Vergütung vertragsärztlicher Leistungen; Berechnung des Punktwerts für zeitgebundene und genehmigungsbedürftige Leistungen
der Psychotherapie
Gründe:
I
Der Kläger begehrt höheres Honorar für die von ihm in den Quartalen I/2000 bis III/2005 erbrachten psychotherapeutischen Leistungen.
Der Kläger, der als Facharzt für Neurologie und Psychotherapeutische Medizin an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt,
war in den streitbefangenen Quartalen ausschließlich psychotherapeutisch tätig. Mit Bescheid vom 24.11.2004 vergütete die
beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) auf der Grundlage einer Neuberechnung der Punktwerte für die antrags- und genehmigungspflichtigen
Leistungen des Abschnitts G IV des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä) aF dem Kläger für
den Zeitraum vom Quartal I/2000 bis zum Quartal I/2004 insgesamt 30 861,02 Euro nach. Mit Bescheid vom selben Tag rechnete
sie das Honorar für das Quartal II/2004 ab, mit weiteren Honorarbescheiden vom 23.2.2005, 24.5.2005, 22.8.2005, 7.12.2005
und 22.2.2006 die Honorare für die Quartale III und IV/2004, I, II und III/2005. Die Widersprüche gegen diese Bescheide wies
die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 15.6.2006 zurück. Während des anschließenden Klageverfahrens vergütete die Beklagte
aufgrund einer Neuberechnung der Punktwerte für die antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen der Psychotherapie für
die Quartale I/2000 bis IV/2001 insgesamt weitere 7349,81 Euro nach (Bescheid vom 17.7.2009). Für das Quartal IV/2000 erfolgte
mit Bescheid vom 6.1.2010 eine weitere Nachzahlung in Höhe von 518,66 Euro und mit Bescheid vom 7.1.2010 für probatorische
Sitzungen in den Quartalen I/2000 bis I/2005 weitere 42,10 Euro.
Der Bewertungsausschuss hatte mit am 18.2.2005 veröffentlichten Beschluss vom 29.10.2004 (DÄ 2005, A-457) zur Festlegung der
angemessenen Höhe der Vergütung für antrags- und genehmigungspflichtige Leistungen des Abschnitts G IV des EBM-Ä für die Zeit
ab dem 1.1.2000 ua im Absatz 2 des Beschlussteils 2.2.1.6 bestimmt: "Als Datengrundlage für den Ist-Umsatz wird das durchschnittliche
zum jeweiligen Zeitpunkt anerkannte Honorar je Arzt in Euro im entsprechenden Jahr nach sachlich-rechnerischer Richtigstellung,
alle abrechnenden Ärzte der Arztgruppe, die in jedem Quartal des entsprechenden Jahres jeweils mindestens eine Leistung abgerechnet
haben (ohne ermächtigte Ärzte), alle Leistungsarten, jedoch ohne Honorar aus belegärztlicher Behandlung, aus Kapitel O und
U, ohne Dialysesachkosten, ohne regional vereinbarte Kosten und ohne Honorar aus Vergütungen nach §
63 SGB V, verwendet."
Die Beklagte setzte diese Regelung in der Weise um, dass quartalsweise die Zahl der abrechnenden und an der Honorarverteilung
teilnehmenden, ihrer Fachgruppenzugehörigkeit nach relevanten Praxen (nicht: Ärzte) mit der Zahl der in ihr tätigen Vertragsärzte
ermittelt und deren Quartalshonorare sodann für ein Jahr zusammengezogen wurde, um jeweils den Vergleichsertrag zu ermitteln.
Das SG hat mit Urteil vom 8.9.2010 die Honorarbescheide für die Quartale II/2004 bis III/2005 sowie die Nachvergütungsbescheide
geändert und die Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Beklagte
sei bei der Bildung der Vergleichsgruppe zur Ermittlung eines angemessenen Punktwertes für die antrags- und genehmigungspflichtigen
Leistungen nach dem Kapitel G IV EBM-Ä aF fehlerhaft von der verbindlichen Vorgabe des Bewertungsausschusses im Beschlussteil
2.2.1.6 Unterabsatz 2 abgewichen. Nach dessen eindeutigem Wortlaut seien nur die Ärzte einzubeziehen, die im entsprechenden
Jahr in allen vier Quartalen jeweils mindestens eine Leistung abgerechnet hätten und nicht bereits die Ärzte bzw Praxen, die
lediglich in einem Quartal des Jahres mindestens eine Leistung abgerechnet hätten.
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG mit der angefochtenen Entscheidung das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe den Beschluss des Bewertungsausschusses in nicht zu beanstandender
Weise ausgeführt. Die Umsetzung des Beschlusses durch die Beklagte habe zwar nicht dem Wortlaut des Beschlusses entsprochen,
weil auch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte erfasst worden seien, die nicht in jedem Quartal des
entsprechenden Jahres jeweils mindestens eine Leistung abgerechnet hatten. Eine vollständige wortgetreue Umsetzung der Regelung
sei mangels arztbezogener Abrechnungsdaten aber objektiv unmöglich gewesen. Ein Blick auf Sinn und Zweck der Regelung ergebe,
dass zum einen auf die bei den KÄVen bereits vorhandenen Daten Rückgriff genommen werden sollte und dass zum anderen unter
Nutzung dieser Datengrundlage der Vergleichsertrag von Vergleichsarztgruppen ermittelt und anknüpfend daran eine angemessene
Höhe der Vergütung je Zeiteinheit und eine annähernd gleichberechtigte Teilhabe der psychotherapeutisch tätigen Leistungserbringer
an der vertragsärztlichen Gesamtvergütung gewährleistet werden sollten. Gemessen hieran sei die Umsetzung durch die Beklagte
rechtmäßig. Die Verwendung von praxenbezogenen Abrechnungsnummern habe bei Gemeinschaftspraxen keine Unterscheidung nach den
einzelnen Ärzten ermöglicht. Die von der Beklagten gewählte Vorgehensweise, alle Ärzte zu erfassen, die in allen Quartalen,
aber in unterschiedlichen Praxiskonstellationen Leistungen erbracht und abgerechnet hätten, habe eine breite Vergleichsbasis
geschaffen. Angesichts der erfahrungsgemäß zahlreichen unterjährigen Veränderungen in der Praxiskonstellation von Gemeinschaftspraxen
im Bereich der Beklagten wäre bei einer Berücksichtigung ausschließlich der Praxen, die in allen vier Quartalen eines Jahres
unter derselben Abrechnungsnummer Leistungen erbracht und abgerechnet hätten, ein erheblicher Teil der in Hamburg ganzjährig
praktizierenden Ärzte nicht einbezogen worden. Es sei aber darum gegangen, gerade die Umsätze der Vergleichsgruppen möglichst
vollständig zu erfassen, um eine Benachteiligung der psychotherapeutisch tätigen Leistungserbringer zu vermeiden.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers. Das Vorgehen der Beklagten stehe in Widerspruch zu den verbindlichen Vorgaben
des Bewertungsausschusses. Entgegen der Auffassung des LSG sei eine Umsetzung dieser Vorgaben nicht objektiv unmöglich gewesen.
Die Beklagte habe den Beschluss des Bewertungsausschusses auch nicht seinem Sinn und Zweck entsprechend umgesetzt. Den Vorgaben
werde nur eine Berechnung gerecht, bei der Ärzte, die nicht in allen Quartalen eines Jahres Leistungen erbracht und abgerechnet
hätten, unberücksichtigt blieben. Auch die "Grunddaten für die kassenärztliche Versorgung", auf die sich das BSG in den ersten Urteilen zur verteilungsgerechten Vergütung psychotherapeutischer Leistungen gestützt habe, basierten auf Daten
von Vertragsärzten mit vier Quartalsabrechnungen im Jahr. Das LSG räume selbst ein, dass die Beklagte ihre Datenbasis auf
reine Einzelpraxen und die ganzjährig unter einer Nummer abrechnenden Gemeinschaftspraxen hätte beschränken können. Es sei
nicht darum gegangen, so viele Ärzte wie möglich bei der Umsatzermittlung als Vergleichsgruppe zu erfassen, sondern lediglich
die Praxen zu erfassen, die nicht durch Krankheitsausfälle, Auf- und Abbau oder Umbau der Praxis besonders geringere Umsätze
aufzuweisen hatten. Nach den Erfahrungen aus anderen KÄV-Bezirken sei davon auszugehen, dass, soweit nur die Einkünfte der
in jedem Quartal des Jahres abrechnenden Ärzte berücksichtigt worden seien, von drei bis fünf Prozent höheren Umsatzwerten
für die optimal ausgelasteten Psychotherapiepraxen auszugehen sei. Die Beklagte hätte zumindest eine Vergleichsberechnung
anstellen müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Hamburg vom 7.6.2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Hamburg vom 8.9.2010
zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das LSG hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Neubescheidung hinsichtlich
der Vergütung der in den Jahren 2000 bis 2005 erbrachten zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen
Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä aF verneint. Die Punktwerte, die dem von der Beklagten erlassenen Nachvergütungsbescheid
sowie den Honorarbescheiden für die hier streitbefangenen Quartale I/2000 und III/2005 zugrunde lagen, sind entsprechend den
Vorgaben des Bewertungsausschusses im Beschluss vom 18.2.2005 berechnet worden.
1. Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung höheren vertragsärztlichen Honorars ist §
85 Abs
4 Satz 1 bis
3 SGB V (hier anzuwenden in der ab dem 1.1.2000 geltenden Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 [GKVRefG 2000] vom 22.12.1999,
BGBl I 2626, in der ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen
für Ärzte und Zahnärzte vom 11.12.2001, BGBl I 3526 sowie idF des ab dem 1.1.2004 geltenden GKV-Modernisierungsgesetzes vom
14.11.2003, BGBl I 2190). Danach steht jedem Vertragsarzt - und gemäß §
72 Abs
1 Satz 2
SGB V auch einem zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
- ein Anspruch auf Teilhabe an den von den Krankenkassen entrichteten Gesamtvergütungen entsprechend der Art und dem Umfang
der von ihm erbrachten - abrechnungsfähigen - Leistungen nach Maßgabe der Verteilungsregelungen des Honorarverteilungsmaßstabs
(HVM) zu. Ergänzende Regelungen für die Honorierung psychotherapeutischer Leistungen fanden sich in §
85 Abs
4 Satz 4
SGB V (idF des GKVRefG 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, sowie idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190).
Hiernach hatten die einzelnen KÄVen in ihren Verteilungsmaßstäben Regelungen zur Vergütung der Leistungen der Psychotherapeuten
und der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit
gewährleisten. Den Inhalt dieser Regelungen bestimmte gemäß §
85 Abs
4a Satz 1 letzter Halbsatz
SGB V (idF des GKVRefG 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626) erstmalig zum 28.2.2000 der Bewertungsausschuss.
a) Der Senat hat bereits mit Urteilen vom 28.5.2008 (B 6 KA 9/07 ua) zu Quartalen aus den Jahren 2002 und 2003 entschieden,
dass die Regelungen, die in dem am 18.2.2005 veröffentlichten "Beschluss gemäß §
85 Abs
4a SGB V durch den Bewertungsausschuss nach §
87 Abs
1 Satz 1
SGB V in seiner 93. Sitzung am 29.10.2004", aktualisiert um den Änderungsbeschluss aus der 96. Sitzung (DÄ 2005, A-457), zur Berechnung
der Psychotherapie-Punktwerte für den hier streitbefangenen Zeitraum getroffen wurden, rechtmäßig waren (BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr 42). Dies gilt auch für die weiteren hier streitbefangenen Zeiträume. Der Beschluss des Bewertungsausschusses
vom 18.2.2005 ersetzte die vom Senat teilweise für rechtswidrig erklärten (BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8) Vorgaben des Beschlusses vom 16.2.2000 (DÄ 2000, A-555 - für das Jahr 2000) sowie die mit gewissen
Modifizierungen erlassenen Nachfolgeregelungen für die Zeiträume 1.1.2001 bis 30.6.2002 (DÄ 2000, A-3291), 1.7.2002 bis 30.6.2004
(DÄ 2002, A-877) und ab dem 1.7.2004 (DÄ 2004, A-1357). Der Senat hat den Beschluss vom 18.2.2005 nur insoweit als rechtswidrig
angesehen, als er eine Honorarbereinigung hinsichtlich der Leistungen nach Kapitel O und U EBM-Ä aF auch für die Jahre 2000
und 2001 vorsah, in denen gemäß Nr 2.3 und 2.4 des Beschlusses für die Bestimmung des Vergleichsertrags ausschließlich die
Umsätze der Fachärzte für Allgemeinmedizin im hausärztlichen Versorgungsbereich maßgeblich waren. Im Hinblick auf diese Rechtsprechung
hat der Bewertungsausschuss eine entsprechende Bereinigung des Honorars beschlossen (DÄ 2009, A-212) und die Beklagte eine
Neuberechnung der Punktwerte für die betroffenen Quartale vorgenommen und Nachzahlungen geleistet (Bescheide vom 17.7.2009
und 6.1.2010). Soweit der Senat darüber hinaus die Vergütung der probatorischen Sitzungen für unzureichend gehalten hat, hat
die Beklagte ebenfalls eine Neuberechnung vorgenommen, die zu einer Honorarnachzahlung geführt hat (Bescheid vom 7.1.2010).
Der Senat hat in den Urteilen vom 28.5.2005 ausgeführt, dass nach dem seit dem 1.1.2000 geltenden Regelungskonzept des GKVRefG
2000 die zuvor in erster Linie von der Rechtsprechung wahrgenommene Aufgabe der Sicherung einer angemessenen Vergütung für
psychotherapeutische Leistungen je Zeiteinheit primär dem Bewertungsausschuss (§
87 Abs
1 Satz 1 und Abs
3 SGB V) übertragen worden sei. Dieser sollte im Interesse einheitlicher Vergütungsgrundsätze für psychotherapeutische Leistungen
im ganzen Bundesgebiet die maßgeblichen Vorgaben auf normativer Ebene treffen. Zur Erreichung dieses Ziels habe er den Inhalt
der von der einzelnen KÄV im Rahmen der Honorarverteilung anzuwendenden Regelungen zur Vergütung der genannten psychotherapeutischen
Leistungen vorzugeben; diese Inhaltsbestimmung binde die einzelne KÄV. Das vom Gesetz selbst vorgegebene Normkonkretisierungsprogramm
werde ausgehöhlt, wenn entweder die einzelne KÄV oder aber die Gerichte diese Vorgaben unter unmittelbarem Durchgriff auf
das Merkmal der "Angemessenheit" in §
85 Abs
4 Satz 4
SGB V außer Acht ließen. Deshalb sei eine HVM-Regelung, die der vom Bewertungsausschuss vorgegebenen Inhaltsbestimmung widerspreche,
rechtswidrig und unwirksam (BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr 42, RdNr 16 unter Bezugnahme auf BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, RdNr 14).
Nach der Regelungskonzeption der zunächst vom Bewertungsausschuss gefassten Beschlüsse war zur Berechnung des KÄV-spezifischen
Psychotherapie-Punktwertes der Soll-Umsatz ausschließlich psychotherapeutisch tätiger Vertragsärzte bzw -psychotherapeuten
(im Folgenden: Psychotherapeuten) durch den in der Modellberechnung des Senats zugrunde gelegten jährlichen Leistungsbedarf
einer voll ausgelasteten psychotherapeutischen Praxis von 2 244 600 Punkten zu dividieren. Der Soll-Umsatz der Psychotherapeuten
wiederum war zu ermitteln, indem - unter Zugrundelegung der Verhältnisse des Jahres 1998 - der durchschnittliche Ertrag einer
zum Vergleich herangezogenen anderen Arztgruppe im Bezirk der jeweiligen KÄV um den Durchschnittsbetrag der Betriebsausgaben
voll ausgelasteter Psychotherapeuten aufgestockt wurde. Ab dem 1.7.2002 war für die Berechnung des Soll-Umsatzes der Psychotherapeuten
nicht mehr der Durchschnittsertrag hausärztlich tätiger Allgemeinmediziner im Jahr 1998, sondern derjenige von sieben großen
Arztgruppen - Augenärzte, Chirurgen, Frauenärzte, HNO-Ärzte, Hautärzte, Orthopäden und Urologen (sog "Fachgruppenmix") - aus
dem fachärztlichen Versorgungsbereich heranzuziehen, wobei nunmehr Umsätze für belegärztliche Leistungen, für Dialysesachkosten,
für gesondert regional vereinbarte Leistungen sowie für Leistungen der Kapitel O und U des EBM-Ä aF außer Betracht blieben
(aaO, Teil A Nr 2.2.4, 1. und 3. Spiegelstrich).
Die Vorgaben im Beschluss des Bewertungsausschusses vom 18.2.2005 für die Ermittlung des Vergleichsertrags der zum Einkommensvergleich
herangezogenen Arztgruppen hat der Senat in seinen Urteilen vom 28.5.2008 nicht beanstandet (BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr 42 RdNr 40 ff). Mit der hier streitigen Frage hat der Senat sich allerdings nicht ausdrücklich befasst,
sondern zu diesem Punkt lediglich ausgeführt, dass die Vorgaben in Nr 2.5 bis 2.7 des Beschlusses vom 18.2.2005 den Entscheidungen
des Senats gerecht würden, wonach für Zeiträume bis Ende 1998 für den Einkommensvergleich die Werte der Arztgruppe der Allgemeinmediziner
heranzuziehen seien und es außerdem sachgerecht sei, jeweils auf die Umsatz- und Ertragsdaten der Vergleichsgruppe im vorvergangenen
Jahr zurückzugreifen, sowie dass ab dem Jahr 2002 nur noch auf fachärztliche Arztgruppen im unteren Einkommensbereich abgestellt
werden könne. In den hiernach maßgeblichen Durchschnittsertrag flössen sogar die Erträge von Arztgruppen mit traditionell
überdurchschnittlichen Einkommen - namentlich der Orthopäden - mit ein, obwohl dies rechtlich nicht geboten sei. Der Rückgriff
auf den Durchschnitt immer derselben Facharztgruppen trage außerdem dazu bei, stärkere Schwankungen sowohl bei den einzelnen
Arztgruppen im Lauf der Zeit als auch bei deren Rangstelle im Einkommensgefüge innerhalb der jeweiligen KÄV auszugleichen.
Hierdurch würden zufällige Resultate, die im Rahmen von gleichheitsorientierten Modellberechnungen problematisch sind (vgl
BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 36 RdNr 17), ebenso vermieden wie ein starkes Auseinanderdriften der Mindestpunktwerte in den einzelnen KÄV-Bezirken (BSGE
100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr 42, RdNr 41). Auf dieser Grundlage steht die Vereinbarkeit der Vorgaben des Bewertungsausschusses zur
Ermittlung des Vergleichsertrages mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht in Zweifel.
b) Den nicht zu beanstandenden Vorgaben der Berechnungsweise des Vergleichsertrags durch den Bewertungsausschuss ist die Beklagte
gerecht geworden. Zwar entsprach ihre Vorgehensweise bei der Ermittlung des Vergleichsertrags nicht dem Wortlaut der Ziffer
2.2.1.6 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 18.2.2005. Entgegen der dort formulierten Anforderung, das anerkannte
Honorar aller abrechnenden Ärzte der Arztgruppe, die in jedem Quartal des entsprechenden Jahres mindestens eine Leistung abgerechnet
haben, als Datengrundlage zu verwenden, hat die Beklagte in die Datengrundlage auch solche Ärzte und Praxen einbezogen, die
nicht in jedem Quartal des Referenzjahres Leistungen erbracht und abgerechnet hatten. Dieses Vorgehen entsprach aber dem Sinn
und Zweck der Vorgaben des Bewertungsausschusses. Angesichts der auch bei einer wortgetreuen Umsetzung zwangsläufig zu erwartenden
Verwerfungen war es jedenfalls vertretbar, die Grenzen der Datenerhebung weiter zu stecken, um gerade auch die Umsätze größerer
Gemeinschaftspraxen (seit dem 1.1.2007: Berufsausübungsgemeinschaften) einzubeziehen.
Das LSG hat zu Recht ausgeführt, dass die Gewinnung eines realitätsnahen Vergleichswertes eine möglichst breite Datenbasis
erfordert. Mit der Vorschrift, dass nur solche Ärzte berücksichtigt werden, die in jedem Quartal des entsprechenden Jahres
jeweils mindestens eine Leistung abgerechnet haben, sollte sichergestellt werden, dass Praxen in Auf- und Abbau, die typischerweise
ein unterdurchschnittliches Honorar erwirtschaften, außen vor bleiben. Zwar hat die Beklagte bei ihrer Datenerhebung auch
diese Praxen mit potentiell unterdurchschnittlichem Honorar einbezogen. Bei einem allein am Wortlaut des Beschlusses orientierten
Vorgehen wären aber auch Gemeinschaftspraxen, die zwar in allen Quartalen des Referenzjahres Leistungen abrechneten, deren
Zusammensetzung sich aber im Laufe eines Jahres änderte, unberücksichtigt geblieben. Das ist Folge des Umstands, dass es im
Referenzzeitraum noch keine lebenslange Arztnummer (eingeführt zum 1.8.2007) gegeben hat. Eine Ermittlung der vom Bewertungsausschuss
bezeichneten Umsätze der Vergleichsgruppen war technisch nur über die von der KÄV vergebenen Abrechnungsnummern möglich. Diese
erfassten aber nur Arztpraxen, nicht einzelne Ärzte. Das muss auch dem Bewertungsausschuss bewusst gewesen sein, sodass sich
die Wendung "Ärzte" im maßgeblichen Beschluss sinngemäß auf "Arztpraxis" beziehen musste. Die einheitliche Abrechnungsnummer
einer Gemeinschaftspraxis änderte sich, sobald eine personelle Veränderung eintrat. Obgleich die Gemeinschaftspraxis fortbestand,
hätte die Vergabe der neuen Abrechnungsnummer nach einem Wechsel der Zusammensetzung dazu geführt, dass die Praxis bei der
Ermittlung des Vergleichshonorars nicht hätte berücksichtigt werden können.
In dieser Situation hatte die Beklagte die Möglichkeit, den Beschluss des Bewertungsausschusses ausschließlich wortlautgetreu
umzusetzen und sich auf die Ermittlung der Honorare der Einzelärzte bzw Praxen zu beschränken, die in jedem Quartal des entsprechenden
Referenzjahres unter derselben Abrechnungsnummer mindestens eine Leistung abgerechnet hatten. Die Alternative bestand in dem
von ihr praktizierten Verfahren einer quartalsbezogenen Betrachtung, bei der der Kreis der in die Vergleichsbetrachtung einbezogenen
Leistungserbringer erheblich erweitert wurde. Beide Berechnungsweisen hatten Vor- und Nachteile im Hinblick auf die vom Bewertungsausschuss
intendierte möglichst realitätsnahe Erfassung der Umsätze der Vergleichsgruppen. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden,
dass sich die Beklagte angesichts der unvermeidbar entstehenden Ungenauigkeiten gegen eine strikt wortlautbezogene Vorgehensweise
entschieden hat. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat in der von der Beklagten veranlassten Stellungnahme eingeräumt,
dass bei einer Ermittlung des Ist-Umsatzes allein anhand einer gleichbleibenden praxisbezogenen Abrechnungsnummer Gemeinschaftspraxen,
die im gesamten Referenzjahr tätig waren, aber unter verschiedenen Nummern abrechneten, nicht einbezogen waren. Bei einem
solchen Vorgehen hätte aber die Gefahr bestanden, dass ein erheblicher Anteil von Praxen, die in Wirklichkeit Leistungen in
allen Quartalen eines Jahres abgerechnet hatten, zu Unrecht unberücksichtigt geblieben wäre. Dabei hätte es sich vor allem
auch um besonders große und umsatzstarke Gemeinschaftspraxen gehandelt, in denen es erfahrungsgemäß häufig zu einem Wechsel
der Mitglieder kommt. Hinzu kommt, dass gerade umsatzstarke Fachgruppen wie die Orthopäden überdurchschnittlich häufig in
Gemeinschaftspraxen tätig sind. Beim Vorgehen der Beklagten wurden alle Abrechnungsdaten erfasst, was zu einer umfassenden
und auch einer den wertenden Vorgaben des Bewertungsausschusses entsprechenden Datenbasis geführt hat. Ob tatsächlich die
allein am Wortlaut des Beschlusses des Bewertungsausschusses orientierte oder die modifizierte Datenerhebung letztlich zu
höheren Punktwerten für die psychotherapeutischen Leistungen führen würde, hätte nur durch eine Vergleichsberechnung festgestellt
werden können. Hierzu war die Beklagte indes nicht verpflichtet. Das LSG hat zu Recht ausgeführt, dass die prospektive Einschätzung
der Beklagten, dass die Einbeziehung auch der Praxen, die nicht in allen Quartalen des Referenzzeitraums Leistungen abgerechnet
hatten, geringere Verzerrungen verursacht als die Nichtberücksichtigung durchgehend bestehender Gemeinschaftspraxen, jedenfalls
vertretbar war.
c) Die Berechnungsweise der Beklagten hat auch insgesamt zu einem "auskömmlichen" Punktwert geführt. So war für das Jahr 2002
und die Quartale I und II des Jahres 2003 im Bescheid vom 24.11.2004 ein Mindestpunktwert für die antrags- und genehmigungspflichtigen
psychotherapeutischen Leistungen in Hamburg 4,99 Cent, in den Quartalen III/2003 bis II/2004 4,86 Cent ausgewiesen. Mit diesen
Punktwerten scheidet eine nach den Grundsätzen des Senats unangemessen niedrige Vergütung aus (vgl dazu zuletzt BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 61). Der Senat hat in seinem Urteil vom 28.5.2008 ausgeführt, dass die Berechnungsvorgabe des Bewertungsausschusses im
Bereich der damaligen Beklagten (KÄV Sachsen) im Jahr 2002 zu einem Psychotherapie-Punktwert von 4,37 Cent geführt habe. Dieser
Punktwert ermögliche einer voll ausgelasteten psychotherapeutischen (Modell-)Praxis mit einem Leistungsbedarf von 2 244 600
Punkten aus zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen Leistungen einen Umsatz von 98 089 Euro, was nach Abzug der Betriebskosten
in Höhe von 40 634 Euro einem Ertrag von 57 455 Euro im Jahr entspricht. Für das Jahr 2003 errechne sich unter Anwendung der
Psychotherapie-Punktwerte von 4,37 bzw 4,47 Cent (erstes bzw zweites Halbjahr - Durchschnitt 4,42 Cent) ein Ertrag von 58
577 Euro. Ein Vergleich dieser Beträge mit den Erträgen anderer Facharztgruppen im unteren Einkommensbereich (Werte dieser
Gruppen berechnet auf der Grundlage der mittleren Gesamthonorare je Arztgruppe gemäß den von der Beklagten in den "KVS-Mitteilungen"
jeweils veröffentlichten "Grunddaten der Punktwertberechnung" sowie der Kostenquoten gemäß der Kostenstrukturanalyse 1999
des ZI, ausgewiesen in Tabelle D 4 der Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland 2001) zeige, dass die Gewinne
der psychotherapeutischen (Modell-)Praxis in den Jahren 2002 und 2003 zu diesen Arztgruppen aufschließen konnten. Die Erträge
der Nervenärzte seien mit 60 784 Euro (2002) bzw 59 981 Euro (2003) zwar etwas höher gewesen, hätten aber in demselben Bereich
gelegen. Die Gewinne der Hautärzte seien nur im Jahr 2002 höher gewesen (62 829 Euro), seien jedoch bereits 2003 im Vergleich
zur psychotherapeutischen (Modell-)Praxis etwas niedriger ausgefallen (58 531 Euro). Wenn die Vorgaben im Beschluss des Bewertungsausschusses
vom 18.2.2005 zur Berechnung der Psychotherapie-Punktwerte in den Jahren 2002 und 2003 im Vergleich mit weiteren Arztgruppen
solche Ergebnisse bewirkten, sei dem gesetzlichen Gebot angemessener Vergütung der Leistungen der Psychotherapeuten (§
85 Abs
4 Satz 4
SGB V) Genüge getan. Der Senat hat bekräftigt, dass die psychotherapeutisch tätigen Ärzte und Psychologen nicht beanspruchen können,
bei Vollauslastung ihrer Praxen den durchschnittlichen Überschuss aller Vertragsärzte zu erreichen (BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr 42, RdNr 47 f). Es ist unter dem Aspekt der Honorarverteilungsgerechtigkeit vielmehr hinreichend, dass
voll ausgelastete Psychotherapeuten die Chance erhalten, mit ihrer Tätigkeit Überschüsse zu erwirtschaften, die denjenigen
anderer fachärztlicher Gruppen im unteren Einkommensbereich entsprechen. In diesem Zusammenhang hat der Senat besonders auf
die Nervenärzte hingewiesen, mit deren Leistungsspektrum dasjenige der Psychotherapeuten am ehesten vergleichbar ist (BSG aaO unter Hinweis auf BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, RdNr 34; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 36 RdNr 14). Nach diesen Maßstäben sind die von der Beklagten hier ermittelten - jedenfalls ab dem Quartal I/2000 noch
deutlich höheren - Punktwerte im Ergebnis ausreichend, um das angestrebte Honorarniveau zu erreichen. Die Umsätze der Psychotherapeuten
lagen nach den von der Beklagten für den streitbefangenen Zeitraum vorgelegten Daten zwar deutlich unter den Arztgruppen im
"Fachgruppenmix". Bei den Punktwerten zeigte sich aber kein so deutlicher Abstand. So hatte im Quartal I/2005 aus den Vergleichsgruppen
die Fachgruppe der HNO-Ärzte rechnerisch für alle Leistungen den höchsten Punktwert mit ca 4,9 Cent, die Psychotherapeuten
einen Punktwert von ca 4,4 Cent. Bezogen auf den Umsatz pro Arzt/Psychologischer Psychotherapeut ist in dem Zeitraum von 2000
bis 2006 insgesamt eine deutliche Steigerung zu verzeichnen, während die Vergleichsgruppen Einbußen hinnehmen mussten.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von §§
154 ff
VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos betriebenen Revisionsverfahrens (§
154 Abs
2 VwGO).