Anspruch auf Verletztengeld in der gesetzlichen Unfallversicherung
Feststellung von Gesundheitsschäden als mittelbare Folgen eines Versicherungsfalls auch bei objektiv nicht durch einen Unfall
bedingten und vom Durchgangsarzt veranlassten Heilbehandlungen zu Lasten der Gesetzlichen Unfallversicherung
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die gesundheitlichen Folgen einer Operation als Folgen eines Arbeitsunfalls festzustellen
sind, sowie über die Zahlung von Verletztengeld.
Der in einer Spedition beschäftigte Kläger wurde am 19.9.2012 von einem Hubwagen angefahren und erlitt ein Anpralltrauma des
rechten Handgelenks mit einer Schürfung am ellenseitigen Handgelenk. Er begab sich in Behandlung des Durchgangsarztes (D-Arzt)
Dr. A.. Dieser stellte am rechten Handgelenk eine 2 mal 2 cm große Schürfwunde ellenseitig rechts, aber weder eine Fraktur
noch eine Weichteil- oder Bänderverletzung, sondern lediglich eine anlagebedingte Fehlstellung der distalen Elle bzw eine
Subluxation der Elle fest. Danach untersuchte der D-Arzt Dr. S. den Kläger am 9.10.2012. Dr. S. führte in seinem Bericht an
die Beklagte aus, die vom Kläger vorgetragenen erheblichen Schmerzen sowie die glaubhafte Versicherung, dass die Beschwerden
vor dem Unfall nicht bestanden hätten, ließen trotz des Magnetresonanztomographie (MRT)-Befunds an ein frisches Ereignis mit
Unfallzusammenhang glauben. Deshalb halte er die probatorische Transfixation der Elle mit Stellschraube für vier bis sechs
Wochen zu Lasten der gesetzlichen Unfallversicherung für indiziert. Der Kläger solle sich zur sofortigen Operation im Krankenhaus
N. vorstellen. Im Krankenhaus N. sah hingegen der D-Arzt Dr. L. keine Operationsindikation, sondern regte eine Vorstellung
in der Unfallbehandlungsstelle der Berufsgenossenschaften B. e.V. (UBS) an. Der dort tätige Arzt Dr. H. schlug eine Arthroskopie
des rechten Handgelenks zur Beurteilung der Verletzungsfolgen vor. Der D-Arzt Dr. S. operierte sodann den Kläger am 18.10.2012,
ohne dass zuvor die vorgeschlagene diagnostische Arthroskopie durchgeführt wurde. Im Anschluss an diese Operation litt der
Kläger unter dem Zustand nach Reposition und Transfixation der Elle rechts sowie Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im
rechten Handgelenk.
Die Beklagte erkannte das Ereignis vom 19.9.2012 als Arbeitsunfall an und stellte eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und
Behandlungsbedürftigkeit wegen der Handgelenksprellung mit Verschlechterung einer vorbestehenden Subluxationsstellung im distalen
Radio-Ulnar-Gelenk der Elle bis 13.11.2012 fest. Einen Anspruch des Klägers auf Verletztengeld und Übernahme der Behandlungskosten
über den 13.11.2012 hinaus lehnte sie ab, weil die diagnostizierte Subluxationsstellung der distalen Elle keine Unfallfolge
sei (Bescheid vom 24.7.2013 und Widerspruchsbescheid vom 14.11.2013).
Das SG hat unter Abänderung der Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Zustand nach Reposition und Transfixation der Elle
rechts, eine Algodystrophie im Bereich der rechten Hand sowie die Funktionseinschränkungen der rechten Hand Folgen des Unfalls
vom 19.9.2012 seien, und hat die Beklagte verurteilt, über den 23.2.2013 hinaus Verletztengeld zu zahlen (Urteil vom 23.9.2015).
Zur Begründung hat es ausgeführt, im Rahmen des §
11 Abs
1 Nr
1 und
3 SGB VII komme es nicht darauf an, ob eine Behandlung objektiv unfallbedingt notwendig gewesen sei. Maßgebend sei vielmehr, ob sich
nach den vorliegenden Umständen die Behandlung als Akt der Beklagten darstelle. Hierfür genüge es, dass der D-Arzt Dr. S.
dem Kläger zu verstehen gegeben habe, dass er von einer Behandlungsnotwendigkeit aufgrund des Unfalls ausgehe. Damit habe
er den Anschein erweckt, die Behandlung werde aufgrund des Unfalls durchgeführt.
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 2.3.2017). Zur Begründung hat es ausgeführt, die vom SG festgestellten Gesundheitsschäden seien nicht auf das als Arbeitsunfall anerkannte Ereignis zurückzuführen, weil bereits
vor der Operation eine habituelle, unfallfremde Subluxationsstellung im distalen Radio-Ulnar-Gelenk rechts vorgelegen habe.
Der Zustand nach Reposition und Transfixation der Elle rechts sei deshalb nicht durch den unfallbedingten Gesundheitsschaden
der Handgelenksprellung verursacht worden. Diese weiteren Gesundheitsschäden seien auch nicht durch eine Heilbehandlung iS
des §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII oder eine zur Aufklärung des Sachverhalts angeordneten Untersuchung iS von §
11 Abs
1 Nr
3 SGB VII verursacht worden. Es sei ein anlage- und kein unfallbedingter Gesundheitsschaden operiert worden. Die Folgen der Behandlung
eines solchen objektiv nicht durch den Unfall verursachten Gesundheitsschadens könnten nicht gemäß §
11 SGB VII dem Arbeitsunfall zugerechnet werden. Es komme deshalb nicht darauf an, ob der Kläger darauf habe vertrauen dürfen, dass
es sich bei der Operation um eine von der Beklagten veranlasste Heilbehandlung iS des §
11 Abs
2 Nr
1 SGB VII gehandelt habe. Deshalb habe der die Operation veranlassende D-Arzt Dr. S. auch nicht gehört werden müssen. Die bloße irrige
Vorstellung des Versicherten, er nehme an einer Maßnahme des Unfallversicherungsträgers teil, könne nicht dazu führen, Folgen
der Behandlung eines objektiv anlagebedingten Schadens dem Unfall zuzurechnen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des §
11 SGB VII. Die Operation sei eine Heilbehandlung der Unfallfolgen iS des §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII gewesen und damit Ursache der geltend gemachten und vom SG festgestellten weiteren Unfallfolgen. Für die Annahme einer mittelbaren Unfallfolge iS des §
11 SGB VII sei es gerade nicht erforderlich, dass ein Versicherungsfall objektiv vorgelegen habe. Es komme vielmehr darauf an, ob er
darauf habe vertrauen dürfen, dass es sich bei der Operation um eine von der Beklagten veranlasste, notwendige Heilbehandlung
gehandelt habe. Die Beklagte habe hier durch ihren D-Arzt Dr. S. bei ihm den Anschein erweckt, dass der Eingriff zur Behandlung
von Unfallfolgen erfolge.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 2.3.2017 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG
begründet (§
170 Abs
2 S 2
SGG). Der Senat kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht entscheiden, ob die geltend gemachten Gesundheitsstörungen
mittelbare Folgeschäden des Arbeitsunfalls vom 19.9.2012 iS des §
11 SGB VII sind und ob der Kläger Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld über den 26.2.2013 hinaus hat. Entgegen der Rechtsansicht
des LSG scheiden die vom SG benannten Gesundheitsstörungen nicht schon allein deshalb als festzustellende Unfallfolgen aus, weil die durch den D-Arzt
Dr. S. durchgeführte Operation objektiv lediglich der Behebung eines anlagebedingten Leidens diente, das gerade nicht auf
den anerkannten Arbeitsunfall zurückzuführen war. Maßgebend ist vielmehr, ob der Kläger aufgrund des Verhaltens des D-Arztes
Dr. S. den Eindruck haben durfte, die Operation solle gerade zur Behebung der Unfallfolgen durchgeführt werden. Zu den gesamten
Umständen der Beratung und Behandlung des Klägers durch den D-Arzt Dr. S. fehlt es aber an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen,
die das LSG - von seiner Rechtsansicht her konsequent - unterlassen hat.
Es ist über die vom Kläger gemäß §
54 Abs
1 SGG zulässig erhobene Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 24.7.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14.11.2013 zu entscheiden, soweit die Beklagte mit ihm die Anerkennung weiterer Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.9.2012
- neben der von ihr festgestellten Unfallfolge einer Handgelenksprellung und einer Verschlechterung einer vorbestehenden Subluxationsstellung
im distalen Radio-Ulnar-Gelenk der Elle bis 31.11.2012 - sowie die Zahlung von Verletztengeld über den 26.2.2013 hinaus abgelehnt
hat. Mit seiner zulässigen Feststellungsklage gemäß §
55 Abs
1 Nr
3 SGG (vgl dazu zB BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 31/11 R - NZS 2012, 909 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 12 ff) begehrt der Kläger die Feststellung des Zustands nach Reposition und Transfixation der
Elle rechts, die Algodystrophie im Bereich der rechten Hand sowie die Funktionseinschränkungen der rechten Hand als Folgen
des Unfalls vom 19.9.2012 (zum Anspruch auf Feststellung von unmittelbaren und mittelbaren Unfallfolgen BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 §
11 Nr
1, RdNr
12 ff). Darüber hinaus verfolgt er gemäß §
54 Abs
4 SGG einen Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld über den 26.2.2013 hinaus.
Aufgrund der vorhandenen Feststellungen des LSG kann der Senat nicht entscheiden, ob die vom SG als Unfallfolgen ausgeurteilten Gesundheitsschäden des Zustands nach Reposition und Transfixation der Elle rechts, einer
Algodystrophie im Bereich der rechten Hand sowie Funktionseinschränkungen der rechten Hand Folgen des Unfalls vom 19.9.2012
sind (hierzu unter 1.) und ob Verletztengeld über den 26.2.2013 hinaus zu zahlen ist (hierzu unter 2.).
1. Versicherte haben gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge, wenn
ein Gesundheitsschaden durch den Gesundheitserstschaden eines Versicherungsfalls oder infolge des Vorliegens eines der Tatbestände
des §
11 SGB VII rechtlich wesentlich verursacht wurde (vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 31/11 R - NZS 2012, 909 und vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1). Die weiteren Gesundheitsschäden des Klägers stellen objektiv betrachtet jedenfalls keine durch
den Gesundheitserstschaden verursachte Unfallfolge dar (hierzu unter a). Ob sie aber durch die Erfüllung eines Tatbestands
des §
11 SGB VII rechtlich wesentlich verursacht wurden (hierzu unter b), lässt sich auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend
entscheiden, weil hierfür maßgeblich ist, wie der Kläger die durchgeführte Operation nach den gesamten Umständen unter Berücksichtigung
von Treu und Glauben verstehen durfte (hierzu unter c).
a) Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die durch das SG als weitere Unfallfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen keine sog unmittelbaren Unfallfolgen eines Gesundheitserstschadens
iS des §
8 Abs
1 SGB VII sind. Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge eines Versicherungsfalls iS des §
8 SGB VII (im engeren Sinne), wenn sie gerade durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist.
Der Anspruch setzt grundsätzlich das "objektive", dh aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters, Vorliegen einer
Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls verursacht worden ist (vgl BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1 mwN). Diese Voraussetzung liegt hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten weiteren Gesundheitsschäden
nicht vor. Die Beklagte hat für die Beteiligten bindend als Gesundheitserstschaden lediglich eine Handgelenksprellung und
als Unfallfolge eine Verschlechterung einer vorbestehenden Subluxationsstellung im distalen Radio-Ulnar-Gelenk der Elle bis
zum 13.11.2012 anerkannt. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb den Senat
bindenden Feststellungen des LSG (vgl §
163 SGG) sind die vom SG ausgeurteilten weiteren Gesundheitsschäden schon rein naturwissenschaftlich nicht ursächlich durch den Gesundheitserstschaden
einer Handgelenksprellung oder einen anderen von der Beklagten festgestellten Gesundheitserstschaden des Unfallereignisses
vom 19.9.2012 hervorgerufen worden. Die geltend gemachten weiteren Schäden wurden nach den bindenden Feststellungen des LSG
zwar naturwissenschaftlich kausal iSd ersten Stufe der Wesentlichkeitstheorie durch die Operation verursacht (vgl zu den beiden
Prüfungsstufen der sog Wesentlichkeitstheorie: BSG vom 30.3.2017 - B 2 U 6/15 R - BSGE 123, 24-35 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 1103 Nr 1, RdNr 16; BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 = SozR 4-2700 § 9 Nr 26, RdNr 19 mwN; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 32 ff mwN). Es handelte sich bei dieser Operation aber nach den ebenfalls bindenden Feststellungen
des LSG lediglich um die Behebung eines anlagebedingten und bereits vor dem Unfall vorhandenen Leidens, der Subluxationsstellung
im distalen Radio-Ulnar-Gelenk der Elle.
b) Obwohl also durch den D-Arzt Dr. S. lediglich eine anlagebedingte Gesundheitsstörung - hier eine Subluxationsstellung im
distalen Radio-Ulnar-Gelenk der Elle rechts - behandelt wurde, können die vom SG ausgeurteilten Gesundheitsschäden des Zustands nach Reposition und Transfixation der Elle rechts, die Algodystrophie im Bereich
der rechten Hand sowie die Funktionseinschränkungen der rechten Hand gemäß §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII dem anerkannten Arbeitsunfall vom 19.9.2012 dennoch als sog mittelbare Unfallfolge zugerechnet und deshalb als Unfallfolgen
festgestellt werden. Denn auch objektiv nicht durch den Arbeitsunfall bedingte Heilbehandlungen können die Tatbestände des
§
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII oder §
11 Abs
1 Nr
3 SGB VII auslösen.
Gemäß §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalls auch Gesundheitsschäden oder der Tod des Versicherten infolge der Durchführung einer
Heilbehandlung. Anders als § 555 Abs 1
RVO setzt §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII nicht mehr voraus, dass bei der Heilbehandlungsmaßnahme ein "Unfall" vorliegt, sodass auch Gesundheitsstörungen ohne neues
Unfallereignis erfasst werden. §
11 SGB VII stellt eine spezielle Zurechnungsnorm dar, die Gesundheitsschäden auch dann einem anerkannten Versicherungsfall zurechnet,
wenn sie etwa durch die Durchführung einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder durch eine Untersuchung zur Aufklärung
des Sachverhalts wesentlich verursacht wurden. Aber auch diese gesetzliche Zurechnung setzt voraus, dass die Erfüllung des
jeweiligen Tatbestands des §
11 SGB VII durch das (behauptete oder anerkannte) Unfallereignis notwendig bedingt war (vgl BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1).
Die Durchführung einer Heilbehandlung iS des §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII liegt vor, wenn der Unfallversicherungsträger dem Versicherten einen Anspruch auf eine bestimmte Heilbehandlungsmaßnahme
nach den §§
26 ff
SGB VII - nicht notwendig durch Verwaltungsakt in Schriftform - bewilligt oder ihn durch seine Organe oder Leistungserbringer zur
Teilnahme an einer solchen diagnostischen oder therapeutischen Maßnahme aufgefordert hat und der Versicherte an der Maßnahme
des Trägers den Anordnungen der Ärzte folgend teilnimmt. Wie der Senat in seinem Urteil vom 5.7.2011 (B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1) ausgeführt hat, beruht die gesetzliche Zurechnung auf der (grundsätzlich auch mitwirkungspflichtigen)
Teilnahme des Versicherten an einer vom Unfallversicherungsträger oder diesem zurechenbar bewilligten oder angesetzten Maßnahme.
Es kommt rechtlich nicht darauf an, ob die Heilbehandlungsmaßnahme durch den Träger objektiv rechtmäßig war oder ob objektiv
ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (§
26 Abs
5 S 1
SGB VII) über die Bewilligung eines Anspruchs auf diese Heilbehandlung bestand. Nicht notwendig ist deshalb, dass objektiv, dh aus
der nachträglichen Sicht eines fachkundigen Beobachters, die Voraussetzungen eines Versicherungsfalls oder einer Unfallfolge
im engeren Sinne wirklich vorlagen. Auch objektiv nicht durch den Arbeitsunfall bedingte Heilbehandlungen können die Tatbestände
des §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII oder ggf §
11 Abs
1 Nr
3 SGB VII auslösen.
An dieser Rechtsprechung hält der Senat trotz der geäußerten Kritik fest (vgl auch BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 31/11 R - NZS 2012, 909 mwN). Soweit die Beklagte davon ausgeht, diese Rechtsprechung betreffe lediglich den Tatbestand der Untersuchung iS des §
11 Abs
1 Nr
3 SGB VII, trifft dies nicht zu. Die Ausführungen des Senats bezogen sich ausdrücklich auch auf den Tatbestand des §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII. Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten ist der Tatbestand des §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII auch dann erfüllt, wenn der Träger oder sein Leistungserbringer, und dabei insbesondere der D-Arzt, für den Versicherten
den Anschein gesetzt hat, es solle eine unfallversicherungsrechtliche Heilbehandlungsmaßnahme durchgeführt werden. Dass der
Wortlaut des §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII - anders als §
11 Abs
1 Nr
3 SGB VII - die "Anordnung" einer Heilmaßnahme nicht enthält, spricht nicht gegen diese Auslegung. Soweit die Beklagte darauf verweist,
dass es für den Versicherten unerheblich sei, ob es sich bei der Durchführung einer Heilbehandlung um eine berufsgenossenschaftliche
oder sonstige ärztliche Behandlung handele, trifft dies erkennbar nicht zu. Denn bei einer berufsgenossenschaftlichen Behandlung
werden ggf Kosten übernommen, die von der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung nicht getragen bzw erstattet werden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten werden durch diese Auslegung auch nicht Gesundheitsschäden entschädigt, die nicht in
die Risikosphäre der gesetzlichen Unfallversicherung fallen. Hat nämlich der Unfallversicherungsträger oder seine Leistungserbringer
durch ein ihm zuzurechnendes Verhalten bei dem Versicherten den Anschein geweckt, es solle eine unfallversicherungsrechtliche
Heilbehandlungsmaßnahme durchgeführt werden, sind durch diese Behandlung verursachte Schäden gerade auch auf ein Verhalten
des Unfallversicherungsträgers zurückzuführen. Es verwirklicht sich dann ein Risiko, vor dem die gesetzliche Unfallversicherung
ebenfalls schützen und für das bei Schadenseintritt durch §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII Entschädigung geleistet werden soll.
Erforderlich ist allerdings, dass der Unfallversicherungsträger die Maßnahme gegenüber dem Versicherten in der Annahme des
Vorliegens einer Unfallfolge im engeren Sinne veranlasst hat. Das Unfallereignis muss also notwendige Bedingung der Durchführung
der Heilbehandlungsmaßnahme gewesen sein. Für die Frage, ob eine solche dem Versicherten gegenüber angeordnete Maßnahme vorliegt,
kommt es entscheidend darauf an, ob der Träger durch seine Organe oder seine Leistungserbringer dem Versicherten den Eindruck
vermittelt hat, es solle gerade eine solche Maßnahme des Unfallversicherungsträgers durchgeführt werden. Zwar reicht allein
die bloß irrige Vorstellung des Versicherten, er nehme an einer unfallversicherungsrechtlichen Heilbehandlung teil, nicht
aus, den Zurechnungstatbestand des §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII zu erfüllen. Anders liegt es jedoch, wenn der Träger oder seine Leistungserbringer für den Versicherten den Anschein, beim
Erlass von Verwaltungsakten oder bei der Abgabe von Willenserklärungen ggf auch den Rechtsschein gesetzt haben, es solle eine
solche unfallversicherungsrechtliche Maßnahme durchgeführt werden (vgl BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1).
Eine Heilbehandlung iS des §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII liegt deshalb vor, wenn ein D-Arzt der gesetzlichen Unfallversicherung in dieser Funktion zur Behandlung einer von ihm als
unfallbedingt eingeschätzten Gesundheitsbeeinträchtigung ohne weiteren Kontakt zum Unfallversicherungsträger tätig wird oder
dem Versicherten gegenüber eindeutig und klar erklärt, dass es sich bei dem ärztlichen Eingriff um eine Heilbehandlungsmaßnahme
zu Lasten der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund eines Arbeitsunfalls handelt. Denn der D-Arzt hat gemäß §
27 Abs
1 des Vertrags nach §
34 Abs
3 SGB VII in der hier anwendbaren, ab 1.1.2011 geltenden Fassung unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Verletzung zu beurteilen
und zu entscheiden, ob eine allgemeine Heilbehandlung oder eine besondere Heilbehandlung erforderlich ist. Leitet er eine
besondere Heilbehandlung ein, so führt er die Behandlung durch. Dem D-Arzt kommt damit an dieser Stelle die Funktion eines
Amtswalters des Unfallversicherungsträgers zu, der für den Versicherungsträger verbindlich den Behandlungs- und Untersuchungsanspruch
des Versicherten konkretisiert und für dessen Fehler der Versicherungsträger ggf zu haften hat (vgl BGH vom 29.11.2016 - VI ZR 208/15 - BGHZ 213, 120). Bei den Zurechnungstatbeständen des §
11 SGB VII muss sich der Unfallversicherungsträger daher das Handeln des D-Arztes grundsätzlich zurechnen lassen (vgl BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1; vgl zur Einordnung des Handelns des Durchgangsarztes als Wahrnehmung einer öffentlich-rechtlichen
Aufgabe mit der Folge, dass die Unfallversicherungsträger für etwaige Fehler in diesem Bereich haften, BGH vom 29.11.2016
- VI ZR 208/15 - BGHZ 213, 120).
Maßgebend für das Vorliegen des besonderen Zurechnungstatbestands des §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII sind dabei die Anordnungen und sonstigen dem Versicherten gegenüber gezeigten Verhaltensweisen des konkret die Maßnahme ankündigenden
und durchführenden Unfallversicherungsträgers bzw des D-Arztes. Denn der D-Arzt kann durch sein dem Unfallversicherungsträger
zurechenbares Handeln den Tatbestand des §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII eröffnen, wenn ein an Treu und Glauben orientierter Versicherter die Erklärungen und Verhaltensweisen des D-Arztes als Aufforderung
zur Teilnahme an einer vom Unfallversicherungsträger gewollten Maßnahme verstehen durfte (vgl BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1). Der verletzte Versicherte, der sich ggf in einem akuten, emotional aufgeladenen Krankheitsgeschehen
befindet und selbst die medizinischen Fragen nicht überblickt, darf grundsätzlich auf die Angaben des D-Arztes vertrauen.
Hat der D-Arzt für den Versicherten den Eindruck erweckt, eine Maßnahme sei zur Behandlung einer Unfallfolge erforderlich
und als unfallversicherungsrechtliche Heilbehandlung durchzuführen, muss sich der redliche Versicherte hierauf verlassen können.
Allein die Tatsache, dass eine oder ggf sogar mehrere abweichende ärztliche Auffassungen existieren und dem Versicherten gegenüber
auch geäußert werden, genügt deshalb in der Regel noch nicht, den durch einen D-Arzt gesetzten Anschein einer durchzuführenden
Maßnahme zur Behandlung einer Unfallfolge zu beseitigen. Eine Zurechnung des Verhaltens des D-Arztes im Rahmen des Tatbestands
des §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII ist dagegen ausgeschlossen, wenn der Versicherte zB aufgrund einer klaren Äußerung des D-Arztes Kenntnis hat, dass kein Unfallerstschaden
und keine Unfallfolge behandelt werden sollen. Eine Zurechnung kann schließlich auch ausgeschlossen sein, wenn in kollusivem
Zusammenwirken zwischen D-Arzt und dem verletzten Versicherten Heilmaßnahmen zu Lasten des Unfallversicherungsträgers vorgenommen
werden, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
c) Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht entscheiden, ob der Kläger unter Berücksichtigung dieser
Grundsätze nach Treu und Glauben davon ausgehen durfte, dass die Operation durch den D-Arzt Dr. S. zur Durchführung einer
Heilbehandlung iS des §
11 SGB VII erfolgte. Das LSG hat zwar festgestellt, dass Dr. S. in seinem Zwischenbericht über die Untersuchung vom 9.10.2012 eine Operation
für erforderlich gehalten hatte, weil er trotz des MRT-Befunds an einen Ursachenzusammenhang glaubte. Ebenso hat es festgestellt,
dass er diese Operation durchführte und dass diese Operation kausal zu den weiteren, geltend gemachten Gesundheitsschäden
führte. Ob jedoch Dr. S. in dem Zeitraum zwischen der ersten Untersuchung und der dann durchgeführten Operation weiterhin
dieser Auffassung war und diese Überzeugung dem Kläger auch so vermittelte, ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen.
Das LSG wird daher aufzuklären haben, ob und welche Umstände vorlagen, die Aufschluss darüber geben könnten, dass Dr. S. bis
zu der Operation weiterhin von einer Behandlung eines Unfallerstschadens ausging und dies dem Kläger gegenüber auch so klar
zum Ausdruck brachte. Das LSG wird dabei insbesondere zu ermitteln haben, welche Erklärungen Dr. S. gegenüber dem Kläger abgegeben
hat. Anlass zu weiteren Ermittlungen zu dem Inhalt der Gespräche zwischen Dr. S. und dem Kläger besteht hier auch deshalb,
weil andere Ärzte offenbar nicht ohne Weiteres von der erforderlichen Behandlung eines Unfallerstschadens bzw einer unmittelbaren
Unfallfolge ausgegangen waren. Durch Befragung des Dr. S. und auch des Klägers wird daher zu ermitteln sein, inwiefern die
anderen ärztlichen Ansichten diesem mitgeteilt wurden und inwiefern es dem Kläger klar war, dass über die Notwendigkeit einer
unfallversicherungsrechtlichen Heilbehandlung medizinischer Streit bestand. So sah der D-Arzt Dr. L. in seinem Bericht an
die Beklagte vom 9.10.2012 keine Operationsindikation und regte eine Vorstellung in der UBS an. Er führte in diesem Bericht
aus, dies habe er telefonisch Dr. S. mitgeteilt. Dr. H., tätig für die UBS, hielt in seinem Bericht vom 15.10.2012 eine Arthroskopie
zur weiteren Aufklärung für indiziert, wenn sich dies aufgrund von MRT-Befunden ergebe. Die Voraussetzungen des Zurechnungstatbestands
des §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII dürften hier folglich nur dann gegeben sein, wenn das LSG zu der Feststellung gelangt, dass die Operation als Heilbehandlung
gemäß §
11 Abs
1 Nr
1 SGB VII von Dr. S. gerade in seiner Eigenschaft als D-Arzt angeordnet wurde und Dr. S. dem Kläger gegenüber den objektivierbaren
Anschein oder Rechtsschein gesetzt hat, dass die Operation im Rahmen der unfallversicherungsrechtlichen Zuständigkeit durchgeführt
wird. Konnte der Kläger insofern auf entsprechende Erklärungen und ein diesen entsprechendes Verhalten des Dr. S. vertrauen,
so kann dieses Vertrauen auch die Tatsache überwiegen, dass dem Kläger möglicherweise bekannt war, dass andere Ärzte eine
unterschiedliche Auffassung zur erforderlichen Heilbehandlung aufgrund des Unfallereignisses und des Gesundheitserstschadens
vertraten. Insofern verkennt die Revision und auch das LSG, dass der im unmittelbaren Eindruck eines Unfallgeschehens stehende
Verletzte kein rational kalkulierendes Subjekt ist, das verschiedene ärztliche Auffassungen zur Kausalität eines unfallbedingten
Krankheitsgeschehens jeweils objektiv abwägen und beurteilen kann. Jedenfalls spricht die Tatsache allein, dass unterschiedliche
Ärzte unterschiedliche Auffassungen vertraten, nicht dafür, dem Kläger von vorneherein abzusprechen, dass er subjektiv und
als medizinischer Laie auf eine dieser Meinungen vertrauen durfte.
2. Ob dem Kläger nach §
45 SGB VII unter Berücksichtigung der Regelungen des §
46 SGB VII Verletztengeld über den 23.2.2013 hinaus zu zahlen ist, kann der Senat schließlich ebenfalls mangels der erforderlichen Feststellungen
durch das LSG nicht entscheiden. Die Beklagte hatte die weitere Zahlung abgelehnt, weil eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit
wegen der Handgelenksprellung mit Verschlechterung der Subluxationsstellung im distalen Radio-Ulnar-Gelenk nur bis 13.11.2012
bestanden habe. Das LSG wird daher ua festzustellen haben, ob und wie lange unter Berücksichtigung der noch im Einzelnen konkret
festzustellenden weiteren Unfallfolgen Arbeitsunfähigkeit bestand, sowie ob die weiteren Voraussetzungen für die Zahlung von
Verletztengeld vorlagen.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.