Kostenerstattung für eine selbst beschaffte Leistung; Übernahme der Kosten einer Ausbildung als Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben; Primärleistungsanspruch; Ermessensleistungen
Tatbestand:
Im Streit steht die Verpflichtung der Beklagten, die Kosten einer Ausbildung des Klägers zum Kunsttherapeuten als Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben zu übernehmen.
Der am.1951 in G. geborene Kläger ist anerkannter Asylberechtigter und nunmehr deutscher Staatsangehöriger. Er erwarb im Heimatland
einen "Bachelor of Arts (Art)" der Universität für Wissenschaft und Technik in K. (G.) und war - so seine Angaben - danach
als Lehrer, Politiker und Professor sowie in einem Bildungsministerium und in einer Botschaft tätig. Nach seiner Einreise
in Deutschland arbeitete er ab dem 14.05.1991 als Hausschreiner (Aufbau von Möbeln nach Plan) in einem großen Möbelhaus. Wegen
eines Arbeitsunfalls am 19.12.1998 (Schädelprellung durch herab fallende Möbel) war er bis 16.01.1999 und anschließend wegen
einer Polyneuropathie unklarer Genese und eines Verdachts auf eine Somatisierungsstörung auf Dauer arbeitsunfähig (Gutachten
des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - MDK - vom 28.05.1999); er bezog Krankengeld bis zur Aussteuerung am 17.07.2000.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aus gesundheitlichen Gründen durch Aufhebungsvertrag zum 30.04.2000.
Im März 1999 beantragte der Kläger bei der Landesversicherungsanstalt Württemberg (LVA - Rechtsvorgängerin der Beklagten,
nachfolgend Beklagte) medizinische und berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid
vom 03.08.1999 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation wegen fehlender
versicherungsrechtlicher Voraussetzungen unter Hinweis auf die Zuständigkeit der Arbeitsverwaltung und mit ebenfalls bestandskräftig
gewordenem Bescheid vom 24.11.1999 einen weiteren Antrag vom 15.06.1999 mangels erheblicher Gefährdung oder Minderung der
Erwerbsfähigkeit ab. Die diesbezüglichen Verwaltungsakten sind vernichtet. Die medizinische Rehabilitation förderte die Beklagte
in Form eines stationären Aufenthaltes vom 26.07.1999 bis 30.08.1999 in der Reha-Klinik G ... Im Entlassungsbericht ist vermerkt,
dass sich der Kläger am 26.08.1999 beim Reha-Fachberater der Beklagten vorgestellt hatte mit dem Ergebnis, dass er seine Tätigkeit
im Möbelhaus nicht mehr ausführen könne und er eine Eingliederung entsprechend seiner akademischen Ausbildung anstrebe. Bei
einer ärztlichen Untersuchung für die Beklagte im Rahmen der Abklärung der Voraussetzungen für berufsfördernde Leistungen
gab der Kläger gegenüber Dr. S. am 03.03.2000 an, ihm sei eine Ausbildung zum Kunsttherapeut oder Seelsorger wichtig, dort
lägen seine Stärken (vgl. sozialmedizinisches Gutachten der Dr. S. vom 03.03.2000, Leistungsbeurteilung dort: nur leichte
körperliche Arbeiten ohne Zwangshaltung und häufiges Bücken überwiegend im Sitzen zumutbar).
Im Oktober 2000 nahm der Kläger eine Ausbildung zum Kunsttherapeuten bei der staatlich anerkannten Fachhochschule für Kunsttherapie
in N. auf, die er am 15.07.2004 erfolgreich abschloss. Seit dem 01.09.2004 ist er als Kunsttherapeut in einer Einrichtung
der Behindertenhilfe halbtags beschäftigt.
Am 09.07.2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für sein Kunsttherapiestudium als berufsfördernde
Leistungen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte aus medizinischen Gründen ab (Bescheid vom 06.08.2001 und Widerspruchsbescheid
vom 13.05.2002). Im Rahmen der hiergegen vom Kläger beim Sozialgericht Stuttgart erhobenen Klage (S 9 RJ 2831/02) gab die Beklagte folgendes vom Kläger zur Erledigung des Rechtsstreits im Februar 2003 angenommene Vergleichsangebot ab:
"1. Die LVA Baden-Württemberg erklärt sich dem Grund nach bereit, dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren.
2. Ob die Kosten für die Ausbildung zum Kunsttherapeuten übernommen werden können, wird im Rahmen eines anschließenden Verwaltungsverfahrens
geklärt und per Bescheid entschieden. Die Frage, ob die Kosten unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
(vgl. §
13 Abs.
1 SGB VI) zu übernehmen sind, kann nach derzeitiger Sachlage noch nicht abschließend entschieden werden. 3. ".
Nach weiteren Ermittlungen erklärte sich die Beklagte mit Bescheid vom 02.06.2003 dem Grunde nach für die Erbringung für Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständig, lehnte die beantragte Kostenübernahme jedoch wegen fehlender arbeitsmarktlicher Zweckmäßigkeit
eines Studiums zum Kunsttherapeuten ab. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2003 und nunmehr der Begründung
zurück, bei Berücksichtigung der bisherigen rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung als Hausschreiner in der Möbelmontage
sei nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage, unabhängig von der arbeitsmarktlichen Zweckmäßigkeit, eine Ausbildung
vom Niveau eines Hochschulstudiums in keinster Weise erforderlich, Hilfen zur Vermittlung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes
bzw. die Durchführung von Reintegrationsmaßnahmen in einem beruflichen Bildungszentrum vielmehr ausreichend.
Die hiergegen vom Kläger beim Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage auf Erstattung von Kosten für sein Studium in Höhe von
insgesamt 49.166,10 EUR ist mit Urteil vom 12.12.2006 abgewiesen worden. In den Gründen hat das Sozialgericht ausgeführt,
dass die Beklagte das ihr hinsichtlich der Auswahl einer Maßnahme zur beruflichen Widereingliederung des Klägers zustehende
Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Insbesondere sei das Ermessen nicht soweit reduziert, dass nur noch die Gewährung der vom
Kläger konkret beantragten Ausbildung zum Kunsttherapeuten ermessensfehlerfrei sei. Eine konkrete Alternativmaßnahme hätte
die Beklagte nicht unterbreiten müssen, da der Kläger ausdrücklich die Übernahme der Kosten für die Ausbildung zum Kunsttherapeuten
beantragt habe.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 30.04.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.05.2007 Berufung eingelegt. Er trägt
vor, im Hinblick auf seine Hochschulausbildung und seine Tätigkeiten in A. und mangels geeigneter Alternativvorschläge der
Beklagten sei ihr Ermessen auf die Förderung des durchgeführten Studiums reduziert gewesen. Die Beklagte habe durch seine
Anträge im Jahr 1999 bereits vor seinem Antrag vom 09.07.2001 Gelegenheit gehabt, über die Frage der Kostenübernahme einer
Berufsförderungsmaßnahme zu entscheiden. Die Bestandskraft der früheren Ablehnung könne nicht entscheidend sein. Hilfsweise
hätte die Beklagte den erneuten Antrag im Jahre 2001 als Überprüfungsantrag werten müssen. Außerdem sei die Aufnahme des Studiums
unaufschiebbar gewesen, da ihm auf Grund seines Lebensalters nicht zumutbar gewesen wäre, eine Entscheidung der Beklagten
abzuwarten. Sie sei ohnehin entschlossen gewesen, seinen Antrag abzulehnen. Eine Berufung der Beklagten auf die verspätete
Antragstellung sei auch durch den gerichtlichen Vergleich vom 27.01.2003 ausgeschlossen. Er sei allein auf die Überprüfung
der grundsätzlichen Förderungsfähigkeit einer Ausbildung zum Kunsttherapeuten gerichtet gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.12.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 02.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 22.10.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten (49.166,10 EUR) seiner Ausbildung zum Kunsttherapeuten
an der staatlich anerkannten Fachhochschule für Kunsttherapie in N. zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass zum Zeitpunkt des Studienbeginns die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rehabilitation
nicht vorgelegen hätten. Sie habe sich aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zunächst für einen Vermittlungsbescheid
entschieden statt für eine Umschulung. Bei Nachweis gescheiterter ernsthafter Bewerbungsbemühungen wäre sie auch bereit gewesen,
die Gewährung von Reintegrationsmaßnahmen zu prüfen. Der Kläger habe sich aber durch die Aufnahme des Studiums für den Beruf
des Kunsttherapeuten entschieden. Die Leistungen zur beruflichen Weiterbildung seien grundsätzlich auf zwei Jahre begrenzt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz
und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§
143,
144,
151 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die dem Kläger durch die Ausbildung
zum Kunsttherapeuten vom 01.09.2000 bis 15.07.2004 entstandenen Kosten zu erstatten.
Nachdem die streitige Ausbildung des Klägers bereits abgeschlossen ist, kann sich sein Begehren nicht mehr auf die Übernahme
der Förderung als Sachleistung richten, sondern nur noch auf Kostenerstattung. Zwar haben die Beklagte im angefochtenen Bescheid
vom 02.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2003 und das Sozialgericht Stuttgart im Urteil vom 12.12.2006
die Förderung der Ausbildung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §
16 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) iVm §§
33 bis
38 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) und nicht die Voraussetzungen einer Kostenerstattung geprüft. Gleichwohl ist der Kostenerstattungsanspruch Gegenstand der
angefochtenen Bescheide und des erstinstanzlichen Urteils. Denn zwischen den Beteiligten ist neben der - aus damaliger Sicht
- künftigen Förderung der Ausbildung auch die Erstattung der bereits aufgelaufenen Kosten für das im Oktober 2000 vom Kläger
aufgenommene Studium streitig gewesen. Hierfür sprechen auch die Erklärung der Beklagten in ihrem vom Kläger angenommenen
Vergleichsangebot vom 20.01.2003, sie werde nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens entscheiden, ob die Kosten für die
Ausbildung zum Kunsttherapeuten übernommen werden können, und der Tenor des ablehnenden Bescheides vom 02.06.2003 ("Die von
Ihnen beantragte Kostenübernahme eines Studiums zum Kunsttherapeuten kann jedoch durch uns nicht erfolgen"). Damit ist das
Begehren des Klägers von Anfang an (auch) auf Kostenerstattung ausgerichtet gewesen. Da die Maßnahme zwischenzeitlich beendet
ist, ist der zunächst auf Verurteilung der Beklagten zur Förderung der Maßnahme, hilfsweise Neubescheidung, ausgerichtete
Antrag - wie in der mündlichen Verhandlung erfolgt - auf die Verurteilung zur Kostenerstattung umzustellen (vgl. Urteil des
BSG vom 24.02.2000, B 2 U 12/99 R in SozR 3-2200 § 567 Nr. 3, in dem in der Revisionsinstanz erstmals ein Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs.
3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB V - geprüft wurde, obwohl das LSG noch über die Gewährung von Förderungsleistungen für eine Umschulung entschieden hatte).
Der Senat lässt offen, ob Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch §
15 SGB IX ist (fraglich, weil §
16 SGB VI zwar auf die §§
33 bis
38 und §
40 SGB IX verweist, aber gerade nicht auf §
15 SGB IX, s. zur vergleichbaren Problematik im Bereich der medizinischen Rehabilitation BSG, Urteil vom 26.06.2007, B 1 KR 36/06,
wonach weitere Vorschriften des
SGB IX nicht anwendbar seien, und - die Frage offen lassend - Urteil vom 21.08.2008, B 13 R 33/07 R) oder - wegen der dann angesichts des Fehlens einer entsprechenden Vorschrift im
SGB VI bestehenden Regelungslücke - §
13 Abs.
3 SGB V in entsprechender Anwendung (so BSG, Urteil vom 01.08.2008, B 13 R 33/07 R; vergleichbar für die gesetzliche Unfallversicherung BSG, Urteil vom 20.03.2007, B 2 U 38/05 R in SozR 4-1300 § 48 Nr. 10). Denn beide Regelungen führen zu demselben, dem Kläger nachteiligen Ergebnis. Dem entsprechend
bedarf es an dieser Stelle auch keiner näheren Darlegung der (zu bejahenden zeitlichen, vgl. Art 67
SGB IX und die späteren Ausführungen) Anwendbarkeit des zum 01.07.2001 in Kraft getretenen
SGB IX auf die vom Kläger absolvierte Ausbildung.
Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Aufwendungen für eine erforderliche Rehabilitationsleistung nach §
15 Abs.
1 Satz 1 bis
3 SGB IX - eine vergleichbare Regelung enthält §
13 Abs.
3 SGB V nicht - wäre zu verneinen. Die Vorschriften lauten: Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb der
in §
14 Abs.
2 SGB IX genannten Fristen entschieden werden, teilt der Rehabilitationsträger dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der
Gründe rechtzeitig mit. Erfolgt die Mitteilung nicht oder liegt ein zureichender Grund nicht vor, können Leistungsberechtigte
dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche
Leistung selbst beschaffen. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst,
ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung
der Aufwendungen verpflichtet. Vorliegend fehlt es jedenfalls an einer solchen Fristsetzung durch den Kläger.
Auch die Voraussetzungen einer Erstattungspflicht der Beklagten gemäß §
15 Abs.
1 Satz 4
SGB IX und §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V sind nicht erfüllt. Hiernach besteht eine Erstattungspflicht des Rehabilitationsträgers, wenn er eine unaufschiebbare Leistung
nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Da beide Vorschriften inhaltsgleich sind,
sind die für §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V entwickelten Grundsätze über die Voraussetzungen der Erstattungspflicht auf die Regelung des
SGB IX übertragbar (vgl. Welti in Lachwitz/Schellhorn/Welti, Handkommentar zum
Sozialgesetzbuch IX, §
15 Rdnr. 13; Mrozynski,
SGB IX Teil I, Regelungen für Behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen, 2002, § 15 Rdnr. 18).
Um eine unaufschiebbare Sach- bzw. Dienstleistung im Sinne der ersten Alternative der Vorschriften handelt es sich bei der
Ausbildung des Klägers zum Kunsttherapeuten nicht. Unaufschiebbare Leistungen liegen vor allem bei Notfällen und anderen dringlichen
Bedarfslagen vor, in denen eine Sachleistung nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Gerade bei einer Berufshilfemaßnahme ist
in der Regel ein Abwarten der Entscheidung des Rehabilitationsträgers erforderlich, weil die Beschaffung eingehender - dem
Versicherten regelmäßig nicht zur Verfügung stehender - Kenntnisse der verschiedenen für eine berufliche Rehabilitation in
Erwägung zu ziehenden Möglichkeiten notwendig ist, um eine sinnvolle Auswahl hinsichtlich der möglichen Berufshilfemaßnahmen
treffen zu können (vgl. Urteil des BSG vom 24.02.2000, B 2 U 12/99 R in SozR 3-2200 § 567 Nr. 3). Deshalb ist die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des BSG zum Krankenversicherungsrecht,
wonach eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung unaufschiebbar werden kann, wenn mit der Ausführung solange gewartet wird,
bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, damit der angestrebte Erfolg noch erreicht werden kann (BSG, Urteil vom 16.12.1993,
4 RK 5/92 in SozR 3-2500 § 13 Nr. 4) auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, jedenfalls bei Fallgestaltungen (wie hier), in denen
der übliche Weg zur Auswahl möglicher Maßnahmen noch gar nicht beschritten ist, nicht übertragbar. Denn im Krankenversicherungsrecht
geht es regelmäßig nicht um die vom Rehabilitationsträger in Zusammenarbeit mit dem Versicherten zu treffende Auswahl einer
oder mehrerer Maßnahmen anhand unterschiedlichster Kriterien (vgl. §
13 SGB VI und §
16 SGB VI i.V.m. §
33 SGB IX), sondern um die Gewährung konkret vom Versicherten auf Grund einer Empfehlung bzw. Verordnung seines Arztes begehrter Behandlungen,
im o.g. vom BSG entschiedenen Fall um Krankengymnastik.
Im Übrigen würde der Hinweis des Klägers auf sein damaliges Lebensalter von fast 50 Jahren die Gefahr des Fehlschlagens einer
Wiedereingliederung und damit die Unaufschiebbarkeit der Leistung nicht begründen. Dies schon deshalb nicht, weil trotz möglicherweise
- abhängig von der allgemeinen Lage der Wirtschaft und des jeweils für den Betroffenen konkret in Betracht kommenden Arbeitsmarktes
- allgemein schlechter Vermittlungschancen älterer Arbeitnehmer nicht auf bestimmte Grenzen des Lebensalters - 50 Jahre, 52
Jahre, 55 Jahre - für die Beurteilung der konkreten Vermittlungschancen abgestellt werden kann. Eine Eilbedürftigkeit lässt
sich somit allein mit dem Lebensalter nicht begründen. Im Übrigen übersieht der Kläger, dass in seinem Fall auch kürzere Maßnahmen
zur beruflichen Wiedereingliederung, wie Arbeitsvermittlung (§
33 Abs.
3 Nr.
1 SGB IX), ggf. flankiert durch entsprechende Hilfen in Form von Trainingsmaßnahmen (vgl. §
33 Abs.
3 Nr.
1 SGB IX), Anpassungsmaßnahmen (§
33 Abs.
3 Nr.
3 SGB IX) bis hin zu Leistungen an den Arbeitgeber (§
34 SGB IX) grundsätzlich in Betracht gekommen wären.
Auch ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers nach der zweiten Variante des §
15 Abs.
1 Satz 4
SGB IX bzw. §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V (zu Unrecht abgelehnte Leistungen) ist nicht gegeben.
§
15 Abs.
1 Satz 4
SGB IX bzw. §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V, jeweils zweite Variante, setzt das Bestehen eines Primärleistungs(Naturalleistungs)anspruches des Versicherten, dessen rechtswidrige
Nichterfüllung und Ablehnung durch den Versicherungsträger, die Selbstbeschaffung der Leistung durch den Versicherten, einen
Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, die Notwendigkeit der selbst beschafften Leistung
und eine rechtlich wirksame Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung voraus (BSG, Urteil vom 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Bescheid vom 06.08.2001 war für die Kostenlast des Klägers nicht ursächlich (nachfolgend
1.), die über § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in die Prüfung einbezogenen Bescheide aus dem Jahr 1999 betrafen keinen feststellbaren, konkret auf ein Kunsttherapiestudium
bezogenen Antrag (nachfolgend 2.) und es bestand ohnehin kein Primärleistungsanspruch des Klägers auf Förderung gerade der
selbst beschafften Maßnahme (nachfolgend 3.).
1. Hinsichtlich des ablehnenden Bescheides vom 06.08.2001 fehlt es am Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung durch die
Beklagte und der Kostenbelastung des Klägers. Die Ablehnung durch den Leistungsträger muss zur Inanspruchnahme eines bestimmten
Leistungserbringers geführt haben, d.h. die Ablehnung muss diese Inanspruchnahme wesentlich mit verursacht haben (BSG, Urteil
vom 24.09.1996, 1 RK 33/95 in SozR 3-2500 §
13 Nr.
11). Im Hinblick auf das ihm (vorliegend nach §
13 Abs.
1 SGB VI) zustehende Auswahlermessen ist es erforderlich, dass der Sozialleistungsträger rechtzeitig von der Notwendigkeit einer berufsfördernden
Maßnahme erfährt und somit auch seine Zuständigkeit und die Geeignetheit in Betracht kommender Maßnahmen vor deren Beginn
prüfen kann. Andernfalls besteht die erhebliche Gefahr, dass der Versicherte anderweitigen, besser geeigneten Rehabilitationsvorschlägen
nicht mehr mit der erforderlichen Offenheit gegenübersteht, weil er sich durch den Antritt der selbst organisierten Maßnahme
innerlich bereits fest daran gebunden hat und nicht mehr geneigt ist, sich mit einem anderen Berufsfeld auseinanderzusetzen
und sich dort im Bewusstsein, Geld und Mühe für die begonnene selbst gewählte Ausbildung umsonst aufgewandt zu haben, neu
einzuarbeiten (vgl. Urteil des BSG vom 24.02.2000, B 2 U 12/99 R in SozR 3-2200 § 567 Nr. 3). Ein solcher notwendiger Kausalzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der vorläufigen
Kostentragung durch den Versicherten setzt damit voraus, dass die Entscheidung des Leistungsträgers getroffen worden ist,
bevor der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat.
Die Ablehnung des Antrags des Klägers vom 09.02.2001 durch Bescheid vom 06.08.2001 war für die Selbstbeschaffung der Maßnahme
somit nicht ursächlich, weil der Kläger die Maßnahme vor Antragstellung und damit auch vor der Ablehnung dieses Antrages bereits
begonnen hatte.
Soweit der Kläger meint, ein vorheriger Antrag sei in seinem Fall entbehrlich gewesen, weil die Beklagte ohnehin die Förderung
abgelehnt hätte, ist dies unerheblich. Von seiner - noch zur
Reichsversicherungsordnung ergangenen - Rechtsprechung, wonach ein Versicherter die Leistung dann nicht vorher zu beantragen braucht, wenn von vornherein
feststeht, dass die Kasse sie ihm verweigern wird (Urteil vom 14.12.1982, 8 RK 23/81 in SozR 2200 § 182 Nr. 86), ist das BSG im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des §
13 Abs.
3 SGB V abgerückt (BSG, Beschluss vom 15.04.1997, 1 BK 31/96 in SozR 3-2500 § 13 Nr. 15).
Ein Kausalzusammenhang besteht auch nicht teilweise hinsichtlich der nach dem Antrag vom 09.07.2001 aufgelaufenen Kosten der
Ausbildung. Zwar wird bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen die ablehnende Entscheidung
des Leistungsträgers im Allgemeinen als Zäsur angesehen und die Kostenerstattung nur für diejenigen Leistungen ausgeschlossen,
die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung auf eigene Rechnung beschafft wurden, für spätere Leistungen der erforderliche Kausalzusammenhang
dagegen bejaht (BSG, Urteil vom 19.06.2001, B 1 KR 23/00 R in SozR 3-2500 § 28 Nr. 6). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die nachträglich getroffene Entscheidung des Leistungsträgers
noch geeignet war, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. War dagegen das weitere Vorgehen bereits endgültig festgelegt,
fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung und der Kostenbelastung des Versicherten auch für die
Maßnahme, die zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt (Urteil des BSG vom 24.09.1996, 1 KR 33/95 in SozR 3-2500 § 13
Nr. 11 S. 53). Von einer solchen Festlegung des Klägers auf die Ausbildung zum Kunsttherapeuten ist der Senat überzeugt. Denn
anders als mit dem Willen zum Abschluss hätte der Beginn des Studiums keinen Sinn gemacht.
2. Soweit der Kläger behauptet, eine rechtswidrige Ablehnung sei durch die Bescheide vom 03.08.1999 und vom 24.11.1999 erfolgt,
führt dies nicht weiter.
Zwar steht hier die - unstreitig - eingetretene Bestandskraft dieser Bescheide diesem klägerischen Vortrag nicht entgegen.
Denn nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R) ist im Rahmen der Prüfung eines Kostenerstattungsanspruches im Falle bestandskräftig gewordener Ablehnungsbescheide auch
ein Rücknahmeanspruch nach § 44 SGB X zu prüfen.
Eine solche Prüfung wurde vom Kläger bei sinngemäßer Auslegung seines Antrages vom 09.07.2001 beantragt. Die Auslegung eines
Leistungsantrags - gleich, ob als Verfahrenshandlung oder als materiell-rechtliche Voraussetzung - hat sich danach zu richten,
was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst
hätte und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen. Regelmäßig muss der Leistungsträger einen Antrag so auslegen,
dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Die Behörde hat alle auf Grund des Sachverhalts
zu seinen Gunsten in Betracht kommenden rechtlichen Möglichkeiten (innerhalb ihrer Zuständigkeit) zu erwägen und notfalls
auf eine Klärung des Verfahrensgegenstands durch den Antragsteller hinzuwirken (BSG, Urteil vom 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R, auch zum Nachfolgenden). Kann eine Kostenerstattung nur Erfolg haben, wenn zunächst die Bindungswirkung der zuvor ergangenen
ablehnenden Bescheide beseitigt wird, ist der auf die bereits abgelehnte Naturalleistung gerichtete Antrag zugleich als Antrag
auf Überprüfung dieser Bescheide auszulegen. Gerade so liegt der Fall auch bei dem vom Kläger am 09.07.2001 gestellten Antrag.
Denn er kann eine Erstattung seiner Kosten für das Kunsttherapie-Studium allenfalls verlangen, wenn die bestandskräftigen
Ablehnungen vom 03.08.1999 bzw. vom 24.11.1999 aufgehoben werden. Dafür dass er - anders als jeder andere verständige Antragsteller
- von der verwaltungsverfahrensrechtlichen Möglichkeit eines entsprechenden Antrags bei ordnungsgemäßer Beratung keinen Gebrauch
gemacht hätte, bestehen keine konkreten Anhaltspunkte.
Da die Beklagte die Gewährung von Leistungen zur beruflichen Rehabilitation im Bescheid vom 06.08.2001 umfassend ablehnte,
entschied sie auch über den Überprüfungsantrag. Daran änderte der darauf geschlossene gerichtliche Vergleich nichts. Dieser
stellte nur die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erbringung berufsfördernder Leistungen fest
und behielt die Frage der Förderung der begonnenen Maßnahme (auch durch Kostenerstattung) einer erneuten Entscheidung der
Beklagten vor. Damit aber wurde die Verpflichtung der Beklagten zu einer Entscheidung nach § 44 SGB X erneut eröffnet und eine Rücknahme mit dem streitbefangenen Bescheid vom 02.06.2003 und Widerspruchsbescheid vom 22.10.2003
wiederum abgelehnt.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden
ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ein solcher
Anspruch auf Rücknahme eines der im Jahre 1999 ergangenen, berufsfördernde Leistungen ablehnenden Bescheide besteht nicht.
Der Bescheid vom 03.08.1999 war schon deshalb nicht rechtswidrig, weil der Kläger zum damaligen Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen für berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation nach §
11 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI in Form einer Wartezeit von 15 Jahren (vgl. den Versicherungsverlauf vom 06.03.2009 mit einer frühesten Belegung mit Beitragszeiten
im Mai 1991) nicht erfüllte und auch nicht die besonderen Voraussetzungen nach §
11 Abs.
2a SGB VI vorliegen, wonach an Versicherte, die die Wartezeit nicht erfüllen, Rehabilitationsleistungen erbracht werden, wenn ohne
diese Leistungen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu leisten wäre oder wenn sie für eine voraussichtlich erfolgreiche
Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an medizinische Leistungen der Träger der Rentenversicherung erforderlich sind. Eine
Rentenberechtigung scheidet angesichts des im Entlassungsbericht der Reha-Klinik G. beschriebenen Leistungsvermögens des Klägers
(vollschichtige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne häufiges Bücken, Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten
und ohne fixierte Arbeitshaltung; vergleichbar die später von Dr. S. vorgenommene Beurteilung: leichte körperliche Arbeiten
ohne Zwangshaltung und häufiges Bücken überwiegend im Sitzen) aus und eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme wurde erst
nach Erlass des Bescheides vom 03.08.1999 beendet. Im Zeitpunkt des Bescheides vom 03.08.1999 stand somit die Notwendigkeit
berufsfördender Maßnahmen im Anschluss an die medizinische Rehabilitation (noch nicht) fest.
Auch wenn letzteres für den Bescheid vom 24.11.1999 nicht gilt, weil der Kläger zuvor, nämlich bis zum 30.08.1999, eine medizinische
Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik G. durchgeführt hatte, und angesichts der Leistungsunfähigkeit für die bisherige
Tätigkeit ein Rehabilitationsbedarf bestand (so auch die im späteren Vergleich zum Ausdruck gekommene Auffassung der Beklagten),
wurde mit diesem Bescheid die Maßnahme, für die der Kläger einen Kostenerstattungsanspruch geltend macht, also das Studium
der Kunsttherapie, nicht zu Unrecht abgelehnt.
Denn der Senat kann schon nicht feststellen, dass der Kläger damals die Förderung eines Studiums zum Kunsttherapeuten beantragt
hätte, sodass auch nicht feststeht, dass die Beklagte die Förderung der in Rede stehenden Maßnahme durch den Bescheid vom
24.11.1999 überhaupt ablehnte. Die diesbezüglichen Verwaltungsvorgänge und damit auch der vom Kläger damals gestellte Antrag
sind bereits vernichtet, eigene Unterlagen hierüber hat der Kläger nicht vorgelegt. Er behauptet eine solche konkrete Antragstellung
auch nicht. Noch vorhandene Unterlagen deuten eher auf das Gegenteil: Gegenüber Dr. S. hat der Kläger noch im März 2000 eine
berufliche Tätigkeit als Kunsttherapeut oder Seelsorger in Betracht gezogen. Hatte der Kläger aber damals noch derartige Alternativen
im Sinn, kann sich sein Antrag vom 15.06.1999 schwerlich auf eine einzige Maßnahme, nämlich ein Studium zum Kunsttherapeuten,
bezogen haben. Gerade dies - die Ablehnung konkret jener Maßnahme, die sich der Kläger später selbst beschaffte - aber wäre
erforderlich gewesen. Denn nur dann wäre ein den Kostenerstattungsanspruch nach sich ziehender Primärleistungsanspruch (Förderung
des Kunsttherapiestudiums) abgelehnt worden.
Es fehlt damit - was die Bescheide aus dem Jahre 1999 anbelangt - an einer rechtswidrigen Ablehnung einer konkret beantragten
Förderung des Kunsttherapiestudiums.
3. Im Übrigen verneint der Senat - wie das Sozialgericht - einen Primärleistungsanspruch, also den Anspruch des Klägers gegen
die Beklagte auf Förderung des Studiums zum Kunsttherapeuten.
Der Anspruch des Klägers richtet sich - obwohl er die Maßnahme schon zuvor begonnen hatte - nach dem zum 01.07.2001 in Kraft
getretenen
SGB IX, weil die Förderung konkret dieser Maßnahme - wie oben dargelegt - erst nach diesem Zeitpunkt, nämlich mit dem am 09.07.2001
gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form des begonnenen Studiums, beantragt wurde.
Die Voraussetzungen einer Fortgeltung des zum Zeitpunkt des Ausbildungsbeginns im Oktober 2000 geltenden Rechts liegen nicht
vor. Nach Artikel 67 des
SGB IX sind auf Leistungen zur Teilhabe bis zum Ende der Leistung oder der Maßnahme die Vorschriften vor dem Tag des Inkrafttreten
dieses Gesetzes geltenden Fassung nur dann weiter anzuwenden, wenn vor diesem Tag der Anspruch entstanden ist, die Leistung
zuerkannt worden ist oder die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist.
Keine dieser Voraussetzungen liegt vor. Da - entsprechend den vor und nach Inkrafttreten des
SGB IX geltenden Grundsätzen der beruflichen Rehabilitation - die Ausübung von Ermessen im Raum steht, gilt §
40 Abs.
2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I), wonach bei Ermessensleistungen ein Anspruch erst im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Ermessensentscheidung entsteht. Diese
Vorschrift ist Ausdruck des Grundsatzes, dass der Rehabilitationsantrag nicht nur verfahrensrechtliche, sondern auch materiell-rechtliche
Bedeutung hat (BSG, Urteil vom 15.12.1994, 4 RA 44/93 in SozR 3-5765 § 10 Nr. 3). Der Leistungsträger kann zwar im Rahmen seines Ermessens im Bescheid den Zeitpunkt bestimmen,
in dem der Anspruch entsteht, etwa wenn wegen einer Ermessensreduzierung auf Null die Rechtspflicht zur Leistung bereits früher
eingetreten ist (vgl. Seewald in KassKomm, Sozialversicherungsrecht, § 40 SGB X RdNr. 8). Aber auch im Fall einer - hier vom Kläger geltend gemachten - Ermessensreduzierung auf Null entfällt die Notwendigkeit
der Bekanntgabe der Ermessensentscheidung für das Entstehen des Anspruchs nicht (BSG, Urteil vom 24.06.1987, 5a RKnU 2/86
in SozR 1200 § 40 Nr. 3). Da die Beklagte den Anspruch abgelehnt hat, hat sie keinen vom Zeitpunkt der Bekanntgabe abweichenden
Leistungszeitpunkt bestimmt. Damit ist der Rehabilitationsanspruch des Klägers nicht vor der Antragstellung am 09.07.2001
entstanden.
Der Senat verneint einen Anspruch des Klägers auf Förderung des Studiums bereits im Hinblick auf dessen Dauer. Denn nach §
16 SGB VI i.V.m. §
37 Abs.
2 SGB IX sollen Leistungen zur beruflichen Weiterbildung in der Regel bei ganztägigem Unterricht nicht länger als zwei Jahre dauern,
es sei denn, dass das Teilhabeziel nur über eine länger dauernde Leistung erreicht werden kann oder die Eingliederungsaussichten
nur durch eine länger dauernde Leistung wesentlich verbessert werden. Es handelt sich - wie der Senat in seinem Urteil vom
19.02.2009, L 10 R 3055/08 bereits entschieden hat - bei dieser Regelung entsprechend den früheren, inhaltsgleichen Bestimmungen in den verschiedenen
Sozialleistungsbereichen (siehe zu § 1237a
Reichsversicherungsordnung -
RVO-, § 14a Angestelltenversicherungsgesetz BSG, Urteil vom 31.1.1980, 11 RA 8/79 in SozR 2200 § 1237a Nr. 10 und zu § 567 Abs. 3 Satz 2
RVO BSG, Urteil vom 28.1.1993, 2 RU 10/92 in SozR 3-2200 § 567 Nr. 2) um ein striktes Verbot (mit gesetzlicher Ausnahmeregelung) der Förderung einer länger als zwei
Jahre dauernden Weiterbildungsmaßnahme, sodass dem Versicherungsträger hinsichtlich der Einhaltung der Förderungshöchstdauer
kein Ermessen eingeräumt ist (BSG, Urteil vom 28.01.1993, aaO.; Hessisches LSG, Urteil vom 25.10.2004, L 12 RJ 1157/03; Niesel in KassKomm §
16 SGB VI Rdnr. 36 m.w.N.).
Diese Regelung ist vorliegend anwendbar. Das vom Kläger absolvierte Kunsttherapiestudium ist eine Maßnahme der Weiterbildung
i.S. §
37 Abs.
2 SGB IX (zu den Begriffen s. Urteil des Senats vom 19.02.2009 m.w.N.), weil der Kläger in seinem Heimatland bereits eine Ausbildung
durchlief.
Die in §
37 Abs.
2 SGB IX vorgesehenen Ausnahmen von der Förderungshöchstdauer liegen nicht vor. Voraussetzung für eine Überschreitung der zweijährigen
Förderungshöchstdauer ist, dass es für den Kläger keine in kürzerer Zeit zu erreichende Maßnahme zur beruflichen Eingliederung
gegeben hätte (BSG, Urteil vom 28.01.1993, aaO.; Hessisches LSG, aaO.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.04.2003, L 3 AL 2135/02 zum damaligen § 103 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch). Dies vermag der Senat nicht festzustellen. Insoweit ist zu beachten,
dass das Leistungsvermögen des Klägers für den gesamten Bereich der leichten körperlichen Tätigkeiten nicht wesentlich (s.
die bereits aufgeführten qualitativen Einschränkungen) eingeschränkt war, sein intellektuelles Leistungsvermögen gar nicht.
Damit wäre eine ganze Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, insbesondere im Bürobereich, in
Betracht gekommen, für die der Kläger geeignet war oder ggf. mit entsprechenden Bildungsmaßnahmen kürzerer Dauer im Rahmen
berufsfördernder Leistungen ohne weiteres hätte qualifiziert werden können. Der Träger der beruflichen Rehabilitation ist
auch nicht verpflichtet, bei einer nicht förderungsfähigen beruflichen Rehabilitationsmaßnahme zumindest den Teil der Maßnahme
zu finanzieren, der ihrem Leistungsaufwand bei einer notwendigen, von ihr zu fördernden beruflichen Eingliederung entspräche
(BSG, Urteil vom 26.11.1987, 2 RU 2/86 in SozR 2200 § 567 Nr. 4).
Soweit der Kläger meint, seine beruflichen Aussichten seien im Hinblick auf sein Alter und die Lage des Arbeitsmarktes schlecht
gewesen, ist dieser Einwand nicht geeignet, die Notwendigkeit einer Überschreitung der Förderungshöchstdauer zu begründen.
Allerdings trifft es zu, dass Vermittlungschancen älterer Arbeitnehmer je nach Arbeitsmarktlage allgemein gering sein können.
Der Senat hat in diesem Zusammenhang aber bereits entschieden (Urteil vom 26.7.2007, L 10 R 5394/06 und im bereits erwähnten Urteil vom 19.02.2009), dass es eine unzulässige Vereinfachung der Sichtweise ist, im Wesentlichen
auf das Alter des Versicherten und allgemein schlechte Chancen älterer Arbeitnehmer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gestützt
bestimmte Fortbildungen oder Umschulungen abzulehnen. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass sich der Arbeitsmarkt auch für
ältere Arbeitnehmer verändern kann, gerade auch in Abhängigkeit von der allgemeinen wirtschaftlichen Situation, zu berücksichtigen
ist weiter der die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt erhöhende Qualitätsvorteil eines Bewerbers mit abgeschlossener
Berufsaufbildung und mehrjähriger Berufserfahrung und zu berücksichtigen sind die möglichen weiteren "flankierenden" Maßnahmen
des Rehabilitationsträgers nach Abschluss der Weiterbildung wie z.B. Vermittlung (§
33 Abs.
3 Nr.
1 SGB IX) oder Leistungen an Arbeitgeber (§
34 SGB IX). Deshalb können eventuell nach der Weiterbildung zu erwartende Vermittlungsprobleme als solche keine Ablehnung einer Maßnahme
rechtfertigen. Dies gilt für den Leistungsträger und den Versicherten gleichermaßen.
Soweit der Kläger auf seine Neigung zur Kunst und therapeutischer Hilfeleistung verweist, führt dies nicht weiter. Zwar ist
die Neigung des Versicherten nach §
16 SGB VI i.V.m. §
33 Abs.
4 Satz 1
SGB IX bei der Auswahl der Leistungen zu berücksichtigen. Der Berufswunsch ist aber nicht das allein entscheidende Kriterium (BSG,
Urteil vom 28.1.1993, aaO.; Urteil vom 28.3.1990, 9b/7 RAr 92/88 in SozR 3-4100 § 56 Nr. 1) für die Auswahl - zu den Kriterien vgl. §
13 und §
16 SGB VI i.V.m. §
33 SGB IX - und damit erst recht kein allein maßgebender Grund für die Überschreitung der Höchstdauer (BSG, Urteil vom 28.1.1993, aaO.).
Denn es besteht kein Anspruch auf die "optimale", d.h. den Neigungen und Wünschen voll entsprechende Förderung, die insoweit
über den gesetzten Rahmen hinausginge (BSG, aaO.).
Im Übrigen - sofern bei der Frage nach dem Vorliegen eines Primärleistungsanspruches eine Prüfung der Ermessensentscheidung
der Beklagten vorzunehmen wäre - teilt der Senat die Auffassung des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil, wonach eine Reduzierung
des Ermessens der Beklagten auf Null angesichts der vom Sozialgericht zutreffend dargelegten gesetzlichen Kriterien (vgl.
§
13 und §
16 SGB VI i.V.m. §
33 SGB IX) nicht eingetreten ist und weist insoweit die Berufung gemäß §
153 Abs.
2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Soweit der Kläger meint, eine Ermessensreduzierung auf Null sei im
Hinblick auf die Untätigkeit der Beklagten, also eine unterlassene Einleitung notwendiger berufsfördernder Maßnahmen, eingetreten,
übersieht er, dass die gesetzlichen Regelungen, nach denen der Rehabilitationsträger seine Entscheidung über die Auswahl berufsfördernder
Leistungen zu treffen hat, kein derartiges Kriterium enthalten. Damit könnte die behauptete Pflichtverletzung nur für einen
Kostenerstattungsanspruch von Bedeutung sein, ein solcher steht jedoch nicht im Ermessen der Beklagten. Soweit der Kläger
Fehler in der Ausübung des Ermessens durch die Beklagte behauptet, braucht dem nicht nachgegangen zu werden. Denn eine fehlerhafte
Ermessensausübung führt allenfalls zur Pflicht des Leistungsträgers, über den Antrag erneut zu entscheiden, nicht aber zu
einer Ermessensreduzierung auf Null. Eine solche Ermessensreduzierung und damit eine Verpflichtung der Beklagten zur Förderung
gerade des selbst beschafften Studiums wäre aber zur Bejahung des vom Kostenerstattungsanspruch vorausgesetzten Primärleistungsanspruch
erforderlich.
Für die Auffassung des Klägers, auf Grund des vor dem Sozialgericht Stuttgart geschlossenen Vergleichs vom 20.01.2003 sei
die Überprüfung der Kostenübernahme für das Kunsttherapeutenstudium lediglich auf die Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit
und Sparsamkeit beschränkt und damit eine Ablehnung aus anderen Gesichtspunkten ausgeschlossen, gibt der Wortlaut des Vergleichs
nichts her. Die Formulierung "ob die Kosten für die Ausbildung zum Kunsttherapeuten übernommen werden können, wird im Rahmen
eines anschließenden Verwaltungsverfahrens geklärt und per Bescheid entschieden" beinhaltet keine Einschränkung der Überprüfung
auf bestimmte Aspekte, insbesondere keinen Verzicht, sich auf eine verspätete Antragstellung zu berufen. Eine Einschränkung
ergibt sich auch nicht aus dem Zusatz, dass nach derzeitiger Sachlage noch nicht abschließend entschieden werden könne, ob
die Kosten unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu übernehmen seien. Hierbei handelt es sich
lediglich um eine Begründung dafür, dass nochmals ein Verwaltungsverfahren durchgeführt und ein Vergleich abgeschlossen werden
soll. Mit der Anerkennung eines Anspruchs des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach durch den
Vergleich ist lediglich der Einwand der Beklagten im Berufungsverfahren ausgeschlossen, dass zum Zeitpunkt der Aufnahme des
Fachschulstudiums im Oktober 2000 die versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht vorgelegen haben.
Da die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nicht vorliegen, sind die vom Kläger im Einzelnen geltend gemachten Kosten
für das von ihm durchgeführte Studium zum Kunsttherapeuten sowie deren Höhe nicht zu überprüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.