Feststellung der Sozialversicherungspflicht eines Consultant im Finanzdienstleistungsbereich
Grundsatzrüge
Höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage
Zuordnung einer Tätigkeit zum rechtlichen Typus der abhängigen Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen die Feststellung der Sozialversicherungspflicht
des Beigeladenen zu 3. in seiner früheren Tätigkeit als Beschäftigter bei der Klägerin.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 7.5.2014 ist in
entsprechender Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung ihres Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Klägerin beruft sich in ihrer Beschwerdebegründung vom 19./22.8.2014 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Zwar kann auch eine bereits höchstrichterlich entschiedene Frage erneut klärungsbedürftig werden, hierfür ist jedoch
darzulegen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprochen worden ist oder dass sich völlig
neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn das BSG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen
sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage
geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 sowie SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6).
Die Klägerin hält die folgenden Fragen für grundsätzlich bedeutsam (S 13 der Beschwerdebegründung):
"Sind die vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung aufgeworfenen Abgrenzungskriterien aus den Entscheidungen vom
29.01.1981, 12 RK 63/79, vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R, vom 16.08.2010 - B 12 KR 100/09 B, vom 25.04.2012 - B 12 KR 24/10 R zwischen einem abhängigen und einem selbständigen Beschäftigungsverhältnis auch bei einem Versicherungsvermittler vor dem
Hintergrund der neu geschaffenen Gesetze zur Regulierung des Kapitalmarktes, insbesondere der §§ 34 d-f GewO, §§ 11, 22 DiskEFinVermV, § 14 Abs. 6 WpDVerOV, § 34 WpHG und 61 VVG noch aufrecht zu erhalten?
Bedarf es vor dem Hintergrund der zunehmenden Kapitalmarktregulierung bei einem Versicherungsvermittler- und Vermögensberatungsvertrag
der Heranziehung neuer Kriterien für die Abgrenzung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zu einem selbständigen?"
a) Die von der Klägerin formulierten Fragen genügen den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen
Bedeutung des Rechtsstreits bereits deshalb nicht, weil sie damit - anders als erforderlich - schon keine abstrakt-generellen
Rechtsfragen - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts
(vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl allgemein BSG vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - Juris RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - Juris RdNr 10; BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - Juris RdNr 7). Die Fragen sind nicht auf die Klärung abstrakter Rechtsfragen, sondern auf eine Entscheidung im Einzelfall
gerichtet. Es geht der Klägerin allein um die Anwendung der in der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen
abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit auf den Fall des bei ihr als "Consultant" im Finanzdienstleistungsbereich
tätig gewesenen Beigeladenen zu 3. Damit geht das Vorbringen der Klägerin schon nicht über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
unbeachtliche Subsumtionsrüge hinaus.
b) Den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen - ihre Qualität als in einem späteren
Revisionsverfahren prüfbare Rechtsfragen unterstellt - genügt die Klägerin ebenfalls nicht. Als höchstrichterlich geklärt
muss eine Rechtsfrage nämlich auch dann angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie zwar für einzelne Berufsgruppen oder
bestimmte Tätigkeitsfelder noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Vorschrift
jedoch schon viele höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von
der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. Hier kommt es dann in der Regel (lediglich) auf die Anwendung
der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt - eine bestimmte Berufsgruppe oder ein
bestimmtes Tätigkeitsfeld - an (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22).
Die Klägerin beschränkt sich darauf, vier Entscheidungen des Senats zu zitieren (Urteile des BSG vom 29.1.1981, 12 RK 63/79, vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R, vom 16.8.2010 - B 12 KR 100/09 B, vom 25.4.2012 - B 12 KR 24/10 R) und vorzutragen, für Handelsvertreter in der Finanzdienstleistungs- und Versicherungsbranche bestünden besondere gesetzliche
Vorgaben, die andere Maßstäbe und Bewertungskriterien erforderten (S 14 ff der Beschwerdebegründung). Die Klägerin verweist
auf ihre umfangreichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten über die erbrachten Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen,
insbesondere über Vereinbarungen mit Kunden nach § 34 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und § 14 Abs 6 Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV), die entsprechende Weisungen an die Berater
erforderten. Auch gebe § 61 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) besondere Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers vor. Wegen § 34d Gewerbeordnung [GewO] (Erlaubnispflicht für Versicherungsvermittler), wonach die Klägerin nur einen Handelsvertreter beschäftigen dürfe,
der die erforderliche Sachkunde nachweisen könne, sei es - anders als bei typischen selbstständigen Tätigkeiten - nicht möglich,
Tätigkeitsinhalte weiter zu delegieren. Dasselbe gelte im Hinblick auf § 34e GewO (Erlaubnispflicht für Versicherungsberater). Für Finanzanlagenvermittler bestehe die Erlaubnispflicht nach § 34f GewO. Auch diese dürften für die Klägerin nur tätig werden nach besonderem Sachkundenachweis. Die Klägerin verweist auch auf allgemeine
Verhaltens- und Aufzeichnungspflichten nach den Vorschriften der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (§§ 11, 22 FinVermV).
Darüber hinaus erforderten die hochkomplizierten Produkte der Branche eine Vorgabe der Klägerin, welche Produkte von dem jeweiligen
Berater angeboten werden dürften. Dies diene ebenfalls allein den gesetzlichen Vorschriften und schränke den Vermittler nicht
in seiner Selbstständigkeit ein. Auch sei es im Finanzdienstleistungs- und Versicherungssektor besonders wichtig, den Beratern
eine EDV-Software zur Verfügung zu stellen.
Eine bezogen auf das - hier entscheidungserhebliche - Versicherungs- und Beitragsrecht der Sozialversicherung erfolgende Auseinandersetzung
mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit im Rahmen einer Gesamtabwägung (vgl zum Ganzen
zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN) enthält die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht. Hierzu hätte
insbesondere gehört, die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung auf (gemeinsame) Beurteilungsgesichtspunkte
hin zu untersuchen oder in der gebotenen Weise Widersprüche und damit Klärungsbedarf herauszuarbeiten. Die Klägerin wendet
sich ausschließlich gegen die Anwendung der Kriterien zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit
durch die Berufungsinstanz in ihrem Einzelfall einer bestimmten beruflichen Tätigkeit. Auch soweit die Klägerin vorträgt,
die von ihr gestellten Rechtsfragen seien deshalb von grundsätzlicher Bedeutung, weil sowohl der BGH (Urteil vom 28.6.2011
- VIII ZB 91/10) als auch das BAG (Urteil vom 15.12.1999 - 5 AZR 770/98) abweichende rechtliche Beurteilungen vornähmen (S 20 ff der Beschwerdebegründung), war auch Inhalt dieser Entscheidungen,
die jeweiligen Umstände in ihrer Gesamtheit zu würdigen und einen Einzelfall als selbstständigen Handelsvertreter oder Arbeitnehmer
unter die anzuwendenden Rechtsnormen zu subsumieren. Erneuter Klärungsbedarf wird auch damit nicht hinreichend dargetan.
c) Schließlich wird die Beschwerdebegründung auch den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen
Frage nicht gerecht: Die Klägerin befasst sich insbesondere nicht damit, dass die Zuordnung einer Tätigkeit zum rechtlichen
Typus der (abhängigen) Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit nach deren Gesamtbild vorzunehmen ist und voraussetzt,
dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend
erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend
und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 25 mwN). Weil das LSG sein Ergebnis auf eine Gesamtabwägung verschiedener Indizien gegründet hat (vgl S 24 ff
des Berufungsurteils), hätte die Klägerin alle vom LSG in die Abwägung eingestellten Gesichtspunkte sowie deren jeweilige
vom LSG vorgenommene Gewichtung benennen und darlegen müssen, dass sich durch die von ihr favorisierte Beantwortung der formulierten
Frage das Gewicht der vom LSG in die vorgenommene Gesamtabwägung eingestellten Indizien so zu ihren (der Klägerin) Gunsten
verschieben würde, dass entgegen dem Abwägungsergebnis des LSG eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 3. nicht mehr angenommen
werden könnte. Zur Erfüllung entsprechender Darlegungen genügt es deshalb nicht, dass die Klägerin isoliert, dh losgelöst
von einer Gesamtabwägung vorträgt, weitergehende Weisungen in der Finanzdienstleistungs- und Versicherungsbranche stünden
einer Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 3. nicht entgegen. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass das LSG seiner
umfangreichen Abwägung aller festgestellten Tatsachen Ausführungen vorangestellt hat, wonach auch ein selbstständiger Handelsvertreter
- wenn auch eingeschränkt - Weisungen unterliegen kann (vgl S 25 ff des Berufungsurteils unter Bezugnahme auf BSG-Rechtsprechung).
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2, §
162 Abs
3 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.