
2 SGB V) oder die Klägerin einen - durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des §
12 Abs
1 SGB V begrenzten - Naturalleistungsanspruch aus Ausstattung mit den streitigen Hörgeräten (§
33 SGB V) hatte. Letzteres könnte nach der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG in Betracht kommen, weil es bei der Hörgeräteversorgung um die Frage des sog unmittelbaren Behinderungsausgleichs geht, die
von dem Ziel des vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet werden muss (BSG Urteil vom 17.12.2009 - BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, jeweils RdNr 18). Insofern würde das Maß der notwendigen Versorgung verkannt, wenn eine Krankenkasse
ihren Versicherten Hörgeräte ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur "zur Verständigung im Einzelgespräch unter
direkter Ansprache" zur Verfügung stellen müsste. Teil des von den Krankenkassen nach §
33 Abs
1 S 1
SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen
auch das Hören und Verstehen in großen Räumen und bei störenden Nebengeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand
der Hörgerätetechnik (§
3 Abs
1 S 3
SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen, was je nach Notwendigkeit auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten
einschließt (BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 31). Auch in Fällen des mittelbaren Behinderungsausgleichs ist ein Hilfsmittel im Übrigen
nach dem Recht der GKV zu gewähren, wenn damit die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder
gemildert werden könnten und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens - wie das Hören - betroffen wäre (BSGE
113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19 RdNr 32). Dagegen stößt der krankenversicherungsrechtliche Anspruch an seine Grenze, wo es um ausschließlich
berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile geht.
Ein Primäranspruch auf Hilfsmittelversorgung mit der besonderen Zielsetzung des Ausgleichs behinderungsbedingter Nachteile
gerade am Arbeitsplatz könnte der Klägerin indessen erforderlichenfalls nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung
zugestanden haben. Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt bei Vorliegen der persönlichen und versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen (§
9 Abs
2 SGB VI) Leistungen zur Rehabilitation, um den Auswirkungen ua einer Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten entgegenzuwirken
oder sie zu überwinden (Abs 1 S 1 Nr 1 aaO) und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr
vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wieder einzugliedern
(Abs 1 S 1 Nr 2 aaO). Soweit die Revision eine Verletzung des §
33 Abs
8 S 1 Nr
4 SGB IX rügt, übersieht sie, dass das LSG diese Vorschrift richtigerweise nicht zur Anwendung gebracht hat. §
33 Abs
8 S 1 Nr
4 SGB IX bestimmt, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch Hilfsmittel umfassen, "es sei denn, dass ... solche Leistungen
als medizinische Leistung erbracht werden können". Da dies gemäß §
15 Abs
1 S 1
SGB VI, §
26 Abs
2 Nr
6 SGB IX für Hilfsmittel der Fall ist, scheidet eine Qualifizierung der Hörgeräte als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben iS des
§
33 Abs
1, Abs
3 Nr
1 und 6, Abs
8 S 1 Nr
4 SGB IX iVm §§
9,
10,
11,
16 SGB VI von vornherein aus (vgl BSG Urteil vom 21.8.2008 - B 13 R 33/07 R - BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7).
Allerdings fehlt es derzeit jedenfalls an einer nachvollziehbaren Grundlage für die Annahme des LSG, die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen des §
11 SGB VI seien vorliegend erfüllt. Diese sind nach dem Wortlaut der Norm positiv festzustellen, sodass ein bloßer Mangel an Anhaltspunkten
für ihr Fehlen grundsätzlich nicht ausreicht. Auch kann die im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit allein dem Gericht obliegende
Feststellung tatsächlicher und rechtlicher Umstände nicht durch die Feststellung ersetzt werden, dass insofern zwischen den
Beteiligten kein Streit herrscht.
Schließlich genügen die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht, um auf ihrer Grundlage eine Zuordnung des Sachverhalts
zum Risikobereich eines der beteiligten Träger vorzunehmen. Das LSG hat ausgeführt, die Klägerin könne nach dem Gutachten
des Sachverständigen Dr. S. ausschließlich mit Hörgeräten in digitaler Mehrkanaltechnik und unter Verwendung spezieller Spracherkennungsprogramme
sowie einem Störgeräuschunterdrückungsprogramm versorgt werden, da sie am Arbeitsplatz auf die bestmögliche Kommunikation
angewiesen sei, sodass auch eine geringe Abweichung gegenüber einem schlechteren Festbetragsgerät nicht hinzunehmen sei. Hieraus
ist jedoch nicht erkennbar, ob Anforderungen, wie sie am Arbeitsplatz der Klägerin gestellt werden, nicht auch im Rahmen des
unmittelbaren Behinderungsausgleichs zugrunde zu legen sind, in dessen Rahmen die Träger der GKV - wie dargelegt - auch Hörgeräte
zur Verfügung zu stellen haben, die nicht nur die "Verständigung im Einzelgespräch unter direkter Ansprache" ermöglichen,
sondern hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in großen Räumen und bei störenden Nebengeräuschen
eröffnen. Den Ausführungen des Sachverständige Dr. S. liegt dabei offenbar ein Verständnis von "Alltag" zugrunde, das mit
dem insofern vorliegend rechtlich maßgeblichen Wahrnehmungsbereich nicht identisch ist.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.